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KOMMUNISTISCHE STREITPUNKTE - Zirkularblätter - Nr. 7 - 20.11.2001 - Onlineversion

Ansgar Knolle-Grothusen

Von Gemeinsamkeiten und Differenzen

Ergebnisse des Streitpunkte-Treffens am 8.-10. Juni 2001



Vorbemerkung:

Dieses Resumee beruht ausschließlich auf meinen unvollständigen Notizen und Erinnerungen, mag von daher subjektiv gefärbt sein und kann besonders den Diskussionsverlauf, in dem viele anregende, z.T. für mich neue Akzente gesetzt wurden, absolut nicht wiedergeben oder zusammenfassen - im Gegensatz zum Treffen vor einem Jahr hatten wir nicht die Möglichkeit die Beiträge mitzuschneiden. Ergänzungen dieses Resumees, die als wichtig empfundene Diskussionsbeiträge skizzieren, wären also zur Verstetigung unserer Debatte sehr sinnvoll.


Erster Tag: Beginn mit einer kurzen Einleitung von mir entlang des zur Vorbereitung verschickten Papiers, in dem ich versucht habe, in der bisherigen Debatte zutage geförderte Gemeinsamkeiten und Differenzen zu benennen.

Bei der Formulierung der 7 Konsenspunkte bin ich ausgegangen von einem Papier „Von Gemeinsamkeiten und Differenzen“ daß Klaus Herrmann 1998 vorgelegt hatte. Dort hatte er 7 Zitate von Daniel Dockerill und Mathias Grewe aus dem Zirkular „übergänge“ zusammengestellt, die er damals als Konsenspunkte in unserer Debatte ansah. Die Kernaussagen dieser Zitate, so wie ich sie verstanden habe, habe ich mit eigenen Worten in meinen Konsenspunkten 1-6 zu formulieren versucht und um zwei weitere Punkte ergänzt; - ebenfalls habe ich die von Klaus Herrmann festgestellten vier Dissenzpunkte um zwei weitere Punkte ergänzt.

Die vermuteten Konsens- und Dissenzpunkte waren in dem zur Vorbereitung verschickten Papier wie folgt formuliert:

Konsenspunkte:

  1. Die Warenform der Produkte, durch die das arbeitsteilige gesellschaftliche Verhältnis der Menschen zueinander sich als Eigenschaft ihrer Produkte darstellt, muß im Übergang zu einer kommunistischen Gesellschaft aufgehoben werden.

  2. Das Kapital ist nicht irgendein, sondern das einzige Dasein des Werts als wirkliches Produktionsverhältnis.

  3. In der kommunistischen Revolution geht es darum, daß die Individuen ihre gesellschaftlichen Verhältnisse zueinander ihrem Willen und Bewußtsein unterwerfen, statt den Verhältnissen unterworfen zu sein.

  4. Reduktion der notwendigen Arbeit um frei verfügbare Zeit zu setzen - anstelle des reduzierens der notwendigen Arbeit um Mehrarbeit zu setzen: das ist der noch heute vollständig gültige Kernpunkt des Marxschen Programms zum kommunistischen Umbau des Kapitalismus.

  5. Kommunistische Gruppierungen, die 'Arbeit für alle!' und 'Geld ist genug da' propagieren, sind weit hinter Marx zurückgefallen.

  6. Um aus der Zirkulation der Produktion von Schnellschüssen und Verkürzungen herauszukommen: Zurück zu Marx!

  1. Die Zielstellung kommunistischer Praxis muß als doppelte formuliert werden: Aufhebung der Ausbeutung des Menschen durch den Menschen und Aufhebung der Herrschaft des Produkts über den Produzenten.

  2. An die Stelle der Regelung der Reproduktion durch das Wertgesetz wird treten die genossenschaftliche Regelung der Gesamtarbeit.

Dissenspunkte:

  1. unterschiedliches Verständnis des Arbeitsbegriffs bei Marx1

  2. Arbeitszeitrechnung und ihre Rolle in einer kommunistischen Gesellschaft2

  3. Im Kapitalismus heute hervorgetriebene Potenzen und Potentiale für den Übergang zu einer kommunistischen Gesellschaft3

  4. Die Frage nach der Reife der Bedingungen für den Übergang.4

  1. Unterschiedliche Vorstellungen über die Begriffe Proletariat, Arbeiterklasse, über die heutige Klassenstruktur, über ihre Relevanz für organisiertes gesellschaftsveränderndes Handeln

  2. Frage des Revolutionsbegriffs, bzw. den Formen des Übergangs von kapitalistischen Gesellschaften zum Verein freier Menschen.5



In der anschließenden Diskussion wurde kritisiert, daß ein zentraler Themenkomplex - nämlich das Theorie-Praxis-Verhältnis - in der bisherigen Debatte besonders von Karl-Heinz Landwehr und Werner Imhof thematisiert, in dem Papier nicht angesprochen wurde. Hier läge ein weiterer Dissenzpunkt vor. Weiter wurde in der Diskussion deutlich, daß einige der von mir vermuteten Gemeinsamkeiten - jedenfalls so, wie ich sie formuliert habe - nicht als Konsenzpunkte angesehen wurden. Bereits an der Diskussion des ersten mutmaßlichen Konsenspunktes brach der ganze Strauß der Dissenzpunkte hervor.

Mathias Grewe: In meiner Formulierung des 1. Konsenspunktes, die inhaltlich etwas anderes sei, als das von Daniel und ihm formulierte, würde mein vorgeblicher Konsenspunkt 7 gedanklich vorweggenommen und zu diesem Punkt 7 gäbe es erheblichen Widerspruch - er sei Dissenzpunkt.

Das ist in der Tat zutreffend. Auf dem Treffen im Juni 2000, auf dem die in diesem Punkt aufgeworfene Frage der doppelten Zielstellung kommunistischer Praxis Thema war, schien hierüber zwar weitgehend Konsens zu herrschen, aber in der nachfolgenden schriftlichen Debatte kam ein Einspruch von Daniel Dockerill6, auf den ich - ebenfalls schriftlich - reagiert habe7. Die aus der umstrittenen doppelten Zielstellung kommunistischer Praxis abgeleitete Konsequenz der Ablehnung aller Partei- und Revolutionskonzepte, die auf die Bildung eines Stellvertretersubjektes hinauslaufen, u.a.formuliert in den von Werner Imhof zu unserem Treffen mitgebrachten Thesen8, zog sich in der Debatte das Etikett „Schwärmertum“ zu.


Zu Konsenspunkt 2 meldete Zwi Diskussionsbedarf an - dies sei in seinen Augen (noch) kein Konsenspunkt.


Nächster Morgen: Zwi wendet das Etikett Schwärmertum gegen den anderen Pol: „Schwärmertum“ sei der utopische Kommunismus, der die Wirklichkeit nach einem Ideal modeln wolle, statt in den gesellschaftlichen Widersprüchen der konkreten historischen Situation das übergreifende Moment in seiner Wirkungsweise zu erfassen und die wirklich schon vorhandene Negation des Bestehenden als Bewegung zur Geltung zu bringen. Dem entspräche eine Vorstellung von Organisation, die der 'falschen' Gesellschaft ihre Ideale letztlich gewaltsam aufzwingen müsse, könnten doch für die Schwärmer nicht die gesellschaftlichen Subjekte, die Gesellschaftsklasse der Proletarisierten selbst aktive Organisatoren der kommunistischen Assoziation selbstbestimmter Gesellschaftsindividuen werden, sondern allein "die Organisation" der Erleuchteten, der mit "dem Willen" mystisch ausgestatteten Funktionäre des organisierten Weltgeists. Diese repräsentierten für die Klasse den erst herzustellenden Zustand, für dessen Verwirklichung sie schwärmen als Garanten der Reinerhaltung der Idee.

Die Subjektivität des Schwärmertums im Kommunismus sei also nichts anderes als eine Art Sektenreligiosität. Als ihre Organisationsform entstehe also mit "gesellschaftlicher Naturgesetzlichkeit" immer wieder die kommunistische Sekte, wie die religiöse Entfremdung insgesamt in immer erneuten Formen aus dem Jammertal der bürgerlichen Gesellschaft hervorgetrieben werde. Das Schwärmertum in der kommunistischen Bewegung kümmere sich nicht hinreichend, nicht wirklich ernsthaft um die gesellschaftliche Wirklichkeit, wie sie objektiv beschaffen ist, sondern bleibe mehr oder weniger im Subjektivismus befangen: die Menschen müssten nur wollen, dann wären die objektiven Bedingungen der Revolution schon gegeben! das hieße: die komplizierte Dialektik von objektiven und subjektiven Bedingungen der "naturwüchsigen" Gesellschaftlichkeit stellten sich in dieser Sichtweise als lediglich subjektive Bedingtheit, purer Willen und bloßes Bewusstsein dar; dem nicht materialistisch-historisch erklärten Mangel an Willen und Bewusstsein zum Kommunismus auf Seiten der proletarisierten Massen, die man darum kurzerhand für "antikommunistisch", verbürgerlicht, verspiessert, von "fremdem" Bewusstsein infiziert usw. erklärt, muss nun "die Organisation" als Repräsentation des abwesenden Klassenwillens und -bewusstseins abhelfen, indem sie - statt die wirkliche Vermittlung zu organisieren, wirkliche Avantgarde zu werden, den Leuten zu erklären, was sie tun - dem fehlenden Willen "nachhilft", sprich: Nachdruck verleiht, Unterwerfung unter ihre Weltanschauung und Doktrin einfordert. Statt der alles entscheidenden Theorie/Praxis-Vermittlung, statt der Untersuchung und des auf-den-Begriff-Bringens der wirklichen Bewusstseinslage, Kampfformen und Gesten des Proletariats-an-sich organisiere die Sekte folgerichtig nur "Propaganda und Agitation", statt Praxis-der-Theorie und schliesslich Theorie-der-Praxis schaffe das Schwärmertum niemals mehr als eine Art Pseudo-Praxis der aktionistischen Betriebsamkeit. Aus dieser verkehrten Zweck-Mittel-Relation des Schwärmertums resultiere auch eine bestimmte Art von pragmatistisch-opportunistischer Realpolitik. Das Scheitern der realpolitischen Modelle (s. realer Sozialismus) würde von der schwärmerischen Sekte dann wieder subjektivistisch erklärt, letztlich auf Verrat zurückgeführt. Zusammenfassen lasse sich das Schwärmertum des utopischen Kommunismus in dem ideologischen Anspruch und dem politischen Wahn, die Arbeit der Vermittlung schlechthin zu ersetzen, zu überspringen durchs Postulat des Wollens und Sollens, durch die Organisierung des Glaubens an ein "kommunistisches" Ideal, durch die Predigt der deterministischen "Notwendigkeit" der gewaltsamen Herstellung dieses Idealzustands (bei Strafe des Kriegs und sonstigen apokalyptisch gefärbten Untergangs), durch Unterwerfungsversuch unter "die" Organisation, die mit derartiger Apokalyptik droht und erpresst, aber vor allem und im wesentlichen durch das Versprechen, sie verbürge irgendeinen archimedischen Punkt, von dem aus alle wirklichen Probleme einer wirklichen Periode der Umwandlung der kapitalistischen in die kommunistische Gesellschaft übersprungen bzw. ausgeschaltet, aufgelöst werden könnten, ohne dass diese Übergangsperiode das Werk der Arbeiterklasse selber sein müsse.


Zu dem von mir als Dissenzpunkt 5 benannten Themenkomplex (Proletariat - revolutionäres Subjekt?) wurden in die Diskussion zusätzlich zu den schriftlichen Ausführungen von Uli Weiß9 und mir10 auch die Überlegungen von Klaus Braunwarth11 einbezogen.


Im Verlauf der Diskussion wurden als weitere zu bearbeitende Dissenzpunkte benannt:

  • Das Verhältnis von Wertform und Wertsubstanz

  • Der Dissenzpunkt 6 wurde konkretisierend in eine ganze Reihe von Dissenzpunkten aufgelöst:

  • Was war im Osten 1917-1989?

  • Frage der Staatlichkeit im Übergang zu einer neuen Gesellschaft

  • Frage der Partei

  • Weitere Differenzen liegen in der Bewertung aktueller Vorgänge. In diesem Zusammenhang wurde angeregt, die Debatte, die wir vor zwei Jahren aus Anlaß des Krieges in Jugoslawien geführt haben, noch einmal aufzugreifen.


In die Debatte am Nachmittag, als es darum gehen sollte, wie wir diese Differenzen bearbeitbar machen und die Debatte systematisch führen können, also um so etwas wie ein Arbeitsprogramm für die Kommunistischen Streitpunkte, brachten die übergänger den schriftlichen Vorschlag12 ein, die Kommunistischen Streitpunkte sollten sich in die aktuellen programmatischen Debatten von PDS, KPD und DKP kritisch einmischen.

Dieser Vorschlag führte zu einer etwas gereizten Stimmung, da einige hierin einen Versuch sahen, unsere gerade beginnende Debatte in eine andere Richtung zu lenken. Eine Abstimmung über diesen Vorschlag steht noch aus.

Mein eigener Standpunkt zu dem Vorschlag der „übergänge“:

Ich bin aus zwei Gründen gegen den Vorschlag der „übergänge“. Erstens, weil in unserem Kreis völlig umstritten ist, ob Parteien in dem engen Verständnis von Parteien nach dem Parteiengesetz, in dem sie von den „übergängen“ ins Gespräch gebracht wurden, „als Erben und stehengebliebener Rest des Kommunismus in Deutschland“, überhaupt eine taugliche Meßlatte sind, an dem „jeder Versuch, den Kommunismus auf der Höhe der Jetztzeit neu zu begründen, wohl oder übel sich messen lassen“ müsse; zweitens, weil wir gerade dabei sind, unsere Debatte anhand der zu bearbeitenden inhaltlichen Fragen zu gliedern; falls man überhaupt durch die Beschäftigung mit den von den „übergängen“ vorgeschlagenen programmatischen Texten an die für die Entfaltung unserer Debatte entscheidenden Fragen herangelangen kann, was ich nach meiner Kenntnis dieser Texte für ausgesprochen problematisch halte, wäre das nur ein Umweg, der uns unstrukturiert zu den gleichen Fragen führt, mit denen wir uns eh gerade in inhaltlich strukturierter Form beschäftigen wollen. Wenn die „übergänge“, oder andere die an einem solchen Arbeitsvorhaben Interesse haben und es durchführen, zu Ergebnissen kommen, die für unsere Debatte wichtig sind, können sie die Ergebnisse ja gern in unsere Debatte einspeisen.


Am 3.Tag haben wir ein provisorisches Arbeitsprogramm für die nächsten Treffen beschlossen.


Für das nächste Treffen im Januar 2002 haben wir uns den Themenkreis

Weltmarkt - Kapitalakkumulation - Krise

vorgenommen. Grundlage der Debatte sollen der bereits einmal andiskutierte Beitrag „Imperialismus und Weltordnung13 von Klaus Braunwarth, sowie der sich daran anschließende Briefwechsel14 zwischen Klaus Herrmann und Klaus Braunwarth und der Beitrag „Kapitalakkumulation und Krise15 von Klaus Herrmann bilden.


Für die darauffolgenden Treffen wurde thematisch ins Auge gefaßt:

  • Zur Beziehung von Wertsubstanz und Wertform, Gesellschaftlichkeit der Arbeit

    Hierbei soll es um die Frage gehen, ob es richtig ist, so unmittelbar wie ich es tue, in der gleichen menschliche Arbeit als der Wertsubstanz das entscheidende über den Kapitalismus hinausweisende Moment zu sehen, das nur von seiner das gesellschaftliche Verhältnis in ein Verhältnis von Sachen verkehrenden Form befreit werden müsse. Als eine andere Position begründende Texte wurden in die Debatte gebracht: Rubin, Studien zur Marxschen Werttheorie, und SOST, Dialektik der Kategoriendebatte in der UdSSR 1927-1929.

  • Soziale Bewegung und revolutionäre Theoriebildung -

    zum Theorie-Praxis-Verhältnis bezogen auf den Parteibildungsprozeß

    theoretische Praxis, neue Praxisformen

  • Was ist Kommunismus?

 

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1Zu diesem Dissenzpunkt schrieb ich in dem vorbereitenden Text folgende Anmerkung: Für mich zählen an diesem Punkt die zutage getretenen Gemeinsamkeiten innerhalb unseres Kreises gegenüber dem, was sonst in der westdeutschen Linken hier an Begriffsverwirrung vorherrscht, stärker, als die noch sichtbaren Differenzen.

Die in den Streitpunkten vertretenen Auffassungen heben sich sehr wohltuend sowohl von dem „Arbeit, Arbeit, Arbeit“-Gejammere des linken Mainstream, als auch von den Arbeitsabschaffern a la „Manifest gegen die Arbeit“ ab.

Differenzen unter uns zum Arbeitsbegriff mache ich an folgenden Punkten aus:

a) Daniel Dockerill hält die Arbeit im Kapitalismus bereits für unmittelbar gesellschaftlich, dagegen Ansgar Knolle-Grothusen, Werner Imhof und Klaus Hermann: Die Arbeit im Kapitalismus sei zwar gesellschaftlich, aber eben noch nicht unmittelbar, sondern vermittelt durch die Warenform der Produkte. Dieser Dissenz könnte Folgen für die Bestimmung der Aufgaben im Übergang zu einer kommunistischen Gesellschaft haben, diese sind jedoch noch nicht ausformuliert.

b) Klaus Hermann kritisiert die in der Debatte zum Ausdruck kommende Betonung der ontischen Komponente des Arbeitsbegriffs. Dagegen stehen alle anderen, die sich zu diesem Thema geäußert haben, vielleicht mit Ausnahme von Uli Weiß. Vielleicht liegt hier jedoch nur ein Mißverständnis vor: Arbeit „als Naturkonstante“, als „einer dem geschichtlichen Wandel enthobenen Kategorie“, wie Klaus Hermann unterstellt, schwebt mir jedenfalls nicht vor, wenn ich auch das formationsübergreifende Moment der Kategorie Arbeit betone, und so wie ich die anderen verstanden habe, ihnen auch nicht. Wie jede andere gesellschaftliche Kategorie bestimmt Marx auch die Kategorie der Arbeit aus ihrem jeweiligen historischen Zusammenhang.

Dabei haben wir einmal den Zusammenhang und die Entwicklung einer Kategorie über die Grenzen der Gesellschaftsformationen hinweg, wir finden die Arbeit nicht nur in der kapitalistischen, sondern auch in der feudalen, der Sklavenhalterhaltergesellschaft usw. ja, die Arbeit ist eine derart grundlegende Kategorie, daß wir sie in jeder Form von menschlicher Gesellschaft antreffen, insofern hat sie etwas allen Gesellschaftsformen gemeinsames, eine ontische Dimension, und weist damit auch hinaus über die konkrete Form, die sie heute hat. Zum zweiten wird jede Kategorie innerhalb der zu untersuchenden Gesellschaftsformation bestimmt durch den Zusammenhang in dem sie zu anderen Kategorien in dieser Gesellschaftsformation steht, und die spezifische Form, die sie in diesem Zusammenhang gewinnt.

Gerade gegenüber den Arbeitsabschaffern ist es notwendig, neben der formationsspezifischen auch die formationsübergreifende Dimension des Arbeitsbegriffes und ihre gegenseitige Verschränktheit herauszuarbeiten.

c) Uli Weiß bringt Formulierungen, die die formationsübergreifende Dimension der Arbeit außer acht lassen, bzw. zumindest für eine kommunistische Gesellschaft die Aufhebung der Arbeit formulieren. Dagegen stehen alle übrigen, die das Reich der Freiheit auf dem Reich der Notwendigkeit gegründet sehen und davon ausgehen, daß mit dem Übergang zu einer kommunistischen Gesellschaft die Form der Lohnarbeit und die knechtende Unterordnung unter die Teilung der Arbeit aufgehoben werden, jedoch keineswegs die Arbeit selbst. Der Anteil der Arbeitszeit an der Lebenszeit kann unter diesen Bedingungen zwar kontinuierlich reduziert werden, jedoch keineswegs auf null, das wäre eine Vorstellung von einem automatisierten Schlaraffenland, in dem auch wieder die Herrschaft der Produzenten über die Produktion nicht gegeben wäre, denn diese kann sich nur durchsetzen mittels Arbeit.

2Zu diesem Dissenzpunkt schrieb ich in dem vorbereitenden Text folgende Anmerkung: Ausführlicher lassen sich zu dieser Frage aus: Werner Imhof und Daniel Dockerill. In „Die Streitpunkte-Debatte - im Hamsterrad babylonischer Sprachverwirrung gefangen?“, dort in den Abschnitten „Babylonisches II: Werner Imhof und die übergänge“ und „Babylonisches III: Die übergänge und Werner Imhof“ (KS Nr.6, S. 80ff), habe ich versucht, die unterschiedlichen Akzentsetzungen in dieser Frage herauszuarbeiten. Meine momentane Bewertung: Die unterschiedlichen Akzentsetzungen bezüglich der gemeinschaftlichen Planung der Produktion durch die Festlegung der proportionellen Verteilung ihres gemeinsamen Arbeitszeitfonds auf die verschiedenen Tätigkeiten sind eher von untergeordneter Bedeutung, vieles was hier Gegensatz zu sein scheint, ist eher Mißverständnis. Stärkste Differenz ist hier noch an der Frage „Ökonomie der Zeit“ (Daniel Dockerill, Karl-Heinz Landwehr) oder „Ökonomie der Zeit und der Ressourcen“ (Werner Imhof, Klaus Hermann, Ansgar Knolle-Grothusen).

Klaus Hermann: „Da der Kommunismus keine oder noch keine Realität hat, geht es hier vor allem um einen mir etwas unheimlichen dogmengeschichtlichen Streit um die richtige Marx-Ausdeutung.“

Sehe ich nicht so. Begründung: Die praktische Möglichkeit gesellschaftlicher Reproduktion jenseits von Ware und Wert muß offensichtlich werden, damit sich eine gesellschaftliche Bewegung entfalten kann, die den Weg zu kommunistischen Produktionsverhältnissen öffnet, dies wird zu Recht von Werner Imhof immer wieder betont.

3Zu diesem Dissenzpunkt schrieb ich in dem vorbereitenden Text folgende Anmerkung: Klaus Hermann: „Skeptisch bin ich ..., ob sich der Kommunismus aus dem unter dem Kapitalismus erreichten Vergesellschaftungsgrad umstandslos deduzieren läßt. ...“

Enge Verbindung mit den Differenzpunkten 1 a) und 4). Hierzu ist in den letzten Ausgaben der Streitpunkte einiges Material angehäuft: Klaus Braunwarth, Wolf Göhring, Werner Imhof in KS 6.

4Zu diesem Dissenzpunkt schrieb ich in dem vorbereitenden Text folgende Anmerkung: Klaus Hermann: Fast allen Erörterungen und Durchblicken zum Thema der Reife eignet, daß sie die Schwelle von der Seite der objektiven Bedingungen heute sehr hoch ansetzen. Ob nun davon gesprochen wird, daßerst mit dem sogenannten Fordismus das Kapitalverhältnis zu sich selbst gekommen sei (Ü 4/61; Ralf in seiner Kritik an Holz) oder bestimmte technologische Standards, wie sie sich gerade durchgesetzt haben oder ihre Durchsetzungsgeschichte beginnen, den Voraussetzungen des Kommunismus als unerläßliche Bedingung zugerechnet werden - immer gerät ein bestimmter, faktisch gegebener Stand, seis kapitalistischer Durchdringung oder der Produktivkraftentwicklung, in den Rang eines Kriteriums für Reife. Und fast immer steckt darin ein Urteil über das Vergangene, über vergangene Ausbrüche und Ausbruchsversuche aus dem kapitalistischen Kontinuum als zur Unzeit oder zu früh gekommen. Demgegenüber weist Werner Imhof in seiner Mail v. 22.1.97 (S.4) m.E. zurecht auf den analytischen Gegenwartsbezug von Passagen in Marx' ökonomischen Manuskripten hin, und zwar gerade solcher, die heute gern als Zukunftsprognosen gelesen werden. ... Keiner in unserem Kreis, denke ich, bestreitet der Oktoberrevolution ihre Legitimität. Umso dringlicher wäre eine Verständigung unter uns über Folgen und Resultate des Oktober. Ohne Theorie des Realsozialismus wird der Verzauberung des Kapitalismus nicht Einhalt zu gebieten sein. ... Daniel hat auch schon mehrfach darauf aufmerksam gemacht, daß das Urteil der Geschichte kein Gottesurteil ist, wie es ein deterministisches Geschichtsverständnis möchte, das Handlungsfreiheit und letztlich auch Verantwortlichkeit der geschichtlich agierenden Subjekte negiert. Es hat nicht kommen müssen, wie es gekommen ist.

Seitdem sind einige Ausarbeitungen zur Theorie des Realsozialismus in den Streitpunkten veröffentlicht: Zwi Schrittkopcher in KS2, S.17ff, Ansgar Knolle-Grothusen in KS5, S.49ff, Klaus Hermann in KS6, S.19ff. Die unterschiedlichen Begriffsbildungen spiegeln die differierenden Einschätzungen: Staatskapitalismus, Staatssozialismus, nachholende (staats-)kapitalistische Entwicklung, in der Übergangsperiode vom Kapitalismus zum Kommunismus steckengeblieben.

Sind diese unterschiedlichen Erklärungsansätze auf einen Nenner zu bringen? -

Im Rahmen des Themas „Reife der kapitalistischen Verhältnisse“, in den Klaus Hermann die Frage nach einer Theorie des Realsozialismus stellt, wird die Kritik an der Praxis des Ausbruchsversuch aus kapitalistischen Verhältnissen nach 1917 entweder stärker auf Fehler, Versäumnisse, Verrat der handelnden Subjekte, oder stärker auf die unreifen Bedingungen, die nur begrenzt andere Handlungsalternativen ermöglichten, zugespitzt. Hierzu: Auseinandersetzung zwischen Ansgar Knolle-Grothusen und Daniel Dockerill um „Geschichtsdeterminismus“, u.a. in KS6, S.59ff und S.83ff.

Positionen zur Frage der Reife: Werner Imhof in KS1, S.48 (Zwei Fragen) und S.50f (Offene Fragen), in KS2, S.3f. Zwi Schrittkopcher in KS2, S.11ff, Ansgar Knolle-Grothusen in KS 3, S.13 und 16f, Uli Weiß in KS5, S.22ff, Ansgar Knolle-Grothusen in KS6, S.11ff und S.85.

5Zu Dissenzpunkt 5 und 6 schrieb ich in dem vorbereitenden Text folgende Anmerkung: Ansgar Knolle-Grothusen in KS5, S.74ff (Babylonisches I: Ulrich Weiß) und S.87f, sowie auch das Papier „Ablehnung ...“ von Klaus Braunwarth vom 14.-16.10.97

6Daniel Dockerill, Brief an Ansgar Knolle-Grothusen, in: Kommunistische Streitpunkte 6, hier besonders der Abschnitt „4. Herrschaft des Produkts“, S. 63ff

7Ansgar Knolle-Grothusen, Die Streitpunkte-Debatte - im Hamsterrad babylonischer Sprachverwirrung gefangen, in: Kommunistische Streitpunkte 6, hier besonders der Abschnitt „Herrschaft des Produkts über den Produzenten“, S. 87f

8Werner Imhof, Thesen, in: Kommunistische Streitpunkte 7, S.

9Ulrich Weiß, Marx und der mögliche Sozialismus, in: Kommunistische Streitpunkte 5, S. 19ff

10Ansgar Knolle-Grothusen, Die Streitpunkte-Debatte - im Hamsterrad babylonischer Sprachverwirrung gefangen?, in: Kommunistische Streitpunkte 6, hier besonders S. 74ff

11Klaus Braunwarth, Ablehnung der Neuorientierung der „übergänge“ auf eine „Debatte um den Übergang zum Kommunismus und sein revolutionäres Programm“, in: Kommunistische Streitpunkte 7, S.

12Vorschlag der „übergänge zum Kommunismus“ an die Kommunistischen Streitpunkte, in: Kommunistische Streitpunkte 7, S.

13Klaus Braunwarth, Imperialismus und Weltordnung, in: Kommunistische Streitpunkte 6, S. 6ff

14Klaus Braunwarth, Klaus Herrmann, Briefwechsel zu Imperialismus und Weltordnung, in: Kommunistische Streitpunkte 7, S.

15Klaus Herrmann, Kapitalakkumulation und Krise, in: Kommunistische Streitpunkte 7, S.