Selektiver
Umgang mit Marx
Für solidarisch-linke Kritiker des Real-Sozialismus
war es wie für Marxisten-Leninisten undenkbar, bestimmte
gesellschaftliche Gegensätze im Osten als
antagonistische, d. h. nur durch revolutionäre Umbrüche
aufhebbare Widersprüche anzuerkennen. Die Gegensätze
etwa zwischen Herrschenden und Beherrschten wurden als
Entwicklungsprobleme verstanden, die innerhalb sozialistischer
Grundstrukturen überwindbar seien. Tatsächlich geriet
damit die kommunistische Perspektive völlig aus dem
Blick. Offene Zweifel am sozialistisch-kommunistischen
Charakter und an der kommunistischen Perspektive der DDR
wurden kaum laut. In der Bestimmung des Sozialismus als
eine relativ selbständige sozialökonomische
Formation
durch den Strategen Ulbricht kam aber das Problem 1967
sehr deutlich zum Ausdruck. Der spätere Begriff Real-Sozialismus
markierte dann das regierungsoffizielle Zurückweisen
jeglicher Kritik, die sich noch auf einen sozialistisch-kommunistischen
Anspruch berief. Der ML konnte sich bei der Bestimmung
des Ostens als sozialistisch allerdings auch auf Marx
berufen, ohne notwendig intellektuell unredlich zu
erscheinen. Das betrifft z. B. dessen Aussagen zur
Enteignung der alten herrschenden Klasse, zur
Konzentration der Produktionsmittel in Staatshand, zur
Planung im nationalen Rahmen, zur rücksichtslosen Abwehr
von Restaurationsversuchen entmachteter Kapitalisten. Was
im Marxschen Werk jedoch die Bestimmung der östliche
Praxis als sozialistisch fragwürdig machte (Absterben
des Staats, Aufhebung der Entfremdung und knechtender
Arbeitsteilung usw.), das wurde als Ausdruck eines noch
unreifen Marx zurückgewiesen bzw. als im Leninismus
marxistisch aufgehoben dargestellt. Ein derartiges
widersprüchliches Verhalten zu Marx ist auch, aber nicht
nur als theoretischer Irrtum oder als Anpassung an reale
Existenzbedingungen des Sozialismus im 20.
Jahrhundert bzw. als Herrschaftslegitimation zu verstehen.
Es verweist auf Widersprüche bei Marx selbst. Dies zu
begreifen, das ist unabdingbar für eine heutige
Diskussion über sozialistisch-kommunistische
Perspektiven.
Arbeiterbewegung und Real-Sozialismus
bürgerliche Projekte
In den Feuerbachthesen bestimmte Marx einen
Wesenszug jeder sozialistisch-kommunistischer Bewegung
und Theorie: Charakteristisch für den alten
Materialismus ist der Standpunktes der bürgerlichen
Gesellschaft, nämlich die Sondierung der Gesellschaft
in zwei Teile von denen der eine über ihr erhaben
ist
und die Methode, die Wirklichkeit ... nur unter der
Form des Objekts oder der Anschauung zu fassen. Der (sozialistisch-kommunistische)
Standpunkt des neuen Materialismus, die menschliche
Gesellschaft oder die gesellschaftliche Menschheit,
wird dagegen dann eingenommen, wenn statt der Spaltung
der Gesellschaft in Dienende und Herrschende, in
Avantgarden und zu führende Massen das Zusammenfallen
des Änderns der Umstände und der menschlichen Tätigkeit
oder Selbstveränderung ... als revolutionäre Praxis
gefaßt und rationell verstanden wird. Marx hatte vor 1848 in Deutschland die
allgemeinmenschliche Emanzipation eher für möglich
gehalten als die partielle, die bürgerliche. Subjekt
dieser revolutionären Umwälzung werde das Proletariat
sein.
Es löse sich und alle anderen Klassen im Moment seines
Sieges auf und überwinde damit alle
Gesellschaftsstrukturen, die einer Herrschaft bedurften.
Marx Irrtum, daß die sozialistisch-kommunistischen
Revolution, also das Aufheben der Sondierung der
Gesellschaft in zwei Teile, eine Aufgabe der nächsten
Zeit sei, ergab sich u.a. aus seinem konkret-historischen
Standort und aus der Unreife seiner damaligen ökonomischen
Forschungen. Am Beginn eines sich erst entfaltenden (und
nicht etwa eines in die Existenzkrise geratenen)
Kapitalismus konnten wohl schon wesentliche Bedingungen
und Triebkräfte von prokapitalistischen revolutionären
Umbrüchen und innerkapitalistischen (Entwicklungs-)Revolutionen
und Reformen analysiert werden, aber noch nicht
diejenigen Subjekte und deren Bewegungsformen, die erst
im Spätkapitalismus relevant werden und eine sozialistisch-kommunistische
Umwälzung tatsächlich tragen können. Allerdings waren
über mehr als ein Jahrhundert nach dem Kommunistischen
Manifest die proletarischen Klassenkämpfen und ihre
Kampfformen für einen innerkapitalistische
zivilisatorischen Fortschritt unverzichtbar. Diese
Rolle des arbeitenden und kämpfenden Proletariats ist
mit der ökonomischen Theorie des reifen Marx glänzend
erkenn- und darstellbar. Die Erwartung dagegen, das
Proletariat sei auch das Subjekt der
allgemeinmenschlichen Emanzipation und werde die
sozialistische Gesellschaft begründen, ist eine unbestätigte
Theorie geblieben. Marxens früher philosophisch-ökonomischer
Blick über die bürgerliche Gesellschaft hinaus
gestattete ihm allerdings bereits auch eine Grenze der
proletarisch-kommunistischen Bewegung zu erkennen:
Die Geschichte wird eine kommunistische Aktion
zur Aufhebung des Privateigentums bringen in einem sehr
rauhen und weitläufigen Prozeß ... Als einen wirklichen
Fortschritt müssen wir es aber betrachten, daß wir
von vornherein sowohl von der Beschränktheit als dem
Ziel der geschichtlichen Bewegung, und ein sie überbietendes
Bewußtsein erworben haben. [Hervorhebung UW]
Auch der junge Lenin wußte noch: Es ist eine der
Grundideen des Marxismus, daß die Interessen
der gesellschaftlichen Entwicklung [stehen] höher als
die Interessen des Proletariats. Mit dem Aufstieg und Fall des Real-Sozialismus
sind sowohl die Leistungskraft als auch die historische
Begrenztheit der proletarischen Bewegungen deutlich
geworden. Wer ernsthaft versuchte, diese Grenze geistig
zu überschreiten, also das revolutionäre Ziel der
allgemeinmenschlichen Emanzipation im Auge zu behalten
und zugleich den Osten als Sozialismus zu verstehen und
zu verteidigen, der konnte daran kaputt gehen. So z. B.
Lothar Kühne. Zum Mittun in einem bürokratisierten
Betrieb von Partei, parteilicher Wissenschaft und Lehre
usw. sich verpflichtend und zugleich als Handelnder
seinem Tun einen revolutionären Sinn gebend, verlangte
der überzeugte kommunistische Intellektuelle Lothar Kühne
von sich das Unmögliche. Die tatsächliche geschichtliche Funktionen der
proletarisch-kommunistischen Bewegung lag bisher nicht im
Aufheben von Privateigentum durch Begründung des
gesellschaftlichen Eigentums. Letzteres wurde dauerhaft
noch nirgends geschaffen, mit dem sozialistischen
Staatseigentum gleich gar nicht. Die nachmarxsche
revolutionäre und reformistische Arbeiterbewegung hat innerhalb
der bürgerlich-kapitalistischen Entwicklung, also
faktisch für und nicht gegen sie eine große
zivilisierende Potenz entfaltet. Mit Marx, beginnend mit
den Feuerbachthesen, ist begreifbar: Die großen
historischen Leistungen des Proletariats waren bürgerliche
Projekte. Angesichts des historischen Standortes von Marx
in der Frühzeit des Industriekapitalismus ist es
nachvollziehbar, daß er (dies auch im Widerspruch zu
eigenen Aussagen) den proletarischen Klassenkräften und
ihren Kampfformen selbst einen zumindestens potentiell
sozialistischen Charakter beimaß, daß er einen
Zusammenhang zwischen dem alltäglichen Klassenkampf der
Arbeiterklasse und der kommunistischen Umwälzung selbst
für herstellbar hielt. Eine internationale Assoziation
von Kommunisten sollte in diesem Sinne wirken. Die Vision,
bereits Teil einer selbst über den Kapitalismus
hinausgehenden Bewegung zu sein, hat kämpfende
Proletarier und deren Assoziationen dann auch massenhaft
erfaßt und begeistert. Gerade im Maße ihrer praktischen
Erfolge im Kampf um die Existenz und erweiterte Teilhabe
an kapitalistisch-widersprüchlicher Zivilisation rückte
dann aber die kommunistische Perspektive in den Bereich
der Utopie. Exemplarisch hierfür: Die Entwicklung der
einst revolutionären deutschen Sozialdemokratie und der
Real-Sozialismus. Der tatsächlich
geschichtsmächtig werdenden revolutionären
Arbeiterbewegung erschienen die frühen Marxschen
Erkenntnisse über die allgemeinmenschliche Emanzipation
und den untrennbaren Zusammenhang etwa zwischen
Privateigentum, knechtender Arbeitsteilung und
Entfremdung
(also auch das Bewußtsein von der Unmöglichkeit, eines
ohne das andere aufzuheben) zunehmend als irrelevant und
schädlich. Solche Erkenntnisse störten im realen
Klassenkampf und zwar gerade, weil in einer noch nicht
aufhebbaren bürgerlichen Gesellschaft erkämpfte Erfolge
rechtlich, parlamentarisch und in anderer
institutionellen Weise abgesichert werden müssen. Dies
aber erfordert unvermeidlich hierarchische Strukturen.
Marx weit in die Zukunft reichende Aussagen über
die allgemeinmenschliche Emanzipation relativierte diese
schwer erkämpften Positionen und wirkte in diesem Sinne
demotivierend. Der Real-Politiker Engels machte auf
drastische Weise die antiemanzipatorischen Sachzwänge
der immer wieder in bürgerliche Projekte umschlagenden
großen proletarischen Bewegung geltend. Er nahm
unvermeidbare, z. T. mörderische Widersprüche der
kommunistischen wie der sozialdemokratischen
Arbeiterbewegung des 20. Jahrhunderts vorweg, als er z. B.
1882 und 92 schrieb: Wir haben an der Befreiung des
westeuropäischen Proletariats mitzuarbeiten und diesem
Ziel alles andre unterzuordnen. Sobald der
Befreiungsdrang der Balkanvölker mit dem Interesse
des Proletariats kollidiert, so können sie mir gestohlen
bleiben. Verdirbt deren Emanzipationsstreben uns
die revolutionäre Situation ..., so müssen sie
... den Interessen des europäischen Proletariats ohne
Gnade geopfert werden. So wie später der ML schmeißt Engels dann
auch konsequent zugunsten dieses bürgerlichen Projekts
gerade solche Erkenntnisse über Bord, die zentral für
den marxistisch-humanistischen Anspruch waren und die von
heute aus gesehen hoffen lassen, daß Marxsches Denken
zukünftig wieder eine große Anziehungskraft gewinnt.
Engels schreibt: Die früheren Behauptungen, daß
der Kommunismus nicht eine bloße Parteidoktrin der
Arbeiterklasse ist, sondern eine Theorie, deren Endziel
ist die Befreiung der gesamten Gesellschaft, mit Einschluß
der Kapitalisten sind nur noch Phrasen, abstrakt
zwar weiterhin richtig, aber in der Praxis meist
schlimmer als nutzlos. Eine an höheren, als den
Interessen der Arbeiterklasse verpflichteten
Menschlichkeit könnten nur Neulinge oder
die schlimmsten Feinde der Arbeiter, Wölfe im
Schafspelz vertreten.
Das Verständnis dafür, warum wie hier von Engels
demonstriert die Arbeiterbewegung und der Real-Sozialismus
nicht über den in den Feuerbachthesen definierten
bürgerlichen Standpunkt hinauskamen, ist eine
unabdingbare Voraussetzung für die heutige theoretische
und praktische Suche nach Übergängen zur sozialistisch-kommunistischen
Gesellschaft. Solange damit ein widersprüchlich-zivilisatorischer
Fortschritt verbindbar war (oder wie in China heute noch
ist?) wurde in allen östlichen Staaten die Spaltung der
sozialistischen Gesellschaft nicht nur von
der herrschenden Klasse gewollt und zeitweilig bis ins
Stalinsche Extrem getrieben. Es wurde mehrheitlich auch
von den Subalternen als Bedingung ihrer Existenz und der
Verbesserung desLebensniveaus gewollt und unter Opfern
verteidigt bzw. hingenommen. Es muß verstanden werden,
aus welchen objektiven Gründen das über Generationen
funktionierte. Staatliche Gewalt und Priesterbetrug
erklärt hier nichts. Wer das für den Osten begreift,
schafft sich zugleich wichtige theoretische
Instrumentarien für das uns beschäftigende Problem, wie
Menschen im normalen westlichen Kapitalismus
die letztlich von ihnen selbst gewollte Unterordnung
unter die herrschenden Verhältnisse aufbrechen können.
Es muß natürlich gleichermaßen gefragt und verstanden
werden, wieso sich die westliche Arbeiterschaft zum großen
Teil den eigenen Gewerkschaftsbürokratien
und sozialdemokratische Regimes unterwarf. Und es muß
gefragt werden, warum mehrheitlich eine willige
Unterordnung unter die Faschisten erfolgte. Hierauf haben
H. Marcuse und andere Vertreter der kritischen Theorie
bereits wesentliche Antworten gegeben. Das verstehend muß
heute die Frage neu diskutiert werden, ob die
Arbeiterbewegung überhaupt das Subjekt eines
sozialistisch-kommunistischen Übergangs sein. Wenn nicht,
welche Subjekte können es dann sein?
Der große Dialektiker Marx hat jene frühen Erkenntnisse,
die dem behaupteten sozialistischen Charakter des Ostens
und dem ML widersprachen, nie als unreif widerrufen. Die
kommunistische Perspektive blieb immer der Horizont
seiner theoretischen Arbeit. Allerdings führten ihn
seine ökonomischen Forschungen der 50er Jahre zur
Erkenntnis, daß eine allgemeinmenschliche Emanzipation,
also eine erfolgreiche sozialistisch-kommunistische Umwälzung
an solche materielle und geistige Voraussetzungen
gebunden ist, die erst noch mit der weiteren
internationalen kapitalistischen Entwicklung entstehe
nwerden. Auch dort, wo wie 1917 das Proletariats tatsächlich
im Sturmangriff eine schwache Bourgeoisie wegzufegen
vermochte, war das kein Beleg für die Reife einer
Gesellschaft für eine sozialistische Umwälzung und für
den sozialistischen Charakter der revolutionären
Subjekte selbst. Es belegt eher das Gegenteil und zwar
die Notwendigkeit (sollte Rußland nicht zur Kolonie des
westlichen Kapitalismus werden), mittels extremer
Spaltung der Gesellschaft eine nachholende (staats-)kapitalistische
Entwicklung durchzusetzen. Das bedeutet, die
Bezeichnungen Große Sozialistische
Oktoberrevolution und Union der sozialistischen
Sowjetrepubliken waren völlig verfehlt.
Das praktische Element der Emanzipation
durch Subsumtion unter das Kapital und die
Avantgarde zersetzt
In der Allgemeinheit der Feuerbachthesen gefaßt,
trifft die Aussage, daß die Menschen in ihrer Praxis die
Umstände und dabei sich selbst ändern, auf die ganze
Menschheitsgeschichte zu. Wir müssen und können heute
fragen: Unter welchen Bedingungen kann die revolutionäre
Praxis ihre bürgerliche Form abwerfen und eine
ganz bestimmte, nämlich eine sozialistisch-kommunistische
Form annehmen? Nur wo diese Voraussetzungen gegeben
sind und wo die dementsprechende soziale Bewegungsformen
gefunden werden, kann die (Klassen-)Spaltung der
Gesellschaft überhaupt aufgehoben werden. Nur dann können
sich die Akteure selbst dauerhaft zu freien Individuen
erheben. Wie wir durch die gesamt Geschichte des Real-Sozialismus
erfahren mußten, ist die kapitalistische Gesellschaft
offenkundig tatsächlich nicht aufhebbar, bevor in ihr
nicht alle Produktivkräfte entwickelt sind, für
die sie weit genug ist, können neue höhere
Produktionsverhältnisse nicht an die Stelle der alten
treten, bevor die materiellen Existenzbedingungen
derselben im Schoß der alten Gesellschaft selbst ausgebrütet
worden sind. Falls dies nicht die Phrase ist, als die wir
sie im ML auswendig lernten, so muß qualitativ
bestimmbar sein, welches die im Kapitalismus ausbrütbaren
materiellen Existenzbedingungen einer sozialistisch-revolutionären
Praxis sind. Sind diese wie 1917, 1918ff und 1945ff international
nicht gegeben, so ist es eben nicht selbstverschuldet,
wenn der erhoffte Ausgang der Menschen aus der Unmündigkeit
mißlingt. Das Verfehlen das sozialistischen Zieles von
revolutionären Bewegungen war Ausdruck einer vorläufigen
objektiben Unmöglichkeit, den Sozialismus zu erringen.
Marx zog seine Konsequenz aus der 1848er Widerlegung
seiner frühen Euphorie: lebenslange Arbeit an den
Kritiken der Politischen Ökonomie. Das ewige Dilemma
eines Kommunismus, der im Versuch seiner
Verwirklichung immer wieder antiemanzipatorisch-herrschaftsförmige,
also antikommunistische Züge annahm, erscheint mir mit
dem Blick auf die heutigen Kapitalismus genau entlang der
Intentionen dieser Kritiken theoretisch und praktisch
auflösbar.
Marx analysiert wiederholt die sich mit der
fortschreitenden der kapitalistischen Produktionsweise
verändernde Stellung der unmittelbaren Produzenten im
Fertigungsprozeß, ihre Haltung zu den Produktionsmitteln,
die Konsequenzen dessen für ihre Individualität und
ihre sozialen Beziehungen. Mit diesem Blick sind die
qualitativen ökonomischen und sozialpsychologischen
Voraussetzungen dafür erkennbar, daß die knechtende
Arbeitsteilung, damit Entfremdung und Privateigentum überhaupt
abgeworfen werden können und ein Kommunismusversuch
nicht wieder die ganze alte Scheiße ... herstellen
müßte. Die Entwicklung des kapitalistischen Reichtums
stellt sich Marx immer auch als geistige und mentale
Knechtung der sich von den Produktionsmittel und den
Arbeitsprodukten entfremdenden Produzenten dar.
Warenfetischismus und andere ideologischen Verkehrungen
bewirken deren Befangenheit in den Kategorien der
kapitalistischen Produktion. Lenins Was tun?, das Konzept, revolutionäre
Theorie ins Proletariat hineinzutragen und es durch eine
Avantgarde revolutionär zu formen und zu führen, sowie
seine späte Staatsauffassung sind Anerkennungen dieser
Tatsache. Beides eröffnete aber keinen sozialistischen
Weg zur Aufhebung dieser Verkehrungen. Im Gegenteil, es führte
zu einer spezifischen (stalinistischen) Form ihrer
Befestigung. Kapitalkonforme knechtende Ideologie ist
nach Marx nicht als Priesterbetrug, nicht als Opium für
das Volk, begreifbar. Solche Ideologien wie die ihnen
zugrunde liegenden materiellen Bedingungen sind auch
nicht Kraft irgendeiner Aufklärung und weisen Führung
aufhebbar, gleich gar nicht durch die einer Partei neuen
Typus. Nach dem Maßstab der Feuerbachthesen geurteilt
erhoben sich die Bolschewiki durch eine revolutionäre Praxis
der bürgerlichen Art über die Gesellschaft, begründeten
an Stelle der schwachen, zur Führung der bürgerlichen
Gesellschaft unfähigen russischen Bourgeoisie eine neue
herrschende Schicht. Diese eignete sich das gesamte
Eigentum an industriellen Produktionsmitteln an. Sie
verband die ursprüngliche Akkumulation von Kapital (mit
dem dafür charakteristischen hohen Anteil an Gewalt bei
der Proletarisierung großer Teile der Gesellschaft)
zunehmend mit der normalen Verwertung des
Staatskapitals mittels des stummen Zwangs der Ökonomie.
Die Bolschewiki, die eine neue sozialistische
Bourgeoisie konstituierten, vollbrachten eine große
Leistung. Sie trieben die Geschichte tatsächlich voran
und zwar auf eine damals nur mögliche Weise, auf eine
nichtsozialistische.
Richten wir also auf der Suche nach den objektiven
Voraussetzungen und den sozialen Formen einer revolutionären
sozialistischen Bewegung den Blick auf die Marxschen
Kritiken der Politischen Ökonomie und auf die heutigen
fortgeschrittendsten kapitalistischen Produktionsverhältnisse.
Machen wir dabei unser Wissen über den Widerspruch
zwischen dem Standpunkt der bürgerlichen und dem der
menschlichen Gesellschaft, den Gegensatzes zwischen dem
altem und dem Marxschen Materialismus dadurch fruchtbar,
daß wir heutige Wege der Emanzipation in bewußter
Abkehr von den Strukturen der alten Arbeiterbewegung und
des Real-Sozialismus sowie aller anderen bürgerlichen
Projekte suchen. Marx jubelt als junger Mensch über die
revolutionären Pariser Handwerker: Sie müßten
einer der Versammlungen der französischen ouvriers
beigewohnt haben, um an die jungfräuliche Frische, an
den Adel, der unter diesen abgearbeiteten Menschen
hervorbricht ... Jedenfalls aber bereitet die Geschichte
unter diesen Barbaren unserer zivilisierten
Gesellschaft das praktische Element zur Emanzipation des
Menschen vor. Später beschreibt er die reelle Subsumtion der
Arbeit unter das Kapital als ein Zersetzen der einstigen
vielseitigen Individualität des mittelalterlichen
Handwerkers. Dem frühen Bild der erhofften Zukunft steht
theoretisch und praktisch nun entgegen eine massenhaft
bis zum Ende des Fordismus um sich greifende Reduzierung
der unmittelbaren Produzenten auf wenige Fertigkeiten,
mittels derer sie eine Lücke in der Maschinerie ausfüllen.
Warum denn und wie eigentlich sollten sich
gerade die derart proletarisierten Individuen zur
kommunistischen Produktions- und Lebensweise, zur
Selbstverwaltung und Selbstbestimmung befähigen? Diese
erfordert doch ganz andere Fähigkeiten und Mentalitäten,
als die, die den Proletariern gerade in der fordistischen
Lohnarbeit reell aufgezwungen werden? Auch im Real-Sozialismus
waren die unmittelbaren Produzenten unter eine knechtende
Arbeitsteilung, unter die Maschinerie und unter die Verfügungsgewaltigen
subsumiert. Lenin sah darüber hinaus im kapitalistischen
Monopol, besonders im Staatsmonopol, die ökonomischen
Bedingungen des Sozialismus vollständig vorgeprägt. In
Deutschland haben wir das letzte Wort
moderner großkapitalistische Technik und planmäßiger
Organisation, die dem junkerlich-bürgerlichen
Imperialismus unterstellt sind. Man ... setze an
Stelle des militärischen, junkerlichen, bürgerlichen,
imperialistischen Staates ebenfalls einen Staat,
... einen proletarischen Staat, und man wird die ganze
Summe der Bedingungen erhalten, die den Sozialismus
ergibt.. Das war zwar bezogen auf das angenommene
Subjekt der sozialistischen Revolution der Marxschen
Vorstellung von der Selbstverwaltung frei assoziierter
Individuen als ein Wesensmerkmal der sozialistisch-kommunistischen
Gesellschaft völlig entgegengesetzt. Doch Lenin konnte
sich berechtigt auch auf Marx berufen, so etwa auf seine
Aussagen zur historischen Tendenz der kapitalistischen
Akkumulation. Wenn die Proletarier, dressiert und
konzentriert durch die kapitalistische Großindustrie,
massenhaft zur disziplinierten Unterordnung unter ihre
Avantgarde und ihren Staat befähigt werden,
dann stützte dies das Leninsche Konzept, eine
Organisation von Revolutionären zu schaffen, die Rußland
aus der Angeln heben konnte. (Der ebenfalls von Lenin ins
Spiel gebrachte Gedanke, daß die Köchin die Küche und
zugleich den Staat verwaltet, fand trotz aller
Vermittlungsglieder Gewerkschaften, Arbeiter- und
Bauern-Inspektion darin überhaupt keinen Platz.)
Aus solcher Sicht reduziert sich die Begründung eines
sozialistischen Charakters von Produktionsverhältnissen
tatsächlich auf die Eroberung der politischen Macht
durch kommunistische Revolutionäre und das Ersetzen der
Kapitalisten bzw. ihrer Manager durch die Vertreter der
Arbeiterklasse.
Heute wissen wir: Die Revolutionäre, die vom den
tayloristisch-fordistischen Formen der industriellen
Fertigung ausgingen (oder sie erst schafffen mußten)
sowie vom Monopol in der Wirtschaft und die von hier aus
Sozialismus gestalten wollten, sie trieb esin eine ganze
bestimmte Richtung. Egal, was ursprünglich ihr Ziel war,
wenn sie tatsächlich zur Macht kamen und sie behaupten
konnten, dann landeten regelmäßig bei irgendeiner
Variante des Stalinismus. Doch vor der real-sozialistischen
Jahrhunderterfahrung schien sich auch auf der Basis einer
fordistischen Produktionsform ein anderer Weg zu eröffnen,
auf dem sich die unter die Arbeitsteilung Geknechteten
selbst zu reicher Individualität und zur Herrschaft über
die Produktion befähigen können. Die Antwort schien
auch durch Marx theoretisch vorgezeigt sowie scheinbar im
Handeln häufig kulturvollen und gebildeten vorrevolutionären
Bolschewiki bestätigt und in literarischen Gestalten wie
in M. Gorkis Die Mutter gestaltet: Das revolutionäre
Ändern der Umstände und die sozialistische Selbstveränderung
der Akteure erfolgt im gewerkschaftlichen und politischen
Kampf um Einfluß und Macht, in der Formierung
proletarischer Assoziationen, in der proletarischen
Partei und durch deren Aufklärungsarbeit und
Organisation. Soweit die Theorie, die Hoffnungen und auch
praktische Erfahrungen. In den tatsächlich geschichtsmächtig
werdenden vorrevolutionären großen proletarischen
Assoziationen (vrgl. den bürokratischen Apparat der
deutschen Sozialdemokratie und der Gewerkschaften) und in
der nachrevolutionären Realität des Real-Sozialismus
reproduzierten sich gerade in den erfolgreichen
Assoziationen neue Herrschaftsverhältnisse:
Proletarischen Parteien transformierten so wie alle
anderen zu Institutionen, die von ihrer inneren Struktur
her den Standpunkt der bürgerlichen Gesellschaft
reproduzierten. Egal ob bekennende Reformer der bürgerlichen
Gesellschaft oder kommunistische Revolutionäre,
auch dann, wenn sie unleugbar (widersprüchlich-)zivilisatorische
Fortschritte bewirkten der Widerspruch zwischen
den emanzipatorischen Zielen und den Mitteln der Bewegung
blieb ein unauflösbares Dilemma der Akteure von
Arbeiterbewegungen und sozialistischer
Gesellschaften. Erklärungsmuster, die auf subjektive
Fehlern, besondere Charakterzüge und mangelhafte
Anwendung etwa der Marxschen Theorie zielen, bleiben
oberflächlich. Marx und Engels selbst unterlagen als
Politiker dieser im 20. Jahrhundert ihren Höhe- bzw.
Tiefpunkt erreichenen Konstellation. Der proletarische
Klassenkampf konnte nicht o. g. Zersetzung der
Individualitäten durch die reelle Subsumtion unter das
Kapital dadurch wettmachen, daß die engagierten
Proletarier in den politischen Auseinandersetzungen ihre
Persönlichkeiten entfalteten. Wo die politischen
Organisationen des Proletariats geschichtsmächtig wurden,
da geschah eben das Gegenteil die Rekonstruktion
von Herrschaftsstrukturen innerhalb dieser Organisationen
selbst. Sie schufen letztlich ein Spiegelbild des einst
Bekämpften.
Wenn Tausende Industrieunternehmen enteignet würden, so
Bernstein, dann müsse der Staat sie mittels eines
riesigen bürokratischen Apparates lenken. Das käme
weder der deutschen Wirtschaftsentwicklung noch der tatsächlichen
Stellung der Arbeiter zugute. Er äußerte Bedenken,
die Industrie der Bureaukratisierung auszuliefern
und möchte auch nicht das Staatsbeamtentum ins
Unbegrenzte vermehren. Die kapitalistische
Produktion war ein gewaltiger Faktor des technisch-ökonomischen
Fortschritts ... Es wird bezweifelt, daß die
bureaukratisierte Produktion das Gleiche leisten würde.
Bernstein und nicht Lenin etwa mit seiner
Hoffnung auf die Köchin behielt Recht. Die sozialistische
wie die zeitgleiche parallele normal-bürgerliche
Realität rief unabweisbar nach hierarchischen
Produktionsverhältnissen. Engels erklärt autoritäre Strukturen sogar
als zeitlose Eigenschaft jeder denkbaren maschineller Großproduktion.
Der mechanische Automat einer großen Fabrik ist um
vieles tyrannischer, als es jemals die kleinen
Kapitalisten gewesen sind ... was die Arbeitsstunden
betrifft, kann man über die Tore dieser Fabriken
schreiben: Laßt alle Autonomie fahren, die Ihr
eintretet! Soweit Engels (und später auch
Lenin) dies auf die seinerzeit überschaubare Formen der
Produktivkraftentwicklung bezieht, ist dem zuzustimmen,
nicht aber der folgenden Mystik: Wenn der Mensch
mit Hilfe der Wissenschaft und des Erfindergenies sich
die Naturkräfte unterworfen hat, so rächen diese sich
an ihm, indem sie ihn ... einem wahren Despotismus
unterwerfen, der von aller sozialen Organisation unabhängig
ist. [Hervorhebung UW ] Die ewig
tyrannische Autorität in der Großindustrie
abschaffen wollen, bedeutet die Industrie selber
abschaffen wollen ... Ausgehend von der ursprünglichen Marx-/Engelschen
Erkenntnis vom notwendigen Zusammenhang zwischen (knechtender)
Arbeitsteilung, Entfremdung und Privateigentum hat Engels
mit dieser Beschwörung des ewig tyrannischen Charakters
von Industrieproduktion faktisch eine sozialistisch-kommunistische
Produktionsweise als für immer unmöglich erklärt. Die
real-sozialistische Industrie schien dem auch
recht zu geben. Der Fordismus-Taylorismus, von Lenin als
die über Jahrzehnte unumgängliche Form der Produktion
erkannt, hat in Ost wie West die von Marx im Kapital
beschriebene knechtende Arbeitsteilung auf eine bis dahin
praktisch unbekannte Spitze getrieben. Hier wird der
Automat selbst das Subjekt, und die Arbeiter sind nur als
bewußte Organe seinen bewußtlosen Organen beigeordnet
und mit denselben der zentralen Bewegungskraft
untergeordnet, Gehilfen der Maschinerie. Diese Maschinenarbeit konfisziert alle
freie körperliche und geistige Tätigkeit. ... Die
Scheidung der geistigen Potenzen des Produktionsprozesses
von der Handarbeit und die Verwandlung derselben in Mächte
des Kapitals über die Arbeit vollendet sich ... in der
auf Grundlage der Maschinerie aufgebauten großen
Industrie. Staatsangestellte dies eine
zivilisierende Funktion der Bolschewiki können
zwar statt einer schwachen herkömmlichen Bourgeoisie
deren geschichtliche Mission erfüllen, erfolgreich die
Funktion der vertriebenen Unternehmer ausüben und den
Aufbau einer Großindustrie und damit auch die
Proletarisierung der Bevölkerung durchsetzen (dies
allerdings nur, bis die tayloristisch-fordistische Form
der Produktion ihren Höhepunkt erreicht hatte). Das tatsächliche
Kapitalverhältnis, die reelle und formelle Subsumtion
der Lohnarbeit unter das Kapital (hier das Staatskapital)
heben sie damit nicht auf. Sie reproduzieren es nur auf
eine spezifische, etwa den Anforderungen einer
nachholenden kapitalistischen Akkumulation durchaus
angemessenen zentralistisch-barbarische Weise. Im ML
erfolgt die sozialökonomische Bestimmung der siegreichen
proletarischen Revolution und der Verstaatlichung der
Produktionsmittel in einer Weise, als habe Marx nicht Das
Kapital, sondern Die Kapitalisten geschrieben,
als könne mit der Vertreibung der bisherigen Unternehmer
und der Übernahme ihrer Funktionen durch Staatsfunktionäre
das Kapitalverhältnis im sozialistischen Sinne
aufgehoben werden. Die klügeren Köpfe ahnten, daß die
ganze so begründete sogenannte Politische Ökonomie des
Sozialismus eine Fiktion ist. Obwohl sämtliche
beim heutigen Stand der Forschung mögliche Antworten
.... bereits gefunden sind, so schrieb L.I. Abalkin,
ist es offenbar unmöglich, so wie Marx in Bezug auf die
Kritik der Politischen Ökonomie des Kapitalismus die
Ware als ökonomische Zellenform erkannte, einen
entsprechenden Ausgangspunkt der Theorie für die des
sowjetischen Sozialismus zu finden. So wie die real-sozialistische
Wirklichkeit immer wieder dazu drängte, sich immer mehr
der normalen kapitalistischen Warenproduktion anzunähern
(siehe Neues ökonomisches System in der DDR der 60er
Jahre), so trieb es auch die Theoretiker des Sozialismus,
ihre ökonomische Zelle in engster Annäherung an Marx
Kapital zu suchen. Was Marx allerdings als Darstellung zum Zwecke
der Kritik betrieb, das versuchten sie theoretisch bzw.
die Wirtschaftspolitiker praktisch psitiv zu gestalten
ohne es beim zutreffenden Namen zu nennen. Dies
taten dafür die im Osten verdammten
Konvergenztheoretiker, die eine Annäherung der
Produktionsverhältnisse von Ost und West bis zur
Gleichartigkeit konstatierten bzw. voraussagten. All dies
waren Indizien dafür: Es ging nicht um eine wirklich
neue Produktionsweise, sondern um eine Variante
nachholender kapitalistischer Entwicklung.
Der erste
springende Punkt Sozialismus wird ökonomisch möglich
Wann können nun nach Marx die Produktionsarbeiten den
Schein bloß äußrer Naturnotwendigkeit abgestreift
erhalten und als Zwecke, die das Individuum selbst erst
setzt, gesetzt werden? Wann muß die Arbeit nicht
mehr als Lohnarbeit ... als äußre Zwangsarbeit
... und ihr gegenüber die Nichtarbeit als Freiheit
und Glück erscheinen? Marx Antwort:
Die Arbeit der materiellen Produktion kann diesen
Charakter nur erhalten, dadurch, daß 1. ihr
gesellschaftlicher Charakter gesetzt ist, 2. daß sie
wissenschaftlichen Charakters, zugleich allgemeine Arbeit
ist, nicht Anstrengung des Menschen als bestimmt
dressierter Naturkraft, sondern als Subjekt, das in dem
Produktionsprozeß nicht in bloß natürlicher, naturwüchsiger
Form, sondern als alle Naturkräfte regelnde Tätigkeit
erscheint. Bleiben wir bei der zweiten Bedingung. Unter
welchen materiellen Voraussetzungen kann der Produzent
selbst Subjekt werden, muß von der Produktion selbst
keine Spaltung der Gesellschaft mehr ausgehen, kann also
massenhaft der bürgerliche Standpunkt verlassen werden?
In dem Maße, so eine Antwort, wie die
große Industrie sich entwickelt, wird die Schöpfung des
wirklichen Reichtums abhängig weniger von der
Arbeitszeit und dem Quantum angewandter Arbeit als von
der Macht der Agentien, die während der Arbeitszeit in
Bewegung gesetzt werden und ... [das ist abhängig] vom
allgemeinen Stand der Wissenschaft und dem Fortschritt
der Technologie. Erst eine bestimmte Entwicklungsstufe der
Technologie ermöglicht eine grundsätzlich andere des
Menschen im bzw. zum Fertigungsprozeß als die der
fordistisch-tayloristischen Wirtschaft, nämlich die, in
der sich der Mensch verhält als Wächter und
Regulator zum Produktionsprozeß selbst ... Er tritt
neben den Produktionsprozeß, statt sein Hauptagent zu
sein. Damit gewinnt Arbeit nicht nur einen
wissenschaftlichen Charakter. Es wird zugleich der über
die Lohnarbeit laufende Verwertung von Wert die Basis
entzogen. Es ist dann weder die unmittelbare Arbeit,
die der Mensch selbst verrichtet, noch die Zeit, die er
arbeitet, sondern die Aneignung seiner eignen allgemeinen
Produktivkraft, sein Verständnis der Natur und die
Beherrschung derselben durch sein Dasein als
Gesellschaftskörper in einem Wort die Entwicklung
des gesellschaftlichen Individuums, die als der große
Grundpfeiler der Produktion und des Reichtums erscheint.
Ab diesem bestimmten Grad der
Entwicklung der materiellen Produktivkräfte und
daher des Reichtums ... erscheint die weitere Entwicklung
[auf kapitalistischer Grundlage UW] als Verfall
und die neue Entwicklung beginnt von einer neuen Basis.
Die Ökonomie kann (nicht muß!) von diesem
Zeitpunkt an aufhören, eine politische zu sein, weil
materielle Produktion, damit sie überhaupt auf hohem
Niveau stattfinde, nicht mehr der Sondierung der Gesellschaft
in zwei Teile , nicht mehr der Klassenspaltung, nicht mehr des
Staates bedarf. Von dem Zeitpunkt an können auch
Emanzipationsbewegungen wie etwa die der Frauen eine
andere Perspektive gewinnen als etwa die, unter der
Losung der Gleichstellung zur kapitalistischen
Modernisierung beizutragen, Frauen als Lohnarbeiterinnen,
Unternehmerinnen oder Politikerinnen massenhaft in die
Reproduktion von patriarchalen Verhältnissen einzubinden.
Emanzipationsbewegungen können jetzt erstmalig einen
sozialistischen, jegliche Herrschaftsstrukturen
aufhebenden Charakter gewinnen.
Ab den 60er Jahren gab es im Osten wie im Westen parallel
zu den allerersten Übergängen zur automatisierten
Fertigung kurzzeitig eine faßbarere Ahnung der
Perspektive vom allseitig, schöpferisch,
spielerisch Arbeitenden . Diese waren durchaus kompatibel mit den frühen
Marxschen Aussagen über eine kommunistische Zukunft, nicht aber mit dem ML und nicht mit den
Grundstrukturen des Ostens. Es wurde schnell klar, daß
soziale Bewegungen, die der beginnenden wissenschaftlich-technischen
Revolution einen zivilisationsverträglichen
sozialistischen Charakter hätten geben können, nur in
der Rebellion gegen jegliche hierarchisch-patriarchale
Gesellschaftsstruktur, also gegen die bürgerliche
Spaltung in Herrschende und Beherrschte, entstehen
konnten. Im Westen machte eine solche klassenungebundene
emanzipatorische Bewegung neuer Art 1967/68 Furore. Mit
dem Effekt des Ausschöpfens noch vorhandener ökonomisch-zivilisatorischer
Potenzen in der bürgerlich-kapitalistischen Gesellschaft
wurde sie in diese integriert. Diese Entwicklung hat
ihren zivilisationsfördernden Höhepunkt längst überschritten
und ihren vorläufigen Tiefpunkt mit der rot-grünen
Bundesregierung erreicht. Im Osten wurde emanzipatorische Bewegung der
1960er Jahre und ihr theoretischer Reflex ohne eine
temporär positive Wirkung wie im Westen gestoppt. Die
Grenze der real-sozialistischen Möglichkeiten
war damit angezeigt. Der Osten ging schließlich bis 1990
daran kaputt, woran der Westen zunehmend krankt: an der
strukturell bedingten Unfähigkeit, eben jenem ganz
bestimmten Grad der Entwicklung der materiellen
Produktivkräfte, durch welche die
Entwicklung des gesellschaftlichen Individuums ... der
große Grundpfeiler der Produktion und des Reichtums
werden kann, den erforderlichen
zivilisationsverträglichen Raum zu verschaffen. Die
Organisations- und Herrschaftsfähigkeiten einer über
der Gesellschaft erhabenen Klasse einerseits sowie die Fähigkeiten
und der Willen der Subalternen zur Unterwerfung unter
lebenslange Lohnarbeit andererseits sind nunmehr
historisch erstmalig keine Bedingungen mehr für Reichtum
und Zivilisation. Das lutherisch/real-sozialistische
Arbeitsethos gerät damit ins Wanken. In der
postfordistischen Produktion formieren sich nun gerade
solche Elemente, die nicht nur eine abstrakt-theoretische
Beschreibung einer solchen Art von Produktion denkbar
machen, die nicht mehr von Kapital und Lohnarbeit
vorangetriebenen wird. Kapitalistisch betrieben erscheinen
die neuen Fertigungsweisen allerdings für die meisten
Menschen als Katastrophe. Diese ist bei
Beibehaltung des kapitalistischen Rahmens auch tatsächlich
von keinerlei reformerischen Reparaturversuchen
aufzuhalten, egal ob sich diese in schwarzen, rötlichen
oder grünen Farben präsentieren. Auf Marxsche Weise sozialistisch
betrachtet und betrieben, könnten diese neuen
Elemente jedoch als die endlich entstehenden
Voraussetzungen einer reichen Entwicklung der Individuen
auf der Basis gemeinschaftlich beherrschter moderner
Produktivkräfte begriffen und genutzt werden. Von der
Stellung des produzierenden und konsumierenden
Individuums aus gesehen ist dies genau der Punkt, da die
Aufhebung des Kapitalismus durch den Sozialismus-Kommunismus
ökonomisch möglich wird.
Diese Möglichkeit kann allerdings nur wirklich
werden, wenn sich verbindende Menschen einen Weg finden,
um die von Marx genannte erste Bedingung dafür zu
schaffen, daß Arbeit nicht mehr als Lohnarbeit ...
als äußre Zwangsarbeit erscheint. Es muß
ihr gesellschaftlicher Charakter gesetzt
werden, und zwar nicht durch das Kapital, sondern
durch frei assoziierte Individuen, die selbst bewußt die
Zwecke der Produktion als Selbstverwirklichung,
Vergegenständlichung des Subjekts bestimmen. Die derzeit scheinbar allmächtige kapitalistische
Form des Setzens des gesellschaftlichen Charakters
von Produktion ist es, was allerdings jeden Jubel über
die o. g. Möglichkeiten einer mit der Automatisierung
verbundenen Persönlichkeitsentfaltung erstickt und die
menschlich-produktiven Möglichkeiten von Wissenschaft
und Technik selbst beeinträchtigt. Mögen sich auch
Hierarchien abflachen, möge enorme geistige
Beweglichkeit gefordert sein und sich der technologische
und betrieblich-soziale Verantwortungsbereich
unmittelbarer Produzenten stark erweitern über
allem stehen weiterhin äußere, vom Individuum nicht
beherrschte Zwecke: Die Verwertung von Wert, damit der
unvermeidliche Zwang zur galoppierenden Reduzierung
lebendiger, auch hochqualifizierter Arbeit, was nicht zu
genießbarer Freizeit, sondern zu niederdrückender
erzwungener Arbeitslosigkeit führt. Die Kapitalisierung
durchdringt buchstäblich alle gesellschaftlichen
Bereiche. Bis hinein in die intimsten Bereiche, etwa
durch Auflösung der traditionellen Familienstrukturen
wird alles der Kapitalvermehrung unterworfen. All dies
macht das schönste Lean-Production-Team mit seinen
abstrakt gegebenen Möglichkeiten zur Selbstentfaltung
seiner Mitglieder innerhalb und außerhalb der Arbeit in
Wirklichkeit zu einer Ansammlung konkurrierender, sich
selbst kontrollierender und damit doch weiterhin von äußerem
Zwang getriebener Lohnarbeiter. Das treibt Produktion zur
Vernichtung natürlicher Existenzvoraussetzungen und zum
Zerstören von Zivilisation. Wie gesagt, auch die östliche
Variante des Setzens des gesellschaftlichen Charakters
von Arbeit, also die Zwecksetzung durch den sozialistischen
Staat, war eine Variante der bürgerlichen Ökonomie mit
sozialistischen Ruhmestaten der Nierreißung
aller bestimmten einseitigen Zwecke als Aufopferung des
Selbstzwecks unter einen ganz äußeren Zweck. An den Straßen der Besten und an
Wandzeitungen (die heute in den Betrieben wieder
Konjunktur haben) haben sich Helden wie wir
gefeiert. Wenn also auch nicht auf real-sozialistischem
Wege, wie kann dann der unmittelbare Produzent zum gesellschaftlichen
Individuum werden, selbst zwecksetzend der große
Grundpfeiler der Produktion und des Reichtums? Es
gibt immer wieder interessante Versuche alternativer Ökonomien,
sich weitgehend selbst durch beschränkt-arbeitsteiliges
Produzieren zu versorgen. Das zeigt den Drang einer
zunehmenden Minderheit von Menschen, sich den
entfremdeten kapitalistischen Verhältnissen zu entziehen.
Es geht jedoch nicht um isolierte Kleingruppen von
asketisch-gesellschaftlichen Individuem etwa in der
ueckermärkischen Einsamkeit, es geht nicht sozusagen um
die Reproduktion einer allerdings PC-bestückten
urgesellschaftlichen Horde. Es geht um
Zivilisationsgewinn auch unter Nutzung gerade der veränderten
Stellung unmittelbarer Produzenten in den Kernbereichen
von Lean-Production. So sehr sie als Ausdruck der Suche
nach anderen Lebens- und Arbeitsweisen zu begrüßen sind,
eine isolierte Entwicklung von Alternativprojekten ist
noch nicht die Lösung. Deren Vernetzung verweist schon
eher darauf, wenn sie unter anderem den High-tech-Bereich
und die Erfüllung allgemeiner, bisher meist staatlicher
Aufgaben einbeziehen können, wenn also assoziierte
Individuen die Bedingungen ihrer materiellen Existenz auf
hohem Niveau unter ihre gemeinschaftliche Kontrolle
bringen.
Der
zweite Punkt die Gesellschaft kann den Staat in
sich zurücknehmen
Marx benennt noch eine weitere Voraussetzung dafür,
damit eine Gesellschaft (diese dann konstituiert durch
frei-assoziierte Individuen) sich ihre dann nicht mehr
entfremdete Herrschaft über die materielle Produktion
zurück-erobern kann. Der Logik der
kapitalistischen Entwicklung folgend sagt Marx sozusagen
die heutige Privatisierung öffentlicher Einrichtungen (Verkehrs-
und anderer Kommunikationsmittel, Schulbildung,
Wissenschaft, Gesundheitswesen, polizeiliche Aufgaben,
Kultureinrichtungen, die Verwertung jeglichen öffentlichen
Raumes usw.) voraus. Er verweist zum Beispiel auf den
Drang des Kapitals, sich auch die Voraussetzungen
der Zirkulation zu assimilieren, also solche einst
allgemeinen Aufgaben in kapitalisierende Produktion
oder Produktion von Kapital zu verwandeln. Die
Sicherung von gesellschaftlichen Bedingungen der
kapitalistischen Produktion waren zuvor Staatsaufgaben.
Sie konnten vom Einzelunternehmen oder vom assoziierten
Kapital nicht erfüllt werden, weil dies keine Möglichkeit
der Kapitalverwertung bot. Durch die fordistische Form
der Vergesellschaftung in West und Ost wurde der Bereich
dieser Staatsaufgaben im 20. Jahrhundert extrem
ausgeweitet. Diese Funktionen werden nun gegenwärtig
genau in dem Maße, in dem das Produktivkraftniveau auch
hier eine angemessene Verwertung ermöglicht in einer großen
Welle der Privatisierung durch das Kapital selbst übernommen.
Dies nennt Marx ,,eine propagandistische (zivilisierende)
Tendenz des Kapitals. Mit dieser sich in den heutigen Metropolen
vollziehenden Entstaatlichung ist nach Marx die höchste
Entwicklung des Kapitals erreicht. Die allgemeinen
Bedingungen des gesellschaftlichen Produktionsprozesses
werden dann nicht mehr aus dem Abzug der
gesellschaftlichen Revenu hergestellt ... sondern aus
dem Kapital als Kapital. Es zeigt dies den Grad
einerseits, worin das Kapital sich alle Bedingungen der
gesellschaftlichen Produktion unterworfen, womit
alle Bedürfnisse in der Form des Austauschs
befriedigt werden; auch die als gesellschaftlich
gesetzten Bedürfnisse des Individuums, d.h. die, die es
nicht als einzelnes Individuum in der Gesellschaft,
sondern gemeinschaftlich mit andren konsumiert."
Die ganze Gesellschaft, jeder Lebensbereich,
wird zur Geißel des Kapitals. Der Staat verliert die Fähigkeit,
den Individuen in allen Wechselfällen von Konjunktur und
Krise wenigstens ein Mindestmaß an Stabilität,
Sicherheit, Kultur, Bildung usw. zu sichern.
Was kann an diesen Prozessen, die von
Regierungen unter Reagan, Thatcher, Blair und Schröder
durchgepeitscht werden, zivilisierend oder gar
sozialistisch sein? Nichts. Im Gegenteil. Die
Gesellschaft wird in die nackte Barbarei getrieben. Dies
ist unvermeidlich, wenn die Tendenz zum schlanken Staat
sich unter kapitalistischen Bedingungen durchsetzt. Wer
nur über eine innerkapitalistische Brille verfügt und
wer sich nicht wie gegenwärtig alle führenden Politiker
hinsichtlich des angeblichen Primats des Politischen beim
Geltendmachen menschlicher Bedürfnisse hemmungslos in
die Tasche lügt, der kann nur ion ausweglose
Verzweiflung oder Zynismus verfallen. In kommunistischer
Perspektive jedoch markiert gerade die kapitalisierende
Übernahme von bisher notwendig dem Staat zufallenden
Aufgaben denjenigen Punkt des Kapitalismus, da mit ihrer
höchsten Entwicklung die alte Formation
selbst die Möglichkeiten ihrer Aufhebung produziert. In
dieser Sicht sind die Entstaatlichungen Indizien dafür,
daß emanzipatorische soziale Bewegungen nunmehr die
kapitalistische Form der Produktion tatsächlich
nachhaltig aufheben können. Wieso? Weil sie nicht wieder
notwendig in antiemanzipatorische Entfremdung, in bürgerliche
Herrschaftsstrukturen, in die Errichtung neuer
Staatlichkeit wie die der sogenannten Diktatur des
Proletariats zurückfallen müssen. Warum existiert
dieser Zwang nicht mehr, der unter anderem dem Osten die
sozialistische Perspektive verstellte? Wenn die
zivilisationssichernden allgemeinen Aufgaben tatsächlich
dem (bürgerlichen) Staat entrissen und von
Einzelkapitalen selbst erfüllt werden oder werden können
(was auf kapitalistisch die Verrottung der nicht
zahlungsfähigen Träger entsprechender Nachfrage z. B.
nach Bildung und Medizin einschließt), dann existieren
erstmalig in der Geschichte auch die materiellen
Voraussetzungen dafür, daß assoziierte Individuen bisherige
Staatsaufgaben direkt unter ihre gemeinschaftliche
Kontrolle bringen können. Dann wird für die
Bewahrung von Gesellschaftlichkeit der Staat, der
Ausdruck der bisherigen Spaltung der Gesellschaft in
antagonistische Teile, überhaupt funktionslos. Der Staat,
die übernatürliche Fehlgeburt der Gesellschaft, einst in den Klassengesellschaften eine
Bedingung zivilisatorischen Fortschritts, wird aufhebbar.
Dann und erst dann ist die Aufhebung der sich im Kapital
wie im Staat ausdrückenden Entfremdung, die Überwindung
der knechtenden Arbeitsteilung und des (kapitalistischen)
Privateigentums, dann ist also Sozialismus-Kommunismus möglich.
Das ist dann aber auch dringend geboten. Im Gegensatz zur
Ausgangssituation des Real-Sozialismus gibt
es nun auch bezüglich bisheriger Staatsfunktionen die Möglichkeit,
daß eine revolutionäre Praxis, also die Veränderung
der Verhältnisse und die Selbstveränderung der Menschen
einen sozialistischen Charakter annehmen kann.
Nicht nur in der Produktion, auch hinsichtlich
allgemeiner Aufgaben müßte nach einer
gesellschaftlichen Umwälzung heute nicht wieder die
Spaltung der Gesellschaft in Herrschend und Beherrschte,
nicht wieder die Rekonstruktion des Staates erfolgen. Die
kapitalistische Wirklichkeit wächst heute auch
hinsichtlich seiner Tendenzen zum schlanken Staat
sozusagen den Marxschen Aussagen über die materiellen
Voraussetzungen einer sozialistisch-kommunistischen Umwälzung
entgegen.
Wo
bleiben die Bewegungen von frei assoziierten Individuen?
Am Ende des
20. Jahrhunderts ist ein bestimmtes Revolutionskonzept,
das einstmals mit zivilisatorischem Fortschritt vereinbar
war, schließlich zur Horrorvorstellung geworden. Es ist
die Vorstellung von einer die Herrschaft erobernden
Klasse, die alle Produktionsinstrumente in den Händen
des Staates zentralisiert, den Arbeitszwang für
alle einführt sowie die Errichtung
industrieller Armeen betreibt und auch noch die
Erziehung aller Kinder übernimmt. Diesen Marx wie den sich darauf berufenden Real-Sozialismus
können (und müssen) Sozialisten heute endlich
theoretsich und praktisch überwinden. Damit verflüchtigt
sich auch der alte Widerspruch zwischen Marxisten und
Anarchisten. Die 68er haben verfrüht hier und
jetzt und alles gewollt und sind letztlich wieder
im modernisierten alten Brei gelandet. Angesichts o. g.
Entwicklung ist jedoch Rudi Dutschke inzwischen
zuzustimmen: Eine Theorie und eine Bewegung, die die
wirkliche Emanzipation in die Zukunft verlegte, die
Eroberung des bürgerlichen Staates durch das Proletariat
als primär für die soziale Revolution ansah, ist
überholt. Diese Etappentheorie, die in der Phase der für die Beseitigung des
Mangels und der Notdurft notwendigen Entfaltung der
Produktivkräfte durch die bürgerliche Gesellschaft
alles für sich hatte, den Sieg von Marx über
Bakunin historisch rechtfertigte, kann für unsere Zeit,
in der bei uns in den Metropolen der Kapitalismus auch
nicht mehr einen einzigen Funken temporärer
Notwendigkeit in sich hat, kaum noch Bedeutung haben.
Angesichts der heutigen materiellen Bedingungen
können sozialistisch-kommunistischen Umwälzungen nicht
mehr in Kategorien des ML und sonstiger
Arbeiterbewegungsmarxismen erfaßt werden. Das begreifend
wird die heute wichtige Fragestellung erst möglich: Wo
und wie assoziieren sich Individuen, die im Ringen um
ihre eigene Emanzipation nicht wieder notwendigerweise
zur Konstituierung neuer Herrschaft greifen müssen? Sie
können dies offenkundig nur außerhalb aller
entfremdeter Formen tun, unter denen bis in die zweite
Jahrhunderthälfte hinein noch innerhalb der bürgerlich-kapitalistischen
Epoche partielle Emanzipation erkämpft werden konnte: außerhalb
der Staats-, Parteien- und Parlamentsinstitutionen und
anderer patriarchaler Strukturen. Sind in diesem Sinne
die antiautoritären Bewegungen von 1967/68, die
nachfolgenden klassenungebundenen sogenannten neuen
sozialen Bewegungen sowie die Bürgerbewegungen der
DDR mit ihren Runden Tischen (vor ihrer deutsch-nationalen
Zersetzung) die Vorboten einer in den realen
Auseinandersetzungen unserer Zeit anstehenden Entdeckung?
Es geht um neue emanzipatorische Bewegungsformen, die
nach den östlichen auch die jetzt global herrschenden
westlichen Machtstrukturen auflösen. Es geht um die
Aufhebung des heute schreiendsten Gegensatzes: Hier die
realen Möglichkeiten einer universellen Entwicklung der
Individuen, die gemeinschaftlich ihre Zwecke selbst
setzen könnten, und da die tatsächlich massenhaft
realkapitalistischen Perspektivlosigkeit und Katastrophen.
Eine Theorie, die sich als Selbstbewußtsein sozialer
Bewegungen freier Individuen versteht, die neue Lebens-
und Arbeitsweisen schafffen, hat in der Suche nach
emanzipatorischen Formen entsprechender Assoziationen und
in der Kritik jeglicher Rekonstruktion von Macht in
diesen Assoziationen einen spannenden Gegenstand.
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