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  KOMMUNISTISCHE STREITPUNKTE - Zirkularblätter - Nr. 5 - 10.02.2000 - Onlineversion

Ulrich Weiß Berlin, 09.11.1999

Marx und der mögliche Sozialismus

Selektiver Umgang mit Marx


Für solidarisch-linke Kritiker des Real-„Sozialismus“ war es wie für Marxisten-Leninisten undenkbar, bestimmte gesellschaftliche Gegensätze im Osten als antagonistische, d. h. nur durch revolutionäre Umbrüche aufhebbare Widersprüche anzuerkennen. Die Gegensätze etwa zwischen Herrschenden und Beherrschten wurden als Entwicklungsprobleme verstanden, die innerhalb „sozialistischer“ Grundstrukturen überwindbar seien. Tatsächlich geriet damit die kommunistische Perspektive völlig aus dem Blick. Offene Zweifel am sozialistisch-kommunistischen Charakter und an der kommunistischen Perspektive der DDR wurden kaum laut. In der Bestimmung des Sozialismus als „eine relativ selbständige sozialökonomische Formation
1 durch den Strategen Ulbricht kam aber das Problem 1967 sehr deutlich zum Ausdruck. Der spätere Begriff Real-Sozialismus markierte dann das regierungsoffizielle Zurückweisen jeglicher Kritik, die sich noch auf einen sozialistisch-kommunistischen Anspruch berief. Der ML konnte sich bei der Bestimmung des Ostens als sozialistisch allerdings auch auf Marx berufen, ohne notwendig intellektuell unredlich zu erscheinen. Das betrifft z. B. dessen Aussagen zur Enteignung der alten herrschenden Klasse, zur Konzentration der Produktionsmittel in Staatshand, zur Planung im nationalen Rahmen, zur rücksichtslosen Abwehr von Restaurationsversuchen entmachteter Kapitalisten. Was im Marxschen Werk jedoch die Bestimmung der östliche Praxis als sozialistisch fragwürdig machte (Absterben des Staats, Aufhebung der Entfremdung und knechtender Arbeitsteilung usw.), das wurde als Ausdruck eines noch unreifen Marx zurückgewiesen bzw. als im Leninismus marxistisch aufgehoben dargestellt. Ein derartiges widersprüchliches Verhalten zu Marx ist auch, aber nicht nur als theoretischer Irrtum oder als Anpassung an reale Existenzbedingungen des „Sozialismus“ im 20. Jahrhundert bzw. als Herrschaftslegitimation zu verstehen. Es verweist auf Widersprüche bei Marx selbst. Dies zu begreifen, das ist unabdingbar für eine heutige Diskussion über sozialistisch-kommunistische Perspektiven.


Arbeiterbewegung und Real-„Sozialismus“ – bürgerliche Projekte


In den Feuerbachthesen bestimmte Marx einen Wesenszug jeder sozialistisch-kommunistischer Bewegung und Theorie: Charakteristisch für den alten Materialismus ist der Standpunktes der bürgerlichen Gesellschaft, nämlich die Sondierung der „Gesellschaft in zwei Teile – von denen der eine über ihr erhaben ist“
2 und die Methode, „die Wirklichkeit ... nur unter der Form des Objekts oder der Anschauung 3 zu fassen. Der (sozialistisch-kommunistische) Standpunkt des neuen Materialismus, „die menschliche Gesellschaft oder die gesellschaftliche Menschheit“, wird dagegen dann eingenommen, wenn statt der Spaltung der Gesellschaft in Dienende und Herrschende, in Avantgarden und zu führende Massen das „Zusammenfallen des Änderns der Umstände und der menschlichen Tätigkeit oder Selbstveränderung ... als revolutionäre Praxis gefaßt und rationell verstanden“ 4 wird. Marx hatte vor 1848 in Deutschland die allgemeinmenschliche Emanzipation eher für möglich gehalten als die partielle, die bürgerliche. Subjekt dieser revolutionären Umwälzung werde das Proletariat sein. 5 Es löse sich und alle anderen Klassen im Moment seines Sieges auf und überwinde damit alle Gesellschaftsstrukturen, die einer Herrschaft bedurften.
Marx’ Irrtum, daß die sozialistisch-kommunistischen Revolution, also das Aufheben der Sondierung der Gesellschaft in zwei Teile, eine Aufgabe der nächsten Zeit sei, ergab sich u.a. aus seinem konkret-historischen Standort und aus der Unreife seiner damaligen ökonomischen Forschungen. Am Beginn eines sich erst entfaltenden (und nicht etwa eines in die Existenzkrise geratenen) Kapitalismus konnten wohl schon wesentliche Bedingungen und Triebkräfte von prokapitalistischen revolutionären Umbrüchen und innerkapitalistischen (Entwicklungs-)Revolutionen und Reformen analysiert werden, aber noch nicht diejenigen Subjekte und deren Bewegungsformen, die erst im Spätkapitalismus relevant werden und eine sozialistisch-kommunistische Umwälzung tatsächlich tragen können. Allerdings waren über mehr als ein Jahrhundert nach dem Kommunistischen Manifest die proletarischen Klassenkämpfen und ihre Kampfformen für einen innerkapitalistische zivilisatorischen Fortschritt unverzichtbar. Diese Rolle des arbeitenden und kämpfenden Proletariats ist mit der ökonomischen Theorie des reifen Marx glänzend erkenn- und darstellbar. Die Erwartung dagegen, das Proletariat sei auch das Subjekt der allgemeinmenschlichen Emanzipation und werde die sozialistische Gesellschaft begründen, ist eine unbestätigte Theorie geblieben. Marxens früher philosophisch-ökonomischer Blick über die bürgerliche Gesellschaft hinaus gestattete ihm allerdings bereits auch eine Grenze der proletarisch-kommunistischen Bewegung zu erkennen: Die Geschichte wird eine „kommunistische Aktion“ zur Aufhebung des Privateigentums bringen in einem „sehr rauhen und weitläufigen Prozeß ... Als einen wirklichen Fortschritt müssen wir es aber betrachten, daß wir von vornherein sowohl von der Beschränktheit als dem Ziel der geschichtlichen Bewegung, und ein sie überbietendes Bewußtsein erworben haben.“ [Hervorhebung UW]
6 Auch der junge Lenin wußte noch: Es ist eine „der Grundideen des Marxismus“, daß die „Interessen der gesellschaftlichen Entwicklung [stehen] höher als die Interessen des Proletariats.“7 Mit dem Aufstieg und Fall des Real-„Sozialismus“ sind sowohl die Leistungskraft als auch die historische Begrenztheit der proletarischen Bewegungen deutlich geworden. Wer ernsthaft versuchte, diese Grenze geistig zu überschreiten, also das revolutionäre Ziel der allgemeinmenschlichen Emanzipation im Auge zu behalten und zugleich den Osten als Sozialismus zu verstehen und zu verteidigen, der konnte daran kaputt gehen. So z. B. Lothar Kühne. „Zum Mittun in einem bürokratisierten Betrieb von Partei, parteilicher Wissenschaft und Lehre usw. sich verpflichtend und zugleich als Handelnder seinem Tun einen revolutionären Sinn gebend, verlangte der überzeugte kommunistische Intellektuelle Lothar Kühne von sich das Unmögliche.“8 Die tatsächliche geschichtliche Funktionen der proletarisch-kommunistischen Bewegung lag bisher nicht im Aufheben von Privateigentum durch Begründung des gesellschaftlichen Eigentums. Letzteres wurde dauerhaft noch nirgends geschaffen, mit dem „sozialistischen“ Staatseigentum gleich gar nicht. Die nachmarxsche revolutionäre und reformistische Arbeiterbewegung hat innerhalb der bürgerlich-kapitalistischen Entwicklung, also faktisch für und nicht gegen sie eine große zivilisierende Potenz entfaltet. Mit Marx, beginnend mit den Feuerbachthesen, ist begreifbar: Die großen historischen Leistungen des Proletariats waren bürgerliche Projekte. Angesichts des historischen Standortes von Marx in der Frühzeit des Industriekapitalismus ist es nachvollziehbar, daß er (dies auch im Widerspruch zu eigenen Aussagen) den proletarischen Klassenkräften und ihren Kampfformen selbst einen zumindestens potentiell sozialistischen Charakter beimaß, daß er einen Zusammenhang zwischen dem alltäglichen Klassenkampf der Arbeiterklasse und der kommunistischen Umwälzung selbst für herstellbar hielt. Eine internationale Assoziation von Kommunisten sollte in diesem Sinne wirken. Die Vision, bereits Teil einer selbst über den Kapitalismus hinausgehenden Bewegung zu sein, hat kämpfende Proletarier und deren Assoziationen dann auch massenhaft erfaßt und begeistert. Gerade im Maße ihrer praktischen Erfolge im Kampf um die Existenz und erweiterte Teilhabe an kapitalistisch-widersprüchlicher Zivilisation rückte dann aber die kommunistische Perspektive in den Bereich der Utopie. Exemplarisch hierfür: Die Entwicklung der einst revolutionären deutschen Sozialdemokratie und der Real-„Sozialismus“. Der tatsächlich geschichtsmächtig werdenden revolutionären Arbeiterbewegung erschienen die frühen Marxschen Erkenntnisse über die allgemeinmenschliche Emanzipation und den untrennbaren Zusammenhang etwa zwischen Privateigentum, knechtender Arbeitsteilung und Entfremdung 9 (also auch das Bewußtsein von der Unmöglichkeit, eines ohne das andere aufzuheben) zunehmend als irrelevant und schädlich. Solche Erkenntnisse störten im realen Klassenkampf und zwar gerade, weil in einer noch nicht aufhebbaren bürgerlichen Gesellschaft erkämpfte Erfolge rechtlich, parlamentarisch und in anderer institutionellen Weise abgesichert werden müssen. Dies aber erfordert unvermeidlich hierarchische Strukturen. Marx’ weit in die Zukunft reichende Aussagen über die allgemeinmenschliche Emanzipation relativierte diese schwer erkämpften Positionen und wirkte in diesem Sinne demotivierend. Der Real-Politiker Engels machte auf drastische Weise die antiemanzipatorischen Sachzwänge der immer wieder in bürgerliche Projekte umschlagenden großen proletarischen Bewegung geltend. Er nahm unvermeidbare, z. T. mörderische Widersprüche der kommunistischen wie der sozialdemokratischen Arbeiterbewegung des 20. Jahrhunderts vorweg, als er z. B. 1882 und 92 schrieb: „Wir haben an der Befreiung des westeuropäischen Proletariats mitzuarbeiten und diesem Ziel alles andre unterzuordnen.“ Sobald der Befreiungsdrang der Balkanvölker „mit dem Interesse des Proletariats kollidiert, so können sie mir gestohlen bleiben.“ Verdirbt deren Emanzipationsstreben uns die „revolutionäre Situation ..., so müssen sie ... den Interessen des europäischen Proletariats ohne Gnade geopfert werden.“ 10 So wie später der ML schmeißt Engels dann auch konsequent zugunsten dieses bürgerlichen Projekts gerade solche Erkenntnisse über Bord, die zentral für den marxistisch-humanistischen Anspruch waren und die von heute aus gesehen hoffen lassen, daß Marxsches Denken zukünftig wieder eine große Anziehungskraft gewinnt. Engels schreibt: Die früheren „Behauptungen, daß der Kommunismus nicht eine bloße Parteidoktrin der Arbeiterklasse ist, sondern eine Theorie, deren Endziel ist die Befreiung der gesamten Gesellschaft, mit Einschluß der Kapitalisten“ sind nur noch Phrasen, abstrakt zwar weiterhin richtig, „aber in der Praxis meist schlimmer als nutzlos.“ Eine an höheren, als den Interessen der Arbeiterklasse verpflichteten Menschlichkeit könnten „nur Neulinge“ oder „die schlimmsten Feinde der Arbeiter, Wölfe im Schafspelz“ vertreten.11
Das Verständnis dafür, warum – wie hier von Engels demonstriert – die Arbeiterbewegung und der Real-„Sozialismus“ nicht über den in den Feuerbachthesen definierten bürgerlichen Standpunkt hinauskamen, ist eine unabdingbare Voraussetzung für die heutige theoretische und praktische Suche nach Übergängen zur sozialistisch-kommunistischen Gesellschaft. Solange damit ein widersprüchlich-zivilisatorischer Fortschritt verbindbar war (oder wie in China heute noch ist?) wurde in allen östlichen Staaten die Spaltung der „sozialistischen“ Gesellschaft nicht nur von der herrschenden Klasse gewollt und zeitweilig bis ins Stalinsche Extrem getrieben. Es wurde mehrheitlich auch von den Subalternen als Bedingung ihrer Existenz und der Verbesserung desLebensniveaus gewollt und unter Opfern verteidigt bzw. hingenommen. Es muß verstanden werden, aus welchen objektiven Gründen das über Generationen funktionierte. Staatliche Gewalt und „Priesterbetrug“ erklärt hier nichts. Wer das für den Osten begreift, schafft sich zugleich wichtige theoretische Instrumentarien für das uns beschäftigende Problem, wie Menschen im „normalen“ westlichen Kapitalismus die letztlich von ihnen selbst gewollte Unterordnung unter die herrschenden Verhältnisse aufbrechen können. Es muß natürlich gleichermaßen gefragt und verstanden werden, wieso sich die westliche Arbeiterschaft zum großen Teil den „eigenen“ Gewerkschaftsbürokratien und sozialdemokratische Regimes unterwarf. Und es muß gefragt werden, warum mehrheitlich eine willige Unterordnung unter die Faschisten erfolgte. Hierauf haben H. Marcuse und andere Vertreter der kritischen Theorie bereits wesentliche Antworten gegeben. Das verstehend muß heute die Frage neu diskutiert werden, ob die Arbeiterbewegung überhaupt das Subjekt eines sozialistisch-kommunistischen Übergangs sein. Wenn nicht, welche Subjekte können es dann sein?
Der große Dialektiker Marx hat jene frühen Erkenntnisse, die dem behaupteten sozialistischen Charakter des Ostens und dem ML widersprachen, nie als unreif widerrufen. Die kommunistische Perspektive blieb immer der Horizont seiner theoretischen Arbeit. Allerdings führten ihn seine ökonomischen Forschungen der 50er Jahre zur Erkenntnis, daß eine allgemeinmenschliche Emanzipation, also eine erfolgreiche sozialistisch-kommunistische Umwälzung an solche materielle und geistige Voraussetzungen gebunden ist, die erst noch mit der weiteren internationalen kapitalistischen Entwicklung entstehe nwerden. Auch dort, wo wie 1917 das Proletariats tatsächlich im Sturmangriff eine schwache Bourgeoisie wegzufegen vermochte, war das kein Beleg für die Reife einer Gesellschaft für eine sozialistische Umwälzung und für den sozialistischen Charakter der revolutionären Subjekte selbst. Es belegt eher das Gegenteil und zwar die Notwendigkeit (sollte Rußland nicht zur Kolonie des westlichen Kapitalismus werden), mittels extremer Spaltung der Gesellschaft eine nachholende (staats-)kapitalistische Entwicklung durchzusetzen. Das bedeutet, die Bezeichnungen „Große Sozialistische Oktoberrevolution“ und „Union der sozialistischen Sowjetrepubliken“ waren völlig verfehlt.


Das „praktische Element der Emanzipation“
– durch Subsumtion unter das Kapital und die Avantgarde zersetzt


In der Allgemeinheit der Feuerbachthesen gefaßt, trifft die Aussage, daß die Menschen in ihrer Praxis die Umstände und dabei sich selbst ändern, auf die ganze Menschheitsgeschichte zu. Wir müssen und können heute fragen: Unter welchen Bedingungen kann die „revolutionäre Praxis“ ihre bürgerliche Form abwerfen und eine ganz bestimmte, nämlich eine sozialistisch-kommunistische Form annehmen? Nur wo diese Voraussetzungen gegeben sind und wo die dementsprechende soziale Bewegungsformen gefunden werden, kann die (Klassen-)Spaltung der Gesellschaft überhaupt aufgehoben werden. Nur dann können sich die Akteure selbst dauerhaft zu freien Individuen erheben. Wie wir durch die gesamt Geschichte des Real-„Sozialismus“ erfahren mußten, ist die kapitalistische Gesellschaft offenkundig tatsächlich nicht aufhebbar, bevor in ihr nicht „alle Produktivkräfte entwickelt sind, für die sie weit genug ist,“ können neue höhere Produktionsverhältnisse nicht an die Stelle der alten treten, „bevor die materiellen Existenzbedingungen derselben im Schoß der alten Gesellschaft selbst ausgebrütet worden sind.“
12 Falls dies nicht die Phrase ist, als die wir sie im ML auswendig lernten, so muß qualitativ bestimmbar sein, welches die im Kapitalismus ausbrütbaren materiellen Existenzbedingungen einer sozialistisch-revolutionären Praxis sind. Sind diese wie 1917, 1918ff und 1945ff international nicht gegeben, so ist es eben nicht selbstverschuldet, wenn der erhoffte Ausgang der Menschen aus der Unmündigkeit mißlingt. Das Verfehlen das sozialistischen Zieles von revolutionären Bewegungen war Ausdruck einer vorläufigen objektiben Unmöglichkeit, den Sozialismus zu erringen.
Marx zog seine Konsequenz aus der 1848er Widerlegung seiner frühen Euphorie: lebenslange Arbeit an den Kritiken der Politischen Ökonomie. Das ewige Dilemma eines „Kommunismus“, der im Versuch seiner Verwirklichung immer wieder antiemanzipatorisch-herrschaftsförmige, also antikommunistische Züge annahm, erscheint mir mit dem Blick auf die heutigen Kapitalismus genau entlang der Intentionen dieser Kritiken theoretisch und praktisch auflösbar.

Marx analysiert wiederholt die sich mit der fortschreitenden der kapitalistischen Produktionsweise verändernde Stellung der unmittelbaren Produzenten im Fertigungsprozeß, ihre Haltung zu den Produktionsmitteln, die Konsequenzen dessen für ihre Individualität und ihre sozialen Beziehungen. Mit diesem Blick sind die qualitativen ökonomischen und sozialpsychologischen Voraussetzungen dafür erkennbar, daß die knechtende Arbeitsteilung, damit Entfremdung und Privateigentum überhaupt abgeworfen werden können und ein Kommunismusversuch nicht wieder „die ganze alte Scheiße ... herstellen müßte“13. Die Entwicklung des kapitalistischen Reichtums stellt sich Marx immer auch als geistige und mentale Knechtung der sich von den Produktionsmittel und den Arbeitsprodukten entfremdenden Produzenten dar. Warenfetischismus und andere ideologischen Verkehrungen bewirken deren Befangenheit in den Kategorien der kapitalistischen Produktion. 14 Lenins Was tun?, das Konzept, revolutionäre Theorie ins Proletariat hineinzutragen und es durch eine Avantgarde revolutionär zu formen und zu führen, sowie seine späte Staatsauffassung sind Anerkennungen dieser Tatsache. Beides eröffnete aber keinen sozialistischen Weg zur Aufhebung dieser Verkehrungen. Im Gegenteil, es führte zu einer spezifischen (stalinistischen) Form ihrer Befestigung. Kapitalkonforme knechtende Ideologie ist nach Marx nicht als Priesterbetrug, nicht als Opium für das Volk, begreifbar. Solche Ideologien wie die ihnen zugrunde liegenden materiellen Bedingungen sind auch nicht Kraft irgendeiner Aufklärung und weisen Führung aufhebbar, gleich gar nicht durch die einer Partei neuen Typus. Nach dem Maßstab der Feuerbachthesen geurteilt erhoben sich die Bolschewiki durch eine revolutionäre Praxis der bürgerlichen Art über die Gesellschaft, begründeten an Stelle der schwachen, zur Führung der bürgerlichen Gesellschaft unfähigen russischen Bourgeoisie eine neue herrschende Schicht. Diese eignete sich das gesamte Eigentum an industriellen Produktionsmitteln an. Sie verband die ursprüngliche Akkumulation von Kapital (mit dem dafür charakteristischen hohen Anteil an Gewalt bei der Proletarisierung großer Teile der Gesellschaft) zunehmend mit der „normalen“ Verwertung des Staatskapitals mittels des stummen Zwangs der Ökonomie. Die Bolschewiki, die eine neue „sozialistische“ Bourgeoisie konstituierten, vollbrachten eine große Leistung. Sie trieben die Geschichte tatsächlich voran und zwar auf eine damals nur mögliche Weise, auf eine nichtsozialistische.
Richten wir also auf der Suche nach den objektiven Voraussetzungen und den sozialen Formen einer revolutionären sozialistischen Bewegung den Blick auf die Marxschen Kritiken der Politischen Ökonomie und auf die heutigen fortgeschrittendsten kapitalistischen Produktionsverhältnisse. Machen wir dabei unser Wissen über den Widerspruch zwischen dem Standpunkt der bürgerlichen und dem der menschlichen Gesellschaft, den Gegensatzes zwischen dem altem und dem Marxschen Materialismus dadurch fruchtbar, daß wir heutige Wege der Emanzipation in bewußter Abkehr von den Strukturen der alten Arbeiterbewegung und des Real-„Sozialismus“ sowie aller anderen bürgerlichen Projekte suchen. Marx jubelt als junger Mensch über die revolutionären Pariser Handwerker: „Sie müßten einer der Versammlungen der französischen ouvriers beigewohnt haben, um an die jungfräuliche Frische, an den Adel, der unter diesen abgearbeiteten Menschen hervorbricht ... Jedenfalls aber bereitet die Geschichte unter diesen ‘Barbaren’ unserer zivilisierten Gesellschaft das praktische Element zur Emanzipation des Menschen vor.“
15 Später beschreibt er die reelle Subsumtion der Arbeit unter das Kapital als ein Zersetzen der einstigen vielseitigen Individualität des mittelalterlichen Handwerkers.16 Dem frühen Bild der erhofften Zukunft steht theoretisch und praktisch nun entgegen eine massenhaft bis zum Ende des Fordismus um sich greifende Reduzierung der unmittelbaren Produzenten auf wenige Fertigkeiten, mittels derer sie eine Lücke in der Maschinerie ausfüllen. Warum denn und wie eigentlich sollten sich gerade die derart proletarisierten Individuen zur kommunistischen Produktions- und Lebensweise, zur Selbstverwaltung und Selbstbestimmung befähigen? Diese erfordert doch ganz andere Fähigkeiten und Mentalitäten, als die, die den Proletariern gerade in der fordistischen Lohnarbeit reell aufgezwungen werden? Auch im Real-„Sozialismus“ waren die unmittelbaren Produzenten unter eine knechtende Arbeitsteilung, unter die Maschinerie und unter die Verfügungsgewaltigen subsumiert. Lenin sah darüber hinaus im kapitalistischen Monopol, besonders im Staatsmonopol, die ökonomischen Bedingungen des Sozialismus vollständig vorgeprägt. In Deutschland „haben wir das ‘letzte Wort’ moderner großkapitalistische Technik und planmäßiger Organisation, die dem junkerlich-bürgerlichen Imperialismus unterstellt sind. Man ... setze an Stelle des militärischen, junkerlichen, bürgerlichen, imperialistischen Staates ebenfalls einen Staat, ... einen proletarischen Staat, und man wird die ganze Summe der Bedingungen erhalten, die den Sozialismus ergibt.“17. Das war zwar bezogen auf das angenommene Subjekt der sozialistischen Revolution der Marxschen Vorstellung von der Selbstverwaltung frei assoziierter Individuen als ein Wesensmerkmal der sozialistisch-kommunistischen Gesellschaft völlig entgegengesetzt. Doch Lenin konnte sich berechtigt auch auf Marx berufen, so etwa auf seine Aussagen zur historischen Tendenz der kapitalistischen Akkumulation18. Wenn die Proletarier, dressiert und konzentriert durch die kapitalistische Großindustrie, massenhaft zur disziplinierten Unterordnung unter „ihre“ Avantgarde und „ihren“ Staat befähigt werden, dann stützte dies das Leninsche Konzept, eine Organisation von Revolutionären zu schaffen, die Rußland aus der Angeln heben konnte. (Der ebenfalls von Lenin ins Spiel gebrachte Gedanke, daß die Köchin die Küche und zugleich den Staat verwaltet, fand trotz aller Vermittlungsglieder – Gewerkschaften, Arbeiter- und Bauern-Inspektion – darin überhaupt keinen Platz.) Aus solcher Sicht reduziert sich die Begründung eines sozialistischen Charakters von Produktionsverhältnissen tatsächlich auf die Eroberung der politischen Macht durch kommunistische Revolutionäre und das Ersetzen der Kapitalisten bzw. ihrer Manager durch die Vertreter der Arbeiterklasse.
Heute wissen wir: Die Revolutionäre, die vom den tayloristisch-fordistischen Formen der industriellen Fertigung ausgingen (oder sie erst schafffen mußten) sowie vom Monopol in der Wirtschaft und die von hier aus Sozialismus gestalten wollten, sie trieb esin eine ganze bestimmte Richtung. Egal, was ursprünglich ihr Ziel war, wenn sie tatsächlich zur Macht kamen und sie behaupten konnten, dann landeten regelmäßig bei irgendeiner Variante des Stalinismus. Doch vor der real-„sozialistischen“ Jahrhunderterfahrung schien sich auch auf der Basis einer fordistischen Produktionsform ein anderer Weg zu eröffnen, auf dem sich die unter die Arbeitsteilung Geknechteten selbst zu reicher Individualität und zur Herrschaft über die Produktion befähigen können. Die Antwort schien auch durch Marx theoretisch vorgezeigt sowie scheinbar im Handeln häufig kulturvollen und gebildeten vorrevolutionären Bolschewiki bestätigt und in literarischen Gestalten wie in M. Gorkis Die Mutter gestaltet: Das revolutionäre Ändern der Umstände und die sozialistische Selbstveränderung der Akteure erfolgt im gewerkschaftlichen und politischen Kampf um Einfluß und Macht, in der Formierung proletarischer Assoziationen, in der proletarischen Partei und durch deren Aufklärungsarbeit und Organisation. Soweit die Theorie, die Hoffnungen und auch praktische Erfahrungen. In den tatsächlich geschichtsmächtig werdenden vorrevolutionären großen proletarischen Assoziationen (vrgl. den bürokratischen Apparat der deutschen Sozialdemokratie und der Gewerkschaften) und in der nachrevolutionären Realität des Real-„Sozialismus“ reproduzierten sich gerade in den erfolgreichen Assoziationen neue Herrschaftsverhältnisse: Proletarischen Parteien transformierten so wie alle anderen zu Institutionen, die von ihrer inneren Struktur her den Standpunkt der bürgerlichen Gesellschaft reproduzierten. Egal ob bekennende Reformer der bürgerlichen Gesellschaft oder „kommunistische“ Revolutionäre, auch dann, wenn sie unleugbar (widersprüchlich-)zivilisatorische Fortschritte bewirkten – der Widerspruch zwischen den emanzipatorischen Zielen und den Mitteln der Bewegung blieb ein unauflösbares Dilemma der Akteure von Arbeiterbewegungen und „sozialistischer“ Gesellschaften. Erklärungsmuster, die auf subjektive Fehlern, besondere Charakterzüge und mangelhafte Anwendung etwa der Marxschen Theorie zielen, bleiben oberflächlich. Marx und Engels selbst unterlagen als Politiker dieser im 20. Jahrhundert ihren Höhe- bzw. Tiefpunkt erreichenen Konstellation. Der proletarische Klassenkampf konnte nicht o. g. Zersetzung der Individualitäten durch die reelle Subsumtion unter das Kapital dadurch wettmachen, daß die engagierten Proletarier in den politischen Auseinandersetzungen ihre Persönlichkeiten entfalteten. Wo die politischen Organisationen des Proletariats geschichtsmächtig wurden, da geschah eben das Gegenteil – die Rekonstruktion von Herrschaftsstrukturen innerhalb dieser Organisationen selbst. Sie schufen letztlich ein Spiegelbild des einst Bekämpften.
Wenn Tausende Industrieunternehmen enteignet würden, so Bernstein, dann müsse der Staat sie mittels eines riesigen bürokratischen Apparates lenken. Das käme weder der deutschen Wirtschaftsentwicklung noch der tatsächlichen Stellung der Arbeiter zugute. Er äußerte Bedenken, „die Industrie der Bureaukratisierung auszuliefern und möchte auch nicht das Staatsbeamtentum ins Unbegrenzte vermehren.“ Die kapitalistische Produktion „war ein gewaltiger Faktor des technisch-ökonomischen Fortschritts ... Es wird bezweifelt, daß die bureaukratisierte Produktion das Gleiche leisten würde.“
19 Bernstein und nicht Lenin etwa mit seiner Hoffnung auf die Köchin behielt Recht. Die „sozialistische“ wie die zeitgleiche parallele „normal“-bürgerliche Realität rief unabweisbar nach hierarchischen Produktionsverhältnissen.20 Engels erklärt autoritäre Strukturen sogar als zeitlose Eigenschaft jeder denkbaren maschineller Großproduktion. „Der mechanische Automat einer großen Fabrik ist um vieles tyrannischer, als es jemals die kleinen Kapitalisten gewesen sind ... was die Arbeitsstunden betrifft, kann man über die Tore dieser Fabriken schreiben: Laßt alle Autonomie fahren, die Ihr eintretet!“ Soweit Engels (und später auch Lenin) dies auf die seinerzeit überschaubare Formen der Produktivkraftentwicklung bezieht, ist dem zuzustimmen, nicht aber der folgenden Mystik: „Wenn der Mensch mit Hilfe der Wissenschaft und des Erfindergenies sich die Naturkräfte unterworfen hat, so rächen diese sich an ihm, indem sie ihn ... einem wahren Despotismus unterwerfen, der von aller sozialen Organisation unabhängig ist.“ [Hervorhebung – UW ] Die ewig tyrannische „Autorität in der Großindustrie abschaffen wollen, bedeutet die Industrie selber abschaffen wollen ...“ 21 Ausgehend von der ursprünglichen Marx-/Engelschen Erkenntnis vom notwendigen Zusammenhang zwischen (knechtender) Arbeitsteilung, Entfremdung und Privateigentum hat Engels mit dieser Beschwörung des ewig tyrannischen Charakters von Industrieproduktion faktisch eine sozialistisch-kommunistische Produktionsweise als für immer unmöglich erklärt. Die real-„sozialistische“ Industrie schien dem auch recht zu geben. Der Fordismus-Taylorismus, von Lenin als die über Jahrzehnte unumgängliche Form der Produktion erkannt22, hat in Ost wie West die von Marx im Kapital beschriebene knechtende Arbeitsteilung auf eine bis dahin praktisch unbekannte Spitze getrieben. Hier wird „der Automat selbst das Subjekt, und die Arbeiter sind nur als bewußte Organe seinen bewußtlosen Organen beigeordnet und mit denselben der zentralen Bewegungskraft untergeordnet“, „Gehilfen der Maschinerie“.23 Diese Maschinenarbeit „konfisziert alle freie körperliche und geistige Tätigkeit. ... Die Scheidung der geistigen Potenzen des Produktionsprozesses von der Handarbeit und die Verwandlung derselben in Mächte des Kapitals über die Arbeit vollendet sich ... in der auf Grundlage der Maschinerie aufgebauten großen Industrie.“24 Staatsangestellte – dies eine zivilisierende Funktion der Bolschewiki – können zwar statt einer schwachen herkömmlichen Bourgeoisie deren geschichtliche Mission erfüllen, erfolgreich die Funktion der vertriebenen Unternehmer ausüben und den Aufbau einer Großindustrie und damit auch die Proletarisierung der Bevölkerung durchsetzen (dies allerdings nur, bis die tayloristisch-fordistische Form der Produktion ihren Höhepunkt erreicht hatte). Das tatsächliche Kapitalverhältnis, die reelle und formelle Subsumtion der Lohnarbeit unter das Kapital (hier das Staatskapital) heben sie damit nicht auf. Sie reproduzieren es nur auf eine spezifische, etwa den Anforderungen einer nachholenden kapitalistischen Akkumulation durchaus angemessenen zentralistisch-barbarische Weise. Im ML erfolgt die sozialökonomische Bestimmung der siegreichen proletarischen Revolution und der Verstaatlichung der Produktionsmittel in einer Weise, als habe Marx nicht Das Kapital, sondern Die Kapitalisten geschrieben, als könne mit der Vertreibung der bisherigen Unternehmer und der Übernahme ihrer Funktionen durch Staatsfunktionäre das Kapitalverhältnis im sozialistischen Sinne aufgehoben werden. Die klügeren Köpfe ahnten, daß die ganze so begründete sogenannte Politische Ökonomie des Sozialismus eine Fiktion ist. Obwohl „sämtliche beim heutigen Stand der Forschung mögliche Antworten .... bereits gefunden“ sind, so schrieb L.I. Abalkin, ist es offenbar unmöglich, so wie Marx in Bezug auf die Kritik der Politischen Ökonomie des Kapitalismus die Ware als ökonomische Zellenform erkannte, einen entsprechenden Ausgangspunkt der Theorie für die des sowjetischen Sozialismus zu finden. 25 So wie die real-„sozialistische“ Wirklichkeit immer wieder dazu drängte, sich immer mehr der normalen kapitalistischen Warenproduktion anzunähern (siehe Neues ökonomisches System in der DDR der 60er Jahre), so trieb es auch die Theoretiker des Sozialismus, ihre ökonomische Zelle in engster Annäherung an Marx’ Kapital zu suchen.26 Was Marx allerdings als Darstellung zum Zwecke der Kritik betrieb, das versuchten sie theoretisch bzw. die Wirtschaftspolitiker praktisch psitiv zu gestalten – ohne es beim zutreffenden Namen zu nennen. Dies taten dafür die im Osten verdammten Konvergenztheoretiker, die eine Annäherung der Produktionsverhältnisse von Ost und West bis zur Gleichartigkeit konstatierten bzw. voraussagten. All dies waren Indizien dafür: Es ging nicht um eine wirklich neue Produktionsweise, sondern um eine Variante nachholender kapitalistischer Entwicklung.


Der erste springende Punkt – Sozialismus wird ökonomisch möglich


Wann können nun nach Marx die Produktionsarbeiten „den Schein bloß äußrer Naturnotwendigkeit abgestreift erhalten und als Zwecke, die das Individuum selbst erst setzt, gesetzt werden“? Wann muß die Arbeit nicht mehr als „Lohnarbeit ... als äußre Zwangsarbeit ... und ihr gegenüber die Nichtarbeit als ‚Freiheit und Glück‘“ erscheinen? Marx’ Antwort: „Die Arbeit der materiellen Produktion kann diesen Charakter nur erhalten, dadurch, daß 1. ihr gesellschaftlicher Charakter gesetzt ist, 2. daß sie wissenschaftlichen Charakters, zugleich allgemeine Arbeit ist, nicht Anstrengung des Menschen als bestimmt dressierter Naturkraft, sondern als Subjekt, das in dem Produktionsprozeß nicht in bloß natürlicher, naturwüchsiger Form, sondern als alle Naturkräfte regelnde Tätigkeit erscheint.“
27 Bleiben wir bei der zweiten Bedingung. Unter welchen materiellen Voraussetzungen kann der Produzent selbst Subjekt werden, muß von der Produktion selbst keine Spaltung der Gesellschaft mehr ausgehen, kann also massenhaft der bürgerliche Standpunkt verlassen werden? „In dem Maße“, so eine Antwort, „wie die große Industrie sich entwickelt, wird die Schöpfung des wirklichen Reichtums abhängig weniger von der Arbeitszeit und dem Quantum angewandter Arbeit als von der Macht der Agentien, die während der Arbeitszeit in Bewegung gesetzt werden und ... [das ist abhängig] vom allgemeinen Stand der Wissenschaft und dem Fortschritt der Technologie.“28 Erst eine bestimmte Entwicklungsstufe der Technologie ermöglicht eine grundsätzlich andere des Menschen im bzw. zum Fertigungsprozeß als die der fordistisch-tayloristischen Wirtschaft, nämlich die, in der sich der Mensch verhält „als Wächter und Regulator zum Produktionsprozeß selbst ... Er tritt neben den Produktionsprozeß, statt sein Hauptagent zu sein.“ 29 Damit gewinnt Arbeit nicht nur einen wissenschaftlichen Charakter. Es wird zugleich der über die Lohnarbeit laufende Verwertung von Wert die Basis entzogen. Es ist dann „weder die unmittelbare Arbeit, die der Mensch selbst verrichtet, noch die Zeit, die er arbeitet, sondern die Aneignung seiner eignen allgemeinen Produktivkraft, sein Verständnis der Natur und die Beherrschung derselben durch sein Dasein als Gesellschaftskörper – in einem Wort die Entwicklung des gesellschaftlichen Individuums, die als der große Grundpfeiler der Produktion und des Reichtums erscheint.“ 30 Ab diesem „bestimmten Grad der Entwicklung der materiellen Produktivkräfte und daher des Reichtums ... erscheint die weitere Entwicklung [auf kapitalistischer Grundlage – UW] als Verfall und die neue Entwicklung beginnt von einer neuen Basis.“ 31 Die Ökonomie kann (nicht muß!) von diesem Zeitpunkt an aufhören, eine politische zu sein, weil materielle Produktion, damit sie überhaupt auf hohem Niveau stattfinde, nicht mehr der Sondierung der „Gesellschaft in zwei Teile“ 32, nicht mehr der Klassenspaltung, nicht mehr des Staates bedarf. Von dem Zeitpunkt an können auch Emanzipationsbewegungen wie etwa die der Frauen eine andere Perspektive gewinnen als etwa die, unter der Losung der Gleichstellung zur kapitalistischen Modernisierung beizutragen, Frauen als Lohnarbeiterinnen, Unternehmerinnen oder Politikerinnen massenhaft in die Reproduktion von patriarchalen Verhältnissen einzubinden. Emanzipationsbewegungen können jetzt erstmalig einen sozialistischen, jegliche Herrschaftsstrukturen aufhebenden Charakter gewinnen.
Ab den 60er Jahren gab es im Osten wie im Westen parallel zu den allerersten Übergängen zur automatisierten Fertigung kurzzeitig eine faßbarere Ahnung der Perspektive vom „allseitig, schöpferisch, spielerisch Arbeitenden“
33. Diese waren durchaus kompatibel mit den frühen Marxschen Aussagen über eine kommunistische Zukunft34, nicht aber mit dem ML und nicht mit den Grundstrukturen des Ostens. Es wurde schnell klar, daß soziale Bewegungen, die der beginnenden wissenschaftlich-technischen Revolution einen zivilisationsverträglichen sozialistischen Charakter hätten geben können, nur in der Rebellion gegen jegliche hierarchisch-patriarchale Gesellschaftsstruktur, also gegen die bürgerliche Spaltung in Herrschende und Beherrschte, entstehen konnten. Im Westen machte eine solche klassenungebundene emanzipatorische Bewegung neuer Art 1967/68 Furore. Mit dem Effekt des Ausschöpfens noch vorhandener ökonomisch-zivilisatorischer Potenzen in der bürgerlich-kapitalistischen Gesellschaft wurde sie in diese integriert. Diese Entwicklung hat ihren zivilisationsfördernden Höhepunkt längst überschritten und ihren vorläufigen Tiefpunkt mit der rot-grünen Bundesregierung erreicht. 35 Im Osten wurde emanzipatorische Bewegung der 1960er Jahre und ihr theoretischer Reflex ohne eine temporär positive Wirkung wie im Westen gestoppt. Die Grenze der real-„sozialistischen“ Möglichkeiten war damit angezeigt. Der Osten ging schließlich bis 1990 daran kaputt, woran der Westen zunehmend krankt: an der strukturell bedingten Unfähigkeit, eben jenem ganz „bestimmten Grad der Entwicklung der materiellen Produktivkräfte“, durch welche „die Entwicklung des gesellschaftlichen Individuums ... der große Grundpfeiler der Produktion und des Reichtums“ 36 werden kann, den erforderlichen zivilisationsverträglichen Raum zu verschaffen. Die Organisations- und Herrschaftsfähigkeiten einer über der Gesellschaft erhabenen Klasse einerseits sowie die Fähigkeiten und der Willen der Subalternen zur Unterwerfung unter lebenslange Lohnarbeit andererseits sind nunmehr historisch erstmalig keine Bedingungen mehr für Reichtum und Zivilisation. Das lutherisch/real-„sozialistische“ Arbeitsethos gerät damit ins Wanken. In der postfordistischen Produktion formieren sich nun gerade solche Elemente, die nicht nur eine abstrakt-theoretische Beschreibung einer solchen Art von Produktion denkbar machen, die nicht mehr von Kapital und Lohnarbeit vorangetriebenen wird. Kapitalistisch betrieben erscheinen die neuen Fertigungsweisen allerdings für die meisten Menschen als Katastrophe. Diese ist bei Beibehaltung des kapitalistischen Rahmens auch tatsächlich von keinerlei reformerischen Reparaturversuchen aufzuhalten, egal ob sich diese in schwarzen, rötlichen oder grünen Farben präsentieren. Auf Marxsche Weise sozialistisch betrachtet und betrieben, könnten diese neuen Elemente jedoch als die endlich entstehenden Voraussetzungen einer reichen Entwicklung der Individuen auf der Basis gemeinschaftlich beherrschter moderner Produktivkräfte begriffen und genutzt werden. Von der Stellung des produzierenden und konsumierenden Individuums aus gesehen ist dies genau der Punkt, da die Aufhebung des Kapitalismus durch den Sozialismus-Kommunismus ökonomisch möglich wird.

Diese Möglichkeit kann allerdings nur wirklich werden, wenn sich verbindende Menschen einen Weg finden, um die von Marx genannte erste Bedingung dafür zu schaffen, daß Arbeit nicht mehr als „Lohnarbeit ... als äußre Zwangsarbeit erscheint“. Es muß „ihr gesellschaftlicher Charakter gesetzt“ werden37, und zwar nicht durch das Kapital, sondern durch frei assoziierte Individuen, die selbst bewußt die Zwecke der Produktion „als Selbstverwirklichung, Vergegenständlichung des Subjekts“ bestimmen. 38 Die derzeit scheinbar allmächtige kapitalistische Form des Setzens des gesellschaftlichen Charakters von Produktion ist es, was allerdings jeden Jubel über die o. g. Möglichkeiten einer mit der Automatisierung verbundenen Persönlichkeitsentfaltung erstickt und die menschlich-produktiven Möglichkeiten von Wissenschaft und Technik selbst beeinträchtigt. Mögen sich auch Hierarchien abflachen, möge enorme geistige Beweglichkeit gefordert sein und sich der technologische und betrieblich-soziale Verantwortungsbereich unmittelbarer Produzenten stark erweitern – über allem stehen weiterhin äußere, vom Individuum nicht beherrschte Zwecke: Die Verwertung von Wert, damit der unvermeidliche Zwang zur galoppierenden Reduzierung lebendiger, auch hochqualifizierter Arbeit, was nicht zu genießbarer Freizeit, sondern zu niederdrückender erzwungener Arbeitslosigkeit führt. Die Kapitalisierung durchdringt buchstäblich alle gesellschaftlichen Bereiche. Bis hinein in die intimsten Bereiche, etwa durch Auflösung der traditionellen Familienstrukturen wird alles der Kapitalvermehrung unterworfen. All dies macht das schönste Lean-Production-Team mit seinen abstrakt gegebenen Möglichkeiten zur Selbstentfaltung seiner Mitglieder innerhalb und außerhalb der Arbeit in Wirklichkeit zu einer Ansammlung konkurrierender, sich selbst kontrollierender und damit doch weiterhin von äußerem Zwang getriebener Lohnarbeiter. Das treibt Produktion zur Vernichtung natürlicher Existenzvoraussetzungen und zum Zerstören von Zivilisation. Wie gesagt, auch die östliche Variante des Setzens des gesellschaftlichen Charakters von Arbeit, also die Zwecksetzung durch den „sozialistischen“ Staat, war eine Variante der bürgerlichen Ökonomie mit „sozialistischen“ Ruhmestaten der „Nierreißung aller bestimmten einseitigen Zwecke als Aufopferung des Selbstzwecks unter einen ganz äußeren Zweck“39. An den „Straßen der Besten“ und an Wandzeitungen (die heute in den Betrieben wieder Konjunktur haben) haben sich Helden wie wir gefeiert. Wenn also auch nicht auf real-„sozialistischem“ Wege, wie kann dann der unmittelbare Produzent zum gesellschaftlichen Individuum werden, selbst zwecksetzend der „große Grundpfeiler der Produktion und des Reichtums“? Es gibt immer wieder interessante Versuche alternativer Ökonomien, sich weitgehend selbst durch beschränkt-arbeitsteiliges Produzieren zu versorgen. Das zeigt den Drang einer zunehmenden Minderheit von Menschen, sich den entfremdeten kapitalistischen Verhältnissen zu entziehen. Es geht jedoch nicht um isolierte Kleingruppen von asketisch-gesellschaftlichen Individuem etwa in der ueckermärkischen Einsamkeit, es geht nicht sozusagen um die Reproduktion einer allerdings PC-bestückten urgesellschaftlichen Horde. Es geht um Zivilisationsgewinn auch unter Nutzung gerade der veränderten Stellung unmittelbarer Produzenten in den Kernbereichen von Lean-Production. So sehr sie als Ausdruck der Suche nach anderen Lebens- und Arbeitsweisen zu begrüßen sind, eine isolierte Entwicklung von Alternativprojekten ist noch nicht die Lösung. Deren Vernetzung verweist schon eher darauf, wenn sie unter anderem den High-tech-Bereich und die Erfüllung allgemeiner, bisher meist staatlicher Aufgaben einbeziehen können, wenn also assoziierte Individuen die Bedingungen ihrer materiellen Existenz auf hohem Niveau unter ihre gemeinschaftliche Kontrolle bringen.


Der zweite Punkt – die Gesellschaft kann den Staat in sich zurücknehmen

Marx benennt noch eine weitere Voraussetzung dafür, damit eine Gesellschaft (diese dann konstituiert durch frei-assoziierte Individuen) sich ihre dann nicht mehr entfremdete Herrschaft über die materielle Produktion „zurück“-erobern kann. Der Logik der kapitalistischen Entwicklung folgend sagt Marx sozusagen die heutige Privatisierung öffentlicher Einrichtungen (Verkehrs- und anderer Kommunikationsmittel, Schulbildung, Wissenschaft, Gesundheitswesen, polizeiliche Aufgaben, Kultureinrichtungen, die Verwertung jeglichen öffentlichen Raumes usw.) voraus. Er verweist zum Beispiel auf den Drang des Kapitals, sich auch „die Voraussetzungen der Zirkulation“ zu assimilieren, also solche einst allgemeinen Aufgaben „in kapitalisierende Produktion oder Produktion von Kapital“ zu verwandeln. Die Sicherung von gesellschaftlichen Bedingungen der kapitalistischen Produktion waren zuvor Staatsaufgaben. Sie konnten vom Einzelunternehmen oder vom assoziierten Kapital nicht erfüllt werden, weil dies keine Möglichkeit der Kapitalverwertung bot. Durch die fordistische Form der Vergesellschaftung in West und Ost wurde der Bereich dieser Staatsaufgaben im 20. Jahrhundert extrem ausgeweitet. Diese Funktionen werden nun gegenwärtig genau in dem Maße, in dem das Produktivkraftniveau auch hier eine angemessene Verwertung ermöglicht in einer großen Welle der Privatisierung durch das Kapital selbst übernommen. Dies nennt Marx ,,eine propagandistische (zivilisierende) Tendenz“ des Kapitals. 40 Mit dieser sich in den heutigen Metropolen vollziehenden Entstaatlichung ist nach Marx „die höchste Entwicklung des Kapitals“ erreicht. Die „allgemeinen Bedingungen des gesellschaftlichen Produktionsprozesses“ werden dann nicht mehr „aus dem Abzug der gesellschaftlichen Revenu hergestellt ... sondern aus dem Kapital als Kapital. Es zeigt dies den Grad einerseits, worin das Kapital sich alle Bedingungen der gesellschaftlichen Produktion unterworfen“, womit „alle Bedürfnisse in der Form des Austauschs befriedigt werden; auch die als gesellschaftlich gesetzten Bedürfnisse des Individuums, d.h. die, die es nicht als einzelnes Individuum in der Gesellschaft, sondern gemeinschaftlich mit andren konsumiert." 41 Die ganze Gesellschaft, jeder Lebensbereich, wird zur Geißel des Kapitals. Der Staat verliert die Fähigkeit, den Individuen in allen Wechselfällen von Konjunktur und Krise wenigstens ein Mindestmaß an Stabilität, Sicherheit, Kultur, Bildung usw. zu sichern.

Was kann an diesen Prozessen, die von Regierungen unter Reagan, Thatcher, Blair und Schröder durchgepeitscht werden, zivilisierend oder gar sozialistisch sein? Nichts. Im Gegenteil. Die Gesellschaft wird in die nackte Barbarei getrieben. Dies ist unvermeidlich, wenn die Tendenz zum schlanken Staat sich unter kapitalistischen Bedingungen durchsetzt. Wer nur über eine innerkapitalistische Brille verfügt und wer sich nicht wie gegenwärtig alle führenden Politiker hinsichtlich des angeblichen Primats des Politischen beim Geltendmachen menschlicher Bedürfnisse hemmungslos in die Tasche lügt, der kann nur ion ausweglose Verzweiflung oder Zynismus verfallen. In kommunistischer Perspektive jedoch markiert gerade die kapitalisierende Übernahme von bisher notwendig dem Staat zufallenden Aufgaben denjenigen Punkt des Kapitalismus, da mit ihrer „höchsten Entwicklung“ die alte Formation selbst die Möglichkeiten ihrer Aufhebung produziert. In dieser Sicht sind die Entstaatlichungen Indizien dafür, daß emanzipatorische soziale Bewegungen nunmehr die kapitalistische Form der Produktion tatsächlich nachhaltig aufheben können. Wieso? Weil sie nicht wieder notwendig in antiemanzipatorische Entfremdung, in bürgerliche Herrschaftsstrukturen, in die Errichtung neuer Staatlichkeit wie die der sogenannten Diktatur des Proletariats zurückfallen müssen. Warum existiert dieser Zwang nicht mehr, der unter anderem dem Osten die sozialistische Perspektive verstellte? Wenn die zivilisationssichernden allgemeinen Aufgaben tatsächlich dem (bürgerlichen) Staat entrissen und von Einzelkapitalen selbst erfüllt werden oder werden können (was auf kapitalistisch die Verrottung der nicht zahlungsfähigen Träger entsprechender Nachfrage z. B. nach Bildung und Medizin einschließt), dann existieren erstmalig in der Geschichte auch die materiellen Voraussetzungen dafür, daß assoziierte Individuen bisherige Staatsaufgaben direkt unter ihre gemeinschaftliche Kontrolle bringen können. Dann wird für die Bewahrung von Gesellschaftlichkeit der Staat, der Ausdruck der bisherigen Spaltung der Gesellschaft in antagonistische Teile, überhaupt funktionslos. Der Staat, die „übernatürliche Fehlgeburt der Gesellschaft“42, einst in den Klassengesellschaften eine Bedingung zivilisatorischen Fortschritts, wird aufhebbar. Dann und erst dann ist die Aufhebung der sich im Kapital wie im Staat ausdrückenden Entfremdung, die Überwindung der knechtenden Arbeitsteilung und des (kapitalistischen) Privateigentums, dann ist also Sozialismus-Kommunismus möglich. Das ist dann aber auch dringend geboten. Im Gegensatz zur Ausgangssituation des Real-„Sozialismus“ gibt es nun auch bezüglich bisheriger Staatsfunktionen die Möglichkeit, daß eine revolutionäre Praxis, also die Veränderung der Verhältnisse und die Selbstveränderung der Menschen einen sozialistischen Charakter annehmen kann. Nicht nur in der Produktion, auch hinsichtlich allgemeiner Aufgaben müßte nach einer gesellschaftlichen Umwälzung heute nicht wieder die Spaltung der Gesellschaft in Herrschend und Beherrschte, nicht wieder die Rekonstruktion des Staates erfolgen. Die kapitalistische Wirklichkeit wächst heute auch hinsichtlich seiner Tendenzen zum schlanken Staat sozusagen den Marxschen Aussagen über die materiellen Voraussetzungen einer sozialistisch-kommunistischen Umwälzung entgegen.


Wo bleiben die Bewegungen von frei assoziierten Individuen?

Am Ende des 20. Jahrhunderts ist ein bestimmtes Revolutionskonzept, das einstmals mit zivilisatorischem Fortschritt vereinbar war, schließlich zur Horrorvorstellung geworden. Es ist die Vorstellung von einer die Herrschaft erobernden Klasse, die „alle Produktionsinstrumente in den Händen des Staates“ zentralisiert, den „Arbeitszwang für alle“ einführt sowie die „Errichtung industrieller Armeen“ betreibt und auch noch die „Erziehung aller Kinder“ übernimmt. 43 Diesen Marx wie den sich darauf berufenden Real-„Sozialismus“ können (und müssen) Sozialisten heute endlich theoretsich und praktisch überwinden. Damit verflüchtigt sich auch der alte Widerspruch zwischen Marxisten und Anarchisten. Die 68er haben verfrüht „hier und jetzt und alles“ gewollt und sind letztlich wieder im modernisierten alten Brei gelandet. Angesichts o. g. Entwicklung ist jedoch Rudi Dutschke inzwischen zuzustimmen: Eine Theorie und eine Bewegung, die die wirkliche Emanzipation „in die Zukunft verlegte, die Eroberung des bürgerlichen Staates durch das Proletariat als primär für die soziale Revolution ansah“, ist überholt. „Diese Etappentheorie44, die in der Phase der für die Beseitigung des Mangels und der Notdurft notwendigen Entfaltung der Produktivkräfte durch die bürgerliche Gesellschaft alles für sich hatte, den ‘Sieg’ von Marx über Bakunin historisch rechtfertigte, kann für unsere Zeit, in der bei uns in den Metropolen der Kapitalismus auch nicht mehr einen einzigen Funken temporärer Notwendigkeit in sich hat, kaum noch Bedeutung haben.“ 45 Angesichts der heutigen materiellen Bedingungen können sozialistisch-kommunistischen Umwälzungen nicht mehr in Kategorien des ML und sonstiger Arbeiterbewegungsmarxismen erfaßt werden. Das begreifend wird die heute wichtige Fragestellung erst möglich: Wo und wie assoziieren sich Individuen, die im Ringen um ihre eigene Emanzipation nicht wieder notwendigerweise zur Konstituierung neuer Herrschaft greifen müssen? Sie können dies offenkundig nur außerhalb aller entfremdeter Formen tun, unter denen bis in die zweite Jahrhunderthälfte hinein noch innerhalb der bürgerlich-kapitalistischen Epoche partielle Emanzipation erkämpft werden konnte: außerhalb der Staats-, Parteien- und Parlamentsinstitutionen und anderer patriarchaler Strukturen. Sind in diesem Sinne die antiautoritären Bewegungen von 1967/68, die nachfolgenden klassenungebundenen sogenannten neuen sozialen Bewegungen sowie die Bürgerbewegungen der DDR mit ihren Runden Tischen (vor ihrer deutsch-nationalen Zersetzung) die Vorboten einer in den realen Auseinandersetzungen unserer Zeit anstehenden Entdeckung? Es geht um neue emanzipatorische Bewegungsformen, die nach den östlichen auch die jetzt global herrschenden westlichen Machtstrukturen auflösen. Es geht um die Aufhebung des heute schreiendsten Gegensatzes: Hier die realen Möglichkeiten einer universellen Entwicklung der Individuen, die gemeinschaftlich ihre Zwecke selbst setzen könnten, und da die tatsächlich massenhaft realkapitalistischen Perspektivlosigkeit und Katastrophen. Eine Theorie, die sich als Selbstbewußtsein sozialer Bewegungen freier Individuen versteht, die neue Lebens- und Arbeitsweisen schafffen, hat in der Suche nach emanzipatorischen Formen entsprechender Assoziationen und in der Kritik jeglicher Rekonstruktion von Macht in diesen Assoziationen einen spannenden Gegenstand.

 

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1Walter Ulbricht, Die Bedeutung des Werkes „Das Kapital“ von Karl Marx für die Schaffung des entwickelten gesellschaftlichen Systems des Sozialismus in der DDR und den Kampf gegen das staatsmonopolistische Herrschaftssystem in Westdeutschland, Berlin/DDR 1967, S. 38.

2Karl Marx, Thesen über Feuerbach, MEW 3/6.

3ebenda, S. 5.

4ebenda, S. 6f.

5siehe Karl Marx, Zur Kritik der Hegelschen Rechtsphilosohphie. Einleitung, MEW 1/390f.

6Karl Marx, Ökonomisch-philosophische Manuskripte, MEW EB 1/553.

7W.I. Lenin, Entwurf eines Programms unserer Partei, 1899, LW 4/230.

8Michael Brie, Die Tragödie eines kommunistischen Intellektuellen, in: In memoriam Lothar Kühne, Von der Qual, die staatssozialistische Moderne zu leben, Berlin 1993, S. 52f.

9„Übrigens sind Teilung der Arbeit und Privateigentum identische Ausdrücke - in dem Einem wird in Beziehung auf die Tätigkeit dasselbe ausgesagt, was in dem Andern in bezug auf das Produkt der Tätigkeit ausgesagt wird." Karl Marx/Friedrich Engels, Die deutsche Ideologie, MEW 3/32.

10Friedrich Engels, Brief an E. Bernstein, MEW 35/280ff.

11Friedrich Engels, , Vorwort zur englischen Ausgabe der „Lage der arbeitenden Klasse in England“, MEW 22/269f.

12Karl Marx, Zur Kritik der Politischen Ökonomie, Vorwort, in: MEW 13/9.

13Karl Marx/Friedrich Engels, Die deutsche Ideologie, MEW 3/35.

14Karl Marx, Das Kapital, MEW 23/88ff.

15Karl Marx, Brief an Ludwig Feuerbach, MEW 27/426 und Karl Marx, Ökonomisch-philosophische Manuskripte, MEW EB 1/553f..

16Karl Marx, Das Kapital, Kap. 13, MEW 23.

17W.I. Lenin, Über „linke“ Kinderei und über Kleinbürgerlichkeit, LW 27/332. Sozialismus ist „nichts anderes ... als staatskapitalistisches Monopol, das zum Nutzen des ganzen Volkes angewandt wird und dadurch aufgehört hat, kapitalistisches Monopol zu sein.“ Dieser Sozialismus schaut „durch alle Fenster des modernen Kapitalismus auf uns; in jeder großen Maßnahme, die auf der Grundlage dieses jüngsten Kapitalismus einen Schritt vorwärts bedeutet, zeichnet sich der Sozialismus unmittelbar, in der Praxis, ab.“ W.I. Lenin, Die drohende Katastrophe und wie man sie bekämpfen soll, LW 25/369f.

18Karl Marx, Das Kapital, MEW 23/791.

19Eduard Bernstein, Der Sozialismus einst und jetzt, Berlin 1923, S. 135 und ders., Entwicklungsgang eines Sozialisten. Sonderausgabe aus: Die Volkswirtschaftslehre der Gegenwart in Selbstdarstellungen, 1. Band Leipzig 1924, S. 11f.

20W. I. Lenin, Die nächsten Aufgaben der Sowjetmacht, in: LW 27/250.

21Friedrich Engels, Von der Autorität, MEW 18/306f.

22W. I. Lenin, Ein „wissenschaftliches“ System zur Schweißauspressung, LW 18/588; ders, Die nächsten Aufgaben der Sowjetmacht, LW 27/249f und ders., Ein Löffel Teer in einem Faß voll Honig, LW 33/354.

23Karl Marx, Das Kapital, MEW 23/442.

24ebenda S. 445f.

25zitiert in W.S. Wygodski, Das Werden der ökonomischen Theorie von Marx und der wissenschaftliche Kommunismus, Dietz Verlag Berlin 1978, S. 257.

26ebenda.

27Karl Marx, Grundrisse der Kritik der politischen Ökonomie, MEW 42/512.

28ebenda S. 600.

29ebenda S. 601.

30ebenda.

31ebenda S. 446.

32Karl Marx, Thesen über Feuerbach, MEW 3/6.

33Projektgruppe Automation und Qualifikation. Frigga Haug (Leitung), Widersprüche der Automationsarbeit, Argument-Verlag Berlin/West 1987, S. 12.

34Vergleiche die sogenannten Praxis-Diskussion unter DDR-Philosophen in den 1960 Jahren. Siehe: Helmut Seidel, Vom praktischen und theoretischen Verhältnis des Menschen zur Wirklichkeit, in: Deutsche Zeitschrift für Philosophie, 14. Jg., 10/1966 und die sich daran anschließende Auseinandersetzung.

35Siehe die Kontroverse über die rot-grüne Regierungspolitik: Ulrich Weiß, Terrain der rot-grünen Ent-Täuschung, in: ND, 14./15. 11. 1998, S. 14 und die Reaktionen von Jürgen Schuster, Linke Phrasen und die politische Realität, in: ND, 28./29. 11. 1998, S. 14, Heinz Hümmler, Verkrampfte Distanz zur Demokratie, in: ND, 8. 12. 1998, S. 15 und Robert Kurz, Finanzierbarkeitsterror, in: ND, 24. 12. 1998, S.8.

36Karl Marx, Grundrisse der Kritik der politischen Ökonomie, MEW 42/446.

37Karl Marx, Grundrisse der Kritik der politischen Ökonomie, MEW 42/512.

38ebenda.

39ebenda.

40ebenda S. 448.

41ebenda S. 438f.

42Karl Marx, Erster Entwurf zum „Bürgerkrieg in Frankreich“, MEW 17/541.

43Karl Marx, Friedrich Engels, Manifest der Kommunistischen Partei, MEW 4/481/482.

44Ich ergänze: Auch die Auffassung von sogenannten Haupt- (Klassen-) und Nebenwidersprüchen (etwa das Patriarchat, die Umweltzerstörung im Interesse einer kapitalistischen Effektivität)

45Rudi Dutschke, Bibliographie des revolutionären Sozialismus, Frankfurt-Hannover-Berlin. 1969. S. 21f.