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KOMMUNISTISCHE STREITPUNKTE - Zirkularblätter - Nr. 7 - 09.12.2001 - Onlineversion

Ansgar Knolle-Grothusen

editorial



Die Beiträge in dieser Ausgabe lassen sich inhaltlich in drei große Blöcke unterteilen.


(1) Als erstes haben wir einen Bericht vom Streitpunkte-Treffen im Juni und einige Texte und Vorschläge, die auf diesem Treffen vorgelegt wurden, bzw. in der Diskussion eine Rolle gespielt haben:

  • Im kurzen Bericht von unserem Treffen, auf dem es um eine generelle Bestandsaufnahme unserer bisherigen Debatte und Konsequenzen für ihre Fortführung ging, wird versucht, einen Strang der Diskussion und die Ergebnisse, die in einer Ausweitung/Konkretisierung der Dissenzpunkte und in einer Einigung auf die nächsten Debattenschwerpunkte bestanden, festzuhalten.

  • Werner Imhof spitzt in seinen auf dem Treffen vorgelegten Thesen eine wesentliche in der Debatte vertretene Position, die von der doppelten Bestimmung der Aufhebung des Privateigentums ausgeht - von anderer Seite auch beschrieben als doppelte Zielstellung kommunistischer Praxis -, noch einmal zu.

  • Die 'übergänge' haben auf dem Treffen einen Vorschlag eingebracht, in dem sie den Antrag stellen, unsere Debatte in der nächsten Zeit auf die Auseinandersetzung mit programmatischen Texten von PDS, KPD und DKP zu konzentrieren.

  • Obwohl Klaus Braunwarth's „Ablehnung der Neuorientierung der 'übergänge'...“ bereits seit langem vorliegt, wurde er auf dem Treffen in der Diskussion um den Dissenzpunkt „unterschiedliche Vorstellungen über die Begriffe Proletariat, Arbeiterklasse, über die heutige Klassenstruktur und ihre Relevanz für organisiertes gesellschaftsveränderndes Handeln“ erstmals andiskutiert. Klaus Braunwarth versucht hier ausgehend von der Bestimmung des Kapitals als eines totalitären Produktionsverhältnisses die Frage des revolutionären Subjekts in den Blick zu nehmen.

  • Eva D. Abendroth antwortet auf Hans-Jürgen Ohrs Anmerkungen zur Plattform der 'übergänge'1. Hier geht es um zwei Punkte: einmal um das Verhältnis Proletariat - Kleinbürgertum - Intelligenz, zum anderen um die von den 'übergängen' aus dem kommunistischen Manifest übernommene Übergangsmaßregel „Gleicher Arbeitszwang für alle“. Ich möchte darauf hinweisen, daß ich mit Eva's Antwort auf die Kritik von Hans-Jürgen am „gleichen Arbeitszwang für alle“ meine eigene Kritik an diesem 'übergänge'-Eckpunkt2 keineswegs für erledigt halte.


(2) Im Zentrum dieser Ausgabe steht -anknüpfend an Braunwarth's „Imperialismus und Weltordnung“3 - der Briefwechsel zwischen Klaus Herrmann und Klaus Braunwarth und Klaus Herrmanns „Kapitalakkumulation und Krise“. Diese Beiträge sollen einstimmen, vorbereiten und Auseinandersetzungsstoff liefern für das nächste Streitpunkte-Treffen4 mit dem Schwerpunktthema Weltmarkt - Kapitalakkumulation - Krise. Hier wird ein großes Bündel zusammenhängender Fragen aufgeschnürt. Der dokumentierte Wortwechsel regt den Leser zu Auseinandersetzungen an mit einer Reihe von Fragen, von denen ich hier nur einige anreißen kann:

  • Er provoziert eine Reflexion über Klaus Braunwarth's methodischen Ansatz, einen Imperialismus-Begriff aus dem Kapital-Begriff heraus zu entwickeln - Imperialismus als jeweils historisch unterschiedliche Ausdrucksform des exterritorialen Daseins des Kapitals.

  • Er provoziert eine Auseinandersetzung mit Lenins definitorischer Imperialismus-Bestimmung, regt an, sich über ihre historische Einordnung Gedanken zu machen und veranlaßt zur Überprüfung der Arbeiten von Hobson und Hilferding, auf denen Lenin aufbaut.

  • er fordert eine Rekapitulation grundlegender Funktionszusammenhänge der politischen Ökonomie des Kapitalismus:

  • Wie funktioniert die Produktion des relativen Mehrwerts? Wieso steigt durch die Produktion des relativen Mehrwerts die Merhwertrate, während die Profitrate tendentiell fällt? Was ist mit den dem tendentiellen Fall der Profitrate entgegenwirkenden Tendenzen?

  • Läßt sich der Akkumulationsprozeß des Kapitals als kontinuierliche Bewegung verstehen, oder muß er nicht vielmehr immer als zyklische Bewegung gedacht werden?

  • Welche Arbeit ist (Kapital-)produktiv?

  • er fordert die Auseinandersetzung mit bestimmten Interpretationsvarianten der Marxschen Kritik der politischen Ökonomie, insbesondere mit den Krisen- und Zusammenbruchstheorien von Rosa Luxemburg über Henryk Grossmann bis zu den Heutigen - und stellt die Frage nach den inneren und äußeren Schranken und Grenzen der Kapitalakkumulation und ihrer Vermittlung

  • er führt heran an weitere Grundfragen, über die man sich Klarheit verschaffen muß, will man die neuesten Entwicklungen des Kapitalismus begreifen:

  • wie läßt sich das Wechselverhältnis und der Funktionszusammenhang von Kapital und bürgerlichem Staat begrifflich fassen - sowohl allgemein, als auch in Bezug auf die konkreten Gestaltungen, die Kapital und Staat heute angenommen haben?5

  • wie stellt sich das Funktionsgeflecht von kleinen Kapitalien über die größeren bis hin zu den transnationalen Konzernen dar?

  • wie stellt sich das Funktionsgeflecht von lokalen, nationalen, regionalen Märkten und Weltmarkt dar?

  • Wie ist der Funktionszusammenhang zwischen produktivem Kapital und Geldkapital einerseits und realem und fiktivem Kapital andererseits beschaffen und welche Entwicklungen führen zu den empirisch wahrnehmbaren quantitativen Verschiebungen und Dominanzveränderungen?

  • Wie ist die materiale Grundlage des Weltgeldes (und damit des Geldes überhaupt) nach dem Ende des BrettonWoods-Systems (Anfang der 70er Jahre) zu fassen?

Erst auf dieser Grundlage läßt sich m.E. die umstrittene Frage nach dem Verhältnis von Metropolenkonkurrenz und Globalisierung fundiert diskutieren.


(3) Der dritte Block beschäftigt sich mit unserem „Dauerbrenner“, Arbeit.

  • Lutz Getzschmann meldet sich in unserem Kreis erstmals zu Wort mit dem Aufsatz „Arbeit und Klassenbewußtsein im Kapitalismus des 21.Jahrhunderts“. Ausgehend von einer Untersuchung der gegenwärtigen Tendenzen zur Verallgemeinerung, Ausdifferenzierung und Fragmentierung der Lohnarbeit wendet er unter der Überschrift „Das Alte im Neuen“ den Blick zurück auf die historischen Zusammenhänge zwischen den Veränderungen in der gesellschaftlichen Organisation der Arbeit und der Entwicklung von Bewußtseins- und Kampfformen innerhalb der arbeitenden Klassen, um so den Blick zu schärfen für heute ablaufende Prozesse.

  • Werner Imhofs Reflexionen über seine Eindrücke von der politischen Praxis der SUD-Gewerkschaften in Frankreich beginnen da, wo Lutz Getzschmann endet: Sie lenken den Blick auf das Neue im Alten; diese Keimformen entdeckt er in dem praktischen Selbstbewußtsein der in diesen Gewerkschaften assoziierten, in ihrem Selbstverständnis als gesellschaftliche Produzenten.

  • Nur in der Online-Version dieser Ausgabe ist weiterhin zu finden ein von Hans-Gert Gräbe eingesandter Beitrag „Zur Zukunft der Arbeit“. Dieser Beitrag wird manchem, der unsere Debatte verfolgt zunächst etwas fremd aus dem Rahmen der übrigen Beiträge fallend erscheinen, weil er zunächst scheinbar affirmativ an Begriffen aus der bürgerlichen Ideologieproduktion wie „Wissensgesellschaft“ oder „Informationsgesellschaft“ anknüpft. Er entwickelt im Weiteren eine Konzeption von Infrastrukturarbeit, die im Wesentlichen nicht warenförmig organisierbar sei - und damit sich auch der Kapitalverwertung entzöge. Bei der wachsenden Bedeutung, die dieser Bereich annähme, sei die Allokation der erforderlichen Ressourcen über den Staat, der einen steigende Umverteilung des Mehrwerts vom Kapital zum Staat bedeute, im Interesse des Kapitals nur gegen das Kapital durchzusetzen. Er kommt an einen Punkt, an dem er feststellt, daß die Infrastrukturaufgaben der künftigen „Wissensgesellschaft“ mit der Ausbeutung fremder Arbeit als gesellschaftlichem Grundprinzip unvereinbar sind, scheut jedoch vor den meines Erachtens daraus zu ziehenden Konsequenzen zurück, wenn er schließlich den Markt auf eine solidarische Grundlage stellen und bändigen will. Da der Beitrag in Texte zur Philosophie Heft 8 der Rosa-Luxemburg Stiftung Sachsen bereits erschienen ist, haben wir darauf verzichtet, ihn in die Papierversion der Streitpunkte aufzunehmen.

 

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1Hans-Jürgen Ohr, Anmerkungen zur Plattform der 'übergänge zu Kommunismus', in: Kommunistische Streitpunkte 6, S. 88ff

2erstmals formuliert in „Fragen und kritische Anmerkungen zu Daniels Thesen“, Kommunistische Streitpunkte 1, S. 39, inhaltlich ausgeführt und begründet in „Die historischen Beschränktheiten des Kommunismus erkennen und überwinden“, Kommunistische Streitpunkte 3, besonders S. 13 - 18

3Klaus Braunwarth, Imperialismus und Weltordnung, in: Kommunistische Streitpunkte 6, S. 6ff

4Das Streitpunkte-Treffen zum Thema Weltmarkt - Kapitalakkumulation - Krise findet vom 25.-27.1.2002 in Leverkusen statt. Nähere Information und Anmeldung bei der Redaktion.

5m.E. behindert das in den diversen staatsmonopolistischen Theoriebildungen strapazierte Wort von der Verschmelzung das Verständnis des funktionellen Zusammenhangs und seiner Vermittlungen mehr, als das es irgendetwas klären würde.