Die Beiträge in dieser Ausgabe
lassen sich inhaltlich in drei
große Blöcke unterteilen.
(1) Als erstes haben wir einen
Bericht vom Streitpunkte-Treffen im Juni und einige Texte und
Vorschläge, die auf diesem Treffen vorgelegt wurden, bzw. in
der Diskussion eine Rolle gespielt haben:
Im kurzen
Bericht von
unserem Treffen, auf dem es um eine generelle
Bestandsaufnahme unserer bisherigen Debatte und Konsequenzen für
ihre Fortführung ging, wird versucht, einen Strang der
Diskussion und die Ergebnisse, die in einer
Ausweitung/Konkretisierung der Dissenzpunkte und in einer
Einigung auf die nächsten Debattenschwerpunkte bestanden,
festzuhalten.
Werner Imhof spitzt in
seinen auf dem Treffen vorgelegten Thesen eine wesentliche
in der Debatte vertretene Position, die von der doppelten
Bestimmung der Aufhebung des Privateigentums ausgeht - von
anderer Seite auch beschrieben als doppelte Zielstellung
kommunistischer Praxis -, noch einmal zu.
Die 'übergänge'
haben auf dem Treffen einen Vorschlag eingebracht, in dem
sie den Antrag stellen, unsere Debatte in der nächsten Zeit
auf die Auseinandersetzung mit programmatischen Texten von PDS,
KPD und DKP zu konzentrieren.
Obwohl Klaus Braunwarth's
Ablehnung der Neuorientierung der 'übergänge'...
bereits seit langem vorliegt, wurde er auf dem Treffen in der
Diskussion um den Dissenzpunkt unterschiedliche
Vorstellungen über die Begriffe Proletariat, Arbeiterklasse,
über die heutige Klassenstruktur und ihre Relevanz für
organisiertes gesellschaftsveränderndes Handeln
erstmals andiskutiert. Klaus Braunwarth versucht hier ausgehend
von der Bestimmung des Kapitals als eines totalitären
Produktionsverhältnisses die Frage des revolutionären
Subjekts in den Blick zu nehmen.
Eva D. Abendroth antwortet
auf Hans-Jürgen Ohrs Anmerkungen zur Plattform der
'übergänge'.
Hier geht es um zwei Punkte: einmal um das Verhältnis
Proletariat - Kleinbürgertum - Intelligenz, zum anderen um
die von den 'übergängen' aus dem kommunistischen
Manifest übernommene Übergangsmaßregel Gleicher
Arbeitszwang für alle. Ich möchte darauf
hinweisen, daß ich mit Eva's Antwort auf die Kritik von
Hans-Jürgen am gleichen Arbeitszwang für alle
meine eigene Kritik an diesem 'übergänge'-Eckpunkt
keineswegs für erledigt halte.
(2) Im Zentrum dieser Ausgabe steht
-anknüpfend an Braunwarth's Imperialismus und
Weltordnung
- der Briefwechsel zwischen Klaus Herrmann und Klaus Braunwarth
und Klaus Herrmanns Kapitalakkumulation und Krise.
Diese Beiträge sollen einstimmen, vorbereiten und
Auseinandersetzungsstoff liefern für das nächste
Streitpunkte-Treffen
mit dem Schwerpunktthema Weltmarkt - Kapitalakkumulation - Krise.
Hier wird ein großes Bündel zusammenhängender
Fragen aufgeschnürt. Der dokumentierte Wortwechsel regt den
Leser zu Auseinandersetzungen an mit einer Reihe von Fragen, von
denen ich hier nur einige anreißen kann:
Er provoziert eine Reflexion
über Klaus Braunwarth's methodischen Ansatz, einen
Imperialismus-Begriff aus dem Kapital-Begriff heraus zu
entwickeln - Imperialismus als jeweils historisch
unterschiedliche Ausdrucksform des exterritorialen Daseins des
Kapitals.
Er provoziert eine
Auseinandersetzung mit Lenins definitorischer
Imperialismus-Bestimmung, regt an, sich über ihre
historische Einordnung Gedanken zu machen und veranlaßt zur
Überprüfung der Arbeiten von Hobson und Hilferding, auf
denen Lenin aufbaut.
er fordert eine Rekapitulation
grundlegender Funktionszusammenhänge der politischen
Ökonomie des Kapitalismus:
Wie funktioniert die Produktion
des relativen Mehrwerts? Wieso steigt durch die Produktion des
relativen Mehrwerts die Merhwertrate, während die Profitrate
tendentiell fällt? Was ist mit den dem tendentiellen Fall
der Profitrate entgegenwirkenden Tendenzen?
Läßt sich der
Akkumulationsprozeß des Kapitals als kontinuierliche
Bewegung verstehen, oder muß er nicht vielmehr immer als
zyklische Bewegung gedacht werden?
Welche Arbeit ist
(Kapital-)produktiv?
er fordert die
Auseinandersetzung mit bestimmten Interpretationsvarianten der
Marxschen Kritik der politischen Ökonomie, insbesondere mit
den Krisen- und Zusammenbruchstheorien von Rosa Luxemburg über
Henryk Grossmann bis zu den Heutigen - und stellt die Frage nach
den inneren und äußeren Schranken und Grenzen der
Kapitalakkumulation und ihrer Vermittlung
er führt heran an weitere
Grundfragen, über die man sich Klarheit verschaffen muß,
will man die neuesten Entwicklungen des Kapitalismus begreifen:
wie läßt sich das
Wechselverhältnis und der Funktionszusammenhang von Kapital
und bürgerlichem Staat begrifflich fassen - sowohl
allgemein, als auch in Bezug auf die konkreten Gestaltungen, die
Kapital und Staat heute angenommen haben?
wie stellt sich das
Funktionsgeflecht von kleinen Kapitalien über die größeren
bis hin zu den transnationalen Konzernen dar?
wie stellt sich das
Funktionsgeflecht von lokalen, nationalen, regionalen Märkten
und Weltmarkt dar?
Wie ist der
Funktionszusammenhang zwischen produktivem Kapital und
Geldkapital einerseits und realem und fiktivem Kapital
andererseits beschaffen und welche Entwicklungen führen zu
den empirisch wahrnehmbaren quantitativen Verschiebungen und
Dominanzveränderungen?
Wie ist die materiale Grundlage
des Weltgeldes (und damit des Geldes überhaupt) nach dem
Ende des BrettonWoods-Systems (Anfang der 70er Jahre) zu fassen?
Erst auf dieser Grundlage läßt
sich m.E. die umstrittene Frage nach dem Verhältnis von
Metropolenkonkurrenz und Globalisierung fundiert diskutieren.
(3) Der dritte Block beschäftigt
sich mit unserem Dauerbrenner, Arbeit.
Lutz Getzschmann meldet
sich in unserem Kreis erstmals zu Wort mit dem Aufsatz
Arbeit
und Klassenbewußtsein im Kapitalismus des 21.Jahrhunderts.
Ausgehend von einer Untersuchung der gegenwärtigen Tendenzen
zur Verallgemeinerung, Ausdifferenzierung und Fragmentierung der
Lohnarbeit wendet er unter der Überschrift Das Alte im
Neuen den Blick zurück auf die historischen
Zusammenhänge zwischen den Veränderungen in der
gesellschaftlichen Organisation der Arbeit und der Entwicklung
von Bewußtseins- und Kampfformen innerhalb der arbeitenden
Klassen, um so den Blick zu schärfen für heute
ablaufende Prozesse.
Werner Imhofs Reflexionen
über seine Eindrücke von der politischen Praxis der
SUD-Gewerkschaften in Frankreich beginnen da, wo Lutz
Getzschmann endet: Sie lenken den Blick auf das Neue im Alten;
diese Keimformen entdeckt er in dem praktischen Selbstbewußtsein
der in diesen Gewerkschaften assoziierten, in ihrem
Selbstverständnis als gesellschaftliche Produzenten.
Nur
in der Online-Version dieser Ausgabe ist weiterhin zu finden ein
von Hans-Gert Gräbe eingesandter Beitrag
Zur
Zukunft der Arbeit. Dieser Beitrag wird manchem, der
unsere Debatte verfolgt zunächst etwas fremd aus dem Rahmen
der übrigen Beiträge fallend erscheinen, weil er
zunächst scheinbar affirmativ an Begriffen aus der
bürgerlichen Ideologieproduktion wie Wissensgesellschaft
oder Informationsgesellschaft anknüpft. Er
entwickelt im Weiteren eine Konzeption von Infrastrukturarbeit,
die im Wesentlichen nicht warenförmig organisierbar sei -
und damit sich auch der Kapitalverwertung entzöge. Bei der
wachsenden Bedeutung, die dieser Bereich annähme, sei die
Allokation der erforderlichen Ressourcen über den Staat, der
einen steigende Umverteilung des Mehrwerts vom Kapital zum Staat
bedeute, im Interesse des Kapitals nur gegen das Kapital
durchzusetzen. Er kommt an einen Punkt, an dem er feststellt, daß
die Infrastrukturaufgaben der künftigen
Wissensgesellschaft mit der Ausbeutung fremder Arbeit
als gesellschaftlichem Grundprinzip unvereinbar sind, scheut
jedoch vor den meines Erachtens daraus zu ziehenden Konsequenzen
zurück, wenn er schließlich den Markt auf eine
solidarische Grundlage stellen und bändigen will. Da der
Beitrag in Texte zur Philosophie Heft 8 der Rosa-Luxemburg
Stiftung Sachsen bereits erschienen ist, haben wir darauf
verzichtet, ihn in die Papierversion der Streitpunkte
aufzunehmen.
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