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Texte zur Kritik  

Vorarbeiten zu "Ästhetisierung des Politischen", erschienen in: Spezial 103, 1996, Hannover

Theoriefragmente für eine Zustandsbeschreibung
[1995]

In der letzten Spezial (Nr.102) veröffentlichte die Redaktion ihr Positionspapier zur Weiterführung der Zeitschrift als ein "Ausdruck des Zusammenhangs kommunizierender Subjekte". Gleichsam programmatisch heißt es dazu: "Der dialogische und politische Charakter der SPEZIAL soll der Öffnung für Themen dienen, die die Kritik der politischen Ökonomie und der politischen Ästhetik auf ihren heutigen Begriff bringen und wenn möglich, auch in die Wiedergewinnung linker Politikfähigkeit umsetzen können."

Im November 1995 fand auf Einladung der Redaktion ein Gespräch mit AutorInnen der Zeitschrift über die neue Konzeption und Programmatik statt. Bei diesem Treffen kritisierte ich das Positionspapiers hinsichtlich der darin enthaltenen Aussagen über die "dialektische Beziehung" zwischen der Kritik der politischen Ökonomie und der politischen Ästhetik und kündigte eine schriftliche Fassung dieser Kritik für die vorliegende Ausgabe an. Bei Abfassung meiner Kritik gelangte ich zu der Überzeugung, daß es für den dialogischen Charakter der Zeitschrift zuträglicher sei, meine Kritik durch Formulierung eigener Positionen rüberzubringen. Artikel über Alltagskultur, Widerstandsästhetik, Krise und Jobkill, die 1989 im "westberliner info" erschienen und an deren Abfassung ich im Rahmen meiner Redakteurstätigkeit beteiligt war, nahm ich als Anregung für meine Zustandsbeschreibung, welche keineswegs aus Resultaten eines gesicherten theoretischen Durchdringens des Gegenstands besteht, sondern dazu dienen sollen, fragmentarisch einen anderen theoretischen Bezugsrahmen zum Verhältnis von Ökonomie, Politik und Ästhetik zu umreißen als den, den die SPEZIAL-Redaktion gleichsam als roten Faden durch ihr Positionspapier transportiert. Abgrenzungen und Übereinstimmungen zwischen uns festzustellen, soll dagegen den LeserInnen selber überlassen bleiben.

Gemeinhin addieren sich Wahrnehmbares und Erfahrenes im Bewußtsein als subjektive Widerspieglung von Zuständen. Ziel solch einer Zustandsbeschreibung kann es daher nicht sein, gesellschaftliche Verhältnisse dementsprechend nur naturalistisch zu rekonstruieren, sondern um die Bestimmungsgründe von Zuständen zu dechiffrieren, bedarf es der Dekonstruktion von Wirklichkeit und Mythos. Solch ein Verfahren birgt natürlich die Gefahr in sich, nur nostalgisch verklärte Fiktionen zu formulieren, wenn es nicht gelingt, die Bestimmungsgründe auf ihre gesamtgesellschaftliche Vermitteltheit hin zu untersuchen, wie sie in letzter Instanz aus den Bedingungen der materiellen Produktion hervorgehen.

Abschließend sei noch darauf verwiesen, daß bewußt darauf verzichtet wurde, die Lesbarkeit des vorliegenden Text unter Berücksichtigung des Spannnungsverhältnisses von Forschungs- und Darstellungsweise aufzubereiten. Der kursorische Charakter soll bewußt das Unfertige und damit die Dringlichkeit weiterer Untersuchungen und Diskurse unterstreichen.