Mao Werke

 

DIE FRAGE DER SOGENANNTEN ÜBERSPITZUNGEN

Dann gibt es noch eine andere Gruppe von Menschen, die da sagen: "Die Bauernvereinigungen braucht man zwar, sie haben aber die Dinge doch wohl allzusehr überspitzt." Das ist die Auffassung jener, die den Mittelweg gehen. Was ist aber in Wirklichkeit los? Gewiß benehmen sich die Bauern auf dem Lande ziemlich "ungebärdig". Im Vollbesitz der Macht, gestatten die Bauernvereinigungen den Grundherren nicht, den Mund aufzumachen, und fegen ihr Ansehen hinweg. Das ist so, als hätten sie die Grundherren zu Boden geworfen und ihnen noch den Fuß auf den Nacken gesetzt. "Ihr kommt auf die Sonderliste!" drohen die Bauern den Tuhao und Liäschen, belegen sie mit Geldstrafen, treiben von ihnen Kontributionen ein, zerschlagen ihre Sänften. Menschenhaufen dringen in die Häuser der den Bauernvereinigungen feindlichen Tuhao und Liäschen

|27| ein, schlachten ihre Schweine und führen ihr Getreide weg. Zuweilen steigen die Leute auf die elfenbeinverzierten Betten der Töchter und Schwiegertöchter der Tuhao und Liäschen und rekeln sich ein wenig darauf. Beim geringsten Anlaß ergreifen sie einen dieser Herren, setzen ihm einen hohen Papierhut auf und führen ihn durchs Dorf, wobei sie rufen: "Heut' sollst du uns kennenlernen, Liäschen!" Indem sie tun und lassen, was ihnen beliebt, und das Unterste zuoberst kehren, wird im Dorf eine Art Terroratmosphäre geschaffen. Das ist es eben, was manche Leute "Überspitzungen" nennen, oder wovon sie sagen: "Beim Korrigieren eines Fehlers das Maß überschritten" oder "Das ist wirklich unerhört". Solche Urteile mögen plausibel erscheinen, doch sind sie in Wirklichkeit ebenfalls falsch. Erstens haben die Tuhao und Liäschen sowie die gewalttätigen Grundherren selbst die Bauern zu diesen Dingen getrieben. Seit jeher haben sie ihre Macht mißbraucht, um die Bauern zu tyrannisieren und auf ihnen herumzutrampeln, und eben dadurch kam es zu derartig heftigen Widerstandsaktionen der Bauern. Die stärksten Revolten und ernsthaftesten Unruhen ereigneten sich stets gerade dort, wo die Tuhao und Liäschen sowie die gewalttätigen Grundherren die schlimmsten Grausamkeiten begangen hatten. Die Bauern haben einen scharfen Blick. Wer schlecht ist und wer nicht, wer am schlimmsten gewütet hat und wer etwas milder war, wem eine strenge Strafe gebührt und wer mit einer leichteren davonkommen darf - über all das führten die Bauern ganz genaue Rechnung, und selten kommt es vor, daß das Maß der Sühne das der Schuld übersteigt. Zweitens ist eine Revolution kein Gastmahl, kein Aufsatzschreiben, kein Bildermalen oder Deckchensticken; .sie kann nicht so fein, so gemächlich und zartfühlend, so maßvoll, gesittet, höflich, zurückhaltend und großherzig durchgeführt werden. Die Revolution ist ein Aufstand, ein Gewaltakt, durch den eine Klasse eine andere Klasse stürzt. Die Revolution im Dorfe ist eine Revolution, in der die Bauernschaft die Macht der feudalen Grundherrenklasse stürzt. Ohne die maximale Kraftanstrengung ist es der Bauernschaft unmöglich, die seit jahrtausenden tiefeingewurzelte Macht der Grundherrenklasse zu brechen. Auf dem Lande muß es zu einer gewaltigen revolutionären Aufwallung kommen; erst dann kann man die Millionenmassen in Bewegung setzen, damit sie zu einer gigantischen Kraft werden. Alle obenerwähnten und als "Überspitzungen" bezeichneten Handlungen entsprangen der Kraftentfaltung der Bauern, die durch den mächtigen revolutionären Aufruhr auf dem , Lande hervorgerufen wurde. Diese Handlungen sind in der zweiten

|28| Periode der Bauernbewegung (der Periode revolutionärer Aktionen) höchst notwendig. In dieser zweiten Periode muß man die uneingeschränkte Macht der Bauern errichten. Da darf man eine boshafte Kritik an den Bauernvereinigungen nicht dulden. Da muß man die Macht der Schenschi vollends stürzen, die Schenschi zu Boden werfen und ihnen sogar den Fuß auf den Nacken setzen. In der zweiten Periode sind alle jene Handlungen, die man "Überspitzungen" nennt, von revolutionärer Bedeutung. Geradeheraus gesagt, in jedem Dorf ist eine kurze Periode des Terrors notwendig, andernfalls ist es völlig unmöglich, die Tätigkeiten der Konterrevolutionäre auf dem Lande zu unterdrücken und die Macht der Schenschi zu brechen. Um einen Fehler zu korrigieren, muß man das Maß überschreiten, andernfalls kann der Fehler nicht korrigiert werden.[4] Jene, die von "Überspitzungen" der Bauern reden, scheinen sich auf den ersten Blick von den früher erwähnten Leuten zu unterscheiden, die "Es ist sehr schlimm!" schreien; doch dem Wesen nach gehen die ersteren wie die letzteren von ein und demselben Standpunkt aus, vertreten die gleiche Theorie der Grundherren, die die Interessen der privilegierten Klassen verteidigt. Da diese Theorie den Aufschwung der Bauernbewegung hemmt und somit die Revolution untergräbt, müssen wir sie entschieden bekämpfen. 

Mao Werke