Kurdenverfolgung von 1988 bis 1998

Von Rainer B. Ahues Das könnte zu kurz greifen, ist aber natürlich nicht so gemeint.

Es kann nicht Aufgabe dieser Broschüre sein, und das will sie auch nicht, eine auch nur ansatzweise Vollständigkeit reklamierende Übersicht über die Geschichte der Kurdenverfolgung zu geben.

10 Jahre Kurdenverfolgung

Der Republikanische Anwältinnen und Anwälteverein e.V. (RAV) hat seit Anfang der 80er Jahre politische Prozesse in der Türkei beobachtet, darunter auch Verfahren gegen Angehörige kurdischer Organisationen, z.B. das Verfahren gegen 90 angebliche Mitglieder der PKK-Gruppe von Mardin vor dem Staatssicherheitsgericht in Diyarbakir.

Wir haben damals entsetzt die Berichte unserer Prozeßbeobachter über die Verfahren vor der Militärgerichtsbarkeit in der Türkei zur Kenntnis genommen und fassungslos die Berichte über Folterungen gelesen, zu einer Zeit, als Verwaltungsgerichte in der BRD sich im Rahmen von Asylverfahren dazu verstiegen, Folter als türkisches Gewohnheitsrecht zu beschreiben, und damit den politischen Charakter von Folterungen zu leugnen versuchten.

Ich habe den DEP-Prozeß für den RAV beobachtet und bin zuletzt im Sommer 1998 nach Ankara gefahren, um dem schwerverletzten Menschenrechtsaktivisten Akin Birdal die Verbundenheit des RAV mit seinem Einsatz für die Menschenrechte auszudrücken, der – wie jeder weiß und das Beispiel Akin Birdal zeigt – in der Türkei lebensgefährlich werden kann.

10 Jahre Kurdenverfolgung in der BRD

Sind nun die Militärgerichtsverfahren über Deutschland gekommen?

Nein.

Aber, was wir immer wieder und immer noch haben, ist der Tanz der Politiker um das Goldene Kalb der „Inneren Sicherheit“ – besonders zu Wahlkampfzeiten mit Derwisch-ähnlichen Zügen – bei dem das geschundene kurdische Volk und der kurdische Befreiungskampf seit Mitte der 80er Jahre unfreiwillig eine fatale „Gast“rolle in der BRD zugewiesen bekommen hat.

Was war die „Kulisse“ für diese Rolle?

Was sind die Bedingungen, unter denen sich das „Kurdenproblem“ in der BRD entwickelt hat?

• Die von Law-and-Order-Politikern ausgelegte Leimrute der „inneren Sicherheit“, auf die im Wahlkampf ‘98 die InnenpolitikerInnen nahezu aller Parteien freiwillig gekrochen sind.

• Das Dogma des Ausländerrechtes: „Die BRD ist kein Einwanderungsland!“

• Die faktische Abschaffung des Asylrechtes aufgrund der Änderung des Art. 9 GG.

• Die rechtsstaatswidrige – weil das Tatstrafrecht verlassende – Strafvorschrift des §129a StGB.

• Die weiterhin in Kraft befindlichen „Terroristengesetze“, mit allen ihren rechtsstaatlich bedenklichen Konsequenzen im materiellen und vor allem im verfahrensrechtlichen Bereich.

• Die Einführung und Anwendung einer umstrittenen Kronzeugenregelung.

• Die obrigkeitsstaatlich-autoritäre Vorstellung, unliebsame oder als „gefährlich“ eingestufte politische Auffassungen und Aktivitäten ließen sich durch Betätigungs- und Organisationsverbote „beseitigen“.

• Der alle Verfehlungen einzelner Mitglieder bemäntelnde, vordemokratische Corpsgeist bei der Polizei, in „geeigneten Fällen“ bedingungslos unterstützt von den Organen der Justiz.

Alles das Dinge, die leider nicht nur die PKK als ausländische Organisation oder allein die Kurden als starke Ausländergruppe in der BRD treffen, sondern alle Einwohner der BRD gleichermaßen – wenn auch die offiziellen Verlautbarungen immer wieder den Anschein – zum Zwecke der Stigmatisierung – erwecken, es sei nur eine Handvoll von Outlaws, denen man mit Verboten und Strafverfahren schon beikommen könne, dieses erfolgreich aber nur durch die Beseitigung einiger für diese Aufgabe leider hinderlicher und im Grund überflüssiger rechtsstaatlicher Garantien erreichen könne.

Die Broschüre beschreibt die Rahmenbedingungen, wie sie sich gegenüber den Kurden und in Sonderheit gegenüber der PKK in den letzten zehn Jahren ausgewirkt haben, in beklemmender Weise.

Deutlich geworden ist in diesen zehn Jahren ein weiteres Mal, daß Betätigungs- und Vereinsverbote ein untaugliches Mittel im Rahmen einer politischen Auseinandersetzung sind.

Weiter ist im angesprochenen Zeitraum deutlich geworden, daß die Lösung des Palästinaproblems, des Nordirlandproblems oder die Frage der baskischen Volksgruppe – das Kurdenproblem gehört auch hierher – nicht mit militärischer Gewalt, sondern am ehesten erfolgreich im politischen Dialog angegangen werden kann, im direkten Dialog der am Konflikt beteiligten Parteien.

Hierzu – zum direkten Dialog der in Kurdistan am Konflikt beteiligten Parteien – möge die Broschüre ihren Beitrag leisten.

Rainer B. Ahues ist Rechtsanwalt in Hannover und Vorstandsmitglied RAV

 


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