Wir stellen ein


Ministerpräsidentenbeschluß und Berufsverbote

Dokus aus der Überprüfungs- und Anhörungspraxis der Behörden





















Die Erkenntnisse des Senators für Inneres / Landesamt für Verfassungsschutz

Vertraulich! Verschlossen!

An das
Bezirksamt Neukölln von Berlin
- Abteilung Volksbildung -

Betr.: Einstellungsüberprüfung

hier: J.-M.M., geb:. ..1947 in Ellwangen/Jagst, wohnhaft Berlin 61....

Vorg.: Ihre PZD-Anfrage vom 5. 12. 1974

Über Herrn M. liegen mir folgende Erkenntnisse vor:

Nach zuverlässigen, aber nicht beweisbaren Informationen gehört er dem Hafthilfeausschuß der anarchistischen Roten Hilfe Westberlin als Mitarbeiter an. Als Vertreter dieser Gruppe besuchte Herr M. mehrfach inhaftierte anarchistische Gewaltverbrecher in der Frauenhaftanstalt Berlin-Moabit, so am 30. 4. und 8. 10. 1971 Irene GOERGENS und am 11. 6., 1. 10. 1971 und am 17. 3..1972 Ingrid SCHUBERT (beweisbar).

Er ist seit dem 20. 9. 1973 für Berlin 61, ..... gemeldet, hält sich jedoch überwiegend in Berlin 36, Köpenicker Straße 9b, bei ... auf. Es handelt sich hierbei um eine Wohngemeinschaft, in der u. a. ein ... gemeldet ist, der Beziehungen zu einnschlägig bekannten Anarchisten unterhält bzw. unterhielt (nicht beweisbar, vorhaltbar).

In der Zeit von Mai 1971 bis 19. September 1973 lebte Herr M. in Berlin 41, Cosimaplatz 2, in einer einschlägig bekannten Wohngemein schaft der Neuen Linken, der sog. Cosima-Kommune (beweisbar).

Im übrigen ist Herr M. wie folgt in Erscheinung getreten:

Am 12. 2. 1969 beteiligte er sich an der Besetzung des Instituts für Zeitungswissenschaft im Amerika-Haus in München. In diesem Zusammenhang wurde gegen ihn von der Staatsanwaltschaft München unter dem Az. I - 2 Js 118/69 ein Strafverfahren wegen Verdachts des erschwerten Hausfriedensbruchs eingeleitet. Der Ausgang dieses Verfahrens ist mir nicht bekannt. Am 20. 2. 1969 gehörte er zu einer Gruppe von Studenten, die im Rahmen einer Aktion gegen das sog. Relegierungsgesetz - Gesetz zur Sicherung der Freiheit von Forschung und Lehre - die Akademie für Bildende Künste in München besetzten. Er wurde zusammen mit zahlreichen anderen Personen vorläufig in Polizeigewahrsam genommen.

Am 16. 7. 1969 war er Teilnehmer an einer "Justiz- und Knastkampagne" der damaligen APO, die in der Zeit vom 14. bis zum 20. 7. in Ebrach stattfand, Zusammen mit anderen APO-Angehörigen drang er in das Landratsamt Bamberg ein. Mehrere Personen - unter ihnen Herr M. - wurden von der Polizei vorläufig festgenommen und wegen Landfriedensbruchs angezeigt. Über den Ausgang des Ermittlungsverfahrens liegen hier keine Erkenntnisse vor. Am 2. 8. 1972 wurde er in Berlin-Tiergarten beim Plakatieren vorläufig festqenommen. Die sichergestellten Plakate trugen die überschrift "Freiheit für Werner Hoppe". Bei HOPPE handelt es sich um einen Hamburger Terroristen, der zum Kreis der BAADER-MEINHOF-Bande gerechnet werden kann.

Ich bitte, mich gem. Ziff 2.3. meines Rundschreibens II Nr. 112/1974 zu unterrichten, mit welchem Ergebnis der Bewerbungsvorgang abgeschlossen wurde.

Im Auftrage

Quelle: Aktionskomitee gegen Berufsverbote, Bd. V, Westberlin 1977, S.38









































Zweifel des Bezirksamts Schöneberg von Berlin

Abteilung Volksbildung

23. April 1975

Sehr geehrte Frau....,

Sie haben sich als Lehrerin mit zwei Wahlfächern um Aufnahme in das Beamtenver hältnis im Bezirk Schöneberg beworben. Ich danke Ihnen für Ihre Bewerbung, muß Ihnen jedoch mitteilen, daß hier mehr Bewerbungen vorliegen wie Planstellen verfügbar sind, so daß nicht jeder Bewerber berücksichtigt werden kann.

Ihre Bewerbung konnte ferner noch nicht in die engere Wahl gezogen werden, da Zweifel entstanden sind, ob Sie die Voraussetzungen nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 Landesbeamtengesetz (LBG) erfüllen, wonach nur derjenige in das Beamtenverhältnis berufen werden darf, der "die Gewähr dafür bietet, daß er jederzeit für die freiheitliche demokratische Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes und der Verfassung von Berlin eintritt".

Diese Zweifel sind darin begründet, daß Sie im Oktober 1971 unter der Mitgliedsnummer 3011 der "Liga gegen den Imperialismus" beigetreten sind. Auszüge aus den Schriften der "Liga gegen den Imperialismus" belegen, daß die "Liga" eine Änderung der bestehenden Gesellschaftsordnung in der Bundesrepublik Deutschland auf revolutionärem Wege anstrebt und nicht bemüht ist, etwaige bestehende Mißstände unseres Gesellschaftssystems durch vom Grundgesetz sanktionierte Reformen mit Hilfe der durch die Verfassung geschaffenen Institutionen zu beseitigen.

Sie werden verstehen, daß ich in Anbetracht der Verlautbarungen der "Liga gegen den Imperialismus" begründete Zweifel habe, daß Sie als Mitglied dieser Organisation die Voraussetzungen des § 9 Abs. 1 Nr. 2 LBG erfüllen.

Ich stelle anheim, sich zu folgenden Punkten schriftlich zu äußern:

1. Zu Ihrer Mitgliedschaft in der "Liga gegen den Imperialismus",

2. zu Ihrer Mitarbeit und Aktionen für die "Liga",

3. zu der Verträglichkeit Ihrer Mitgliedschaft und Tätigkeit für die "Liga" mit Ihrer künftigen Pflicht als Beamtin, jederzeit fürdie freiheitliche demokratische Grundordnung einzutreten.

Hochachtungsvoll
Laggies Bezirksstadtrat

Quelle: Aktionskomitee gegen Berufsverbote, Bd. II, Westberlin 1975, S.45





















"Güteverhandlung"

Hierzu schreibt das Bezirksamt Reinickendorf am 15.5.1975

Sehr geehrter Herr....,

Wie der Prozeßbevollmächtigte des hiesigen Bezirksamtes in der Güteverhandlung vor dem Arbeitsgericht Berlin am 12.5.1975 bereits mitgegeteilt hat, liegen Erkenntnisse des Landesamtes für Verfassungsschutz vor, die Zweifel begründen, ob Sie nach Art. 33 Abs.2 GG in Verbindung mit §8 Abs. 1 BAT jederzeit für die freiheitlich demokratische Grundordnung eintreten.

  1. Im August 1973 haben Sie an einer Delegationsfahrt der FDJW teilgenommen, die laut Einladung der sowjetischen Jugendorganisation Komsomol nach Moskau, Leningrad und Kiew führte.
  2. Am 6. September 1973 waren Sie Teilnehmer an einer Veranstaltung des von der FDJW gesteuerten Komitees für die X. Weltfestspiele der Jugend und Studenten in der Taverne am Lützowplatz. Redner auf dieser Veranstaltung waren u.a. der Vorsitzende der FDJW, Peter Klaar, und das Vorstandsmitglied der "Gesellschaft für Deutsch-Sowjetische Freundschaft-Westberlin", Volker von Törne, dcr gleichzeitig als Leiter der West-Berliner Delegation für die X. Weltfestspiele fungierte.
  3. Schließlich war bereits am 23. Juni 1972 beobachtet worden, daß Ihr Pkw mit dem polizeilichen Kennzeichen B-NU 924 in der Nähe des Büros des SEW-Parteivorstandes in Berlin 10 Wilmersdorfer Straße 165, parkte. Zu dieser Zeit fand in den genannten Räumen eine SEW-Veranstaltung für angehörige des öffentlichen Dienstes statt.

Diese Erkenntnisse legen die X. Weltfestspiele ermutung nahe, daß Sie aktives Mitglied der SEW und ihrer Jugendorganisation FDJ sind, und begründen Zweifel, ob Sie die gewähr bieten, daß Sie jederzeit für die freiheitlich demokratische Grundordnung eintreten.

Quelle: Aktionskomitee gegen Berufsverbote, Bd. II, Westberlin 1975, S.68