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BRD 1977 - Der Polizeistaat in Aktion


Die Haltung der DKP zur RAF

J.Schroeder@TBX.berlinet.de schrieb am 23.10. an trend die Haltung der DKP zur RAF (1974-1977) betreffend:
Hallo Karl Mueller, Aus der Datenbank Materialien zur Analyse von Opposition (MAO), zitiere ich nach einer Recherche 1974 - 1978 das Folgende, freilich Unvollstaendige (leicht redigiert). Mit chronischem Gruss Juergen

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In Kiel gibt die DKP vermutlich in dieser Woche ihren 'Roten Kanal' Nr.15 - Stadtteilzeitung fuer Kiel-Mitte heraus. Zur Roten Armee Fraktion (RAF) heisst es:

ANARCHISTEN ALS HELFER VON SCHLEYER, STRAUSS UND CO.

Was Anarchisten vom Schlage Baader/Meinhof wirklich sind, sagte der ehemalige Bundespraesident Heinemann so: 'Anarchisten sind objektiv die besten Helfer der Reaktionaere.'

Dieser Aussage koennen wir nur zustimmen. Aber Baader/Meinhof und ihre Gruppe wuerden das nie zugeben. Sie nennen sich nicht Helfer der Reaktionaere, sondern Revolutionaere. Sie sagen, sie wollten diese Gesellschaft angeblich im Interesse der arbeitenden Bevoelkerung veraendern. Und mit diesen Mitteln wollen sie ihr angebliches Ziel erreichen: Mit Mord, Raubueberfaellen, Brandstiftungen. Diese Delikte werfen ihnen die Gerichte jedenfalls vor. Aber haben solche Mittel etwas mit den Interessen von uns arbeitenden Menschen zu tun?

Unsere Interessen sind doch heute:

  • Preisstopp, wirksamer Schutz vor der Preiswillkuer der Konzerne durch demokratische Kontrolle.
  • Schaffung von mehr Kaufkraft durch hoehere Loehne, dadurch
  • Sicherung unserer Arbeitsplaetze, da wir dann auch die von uns hergestellten Gueter kaufen koennen.
  • Schaffung neuer Arbeitsplaetze.
  • Schaffung von 250 000 qualifizierten Lehrstellen, um die Jugendarbeitslosigkeit zu bekaempfen.
  • Einfuehrung einer echten Mitbestimmung.

Diese Forderungen koennen wir nur gemeinsam durchsetzen.

Terroristische Akte, wie die der Baader/Meinhof-Gruppe nuetzen uns dabei gar nichts. Wir lehnen sie entschieden ab, weil sie mit der Arbeiterbewegung nichts gemeinsam haben. Das Gegenteil ist der Fall: Sie spielen all jenen in die Haende, welche durch Arbeitsplatzabbbau, Preistreiberei, Angriffe auf die Tarifautonomie und die demokratischen Grundrechte unseren Interessen schwersten Schaden zufuegen. Baader-Meinhof und ihre Leute sind die Helfer der Millionaere Flick, Quandt, Oetker, die Helfer der Industriebosse Sohl und Schleyer, die Helfer der reaktionaeren Politiker in der CSU, CDU, FDP, SPD-Fuehrung. Verbrecherische Akte wie die Ermordung des Westberliner Richters Drenckmann, wie die Pistolenschuesse auf die Saunatuer von CDU-Kiep, wie der Sprengstoffanschlag im Bremer Bahnhof wurden angeblich von Baader-Meinhof Leuten begangen. Von den Taetern fehlt zwar jede Spur. Trotzdem wird die Schuld an diesen Ereignissen der Baader/Meinhof-Gruppe zugeschrieben. Aus allen Winkeln heult es: Der Staat ist in Gefahr. Eine Handvoll Anarchisten, gegen die Polizeiaktionen ins Leere gefuehrt werden, sollen herhalten, um weitere Eingriffe in die demokratischen Rechte als Gesetze durchzupeitschen.

  • 'Propagierung von Gewalt' und 'Anleitung zu Gewalthandlungen' sollen unter Strafe gestellt werden. Auf eine Anfrage beim Bundesjustizministerium wurde nicht ausgeschlossen, dass auch der AUFRUF ZUM STREIK unter diesen Tatbestand fallen koennte
  • Das Demonstrationsrecht soll wesentlich eingeschraenkt werden.

Daher also weht der Wind: Unter dem Deckmaentelchen der Anarchistenhysterie soll es unseren wichtigen Kampfmitteln an den Kragen gehen. Unsere Waffen fuer die Verteidigung unserer Rechte und zur Durchsetzung unserer Forderungen sollen entschaerft werden.

Schon zum 1.1.1975 sollen diese Gesetze wirksam werden. Die Bosse und ihre Helfer in Parlament und Regierung haben es eilig, denn:

  • am 1.1. werden wir eine Million Arbeitslose haben
  • am 1.1. sollen Hunderttausende von Mieten erhoeht werden
  • ab 1.1. gibt es in vielen Staedten neue Tariferhoehungen.

Dann kommt die Zeit fuer die Anwendung solcher Gesetze.

Es stimmt schon: Die Baader-Meinhof-Anarchisten sind objektiv die besten Helfer der Reaktion. Sorgen wir dafuer, dass die Rechnung der Herren Reaktionaere mit ihrer Baader-Meinhof-Hysterie nicht aufgeht. Es darf ihnen nicht gelingen, dass sich die arbeitenden Bevoelkerung durch eine Handvoll Anarchisten ihre erkaempften Rechte von der herrschenden Klasse abjagen laesst."

Sodann wird berichtet von einem Nazi-Attentat in Ehlershausen im Landkreis Hannover und fortgefahren:

Dieser verbrecherische Anschlag passt aber nicht ins Konzept derer, die mit allen Mitteln eine Baader/Meinhof-Hysterie erzeugen wollen. Diese Hysterie soll sich nicht nur gegen die Handvoll Anarchisten richten, die angeblich die Bundesrepublik an den Rand des Zusammenbruchs bringen. Vielmehr ist das Ziel, eine Hysterie gegen alles, was 'Links' ist, anzufachen. Die Verbrechen von Ehlershausen, von alten und neuen Nazis begangen, sind dabei nur Sand im Getriebe.

Der Rote Kanal Nr.15,Kiel 1974

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Die DKP gibt ihre 'UZ' heraus. Enthalten ist der Artikel

"Die Hintermaenner der neuen Hysteriewelle" von Georg Polikeit

'Solidaritaet gegen den anarchistischen Terror', heisst die neue Parole des Tages. Lautstark droehnt sie von allen Seiten auf verunsicherte Menschen ein. Welches Ziel wird damit verfolgt?

Geht es den betreffenden Politikern und Kommentatoren wirklich um die Bekaempfung der kleinen Gruppe von anarchistischen Provokateuren (vermutlich RAF und Bewegung Zweiter Juni,d.Vf.), deren kriminelle Aktionen in der Bevoelkerung zu Recht Abscheu und Empoerung hervorgerufen haben? Was sollten dabei die vielen dramatischen Reden und Fernsehauftritte helfen koennen, die den Eindruck erwecken, als stuende das totale Chaos unmittelbar vor der Tuer? Im Gegenteil, die ungeheure Aufpeitschung der Gefuehle kann nur weitere Verwirrung stiften und politischen Abenteurern der verschiedensten Art von Nutzen sein.

Dass es den Einpeitschern der oeffentlichen Erregung um ganz andere Ziele als um die Bekaempfung von 'Anarchisten' geht, wird deutlich, wenn man beispielsweise den Kommentar der Springer-Zeitung 'Die Welt' vom Samstag liest. Da heisst es: 'Dieser Staat muss gehaertet werden, seine Politik geaendert... Gekommen ist das Ende der Lauheit; das Ende der laschen Liberalitaet...'

Sie schueren also die Erregung gegen 'anarchistische Gewalttaeter' - die Herrschaften, die die brutale Gewalt des USA-Imperialismus in Vietnam jahrelang bejubelt haben, die noch heute die bestialische Gewalt des Faschismus in Chile rechtfertigen. Aber sie meine damit nicht nur das Ende der Freiheit fuer Kommunisten und Sozialisten in unserem Land, die sie wider besseres Wissen skrupellos mit den 'Anarchisten' in einen Topf werfen, obwohl keinerlei Gemeinsamkeit besteht. Sie meinen weit mehr: das 'Ende der Liberalitaet' - das bedeutet nichts anderes als das Ende jeder demokratischen Diskussion ueberhaupt, das Ende der Freiheit fuer alle, die anderer Meinung sind als sie.

Erneut zeigt sich, dass das anarchistische Abenteurertum zu nichts anderem nuetze ist, als den extremsten Feinden der Arbeiterbewegung und der Demokratie den Vorwand zu liefern, um ihren seit langem betriebenen Angriff auf die demokratischen Rechte und Freiheiten der Buerger, wie sie im Grundgesetz verankert sind, weiter voranzutreiben. Sie sagen 'Anarchismus', aber sie meinen die demokratischen Rechte des ganzen Volkes.

Der Ruf nach dem 'starken Staat' ertoent in diesen Tagen von verschiedenen Seiten. Wir aber fragen: ein 'starker Staat' - wofuer? Fuer die Niederknueppelung der Buerger von Wyhl (geplanter AKW-Standort in Baden-Wuerttemberg,d.Vf.), die ihre Existenz und ihre Heimat verteidigen? Ein 'starker Staat' - fuer die Unterdrueckung der Bewegung gegen den unsozialen und undemokratischen Paragraphen 218? Ein 'starker Staat' - zur Niederdrueckung gewerkschaftlicher Lohnforderungen, zum weiteren Abbau gewerkschaftlicher Rechte, zur Unterbindung von Streiks, zur Verhinderung von Aktionen, wenn sich die Arbeiter gegen die Vernichtung von Arbeitsplaetzen und gegen die Abwaelzung von Krisenlasten wehren? Oder ein starker Staat, der Mitbestimmung und Demokratie im Betrieb garantiert, der den Arbeiterinterssen in allen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens gegen das Profitdiktat und die Macht des Grosskapitals zum Durchbruch verhilft?

Gerade in diesen hektischen Tagen darf man sich nicht die Koepfe vernebeln und durch scheinbar plausible Parolen irrefuehren oder in kuenstlich geschuerte Hysterie hineintreiben lassen. Solidaritaet ist wirklich notwendig - die Solidaritaet aller Demokraten gegen den Angriff der Reaktion, der erneut in der Maske des Kampfes gegen 'anarchistische Gewalt' gefuehrt wird."

=Unsere Zeit,Duesseldorf 3.3.1975; Der Quertraeger Nr.2,Bielefeld 11.3.1975,S.4

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Die DKP Hochschulgruppe Dortmund gibt vermutlich im Mai ihre Hochschulzeitung 'HZ' heraus. Eingegangen wird auch auf die Dortmunder landesweite Demonstration gegen Jugendarbeitslosigkeit (vgl. 19.4.1975), die als Ausdruck einer wachsenden Mobilisierung gewertet wird:

'Wir sitzen alle in einem Boot - wir wollen Euch ja helfen, koennen aber wegen fehlender Mittel nicht', so lauten die Beschwichtigungsparolen der Herrschenden - doch sie fruchten immer weniger, sie sind leicht als Laegen zu durchschauen.

In einer solchen Situation muessen Angst- und Panikmache her: Das Volk muss ruhig bleiben - man muss ihm Angst eintrichtern, eine 'schlimme' Zukunft prophezeien. Da halten ein paar anarchistische Provokateure her (gemeint sind die Baader-Meinhof-Leute) (RAF,d.Vf.), um alles was sich regt, um berechtigten Forderungen nach mehr Demokratie, nach einer gesicherten Zukunft, nach Frieden und sozialer Sicherheit durch Demonstrationen Nachdruck zu verleihen, als 'kriminell' und 'hitzkoepfig' zu diffamieren. 'der Staat ist in Gefahr - alle Demokraten muessen jetzt zusammenstehen'. Altbekannte 'law and order'-Parolen sollen die berechtigten Forderungen nach mehr Demokratie und sozialer Sicherheit zudecken. Berufsverbot (BV,d.Vf.), Angstmache vor dem 'Gewerkschaftsstaat', schrittweiser, vielschichtiger Abbau demokratischer Rechte auf allen Ebenen, um fuer seine sozialen und materiellen Interessen nicht mehr aktiv taetig werden zu koennen, das ist heute die harte Realitaet unserer ach so sozialen Gesellschaft, ueber die man lieber schweigt und stattdessen wochenlang ueber jeden Furz von Baader-Meinhof poltert."

=HZ,Dortmund o.J. (1975)

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Die DKP Hochschulgruppe Essen gibt vermutlich heute ihren 'Kommunist' heraus.

Im Leitartikel heisst es u.a. zur RAF:

TERROR IN DER BRD - TERRORISMUS IM DIENST DER REAKTION

Seit Wochen wird die Bevoelkerung unseres Landes in Atem gehalten. Seit der Schleyer-Entfuehrung treten alle anderen politischen Ereignisse in den Hintergrund. Nach der Entfuehrung der Lufthansa-Maschine erreicht die von allen Massenmedien geschuerte Terroristenhysterie einen neuen Hoehepunkt. Die letzten Wochen haben gezeigt, dass die reaktionaeren Kraefte in diesem Land die terroristischen Anschlaege nutzen, um mit ihren politischen Gegnern abzurechnen und ihr autoritaeres Herrschaftskonzept durchzudruecken. Da wird nicht allein versucht, die DKP und andere Leute mit dem Terrorismus in Verbindung zu bringen. Die Scharfmacher von rechts nutzen die angebliche Gunst der Stunde und setzen immer mehr Sozialdemokraten, Liberale und Christen wie den Schriftsteller Heinrich Boell, Rinser oder den Bischof Scharf auf die politische Anklagebank.

In Springers WELT schreckt Prof. P.R. Hofstaetter nicht davor zurueck, den verstorbenen Bundespraesidenten Gustav Heinemann mit seiner 'rosaroten Euphorie' fuer die Entwicklung des Terrors mit verantwortlich zu machen.

Dass die Hochschulen in diese antidemokratische Kampagne einbezogen werden, versteht sich fast von selbst.

Strauss: 'Mit Tinte und vom Katheder sind genauso viele Verbrechen und Anschlaege begangen worden, wie spaeter auf der Strasse.'

Der rechtsradikale 'Bund Freiheit der Wissenschaft' (BFdW,d.Vf.) bezeichnet in einer Hetzschrift die Hochschulen als Geburts- und Brutstaetten des Terrorismus und veroeffentlicht im Stile der Mc-Carthy-Aera eine Liste von Hochschullehrern, die als Sympathisanten des Terrors diffamiert werden.

Und Filbinger sieht sich in seiner Absicht bestaetigt, die demokratischen Organe der Studenten zu zerschlagen: 'Jetzt muss die verfasste Studentenschaft an den Hochschulen abgeschafft werden, nur so ist ein Stueck Sympathisantensumpf im Vorfeld des Terrorismus trockenzulegen.'

So wird unter dem Vorwand der Terroristen- und Sympathisantenjagd ein Kesseltreiben gegen jedes kritische und fortschrittliche Handeln entfesselt. Die DKP hat mit aller Schaerfe das Koelner Attentat und die Flugzeugentfuehrung verurteilt. Der Terrorismus hat nichts, aber auch gar nichts mit der kommunistischen- und Arbeiterbewegung zu tun. Terror und Mordanschlaege gehoeren vielmehr zum politischen Arsenal kapitalistischer Herrschaftsmethoden.

Erinnert sei nur an die Ermordung des US-Praesidenten John F. Kenndy, an den Mord an Martin Luther King, an die Blutspur des CIA in Chile, an die bekanntgewordenen Mordplaene des US-Geheimdienstes an Fidel Castro.

Gerade diejenigen, die vorgeben, diesen Staat vor dem Terrorismus mit allen Mitteln verteidigen zu muessen, haben nach eigenen Angaben die besten und freundschaftlichsten Beziehungen zu Terrorregimen wie Chile und Suedafrika.

Die CDU/CSU, die aeusserste Rechte, will jetzt die Weichen im Lande noch weiter nach rechts stellen. Unverhohlene Demagogie, brutaler Zynismus und eine an Deutlichkeit nichts offenlassende Sprache zeigen, wer aus den Attentaten polizeistaatliches Kapital schlagen will. Inzwischen geht es nicht mehr um die Abrechnung mit den Abenteurern, die der fortschrittlichen Bewegung zutiefst fremd sind. Inzwischen stehen wir vor der Frage: Fuehrt der Weg direkt in den Polizei- und Notstandsstaat? Ein gewaltiger Anschlag auf die Verfassung, auf das gesamte innenpolitische und gesellschaftliche Leben in unserem Lande ist geplant.

Fuer alle Demokraten stellt sich dadurch verstaerkt die Frage der Verteidigung der demokratischen Grundrechte und Freiheiten. Es geht um Meinungs-, Demonstrations-, Versammlungs- und Redefreiheit. Es geht um den Bestand der buergerlichen Demokratie in der Bundesrepublik. In dieser Situation muessen alle, ganz gleich welcher Weltanschauung sie anhaengen, alle, die den Grundsaetzen der Demokratie verpflichtet sind, zusammenstehen, zusammengehen, gemeinsam handeln. An unseren Hochschulen gibt es dazu schon gute Ansaetze.

=Kommunist,Essen Okt. 1977

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