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BRD 1977 - Der Polizeistaat in Aktion




Unsere Haltung zur RAF


Wie stehen wir Kommunisten zur Entfübrung und Erschießung Schleyers? Warum verurteilen wir die verbrecherische Flugzeugentführung des Lufthansajets mit Urlaubern aus Mallorca an Bord? Wie steht unsere Partei zur 'Taktik des individuellen Terrors?

Diese und ähnlicbe Fragen sind nach den Ereignissen der letzten Wochen erneut bei vielen Menschen aufgetaucht. Nicht zuletzt deshalb, weil die Bourgeoisie mit ihrer Hetze gegen den "'Terrorismus" systematisch versucht, uns Kommunisten nicht nur mit den Anhängern der Taktik des individuellen Terrors, sondern auch mit den Entführern der Lufthansamaschine in einen Topf zu werfen.

Wir haben bereits in der letzten Ausgabe des "Roten Morgen" festge stellt: Die Flugzeugentführung und die Drohung, die Passagiere und Besatzungsmitglieder in die Luft zu sprengen oder zu erschießen, war ver brecherisch, weil die Luftpiraten Gewalt gegen Werktätige, gegen Menschen aus dem Volk angewendet haben. Sie mögen sich dreimal als Revolutionäre und Antiimperialisten nennen, ihre Aktion ist dennoch konterrevolutionär. Denn der revolutionäre Kampf und die Anwendung revolutionärer Gewalt richten sich niemals gegen das Volk, sondern gegen die Ausbeuterklassen und ihre Handlanger, gegen den bürgerlichen Staat und seine Organe.

Die Luftpiraten von Mogadischu haben durch ihre konterrevolutionäre Aktion außerdem der Bourgeosie einen willkommenen Vorwand für ihre schon seit langem verbreitete niederträchtige Lüge geliefert, die revolutionäre Gewalt richte sich gegen die Werktätigen.


"Killing is no murder"

Wie aber steht es mit den Attacken auf Buback, Ponto und Schleyer? Die Bourgeoisie schreit "unmenschlicher Mord" und auch die modernen Revisionisten der DKP fallen in diesen Chor ein, wenn sie von "verabscheuungswürdigem Mord" schreiben, für den es "keinerlei Rechtfertigung" gebe. Wie stehen wir Kommunisten dazu? Als 1916 der österreichische Revolutionär Adler einen Minister erschoß, schrieb Lenin: ",Killing is no murder` (Tötung ist kein Mord - RM) schrieb unsere alte Iskra über Attentate, wir sind aber nicht gegen politischen Mord (es ist einfach niederträchtig, was die Opportunisten, ,Vorwärts` und ,Wiener-Arbeiterzeitung` in diesem Sinne lakaienhaftes schreiben) aber als revolutionäre Taktik sind die individuellen Attentate unzweckmäßig und schädlich. Nur Massenbewegung kann als wirklicher politischer Kampf angesehen werden. Nur im direkten, unmittelbaren Zusammenhang mit der Massenbewegung kann und muß auch individuelles terroristisches Handeln von Nutzen sein..." (Lenin, Werke, Bd. 35, S.217)

Lenin denkt also nicht im Traum daran, die Tötung eines Angehörigen der Ausbeuterklasse moralisch zu verurteilen. Im Gegenteil. Er verurteilt die Revisionisten, weil sie sich der Bourgeoisie anbiedern, weil sie mit der moralischen Verurteilung solcher Attentate zugleich auch jede Gewalt gegen die Ausbeuterklassen verurteilen.

Lenin beurteilt die Taktik des individuellen Terrors vom Standpunkt der Revolution aus. Und von diesem Standpunkt aus verurteilt er diese Taktik, weil sie unzweckmäßig ist, weil sie die Arbeiterklasse desorganisiert, weil sie objektiv gegen die Revolution und die Errichtung der Diktatur des Proletariats gerichtet ist. Und genau das muß auch heute der Standpunkt jedes Marxisten-Leninisten gegentüber der Taktik des individuellen Terrors sein.


Was heißt Taktik des individuellen Terrors?

Lenin sagt, daß die Anwendung des Terrorismus als Taktik in der "systematischen Organisierung politischer Attentate ohne Zusammenhang mit dem revolutionären Kampf der Massen" besteht. (Werke, Bd. 23, S. 120) Die Ideologie, die sich hinter dieser Taktik verbirgt, wird in der "Geschichte der KPdSU (B)" folgendermaßen charakterisiert: "Die Politik des individuellen Terrors entsprang der falschen Theorie ... von den aktiven ,Helden` und dem passiven ,Haufen , der von den ,Helden´ Großtaten erwartet. Diese falsche Theorie besagte, daß nur einzelne hervorragende Persönlichkeiten die Geschichte machen, die Masse jedoch, das Volk, die Klasse, der ,Haufe`, wie sich die volkstümlerischen Schriftsteller verächtlich ausdrückten (die Volkstümler waren Anhänger der Taktik des individuellen Terrors - RM), zu bewußten, organisierten Handlungen nicht fähig sei, daß sie den Helden nur blindlings folgen könne." ("Geschichte", S.16)

Und weiter: "Drittens hatten die Volkstümler eine irrige und schädliche Auffassung vom Gesamtverlauf der Geschichte der Menschheit. Weder kannten sie noch verstanden sie politischen Entwicklung der Gesellschaft. Sie waren in dieser Hinsicht völlig rückständige Leute. Nach ihrer Meinung wird die Geschichte weder von den Klassen noch vom Klassenkampf gemacht, sondern lediglich von einzelnen hervorragenden Persönlichkeiten, ,Helden , denen die `Masse, der ,Haufe , das Volk, die Klassen blind nachfolgen." ("Geschichte", S.18)


Verrat am Marxismus-Leninismus und der Revolution

All dies trifft auch voll und ganz auf die Politik der RAF zu. In einem Interview der RAF, das vor einiger Zeit im "Spiegel" abgedruckt wurde (Nr. 4/75), heißt es z.B.: "Es ist nichts da, woran wir anknüpfen, worauf wir uns historisch stützen, was wir organisatorisch oder im Bewußtsein des Proletariats voraussetzen könnten, nicht einmal demokratische und republikanische Traditionen."

Damit leugnet die RAF direkt die Tatsache, daß die Arbeiterklasse die revolutionärste Klasse der kapitalistischen Gesellschaft ist, die dazu berufen ist, alle anderen vom Kapital ausgebeuteten und unterdrückten Klassen und Schichten unter ihrer Führung zu vereinigen, um den Sieg in der proletarischen Revolution zu erringen. Sie leugnet damit auch, daß die Arbeiterklasse ihre führende Rolle nur durch ihre marxistisch-leninistische Partei verwirklichen kann.

In dem oben angeführten Zitat werden nicht nur die Kämpfe der Arbeiterklasse mit einem Federstrich unter den Tisch gewischt. Mit einem Federstrich wird auch die Oktoberrevolution in Rußland, die zum erstenmal in der Geschichte der Menschheit zur Errichtung der Diktatur des Proletariats und zum Aufbau des Sozialismus führte, werden die Erfahrungen der Arbeiterbewegung, die Prinzipien des Marxismus-Leninismus und der Kampf der kommunistischen Parteien beiseitegefegt. Es ist nicht verwunderlich, daß die RAF dann in dem oben erwähnten Interview in diesem Zusammenhang offene Angriffe gegen die KPD Ernst Thälmanns und die kommunistische Weltbewegung startet. Wir reden schon gar nicht von der offenkundigen Verachtung der Massen und der maßlosen Überschätzung der eigenen Gruppe, von der man offenbar glaubt, mit ihrer Existenz fange die Geschichte des revolutionären Kampfes überhaupt erst an.

Eine Politik, die sich auf solche Auffassungen gründet, ist, unabhängig von der subjektiven Ehrlichkeit, die es bei manchen RAF-Anhängern geben mag, antirevolutionär. Die Geschichte ist eine Geschichte von Klassenkämpfen, schrieben Marx und Engels im Kommunistischen Manifest. Die RAF redet vom Kampf einer kleinen Gruppe gegen die Bourgeoisie. Beides ist unvereinbar. Die Auffassungen der RAF sind antimarxistisch und antirevolutionär. Der Marxismus-Leninismus lehrt uns, und die Geschichte beweist die Richtigkeit dieser Lehre, daß der Sturz der kapitalistischen Ausbeuterordnung niemals das Werk einiger "Helden" sein kann. Die Arbeiterklasse kann sich nur selbst befreien, wenn sie sich als Klasse in der sozialistischen Revolution erhebt, die Herrschaft der Kapitalistenklasse gewaltsam zerschlägt und die Herrschaft der Arbeiterklasse, die Diktatur des Proletariats errichtet. Um in diesem Kampf siegen zu können, braucht die Arbeiterklasse die entschlossene und sichere Führung durch die kommunistische Partei, die sich vom Marxismus-Leninismus leiten läßt. Nicht die Attentate der Volkstümler und Sozialrevolutionäre führten bekanntlich zum Sturz des Zarismus und der Beseitigung des Kapitalismus in Rußland, sondern der revolutionäre Kampf der von der bolschewistischen Partei Lenins geführten Millionenmassen mit der Arbeiterklasse an der Spitze.

Mag die RAF noch so sehr beteuern, daß sie für die Revolution, für den Sturz des Imperialismus kämpft - wer die Rolle des Klassenkampfes als Triebkraft der Geschichte, wer die führende Rolk der Arbeiterklasse und ihrer Partei in der Revolution leugnet, wer dem Marxismus-Leninismus feindlich gegenübersteht, arbeitet objektiv der Bourgeoisie und der Konterrevolution in die Hände.

Daß der Schritt von solchen Auffassungen zum direkten Abgleiten ins Lager der Konterrevolution durchaus folgerichtig ist, beweist die Entführung des Lufthansajets. Von der Massenverachtung zur Anschauung, die Massen seien reaktionär, und zu direkten Aktionen gegen die Massen ist der Weg nicht weit.

Um ihre Taktik des individuellen Terrors zu begründen, hat die RAF die Theorie des "äußeren Anstoßes" entwickelt. Diese Theorie besagt, daß die Arbeiterklasse und die übrigen Werktätigen, da sie unfähig sind, sich zum revolutionären Kampf zu erheben, von, außen aufgerüttelt werden müssen. Dies geschehe angeblich durch die Befreiungskämpfe der Völker und die Aktionen der Stadtguerrilla in den kapitalistischen Ländern. (Ohne näher darauf einzugehen, sei hier nur festgestellt, daß die RAF mit dieser Theorie im Grunde den gleichen Standpunkt wie die Verfechter der revisionistischen "Theorie der drei Welten" vertritt, die auch behaupten, daß die Hauptkraft der Revolution im internationalen Maßstab in der sogenannten "dritten Welt" liege.) Die Theorie des "äußeren Anstoßes" ist ebenfalls opportunistisch und antirevolutionär. Der Marxismus-Leninismus lehrt uns, daß der Klassenkampf eine objektive Erscheinung ist und sich unabhängig vom Willen der Menschen entwickelt. Der Klassenkampf zwischen Proletariat und Bourgeoisie in den kapitalistischen Ländern führt unvermeidlich zum Entstehen einer revolutionären Situation. Die Befreiungskämpfe der unterdrückten Völker beeinflussen diese Entwicklung, aber sie können niemals die entscheidende Rolle spielen.

Ganz zu schweigen von den Aktionen einer Handvoll von den Massen losgelöster sogenannter Guerrilleros. Solche Aktionen rütteln die Arbeiterklasse nicht nur nicht auf, sondern hemmen direkt die Entwicklung des revolutionären Klassenkampfes.

Die Revolution siegt aber nicht "automatisch". Entscheidend für den Sieg der Revolution ist, ob die Massen von ihrer Notwendigkeit überzeugt sind, ob sie vorbereitet sind, die Macht zu ergreifen, ob sie in genügender Weise politisch und ideologisch mobilisiert und organisiert sind. Ist dies nicht der Fall, wird die Revolution auf jeden Fall eine Niederlage erleiden. Die Vorbereitung der Massen auf die Revolution ist nicht die Arbeit eines einzigen Tages. Sie ist das Ergebnis der systematischen und beharrlichen Erziehung der Massen durch die kommunistische Partei. Ohne diese Erziehung, ohne die Schmiedung der revolutionären Front aller ausgebeuteten Klassen und Schichten in den täglichen Kämpfen, ohne die Zusammenfassung und Führung aller dieser Kämpfe durch die kommunistische Partei ist an den Sieg der Revolution nicht zu denken.

Die Anhänger des individuellen Terrors aber sehen weder die Notwendigkeit der Partei, noch die Notwendigkeit der systematischen Erziehung der Massen für die proletarische Revolution. Durch ihre Politik sabotieren sie geradezu die Vorbereitung der Massen auf die Revolution. Was machen sie denn? Durch ihre Taktik des von den Massen isolierten , von untereinander nur lose zusammenhängenden Gruppen geführten Kampfes, tragen sie den Geist der Zersplitterung, der Desorganisation in die Arbeiterklasse. Durch ihre Anbetung des Terrorismus sabotieren sie die revolutionäre Erziehung der Arbeiterklasse. Durch ihre Behauptung, die kommunistische Partei sei überflüssig, wollen sie die Arbeiterklasse ihrer Führung berauben. Im Grunde genommen läuft ihre ganze Theorie darauf hinaus, die Arbeiterklasse; wenn sie der RAF folgen würde, zu entwaffnen, so daß sie im entscheidenden Moment eine Niederlage erleiden würde. Nicht umsonst hat Lenin auf den engen Zusammenhang zwischen den Opportunisten und den Terroristen hingewiesen. Er schrieb: "Die Ökonomisten und die Terroristen sind Anbeter verschiedener Pole der spontanen Richtung: die Ökonomisten - der Spontaneität der ,reinen Arbeiterbewegung`, die Terroristen - der Spontaneität der leidenschaftlichen Empörung der Intellektuellen, die es nicht verstehen oder nicht die Möglichkeit haben, die revolutionäre Ar beit mit der Arbeiterbewegung zu einem Ganzen zu verbinden." (Bd. 5, S. 432)

Die Taktik des individuellen Terrors und die Auffassungen, die hinter ihr stecken, sind mit dem Marxismus-Leninismus unvereinbar und gegen ihn gerichtet. Sie müssen deshalb entschieden bekämpft werden.


Die revolutionäre Gewalt ist notwendig und gerechtfertigt

Um unseren Standpunkt völlig klar zu machen, möchten wir hier ein weiteres Zitat Lenins anführen. Er sagte: "Jedenfalls sind wir überzeugt, daß die Erfahrung der Revolution und Konterrevolution in Rußland die Richtigkeit des mehr als zwanzigjährigen Kampfes unserer Partei gegen den Terrorismus als Taktik bestätigt hat. Es darf aber nicht vergessen werden, daß dieser Kampf im engen Zusammenhang mit dem schonungslosen Kampf gegen den Opportunismus, der geneigt war, jede Gewalt von Seiten der unterdrückten Klassen gegen ihre Unterdrücker zu verwerfen, geführt worden ist. Wir waren immer für die Anwendung der Gewalt, sowohl im Massenkampfe als auch im Zusammenhang mit diesem Kampfe. Zweitens haben wir den Kampf gegen den Terrorismus mit einer jahrelangen ... Propaganda des bewaffneten Aufstandes vereinigt. Wir sahen in ihm nicht nur die beste Antwort des Proletariats auf die Politik der Regierung, sondern auch das unvermeidliche Resultat der Entwicklung des Klassenkampfes für den Sozialismus und die Demokratie. Drittens haben wir uns mit der prinzipiellen Anerkennung der Gewaltanwendung und der Propagierung des bewaffneten Aufstandes nicht begnügt. Wir unterstützten z. b., vier Jahre vor der Revolution, die Anwendung der Gewalt der Masse gegen ihre Unterdrücker, besonders bei den Straßendemonstrationen." (Werke, Bd. 23, S. 121)

In diesem Zusammenhang betonte Lenin auch: "Grundsätzlich haben wir den Terror nie abgelehnt und können wir ihn nicht ablehnen. Er ist eine Kampfhandlung, die in einem bestimmten Zeitpunkt der Schlacht, bei einem bestimmten Zustand der Truppe und unter bestimmten Bedingungen durchaus angebracht und sogar notwendig sein kann." (Werke, Bd. 5, S. 7)

Die Taktik des individuellen Terrors einzuschlagen, bedeutet aber, wie wir gesehen haben, Sabotage des revolutionären Kampfes und der proletarischen Revolution. Gerade weil die Revolution das Werk der Massen und nicht das einiger "Helden" ist, kommt alles darauf an, die Arbeiterklasse und die übrigen Werktätigen systematisch auf die Revolution vorzubereiten, sie von ihrer Notwendigkeit zu überzeugen, sie für dieses Ziel zu mobilisieren und im Kampf zusammenzuschließen. Ohne diese Arbeit kann die Revolution nicht siegen.

Aus: Roter Morgen, Zentralorgan der KPD/Marxisten-Leninisten, Nr.43, vom 28. Oktober 1977, 11. Jahrgang

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