Teil 2 2.6.1967
- 17./18.2.1968 |
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1967
2. 6.
Nachdem schon-am 30.5.-in Münschen 1500 deutsche und persische Studenten gegen den Besuch
des Schahs demonstriert und - am i. 6. - Bahman Nirumand auf einem Teach-in im Audimax der
FU vor über 3000 Studenten das diktatorische Schah-Regime in seinem Heimatland Persien
analysiert hatte, demonstrieren 2000 Studenten und Schüler vor dem Schöneberger Rathaus.
Als beim Eintreffen des Schahs Rauchkerzen und Eier fliegen, prügeln schahfreundliche
«Jubelperser» mit Stahlrohren auf die Demonstranten ein. Bei einer zweiten Manifestation
am Abend vor der Deutschen Oper kommt es zu schweren Auseinandersetzungen mit der Polizei,
die mit zivilen Greiftrupps flüchtende Studenten einzufangen versucht. Dabei wird der
26jährige Student Benno Ohnesorg auf einem Parkhof von dem Kriminalobermeister Kurras von
hinten erschossen. Obwohl die Polizei den «Todesfall» zunächst zu vertuschen versucht
und ein generelles Demonstrationsverbot - auch auf dem Campus - vom Senat erlassen wird,
treffen sich einen Tag später 6000 Studenten auf dem Gelände der FU und diskutieren
über den Mord und den «nicht erklärten Notstand» in Berlin. Der Tod Benno Ohnesorgs
hat inzwischen eine Welle der Empörung an allen bundesdeutschen Universitäten
ausgelöst; fast überall werden Solidaritäts-Resolutionen verfaßt und
Trauerkundgebungen veranstaltet. Am 8. 6. wird der Sarg nach einer Trauerrede des
Theologieprofessors Helmut Gollwitzer vor 15000 Menschen in einem Fahrzeugkonvoi von
Berlin nach Hannover überführt. Dort findet einen Tag später nach der Beerdigung Benno
Ohnesorgs unter Beteiligung von 5000 Studenten und Dozenten aus allen Teilen der
Bundesrepublik der Kongreß «Hochschule und Demokratie - Bedingungen und Organisation des
Widerstands» statt, auf dem der Frankfurter Soziologieprofessor Jürgen Habermas erstmals
seinen Linksfaschismusvorwurf gegenüber Rudi Dutschke und dem SDS erhebt.
5.-10. 6.
Der dritte israelisch-arabische Krieg endet mit der Okkupation der Sinai-Halbinsel und
Teilen von Jordanien - unter anderem der Altstadt Jerusalems - durch die Israelis.
18. 6.
Nachdem es schon - am 26. 2. - in Frankfurt zu einer nationalen Schülerkonferenz gekommen
war, gründen Vertreter von Schülergruppen aus 26 Städten der gesamten Bundesrepublik
mit Unterstützung des SDS das Aktionszentrum unabhängiger und sozialistischer Schüler
(AUSS).
22. 6.
Im Wohnheim der ESG Berlin treten 100 Studenten für ihren inhaftierten Kommilitonen Fritz
Teufel in einen Hungerstreik. Erst nach einer Welle von Protesten wird der Kommunarde - am
10. 8. - aus der Untersuchungshaft entlassen.
23. 6.
In Los Angeles löst die Polizei ein peace-in auf, zu dem sich 15000 peaceniks
in einem Park versammelt haben. 100 Jugendliche werden nach dem brutalen Einschreiten mit
schweren, 1300 mit leichten Verletzungen in die Krankenhäuser der Umgebung eingeliefert.
12.-17. 7.
Nachdem es schon in den beiden vorhergehenden Sommern zu vereinzelten Negeraufständen
in den Gettos von Los Angeles und Cleveland gekommen war, löst eine massenhafte Revolte
in Newark, bei der es durch den Einsatz von 4000 Polizisten und Nationalgardisten zu 27
Todesopfern und 1100 Verletzten kommt, eine wahre Kettenreaktion in mehr als 100
amerikanischen Städten aus. Als sich daraufhin - vom 20. bis 24. 7. - über 1000
Delegierte zu einer Black Power-Konferenz in Newark treffen, um Boykott- und
Widerstandsmaßnahmen zu beschließen, bricht am letzten Tag der Konferenz erneut eine
schwere Revolte - diesmal in der Automobilstadt Detroit - aus. Unter dem Einsatz von
Rauchbomben, Nervengas, Panzern und Hubschrauberstaffeln schlagen 16000 Uniformierte den
mehrtägigen Aufstand nieder. 41 Farbige werden getötet, 2000 verletzt und über 4000
verhaftet; der Sachschaden wird über 2 Milliarden DM geschätzt. Trotz einer
aussichtslosen militärischen Lage haben in Newark und Detroit zum erstenmal organisierte
Stadtguerilla-Gruppen der Black Panther in den Kampf eingegriffen.
7. 7.
Als der Frankfurter Philosophieprofessor Theodor W. Adorno bei seinem Vortrag über
Goethes Iphigenie trotz der Ermordung Benno Ohnesorgs nicht zu einer politischen
Diskussion bereit ist, entrollen Kommunarden Spruchbänder mit der Aufschrift «Berlins
linke Faschisten grüßen Teddy den Klassizisten». Am Ende des Vertrags scheitert der
Versuch einer Studentin, Adorno einen aufgeblasenen roten Gummi-Teddy zu überreichen,
weil er ihr von einem anderen Studenten aus der Hand geschlagen wird.
9. 7.
In der japanischen Stadt Sunagawa demonstrieren 6000 Studenten mit über 40000 Arbeitern
gegen die Ausdehnung eines US-Luftstützpunktes, der als Nachschubbasis für den
Vietnam-Krieg dienen soll.
2. 8.
Provos veranstalten im New Yorker Tompkins Square Park ein öffentliches smoke-in,
bei dem unter den Augen der Polizei über 4000 Jugendliche drei Kilo Marihuana
verbrauchen.
19. 8.
Während einer amerikanischen Militärparade in Berlin werden Studenten, die gegen den
Vietnam-Krieg protestieren, von Zuschauern verprügelt.
8. 9.
Während der SDS -Delegiertenkonferenz in Frankfurt versucht eine Teilnehmergruppe eine
gleichzeitig stattfindende Vietnam-Debatte im Amerikahaus zu sprengen.
6.10.
Um gegen das in den Massenmedien angekündigte, vermeintliche Ende der Hippie-Bewegung und
ihre Vermarktung in den «Flower Power»-Kommerz zu protestieren, bilden Tausende San
Franciscoer Hippies einen Trauerzug und verbrennen symbolisch einen mit Ketten, Drogen,
Kleidern und Blumen gefüllten Sarg im Buena Vista Park.
8.10.
Die Tagung der Gruppe 47 in Pulvermühle beschließt nach einem go-in von Studenten
den Boykott des Springer-Konzerns.
9.10.
Nachdem Che Guevara am Vortag in einem Partisanenlager im bolivianischen Dschungel
verwundet gefangengenommen werden konnte, ermorden ihn von Amerikanern ausgebildete
Rangers und stellen seinen Leichnam in Valle Grande zur Schau. Mit der baldigen Aufreibung
der restlichen Guerillagruppe scheitert der Versuch, den revolutionären Aurstand von Kuba
auf das lateinamerikanische Festland überspringen zulassen.
18.10.
Während der Frankfurter Buchmesse finden mehrere Demonstrationen gegen Stände des
Springer-Konzerns und Griechenlands statt.
21.10.
In Washington belagern 250000 Demonstranten aus Protest gegen den Vietnam-Krieg das
Pentagon. Die Regierung setzt gegen sie rund 10000 Polizisten, Nationalgardisten und
Fallschirmjäger ein, die über 600 Demonstranten verhaften. Auch in London, Paris,
Berlin, Rom, Oslo, Amsterdam und Tokio kommt es zu Massendemonstrationen gegen den
Vietnam-Krieg.
l. 11.
Im Berliner Audimax findet die Gründungsversammlung der «Kritischen Universität»
statt. In über 30 Kollektiven wird mit der Selbstorganisation des Studiums und seiner
politischen Reflexion begonnen.
9. 11.
Bei der feierlichen Rektoratsübergabe in Hamburg kommt es zu Zwischenfällen, während
denen ein Transparent mit der Aufschrift «Unter den Talaren - Muff von tausend Jahren»
entrollt wird, um gegen die Ordinarienuniversität zu protestieren. Zu ähnlichen
Zwischenfällen kommt es noch während des ganzen Monats Oktober in den Universitäten von
Heidelberg, Tübingen, Marburg und an der Berliner TU.
12. 11.
Während eines Gastspiels des Rostocker Volkstheaters zum 50. Jahrestag der
Oktoberrevolution in Frankfurt am Main erliegt der Sekretär des
DDR-Schriftstellerverbandes Kurt Barthel einem Herzschlag, als Studenten versuchen, die
Revolutionsrevue zu stören.
12.11. Anläßlich der Abreise des japanischen Ministerpräsidenten Sato in die
Vereinigten Staaten, wo über die Rückgabe der Insel Okinawa an Japan verhandelt werden
soll, organisiert die militante Studentenorganisation Zengakuren eine Blockade des Haneda
Airports. Bei den stundenlangen Kämpfen zwischen 15000 Demonstranten und Tausenden von
Polizisten werden etwa 500 Studenten verletzt und 333 verhaftet.
20. 11.
Vor Fernsehkameras unterbricht eine Frankfurter SDS-Gruppe die Vorlesung des SPD-Mitglieds
Professor Carlo Schmid durch ein go-in und fordert eine Diskussion über die
Notstandsgesetze.
23.11.
Der Mörder von Benno Ohnesorg, Kriminalobermeister Kurras, wird in Berlin von der Anklage
der fahrlässigen Tötung freigesprochen.
28.11.
Anläßlich der Prozeßeröffnung gegen den Kommunarden Fritz Teufel demonstrieren über
1000 Studenten vor dem Berliner Gerichtsgebäude. Die Polizei setzt Wasserwerfer und
Reiter gegen die protestierende Menge ein.
29.11.
In Gießen versucht der Verfassungsschutz Studenten anzuwerben, um sie als Spitzel im SDS
einzusetzen.
19.12.
Nach einer tumultartigen Diskussion mit dem Regierenden Berliner Bürgermeister Schütz -
«Brecht dem Schütz die Gräten; alle Macht den Räten» - demonstrieren die Studenten
vor der griechischen Militärmission und dem Amerikahaus.
20.12.
Innerhalb von vier Wochen haben über 30000 Studenten und Dozenten das Hochschulmanifest
gegen die Notstandsgesetzgebung unterzeichnet.
24.12.
In der Berliner Gedächtniskirche wird Rudi Dutschke beim Versuch, während des
Weihnachtsgottesdienstes von der Kanzel eine Rede über den Vietnam-Krieg zu halten, von
einem Gottesdienstbesucher niedergeschlagen. Bei einem go-in von Studenten ins Bonner
Münster muß Bundeskanzler Kiesinger das Gotteshaus fluchtartig durch einen Seiteneingang
verlassen.
1968
10. 1.
Zwei Münchener Studenten sprengen Universitätsvorlesungen mit Polizeiuniformen, die sie
sich beim Kostümverleih geborgt haben. Am 18. 4. werden sie von einem Münchener Gericht
zu mehrmonatigen Gefängnisstrafen verurteilt.
15 .-24. 1.
In Bremen bringen Schüler die vom Senat geplante Erhöhung der Verkehrstarife durch
Demonstrationen und Blockaden, deren Teilnehmerzahl innerhalb einer Woche von 50 auf 4000
steigt, zu Fall. Der Widerstand der Bremer Schüler wird zum Modellfall für ähnliche
Aktionen, die das ganze Frühjahr über noch in Bochum, Göttingen, Oberhausen und Kiel
stattfinden.
17.-18. 1.
In der japanischen Hafenstadt Sasebo, wo der US-Flugzeugträger «Enterprise» aus dem
Golf von Tonking vor Vietnam erwartet wird, greifen etwa 1000 mit Helmen und Stöcken
ausgerüstete Zengakuren-Studenten eine Barrikade der Polizei an. Obwohl sie unablässig
mit Tränengasbomben beschossen werden, gelingt es ihnen, die auf einer Brücke stehende
Barrikade hinunterzuwerfen. Nun werden sie von mehreren Spezialtruppen der Polizei unter
dem Einsatz von Panzerfahrzeugen eingezingelt und Schritt für Schritt bis zur
Bewußtlosigkeit zusammengeschlagen. Daraufhin solidarisiert sich die anfänglich
reservierte Bevölkerung von Sasebo mit den Studenten und bewirft bei der Ankunft der «
Enterprise» - am 19. 1. - eigenhändig die Polizeisperren mit Steinen. Als im
ARD-Fernsehen Aufnahmen von Sasebo gezeigt werden, kommt es in der Bundesrepublik durch
Studenten zu massenhaften Käufen der charakteristischen Bauarbeiterhelme.
24. 1.
In Berlin wird das Romanische Seminar für eine Woche geschlossen, weil die Studenten auf
Diskussionen in den Lehrveranstaltungen bestehen.
30. 1.
Durch die Tet-Offensive, in deren Verlauf der Vietcong bis in die amerikanische Botschaft
in Saigon eindringen kann, findet sich die US-Regierung bereit, der Eröffnung von
Vietnam-Friedensgesprächen in Paris-am 13.5.-zuzustimmen.
31.1.
Wegen der Weigerung der Philosophischen Fakultät der FU, mit den Studenten über die
Studienreform zu diskutieren, wird ihnen zunächst der Strom abgestellt, so daß die
Sitzung bei Kerzenschein fortgeführt werden muß. Danach wird schließlich die Tür
aufgeschlagen, worauf die diskussionsun-willigen Professoren die Flucht antreten.
1. 2.
Nach einer Vorbereitungsveranstaltung für das «Springer-Hearing» in der TU Berlin, auf
der ein Lehrfilm von Holger Meins über den Bau von Molotow-Cocktails gezeigt wurde,
werfen Unbekannte nachts in sieben Morgenpost-Filialen des Springer-Konzerns die Scheiben
ein.
4. 2.
Während eines go-in im Bonner Rektorat wird ins Goldene Buch der Universität der
Unterschrift von Bundespräsident Heinrich Lübke die Bezeichnung «KZ-Baumeister»
beigefügt. Lübke hatte im Dritten Reich als Architekt Pläne zum Bau von
Konzentrationslagern ausgearbeitet.
7. 2.
1000 Freiburger Studenten stürmen das dortige Amtsgericht, um Festgenommene zu befreien.
9. 2.
In Baden-Württemberg erhalten Studenten, die wegen eines Entwurfs zum Hochschulgesetz in
Vorlesungsstreik getreten sind, von einigen Betriebsräten Solidaritätserklärungen.
17.-18. 2.
An der Berliner TU findet unter Beteiligung von mehreren tausend Studenten der
«Internationale Vietnam-Kongreß» statt. Ein vom Senat erlassenes Demonstrationsverbot
wird noch während des Kongresses vom Verwaltungsgericht aufgehoben. So ziehen 12000
Demonstranten, unter ihnen eine Reihe von SPD-Mitgliedern, durch die Berliner Innenstadt.
Auf der Abschlußkundgebung wird die von den Kongreßteilnehmern verabschiedete
Schlußresolution verlesen, in der zu einer Desertionskampagne von GIs aufgerufen und die
«Zerschlagung der NATO» gefordert wird. |