Aus: Mosler, Peter, Was wir wollten, was wir wurden, Reinbek 1977, S.249ff

Notizen zu einer Chronologie der Studentenbewegung

Von Wolfgang Kraushaar


Teil 1 1955 - 2.6.1967

ÜBER DIE GEBRAUCHSSCHWIERIGKEIT EINER CHRONOLOGIE

«Womit kann man besser lügen, als mit Tatsachen?»
Robert Havemann

Chronologien sind im allgemeinen mit Vorsicht zu genießen, diese besonders. Schon allein deswegen, weil sie von einem einzelnen zusammengestellt wurde, obwohl eine solche Arbeit nur von einem Institut zu leisten wäre. Deshalb sollte sie auch lediglich als Versuch betrachtet und auf nichts mehr, als ihren Widerruf hin gelesen werden.

Der strenge Rahmen der Chronographie wird zudem an manchen Stellen vorsätzlich durchbrochen; deren Prinzipien zwar nicht einfach übergangen, jedoch dort mit Hilfe von Erläuterungen und Kommentaren ergänzt, wo es mit diesen Mitteln möglich war, etwas mehr Licht in das Dunkel der Fakten zu bringen. Dies ist also kein Datenfriedhof, auf dem die Ereignisse mit glatten Grabplatten zugedeckt sind.

Zudem ist die Annahme, daß die chronologische Fixierung von Daten unmittelbar dem Wesen eines historischen Prozesses oder was immer man auch dafür halten mag, zur Darstellung verhelfen können fiktiv. Nur durch die bewußte Verstärkung bestimmter Phänomene mit Hilfe eher latenter Bedeutungsebenen, die datenmäßig nicht in politologischen Kalendern rubriziert werden, können Sinnzusammenhänge transparenter werden. Weglassungen und Kürzungen können durchaus denselben Zweck erfüllen.

Dies soll allerdings keineswegs heißen, daß die Auswahlkriterien einem eindimensional, unmittelbar kausal verfahrenden Begründungszusammenhang verpflichtet wären. Vielmehr wurde auf die Sammlung disparater Phänomene, die sich einem allzu umstandslosen Interpretationsansatz entziehen, besonderer Wert gelegt.

Um Skeptikern also vorzubeugen: Keines dieser Daten ist völlig objektiv und damit «realistisch» zu nennen. Jede Information ist bewußt selektiert und entweder mikro-oder makroskopisch - je nach Intention - in der Darstellung vergrößert oder verkleinert worden.

So stellt zum Beispiel die Teilnehmerzahl an Demonstrationen oder Protestveranstaltungen kein eindeutiges Indiz für einen entsprechenden Bedeutungsgrad dar. Jene einzelne Ost-Berlinerin, die nach dem Einmarsch der Warschauer Pakt-Truppen in die CSSR mit der Aufschrift DUBCEK auf ihrem Kinderwagen protestiert hat, läßt sich unmöglich quantifizierend zu den Protesten von Zehntausenden vor den sowjetischen Botschaften in Westeuropa in Relation setzen. Entscheidend ist der jeweils gesamtpolitische Zusammenhang und der entsprechende Grad an Freiräumen, in dem sich solche Protestaktionen abspielen.

Wenngleich der Ansatz, die Studentenrebellionen nicht auf die Bundesrepublik oder Westeuropa beschränkt zu betrachten, leicht Verwirrung auslösen kann, so muß dennoch an ihm festgehalten werden, weil sich im «Internationalismus der Studenten» ein entscheidendes Charakteristikum dieser historischen Konstellation ausdrückt. Von Berkeley nach Berlin, von Berlin nach Paris, von Paris nach Dakar und von Dakar nach Frankfurt reicht zum Beispiel eine der vielen Linien im Netz des globalen Protests. Zwar schloß dieser sich nur selten zu direkten, weltumfassenden Aktionsbündnissen zusammen, wie den «Weltkampftagen gegen den Vietnam-Krieg», und wies vorwiegend eine ungleichzeitige Verlaufsstruktur auf, damit aber wurden wechselseitige Impulse und Beeinflussungen möglich, die eine historische Novität markieren. Aus diesem Grunde wäre eine Beschränkung auf den bundesrepublikanischen Zusammenhang für entscheidende Phasen inadäquat und würde einige der bedeutsamsten Phänomene ausblenden.

Eine andere Schwierigkeit ist der unerhört hohe Komplexitätsgrad von unterschiedlichsten, sich dennoch aber gegenseitig beeinflussenden Wirkungszusammenhängen im «Jahrzehnt der Studenten». So war die APO in ihrer Blütezeit zwischen dem Juni 1967 und dem Herbst 1969 ein einzigartiger Schmelztiegel zum Teil völlig verschiedener Phänomene. Große Koalition, Vietnam-Krieg, Springer-Kampagne, Rockmusik, Kommunen . . . signalisieren nur einige Assoziationssplitter im Bedeutungsumkreis am Ende der sechziger Jahre.

Literarische und musikalische, wissenschaftliche und subkulturelle, institutionelle und außerinstitutionelle, innen- und außenpolitische, lokale und überregionale Ereignisse bilden insofern ein nur schwer zu differenzierendes Konglomerat eines scheinbar einheitlichen Bildes der Protestbewegung. Darum wurde, um unzutreffende Selektionen zu vermeiden, der Rahmen dieser Chronologie möglichst weit gespannt. Verhindert werden soll dadurch eine zu umstandslose Interpretation des Geschehens nach Maßgabe «bloß politischer» Kriterien, bei der entscheidende Dimensionen unberücksichtigt blieben und damit zu einem ideologisch gefilterten Bild beitragen könnten.

Erst wenn durch diesem chronologischen Versuch ein Impuls zur andersweitigen Erhärtung oder Kritik geweckt würde, wäre der Sinn eines derart vorläufigen Unterfangens nicht vollends verfehlt.

Frankfurt, Februar 1977 W. Kraushaar


1955

12. 10.
In der «Galery Six» am Embarcadero-Platz in San Francisco lesen die Schriftsteller Allen Ginsberg, Jack Kerouac und Gary Snyder einige ihrer Texte vor. Das 112Strophige Gedicht «Howl» (Gebrüll) und der Roman «0n the road» «Unterwegs» markieren den literarischen Beginn der «Beat-Generation». Ein Freund Kerouacs hatte 1952 in einem Aufsatz die aus dem Zweiten Weltkrieg zurückgekehrten GIs als «the beaten generation», die geschlagene Generation bezeichnet.


1957


28. 7.
In Cosio d'Arroscia gründen mehrere Intellektuellen- und Künstlergruppen die Situationistische Internationale, deren Zentrum sich in Paris befindet und die sich aus Sektionen in Italien, der Bundesrepublik, den Niederlanden, Belgiens und Skandinaviens zusammensetzt. In der ersten Nummer ihrer gleichnamigen Zeitschrift fordern sie, «endlich mit der Verwirklichung des Kommunismus in der Revolutionierung des Alltagslebens anzufangen».

1958

15. 4.
In Berlin demonstrieren 5000 Studenten und Jungsozialisten mit einem Schweigemarsch gegen die geplante Atombewaffnung der Bundeswehr. Gegen das gleiche Vorhaben protestieren am 17.4.100.000 Hamburger; von mehreren Großbetrieben ziehen Demonstrationszüge mit Gewerkschaftsfahnen zum Kundgebungsplatz in der Innenstadt.

25. 6.
Der Beschluß des Konvents der Freien Universität Berlin (FU), eine Befragung der Studentenschaft über die atomare Bewaffnung der Bundeswehr durchzuführen, wird auf Druck des Ältestenrates am 4. 7. wieder zurückgenommen.

1959

4.1.
Nach mehr als zweijährigem Partisanenkampf in der Sierra Maestra ziehen Fidel Castro und Che Guevara mit der «Bewegung des 26. Juli» als Sieger in der kubanischen Hauptstadt Havanna ein. Nach dem militärischen Zusammenbruch der vom US-Kapital abhängigen Batista-Diktatur kann die kubanische Revolution beginnen.

3.1.-4.1.
An der Freien Universität Berlin findet ein «Studentenkongreß gegen Atomrüstung» unter Beteiligung von Bundestagsabgeordneten, Professoren, Schriftstellern und Gruppen von Atomwaffengegnern aus der gesamten Bundesrepublik statt. Bei der Verabschiedung eines Antrags zu Friedensverhandlungen mit der DDR verläßt der SPD-Wehrexperte Helmut Schmidt unter Protest den Saal.

23.-24. 5.
Der Sozialistische Deutsche Studentenbund (SDS) veranstaltet in Frankfurt einen «Kongreß für Demokratie - gegen Restauration und Militarismus», auf dem ein sofortiger Rüstungsstopp in der Bundesrepublik und die Abschaffung der allgemeinen Wehrpflicht gefordert wird.

13.-15. 11.
Auf einem außerordentlichen Parteitag der SPD in Bad Godesberg wird ein neues Grundsatzprogramm verabschiedet, in dem endgültig die sozialistische Arbeiterpartei durch eine marktwirtschaftlich orientierte «Volkspartei» ersetzt wird.

1960

8. 1.
Der Landesjugendring Berlin veranstaltet eine Protestdemonstration gegen antisemitische Synagogenschmierereien, an der sich über 10000 Jugendliche beteiligen.

1. 2.
In der amerikanischen Stadt Greensboro halten erstmals farbige Studenten ein Sit-in ab, um gegen die Rassentrennung in Kaufhausrestaurants zu protestieren. Bald darauf werden sie in fast allen Woolworth-Kaufhäusern der USA nachgeahmt und zu regelrechten Besetzungen weitergeführt.

26. 4.
Gegen die Wiederwahl des südkoreanischen Diktators Syng-man Rhee, die weithin als manipuliert angesehen wird, finden Massendemonstrationen statt, die erst durch schießende Polizeitruppen zum Stoppen gebracht werden können. Daraufhin durchbrechen 2000 Studenten der am Stadtrand Seouls gelegenen Korea-Universität die Bannmeile des Parlaments, indem sie die kilometerlange Strecke zur völligen Überraschung der Polizei in einem dreiviertelstündigem Dauerlauf zurücklegen. Als sie jedoch auf dem Rückweg von zivilen Beamten zusammengeschlagen werden, findet am folgenden Tag eine Demonstration von 20000 Studenten statt, die von sympathisierenden Passanten angefeuert werden. Nun eröffnet die Polizei sofort das Feuer, tötet über 100 Studenten und verletzt 750 von ihnen schwer. Die Folge ist eine ungeahnte Solidarisierungswelle im ganzen Land, in deren Verlauf das Haus des Vizepräsidenten angezündet wird. Am 26. 4. muß Diktator Rhee schließlich auf Rat seiner Militärs und der Amerikaner zurücktreten. Der Rest des Tages gehört den Studenten, die überall in Volksfesten als «Befreier» gefeiert werden.

4. 5.
In den USA wird ein Büro für die Verfolgung von Bürgern, die «unamerikanischer Umtriebe» bezichtigt werden, von 8000 Demonstranten besetzt. Als starke Polizeikräfte das Gebäude räumen und 68 Studenten dabei verhaften, bilden sich an zahlreichen Universitäten Unterstützungskomitees für die Ziele der Demonstranten.

9.5.
Eine gegenüber der Mutterpartei SPD loyale Fraktion spaltet sich vom SDS als angeblichem «trojanischen Pferd Pankows» ab und gibt in Bonn die Gründung eines Sozialdemokratischen Hochschulbundes (SHB) bekannt. Der Parteivorstand der SPD begrüßt daraufhin - am 23. 5. - die positive Haltung des SHB zum Godesberger Programm und die Ablehnung des Kommunismus. Am 19. 7. bricht die SPD alle Beziehungen zum SDS ab und verkündet schließlich - am 8.11.1961 - den Unvereinbarkeitsbeschluß einer Doppelmitgliedschaft in SDS und SPD.

15. 6.
Der japanische Studentenverband Zengakuren organisiert den Kampf gegen die Erneuerung eines Sicherheitsvertrages mit den Vereinigten Staaten. Am 15. i. verhindern 700 Studenten durch die Besetzung des Flughafens Tokio-Haneda den Abflug von Ministerpräsident Kishi in die USA. Nachdem es Kishi am darauffolgenden Tag dennoch gelingt abzufliegen um am 19. l. den Vertrag zu ratifizieren, demonstrieren 4 Millionen Arbeiter in ihren Betrieben und erklären sich mit den Forderungen der Studenten solidarisch. Als dann am 26. 4. über 3000 Studenten versuchen, in den Reichstag einzudringen, um dort die Ablehnung des Vertrages zu fordern, werden sie von starken Polizeikräften zurückgedrängt und organisieren statt dessen einen Demonstrationszug mit 35000 Teilnehmern durch das Zentrum von Tokio. Nach einer weiteren großen Manifestation am 10. 6., in deren Verlauf der Wagen des US-Botschafters am Flughafen von Studenten eingekesselt wird und seine Insassen erst nach einem einstündigen Kampf von Polizisten herausgeholt und in einem Hubschrauber entfliehen können, versuchen 8000 Studenten am 15. 6. eine Kundgebung auf dem Reichstagsgelände durchzuführen. Im Gegenzug von mehreren tausend zur Räumung herbeigerufenen Polizisten kommt dabei die Studentin Michiko Kamba ums Leben. Daraufhin stürmen noch am selben Abend 4000 Demonstranten das Reichstagsgebäude. Bei dem erneuten Gegenangriff der Polizei, die mit Gummiknüppeln und Tränengasgranaten ausgerüstet ist, werden mehr als 1000 Studenten verletzt und 182 verhaftet. Obwohl Eisenhower schließlich seinen Japan-Besuch absagt und es Zengakuren gelingt, am Tag der Oberhausdebatte über den Sicherheitsvertrag 300000 Demonstranten zur Belagerung des Reichstagsgebäudes zu mobilisieren, tritt der Vertrag dennoch in Kraft; allerdings um den Preis des Rücktritts von Ministerpräsident Kishi.

30. 6.
Die Republik Kongo erklärt ihre Unabhängigkeit von der belgischen Kolonialmacht. Doch schon am 6. 7. brechen kriegerische Auseinandersetzungen um die Machtverteilung des Landes aus. Am 11. 7. wird in Katanga die Gründung einer Separatistenregierung unter Tschombe bekanntgegeben, die vor allem eine Wirtschaftsunion dieses Industriegebietes mit Konzernen der alten Kolonialmacht anstrebt. Daraufhin bricht der kongolesische Ministerpräsident Lumumba - am 14. 7. - die diplomatischen Beziehungen zu Belgien ab. Trotz der Intervention von UNO-Truppen kann Lumumba verschleppt und - am 17. 7. 1961 - unter ungeklärten Umständen ermordet werden.

5.11.
Arabische und deutsche Studenten demonstrieren in Marburg gemeinsam gegen den französischen Kolonialkrieg in Algerien.

1961


Die Auswertung einer 1957 und 1958 durchgeführten empirischen Untersuchung zum politischen Bewußtsein Frankfurter Studenten, die von den Soziologen Habermas, Friedeburg u. a. unter dem Titel «Student und Politik» veröffentlicht wird, ergibt, daß 66 Prozent der Befragten apolitisch sind, 16 Prozent sogar autoritätsgebunden und nur 9 Prozent einem «definitiv demokratischen Potential» zuzurechnen sind.

3.-4. 4.
Zu vier Großstädten der Bundesrepublik werden Sternmärsche von rund 10000 Atomwaffengegnern durchgeführt. Die Vorstände von SPD und DGB hatten zuvor ihren Mitgliedern die Teilnahme untersagt.

5. 4.
SDS-Mitglieder protestieren vor dem «Maison de France» in Berlin gegen den französischen Kolonialkrieg in Algerien. Dabei werden fünf Flugblattverteiler vorübergehend festgenommen.

8.4.-2.5.
Der SDS veranstaltet in Berlin ein Hochschulseminar, aus dem die im darauffolgenden Herbst erscheinende Denkschrift (Hochschule in der Demokratie) hervorgeht. In ihr wird programmatisch ein Selbstverständnis formuliert, das die Emanzipationsgehalte bürgerlicher Bildung gegen die autoritärtechnokratische Hochschulreform zu beleben versucht.

8. 7.
Etwa 150 Mitglieder des SDS und Argument-Clubs demonstrieren gegen einen Empfang, den der spanische Generalkonsul in Berlin zum 25. Jahrestag des faschistischen Putsches gegen die gewählte Regierung der Republik Spaniens gibt. Nach einem Gummiknüppeleinsatz der Polizei werden dreißig Demonstranten auf Einsatzwagen verladen und in eine entlegene Gegend im Grunewald gefahren.

13. 8.
Um den immer stärker anschwellenden Flüchtlingsstrom vom Ost- in den Westsektor Berlins abzustoppen, läßt die DDR-Regierung eine Mauer errichten, die West-Berlin fortan hermetisch abriegelt. Aus Anlaß eines bei der Flucht tödlich verunglückten DDR-Studenten formieren sich - am 20. 11. - etwa 40000 Jugendliche zu einem Schweigemarsch gegen die Errichtung der Mauer. 1000 werden beim Versuch, nach der Abschlußkundgebung die Mauer zu stürmen, von der West-Berliner Polizei daran gehindert. Nach dem Einsatz von Gummiknüppeln und Tränengas besetzen 300 Demonstranten den Hardenbergplatz, um mit einem Sitzstreik gegen das brutale Vorgehen der Polizei zu protestieren.

18. 9.
In London haben sich Tausende von Atomwaffengegnern unter der Leitung eines von dem Philosophen Bertrand Russell gegründeten Komitees zu einem Sitzstreik vor dem britischen Verteidigungsministerium niedergelassen. Die Polizei deportiert sie daraufhin in ein nahegelegenes Amtsgericht, wo sie in einem Massenprozeß abgeurteilt werden.

28. 10.
Als Dieter Kunzelmann, Mitglied der Münchener Künstlergruppe Spur, in einem Schwabinger Cafe eine Zeitung mit dem Text «Der Kardinal, der Film und die Orgie» verkauft, wird er von einer jungen Frau angezeigt. Daraufhin verurteilt ihn das Münchener Amtsgericht zusammen mit drei anderen Künstlern wegen Verbreitung unzüchtiger Schriften, Religionsbeschimpfung und Gotteslästerung zunächst zu mehrmonatigen Gefängnisstrafen, die dann in der Berufungsverhandlung auf fünf Wochen mit Bewährung herabgesetzt werden.

1962

14. 2.
Die Durchführung einer vom Konvent der FU beschlossenen Solidaritätssammlung für algerische Flüchtlinge wird vom Rektor untersagt, da die Studentenschaft kein politisches Mandat besitze. Eine Sammlung für «die Kommilitonen in der sowjetischen Besatzungszone» wird hingegen am 8. 6. erlaubt.

21.-23. 4.
Am Ostermarsch der Atomwaffengegner beteiligen sich mehr als 50000 am Protest gegen die geplante nukleare Bewaffnung der Bundeswehr. Mehrere FU-Professoren hatten unter anderem ihre Studenten in einem Flugblatt zu einer Beteiligung aufgefordert.

22.-26. 6.
Anläßlich der Musik zweier Schwabinger Gitarristen, nach der ein barfüßiges Paar twistet, kommt es, nachdem es schon zwei Wochen zuvor nach einem Jazzkonzert zu schweren Zwischenfällen gekommen war, erneut zu heftigen Auseinandersetzungen mit der Münchener Polizei. Nach dem Versuch der «Ordnungskräfte», die Gitarrenspieler wegen ruhestörenden Lärms festzunehmen, entwickeln sich an mehreren Tagen stundenlange Straßenschlachten, in deren Verlauf die erbitterten Jugendlichen systematisch von der Polizei zusammengeschlagen werden. Von den rund 200 festgenommenen Studenten, Schülern und Jungarbeitern werden acht in Haft behalten.

6. 8.
Als kurz vor Beginn eines Kongresses des Internationalen Studentenbundes in Leningrad bekannt wird, daß die Sowjetunion eine Atombombe gezündet hat, entrollen Zengakuren-Delegierte während ihrer Zwischen Station in Moskau auf dem Roten Platz ein riesiges Transparent mit der Aufschrift: «Nieder mit der Atombombe!» Schon nach wenigen Augenblicken werden sie von sowjetischen Sicherheitsbeamten unter dem Vorwand verhaftet, sie seien «betrunken wie Polen». Als «Beweis» flößt die Moskauer Polizei gewaltsam Wodka ein und läßt auf dem Kongreß von Mitgliedern der sowjetischen Jugendorganisation Komsomol Fotos verteilen, auf denen die japanischen Studenten nackt und gefesselt in den Betten einer Trinkerheilanstalt liegen. «Die amerikanischen Atomversuche dienen dem Imperialismus, während die sowjetischen dem Frieden dienen», lautet das Motto der sowjetischen Delegierten.

2. 10.-1.11.
Die sogenannte «Kuba-Krise»: Nach dem Scheitern eines von den USA lancierten und Exilkubanern begonnenen Putschversuchs, der schon bei der Landung in der Schweinebucht - am 17. 4. 1961 - vereitelt werden konnte und den daraufhin als Schutzvorrichtung installierten sowjetischen Raketenbasen, gibt der amerikanische Präsident John F. Kennedy den Befehl zu einer Seeblockade Kubas durch die US-Marine. Nach mehreren Tagen kehren alle sowjetischen Schiffe um und die schon errichteten Basen werden nach Verhandlungen wieder abgebaut.

27.10.
Die sogenannte «Spiegel-Affäre»: Wegen des Verdachts, in einem Artikel über das NATO-Manöver «Fallex 2» Staatsgeheimnisse verraten zu haben, läßt die Bundesanwaltschaft in einer nächtlichen Aktion den Spiegel-Herausgeber Rudolf Augstein verhaften. Als schließlich bekannt wird, daß ein Redakteur nur auf Betreiben des Bundesverteidigungsministers Strauß in Spanien verhaftet wurde, drohen die FDP-Minister mit Rücktritt aus der Bundesregierung, woraufhin es zu einer Kabinettsumbildung kommt, in der Strauß nicht mehr berücksichtigt wird. Nachdem es schon - am 31.10. - in Berlin zu einer Solidaritätsdemonstration mit dem Spiegel gekommen war, folgen ihr - am 12. 11. - weitere Manifestationen in nahezu allen bundesrepublikanischen Universitätsstädten. Obwohl gegen Augstein ein Hauptverfahren wegen Beweismangels niemals eingeleitet worden ist, wird er dennoch bis zum 7. 2.1963 in Haft behalten.

1963

13.-15. 2.
In einer Urabstimmung an der Berliner FU stimmt die überwältigende Mehrheit für die Abwahl eines korporierten AStA-Vorsitzenden, der Studenten den Plan des Innensenators Albertz schmackhaft machen wollte, in eine freiwillige Polizeireserve «zur Garantie des normalen Lebens in Krisenzeiten» einzutreten.

12. 4.
An elf Ostermärschen nehmen mehr als 30000 Demonstranten teil. 52 britische Atomwaffengegner, die in Düsseldorf auf Anweisung des Bundesinnenministeriums am Betreten deutschen Bodens gehindert werden, verbarrikadieren sich in ihrem Flugzeug.

13. 10.
Aus dem Londoner Paladium überträgt die englische Fernsehanstalt BBC eine Musikshow, die über Nacht eine Liverpooler Band mit dem Namen The Beatles auf der ganzen Insel bekannt macht. Ein Jahr später, nachdem die langhaarige Gruppe zum weltweiten Symbol des Jugendprotests gegen Elternhaus, Schule und Gesellschaft geworden ist, wird das Konzert unter dem Titel «A hard days night» verfilmt.

22. 11.
Nach der Ermordung des amerikanischen Präsidenten John F. Kennedy in der texanischen Stadt Dallas ziehen 20000 Stu-dertten und Schüler zum Schöneberger Rathaus, wo ein AStA-Mitglied der FU und der Regierende Berliner Bürgermeister Willy Brandt eine Trauerrede halten.

1. 12.
Nach einem von den USA lancierten Militärputsch, in dessen Verlauf Diktator Diem - am 2. n. - ermordet wurde, erhöht das Pentagon die Zahl der «militärischen Berater» in Vietnam auf 16000. Amerikanische Piloten beginnen damit, sogenannte «Vietcongdörfer» zu bombardieren.

20.12. In Frankfurt wird die Hauptverhandlung gegen 21 ehemalige Angehörige des SS-Bewachungspersonals im Konzentrationslager Auschwitz eröffnet.

1964

28. 4.-7. 5.
Während eines Bundesseminars zur «Koexistenz zwischen beiden deutschen Staaten» in Berlin nehmen SDS-Vertreter Verbindung mit dem Zentralrat der FDJ auf. Beim nachfolgenden Deutschlandtreffen der DDR-Jugendorganisation -vom 16. bis 18. 5. - nimmt als einziger offizieller westdeutscher Referent der 2. Bundesvorsitzende des SDS teil, der nachdrücklich die Freilassung des vom Staatssicherheitsdienst der DDR - am 16. 6.1961 - aus West-Berlin entführten IG Metall-Redakteurs Heinz Brandt fordert. Am 22. 5. wird der ursprünglich zu dreizehn Jahren Zuchthaus Verurteilte vorzeitig entlassen. Auf einer Landesvollversammlung beschließt der SDS - am 28.7. - in Frankfurt, die Oder-Neiße-Grenze und die Existenz zweier deutscher Staaten anzuerkennen.

5. 5.
Die in der Stuttgarter Liederhalle stattfindende Jahrestagung des Bundes deutscher Werbeleiter wird von den beiden Mitgliedern der Gruppe Subversive Aktion, Dieter Kunzelmann und Frank Böckelmann, durch das lautstarke Abspielen der Matthäus-Passion und des Schlagers «Surfing Bird» unterbrochen. Als gleichzeitig Flugblätter mit einem «Aufruf an die Seelenmassage» von der Empore geworfen werden, verhaftet man sie. Vor Gericht werden sie später mit der Begründung freigesprochen, daß Werbeleiter «ja auch ihrerseits die Opfer ihrer Werbung nicht mit Samthandschuhen anfassen».

1. 6.
Die US-Luftwaffe geht in Vietnam zu systematischen Flächenbombardements über und verwüstet über dreißig Kilometer lange Landstreifen. Ein offizielles Friedensangebot der Nationalen Befreiungsfront Südvietnams vom Jahresbeginn, «das weiteres Leid und weitere Verluste vermeidet und gleichzeitig die Ehre der Vereinigten Staaten von Amerika wahrt», war von der US-Regierung nicht beachtet worden.

11. 6.
Bei einer Demonstration gegen die Wiederkandidatur des KZ-Baumeisters Lübke zum Amt des Bundespräsidenten werden in Berlin sechs Studenten verhaftet. Nachdem der FU-Konvent das Verhalten der Polizei gerügt hat, beteiligen sich annähernd 2000 Studenten - am 29. 6. - an einer weiteren Demonstration gegen die Wiederwahl Lübkes.

24. 7.
Anläßlich der Premiere des Beatles-Films «A hard days night» geraten auf dem Londoner Picadilly-Circus 12000 Teenager in Ekstase. Als die Beatles kurze Zeit später nach Liverpool zurückkehren, kommt es dort zum größten Menschenauflauf nach dem Zweiten Weltkrieg.

2. 8.
Im Golf von Tonking ist der US-Zerstörer «Maddox» - amerikanischen Berichten zufolge - in internationalen Gewässern von nordvietnamesischen Torpedobooten angegriffen worden. Daraufhin ordnet der Kennedy-Nachfolger Lyndon B. Johnson als amerikanischer Präsident Luftangriffe auf das Gebiet Nordvietnams an, die als «Vergeltungsschläge» durch den Kongreß genehmigt und praktisch mit der Operation «Rollender Donner» - im Feburar 1965 - umgesetzt werden. Die begründeten Zweifel an der amerikanischen Darstellung der «Tonking-Affäre» können erst 1971 mit der Veröffentlichung der «Pentagon-Papiere» erhärtet werden. Aus ihnen geht unmißverständlich das Kalkül hervor, daß nur eine «Strategie der Provokation» die USA vor einem Zusammenbruch ihrer militärischen Positionen bewahre, die eine «sorgfältig abgestimmte und geplante Bombardierung Nordvietnams» zur Folge habe.

14. 9.-8.12.
Als der radikale Negerführer MalcolmX auf dem Campus der kalifornischen Universitätsstadt Berkeley Redeverbot erhält und sämtlichen Studentengruppen ein Versammlungsverbot erteilt wird, organisieren sich die betroffenen Studenten zu einer «Free Speech Movement». Als - am 2.10. - ein Student aus Protest das Verbot übertritt, wird er von der Campus-Polizei verhaftet. Beim Versuch ihn abzutransportieren wird jedoch der Einsatzwagen von 3000 Studenten eingekesselt und - das Dach als Rednertribüne benutzend - über 36 Stunden auf dem Campus festgehalten. Als dann - am 2.12. - ein Disziplinarverfahren gegen vier Studenten eröffnet werden soll, besetzen 6000 Studenten unter Anführung des Philosophiestudenten Mario Savio und der Folksängerin Joan Baez das Verwaltungsgebäude der Universität und funktionieren es in eine «Free University of California» um. Als daraufhin die Staatspolizei das Gebäude in einer nächtlichen Aktion räumt und annähernd tausend Besetzer verhaftet, wird am Morgen des 3. 12. auf dem Campus der Generalstreik ausgerufen, der - am 8. 12. - schließlich mit der Erfüllung aller studentischen Forderungen und einer Generalamnestie aller Beschuldigten endet.

9. 9.
Anläßlich des in Stuttgart stattfindenden 80. Deutschen Katholikentages kleben mehrere Mitglieder der Subversiven Aktion das Plakat «Botschaft an die Lämmer des Herrn» an die Türen aller katholischen Kirchen. Wegen des «Verdachts der Gotteslästerung» werden vier von ihnen festgenommen.

27. 11.
Die beiden polnischen Studenten J. Kuron und K. Modzelewski werden aus der Partei und dem nationalen Jugendverband ausgeschlossen, weil sie in einem 90 Seiten umfassenden «Offenen Brief an die Polnische Vereinigte Arbeiterpartei» das eigene System als einen undemokratischen, bürokratisierten «Monopolsozialismus» darstellen. Nach ihrer Verhaftung - am 19. 3. 1965 - werden sie trotz zahlreicher Proteste - am 19. ~j. - zu mehrjährigen Gefängnisstrafen verurteilt.

7. 12.
Im Liverpooler Cavern-Club, von dem die Beatwelle ihren Ausgang nahm, findet unter dem Titel «Bomb» ein von Pop-Artisten und Beatgruppen aufgeführtes Happening statt, das sich gegen die Atombewaffnung wendet.

18.12.
Nachdem der kongolesische Ministerpräsident Tschombe schon beim Antritt seines Deutschland-Besuches in München während einer Audienz bei Erzbischof Kardinal Döpfner von Studenten mit Rauch- und Stinkbomben beworfen worden war, führt der SDS zusammen mit anderen Studentengruppen bei Tschombes Zwischenstation in Berlin eine Protestdemonstration gegen den «Lumumba-Mörder» durch. Dabei gelingt es den Demonstranten, die Polizeikette am Flughafen zu durchbrechen und innerhalb der Bannmeile des Schöneberger Rathauses Tschombe bei seiner Abfahrt mit Tomaten zu bewerfen.

1965

7. 2.
Wegen eines Vietcong-Angriffs auf Pleiku fordert US-Präsident Johnson «Vergeltung» und läßt Nordvietnam bombardieren. Daraufhin protestieren - am 9. 2. - Tausende von Studenten der Moskauer Lumumba-Universität gegen die Luftangriffe und demolieren mit Tintenfässern und Steinen die Hausfront der amerikanischen Botschaft. Am 1.3. dringen Hunderte indonesischer Studenten in Djakarta in die Wohnung des amerikanischen Botschafters ein und bekleben die Wände mit Plakaten gegen die US-Intervention. Am 4.3. schließlich greifen 2000 Studenten der Lumumba-Universität nochmals das amerikanische Botschaftsgebäude an. Dabei durchbrechen sie mehrmals die Absperrungen der sowjetischen Volksmiliz. Mehrere Polizisten und Demonstranten werden dabei verletzt, sieben Studenten verhaftet.

28. 2.
Während Unterwanderungsabsichten der Subversiven Aktion im Münchener SDS scheitern, glückt das Vorhaben in der Berliner Gruppe: Rudi Dutschke wird in den politischen Beirat des SDS gewählt und begründet zusammen mit Bernd Rabehl eine antiautoritäre Keimzelle der Studentenbewegung.

6. 3.
Anläßlich der Ausstellung «Südafrika gestern und heute» führt der Berliner SDS u. a. eine Demonstration gegen die Rassenpolitik der Südafrikanischen Republik durch. Bei einem anschließenden Go-in während einer Folkloreveranstaltung werden zwei Flugblattverteiler vorübergehend festgenommen.

24. 3.
Zur Vorbereitung des ersten Marsches auf Washington nehmen an der Universität von Michigan 3000 Studenten und Professoren an einer Veranstaltung gegen den Vietnamkrieg teil, die erstmals als Teach-in bezeichnet wird. Die Diskussion über die einzelnen Informationsbeiträge dauert bei Kaffee und Kuchen bis in die frühen Morgenstunden des nächsten Tages.

17.4.
Beim ersten «Marsch auf Washington» protestieren 25000 Demonstranten gegen die Vietnam-Politik der Johnson-Regierung.

1. 5.
Während der Maikundgebung am Berliner Reichstag, zu der über 300000 Zuhörer erschienen sind, greifen DGB-Ordner SDS-Mitglieder an und zerstören ihre Transparente, auf denen die Verhinderung der Notstandsgesetze gefordert wird.

7.5.
Eine für das Auditorium maximum geplante Podiumsdiskussion mit dem Titel «Restauration oder Neubeginn - die Bundesrepublik 20 Jahre danach» muß in ein Studentenhaus verlegt werden, weil gegen den als Redner auftretenden Journalisten Erich Kuby ein vom Rektor verhängtes Hausverbot nicht aufgehoben wird. Kuby hatte in einer Rede auf die antithetische Bindung des Namens Freie Universität an die Humboldt-Universität in Ost-Berlin aufmerksam gemacht und war deshalb schon 1960 mit dieser Sanktion belegt worden. Als Folge dieses universitären Redeverbots wird - vom 10. bis 15. 5. - eine «Picketing line» mit Protestplakaten um das FU-Gebäude gebildet und am 18. 5. im Otto-Suhr-Institut der Politologen ein befristeter Streik durchgeführt, mit dem für einen Tag alle Vorlesungen und Seminare boykottiert werden.

30.5.
In Bonn veranstaltet der SDS zusammen mit anderen Hochschulgruppen den Kongreß «Demokratie vordem Notstand». Unter den 2000 Teilnehmern befinden sich auch Gewerkschafter und Professoren als Referenten. In Frankfurt erscheint die erste Nummer der einflußreichsten und auflagenstärksten Intellektuellenzeitschrift, das von H. M. Enzensberger und K. M. Michel herausgegebene Kursbuch.

12.6.
Mit der Entgegennahme des «Britischen Empire-Ordens» aus der Hand der englischen Königin demonstrieren die Beatles in London ihre gesellschaftliche Integration. Pete Townshend, der Gitarrist der englischen Rockgruppe «The Who», die ihre aggressiven Bühnenauftritte mit einem qualmenden Trümmerhaufen aus Verstärkern, Schlagzeug und Gitarren beendet, erklärt in der Fachzeitschrift «Melody Maker» auf ihr Stück «My Generation» hin, daß der Konflikt zwischen den Generationen «der Beginn einer großen gesellschaftlichen Revolution» sei.

1.7.
In Berlin führt der Verband Deutscher Studentenschaften (VDS) einen Protestmarsch gegen den Bildungsnotstand durch, an dem sich über 10000 Studenten beteiligen. Auf einer Vollversammlung mit mehr als tausend FU-Stu-denten wird der Rücktritt des amtierenden Rektors gefordert, weil er den Assistenten Erich Krippendorf wegen kritischer Äußerungen entlassen hatte.

15.9.
Der Schauspieler Dick Gregory wird zusammen mit anderen Mitgliedern des Berkeley Vietnam-Day-Committee beim Versuch verhaftet, einen Truppenzug für den Vietnam-Krieg durch einen Sitzstreik zum Stoppen zu bringen.

15.9.
Nach einem Konzert der englischen Rockgruppe «The Rolling Stones» auf der Berliner Waldbühne - I can't get no satisfaction - kommt es zu mehrstündigen Straßenschlachten mit der Polizei, in deren Verlauf 85 Jugendliche festgenommen und 87 verletzt werden. Der Sachschaden - 17 S-Bahn-Züge sind demoliert, zum Teil umgestürzt - beträgt fast eine halbe Million DM.

16. 9.
Bei der Bundestagswahl-Abschlußkundgebung der CDU auf dem Frankfurter Römerberg kommt es während der Rede von Bundeskanzler Erhard, in der dem SPD-Kanzlerkandidaten Willy Brandt die «moralische Qualifikation» abgesprochen wird, zu Tumulten. Mehreren hundert Studenten, die lauthals protestieren, werden Transparente mit der Aufschrift «Formierte Gesellschaft + Notstandsgesetze = CDU-Ständestaat» von Ordnern entrissen; drei Studenten werden schließlich von der Polizei verhaftet.

23. 6.
Die Berliner Schutzpolizei verhaftet fünf Gammler, weil sie mit Kreide an die Gedächtniskirche den Slogan «Jesus war der erste Gammler» geschrieben haben. 150 meist jugendliche Passanten fordern anschließend beim betreffenden Polizeirevier die Freilassung der Verhafteten.

15.10. Als der amerikanische Außenminister Dean Rusk während eines offiziellen Staatsbesuchs in Uruguay einen Kranz niederlegen will, drängt sich der Student Rolan Rojas durch die Reihen der Ehrengarde und spuckt ihm ins Gesicht, wobei er ruft: «Im Namen des Volkes!» Daraufhin wird Rojas so brutal von der Sicherheitspolizei zusammengeschlagen, daß er eine unheilbare Gehirnverletzung davonträgt.

15.-16. 10.
In über dreißig amerikanischen Universitäten und Colleges beteiligen sich über 100000 Studenten am Vietnam Day. In Berkeley gehen dabei 1000 Polizisten und 700 Nationalgardisten mit aufgepflanzten Bajonetten gegen 10000 Studenten vor, die am Militärstützpunkt Oakland die weitere Verschickung von amerikanischen Truppen nach Südvietnam zu verhindern versuchen.

27.11.
Am zweiten «Marsch auf Washington» nehmen über 40000 Gegner des Vietnam-Krieges aus allen Teilen der Vereinigten Staaten teil.

13.-17.12.
Der Berliner SDS veranstaltet eine Vietnam-Ausstellung, in deren Anschluß eine Geldsammlung für das Rote Kreuz in Nordvietnam und das des Vietcong gesammelt wird.

16.12.
Der Versuch von Berkeley-Studenten, Rocker in politische Auseinandersetzungen miteinzubeziehen, scheitert: Als 10000 Studenten zusammen mit den Hell's Angels eine Demonstration gegen den Vietnam-Krieg durchführen wollen, stürzen sich die Rocker mit Rufen wie «Verräter, Kommunisten, Beatniks!» auf die Redner und versuchen die Lautsprecheranlage zu zertrümmern, bis sie schließlich von der Polizei überwältigt werden. Der von Allen Ginsberg daraufhin ver faßte 210zeilige Gedichtappell «An die Engel» erntet nur Hohn und Spott.

1966

5.2.
Nach der Plakataktion «Amis raus aus Vietnam» in der Nacht vom 3. auf den 4. 2., bei der vier SDS-Mitglieder verhaftet wurden, führen 2500 Studenten eine Vietnam-Demonstration durch, in deren Verlauf mit einem Sitzstreik vorübergehend der Verkehr lahmgelegt wird. Nach der Abschlußkundgebung ziehen dann 500 Demonstranten zum Amerikahaus weiter, bewerfen die Fassade mit Eiern und setzen das Sternenbanner auf halbmast. Daraufhin beschließt - am 16. 2. -der Senat der FU, den Studenten keine Räume mehr für politische Veranstaltungen zur Verfügung zu stellen.

10.3.
Bei der Hochzeit der niederländischen Kronprinzessin Beatrix mit dem deutschen Legationsrat von Amsberg in Amsterdam bewerfen Provos die Staatskarosse mit Rauchbomben.

26.3.
100000 Demonstranten marschieren am «Internationalen Tag des Protests» gegen den Vietnam-Krieg in New York durch die Fifth Avenue zu einer Abschlußkundgebung im Central Park. Zur gleichen Zeit finden in zahlreichen anderen nordamerikanischen und kanadischen Städten weitere Demonstrationen statt. Auch in Rom kommt es zu einer Manifestation von über 20000.

1.4.
Trotz zahlreicher Proteste aus beiden Teilen Deutschlands wird der Direktor des Physikalisch-Chemischen Instituts der Ost-Berliner Humboldt-Universität, Professor Robert Have-mann, wegen «prinzipieller Anarchie» und «DDR schädigenden Verhaltens» aus der Deutschen Akademie der Wissenschaften ausgeschlossen.

28.4.
Nachdem die spanische Regierung die Universitäten in Barcelona geschlossen hat, treten 15 ooo Studenten mit der Unterstützung von über 200 Professoren in einen politischen Streik.

22.5.
An der Frankfurter Universität veranstaltet der SDS den Kongreß «Vietnam - Analyse eines Exempels», an dem über 2000 Studenten, Professoren und Gewerkschafter teilnehmen.

25.5.
Im Speisesaal der Pekinger Universität wird von einer siebenköpfigen Gruppe von Studenten und Professoren gegen ein bestehendes Verbot des Rektors eine rote Wandzeitung angebracht, die von Mao Tse-tung-am 1.6. - offiziell unterstützt und - am 6. 6. - in der Zeitung der chinesischen Volksbefreiungsarmee als Ende des Revisionismus und Beginn der «Großen proletarischen Kulturrevolution» gefeiert wird. Am 16. 7. durchschwimmt dann Mao Tse-tung inmitten von Rotgardisten, «wie ein Fisch im Wasser», innerhalb von 65 Minuten den Yangtsekiang.

1. 6.
Bei den Gemeinderatswahlen von Amsterdam entfallen auf den Provo-Kandidaten de Vries 13000 Stimmen, mit denen er einen Sitz im Stadtparlament erhält.

3. 6.
Als James Meredith, der erste Neger-Absolvent der staatlichen Universität von Mississippi, bei seinem Allein-«Marsch gegen die Furcht» angeschossen wird, setzen Organisationen der Bürgerrechtsbewegung seinen Marsch fort. Dabei werden durch Stockely Carmichael erstmals Forderungen nach Black Power laut.

14.-15. 6.
In Amsterdam schlagen gewerkschaftsinterne Auseinandersetzungen von Bauarbeitern durch das Eingreifen von Reichspolizisten in schwere Straßenschlachten zwischen Bauarbeitern, Studenten und Provos einerseits und Polizeikräften andererseits um, in deren Verlauf ein Arbeiter tödlich verletzt wird.

19.6.
Nachdem schon am Vortag 17000 Gewerkschafter gegen den in Karlsruhe stattfindenden 2. Bundesparteitag der NPD protestiert hatten, formieren sich 2000 Schüler und Studenten zu einem Sitzstreik «gegen Neofaschismus und Neonazis».

22.-23. 6.
Über 3000 Studenten protestieren an der FU mit einem zehnstündigen Sit-in gegen das Raumverbot für politische Veranstaltungen und diskutieren in einem improvisierten Teach-in mit mehreren Professoren über eine demokratische Hochschulreform, an dessen Ende eine Resolution verabschiedet wird, in der zum erstenmal der gesellschaftliche Bezug der Universität zu definieren versucht wird. Kurz darauf hebt der Akademische Senat seinen Beschluß über das Raumverbot - vom 16. 2. - wieder auf.

6. 7.
Rund 15000 Studenten demonstrieren in München gegen die Regierungsvorlage für ein Bayrisches Hochschulgesetz, in dem die «Freiheit von Forschung und Lehre in unerträglichem Maße beeinträchtigt» wird.

8. 7.
Bei einer Vietnam-Demonstration von 2000 FU-Studenten vor dem Henry-Ford-Bau in Berlin kommt es zu Schlägereien mit Mitgliedern des CDU-nahen RCDS.

Sommer '66
Zehntausende beginnen in San Franciscos Haight-Ashbury und- New Yorks East-Village das literarische Erbe der Beatnik-Generation von Allen Ginsberg und Jack Kerouac praktisch anzutreten, indem sie eine eigene Subkultur entwickeln. Diese Protestbewegung gegen den American Way of Life greift mit ihren be-ins und love-ins innerhalb kurzer Zeit auf die meisten amerikanischen Großstädte über. Der demokratische Senator Ribicoff fordert die Schaffung einer eigenen Bundesfahndungsbehörde für Hippies, da die Statistiken einen neuen Rekord an entlaufenen Jugendlichen verzeichnen.

2. 8.
Während einer Protestaktion gegen den rassistischen Film Africa Addio, in deren Verlauf der Abbruch der Vorführung im Berliner Astor-Kino erzwungen wird, nimmt die Polizei acht FU-Studenten fest. Eine vom SDS daraufhin für den 4. 8. angemeldete Demonstration wird verboten. Als sich dennoch 1000 Studenten vor dem Kino versammeln, versucht die Polizei sie abzudrängen und verhaftet dabei 43 afrikanische und deutsche Studenten. Einen Tag später setzt der Filmverleih Africa Addio schließlich vom Programm ab.

18. 8.
Nachdem das ZK der KP Chinas - am 12. 8. - beschlossen hatte, daß «man, wenn man gegen den Imperialismus kämpfen will, auch gegen den modernen Revisionismus kämpfen muß», ziehen eine Million Rotgardisten auf dem Platz des Himmlischen Friedens in Peking an Mao Tse-tung und Lin Piao vorüber. Auf demselben Platz versammeln sich zum 17. Jahrestag der Gründung der Volksrepublik China anderthalb Millionen Menschen - am 1.10. - und feiern die «Große proletarische Kulturrevolution».

1.9.
Frank Zappa und seine Mothers of Invention prägen mit ihrer LP Freak Out zugleich den Slangausdruck für den jugendlichen Ausbrecher aus der Gesellschaft: freak. Als er in den Bürgern des American Way of Life auch noch plastic people erkennt und weitere «Geschmacklosigkeiten» verkündet, wird er von den US-Sendern systematisch boykottiert. Das wertet andererseits sein Image als Underground-Sänger und Antistar so beträchtlich auf, daß er sich desto besser vermarkten läßt: Auf seinem millionenfach verbreiteten Klosettposter und LPs, von denen eine aus dem Jahre 1968 die selbstironische Wahrheit auf dem Cover trägt: «We're only in it for the money.»

1.10.
In Frankfurt erscheint in der edition suhrkamp der 1965 in den USA herausgegebene Essay Herbert Marcuses Repressive Toleranz zum erstenmal in deutscher Sprache. Die darin enthaltene Sentenz, daß es für unterdrückte und überwältigte Minderheiten ein «Naturrecht auf Widerstand gibt, außergesetzliche Mittel anzuwenden, sobald die gesetzlichen sich als unzulänglich herausgestellt haben», beeinflußt das Selbstverständnis des SDS nachdrücklich.

6. 10.
In der kalifornischen Stadt Oakland gründen Huey Newton und Bobby Seale die Black Panther Party. Diese militante Organisation der Farbigen betrachtet die Großstadtgettos als innere Kolonien der USA und will deren Einwohner mit Waffengewalt gegen Übergriffe schützen, um dadurch das Selbstbewußtsein der Farbigen zu wecken.

7. 10.
Unerkannt kauft ein kahlgeschorener und bebrillter Herr auf seiner Durchreise in der Frankfurter Kaiserstraße ein Tagebuch. Nach einer Zwischenlandung in Sao Paulo landet er - am 3.11. - in der bolivianischen Hauptstadt La Paz. Im Dschungel stößt er zu einer Partisanengruppe und kommentiert die folgenden Kämpfe als Che Guevara im Bolivianischen Tagebuch.

21.10.
Der polnische Philosophieprofessor Leszek Kolakowski übt in Warschau scharfe Kritik an der Bürokratie des Jugendverbandes und fordert die Freilassung von Kuron und Modzelewski. Daraufhin wird er trotz zahlreicher Proteste von Kollegen, Studenten und Schriftstellern aus der Partei ausgeschlossen.

26. 10.
Situationistische Studenten lösen den «Skandal von Straßburg» aus, als sie die akademische Eröffnungsfeier mit einer Schrift «Über die Misere der Studenten» entweihen, in der sie das Pseudorevolutionäre Treiben der Studentengewerkschaft UNEF als bürokratisch und sektiererisch bloßstellen. Zuvor hatten sie schon das UNEF-Büro vollständig mit schwarzer Farbe überzogen und die ganze Stadt mit marxistischen Comicstrips überschwemmt.

30.10.
In Frankfurt findet der Kongreß «Notstand der Demokratie» statt, an dem über 5000 Studenten, Gewerkschafter, SPD-Mitglieder und Professoren teilnehmen. Nach zahlreichen Diskussionen in sechs großen Foren sagt der Tübinger Philosoph Ernst Bloch auf der Abschlußkundgebung: «Wir kommen zusammen, um den Anfängen zu wehren.»

1.11.
Der ungarische Philosophiestudent Miklos Haraszti wird wegen «maoistischer Umtriebe» für ein Jahr von der Budapester Universität relegiert: Er hat in einem Vietnam-Solidaritätskomitee neben Demonstrationen vor der amerikanischen Botschaft auch kollektive Arbeitstage, sogenannte Vietnam-Subotniks organisiert, deren Erlöse nach Hanoi geschickt wurden.

18.11.
Über 5000 Studenten und Schüler demonstrieren in München gegen eine Wahlversammlung der NPD. Gegen die gleiche Partei demonstrieren - am 25.11. - in Köln 3000 Gewerkschafter, Studenten und Schüler mit Transparenten wie «Tausend Jahre waren genug».

21.11.
Im Zentrum von Stockholm inszenieren Provos eine Schlacht zwischen «Kommunisten» und «Kapitalisten», die jeweils an ihren roten und blauen Armbinden zu unterscheiden sind. Als sich am Ende des Kampfes beide Gruppen mit je einer großen Bombe «umgebracht» haben, stimmen die Umstehenden ein Lied von Bob Dylan an und legen einen Kranz «für die Opfer des Atomkrieges» nieder. Die dadurch unter Passanten provozierte Diskussion wird erst unterbrochen, als Polizisten die Provos abführen.

26.11.
In Berlin sprengt ein «Provisorisches Komitee zur Vorbereitung einer studentischen Selbstorganisation» mit Mao-Abzeichen am Revers eine Diskussion zwischen FU-Studenten und ihrem Rektor. Sie verlesen ein Flugblatt, in dem die Dozenten als «professorale Fachidioten» und AStA-Vertreter der «Kollaboration mit den Autoritäten» bezichtigt werden.

1.12.
Als es nach dem Rücktritt Bundeskanzler Erhards in Bonn zur Bildung einer «Großen Koalition» zwischen CDU und SPD kommt, demonstrieren in mehreren Großstädten SPD-Mitglieder, Gewerkschafter und Studenten gegen die Beteiligung der SPD an der Koalition.

3.-10.12.
Im Verlauf einer von mehreren Hochschulgruppen durchgeführten Vietnam-Woche in Berlin kommt es- am 6.12. - bei einer Parallelveranstaltung des RCDS mit dem südvietnamesischen Botschafter zu Tumulten, in deren Verlauf der Botschafter schließlich den Saal fluchtartig verlassen muß. Auf der Abschlußkundgebung der Vietnam-Woche - am 10.12. - fordert das SDS-Mitglied Rudi Dutschke die 2000 Demonstranten zur Bildung einer «Außerparlamentarischen Opposition» auf. Als Kommunarden im Anschluß daran ein weihnachtspolitisches Happening veranstalten, auf dem unter den Klängen deutscher Weihnachtslieder die Pappmache-Köpfe von Lyndon B. Johnson und Walter Ulbricht verbrannt werden, greift die Polizei ein und verhaftet mehrere Demonstranten.

18.12.
Gegen die Taktik des Innensenators Heinrich Albertz, Demonstrationen in menschenleere Stadtteile zu verlegen, führen mehrere hundert Studenten eine «Spaziergänger-Demonstration» auf den Bürgersteigen des Berliner Kurfürstendamms durch. Daraufhin verhaftet die Polizei insgesamt 90 von den Passanten, unter denen sich auch Hausfrauen, Journalisten und Rudi Dutschke, mit einem Weihnachtspaket unter dem Arm, befinden.

22.12.
In der CSSR wird der Student Jiri Müller aus dem staatlichen Jugendverband und vom Studium ausgeschlossen, weil er zusammen mit anderen Kommilitonen versucht hat, die bürokratische und zentristische Organisationsstruktur des Verbandes umzuändern.

1967

1.1.
Jane Adams, Mitglied des amerikanischen SDS, prägt in einem Aufsatz der Zeitschrift New Left Notes mit dem Titel Für die Gleichberechtigung der Frau das Schlagwort vom male chauvinism, dem männlich-sexistischen Chauvinismus.

1.1.
Nach einer längeren Vorbereitungsphase, der nach dem Anarchistenfilm von Louis Malle benannten «Viva Marias-Phase, gründen Dieter Kunzelmann, Fritz Teufel, Rainer Langhans u. a. die Kommune I in Berlin-Charlottenburg. Schon am 3. 5. werden sie wegen «falscher Unmittelbarkeit», «Überschätzung» und «Realitätsflucht» aus dem Berliner SDS ausgeschlossen. Anlaß war unter anderen! die Aussage Kunzelmanns: «Was geht mich denn Vietnam an - ich habe Orgasmusschwierigkeiten.»

13. l.
In Barcelona rufen Studentenvertreter den «Jahrestag des Protests gegen politische Unterdrückung» aus. 1000 Studenten stürmen nach dem Teach-in das Gebäude der korrupten, offiziellen Studentengewerkschaft, zertrümmern die Büroräume und werfen das Mobiliar zum Fenster hinaus.

14. l.
Im Golden Gate Park von San Francisco veranstalten mehrere Rockgruppen der Westküste das erste «Free Concert», bei dem kein Eintrittsgeld mehr verlangt wird.

26. l.
Vier Demonstranten werden auf dem Berliner Kurfürstendamm verhaftet, als sie gegen eine Kranzniederlegung Bundeskanzler Kiesingers in der nationalsozialistischen Hinrichtungsstätte Plötzensee demonstrieren. Kiesinger war im Dritten Reich Mitarbeiter von Goebbels im Propagandaministerium.

26. l.
Bei einer Hausdurchsuchung des Berliner SDS-Büros beschlagnahmt die Politische Polizei die Mitgliederkartei des SDS. Daraufhin finden - am 28. l. - vor- und nachmittags jeweils zwei Demonstrationen mit 1200 und 2000 Teilnehmern gegen das Vorgehen der Polizei statt. Der Schriftsteller Günter Grass trägt dabei ein Plakat mit der Aufschrift «Tausche Grundgesetz gegen Bibel».

27.1.-3. 2.
Illegale spanische Studentenorganisationen führen einen Demonstrationszug durch, in dessen Verlauf 700 Madrider Studenten vom Campus geprügelt werden. Als daraufhin sich am Abend 100000 Arbeiter mit den Studenten solidarisieren, werden 200 Demonstranten bei den anschließenden Kämpfen mit der Polizei verhaftet. Auch im übrigen Spanien bricht eine Verhaftungswelle aus, bei der über 500 weitere politische Aktivisten inhaftiert werden. Die Studenten reagieren mit Vorlesungsstreiks, Demonstrationen und illegalen Versammlungen an nahezu allen spanischen Universitäten. In Valencia legen aus Solidarität 60000 Industriearbeiter und 2300 Eisenbahner ihre Arbeit nieder.

l. 2.-11. 2.
In Italien wird an allen Universitäten ein Generalstreik zur Durchführung einer umfassenden Studienreform durchgeführt. Die 10000 Dozenten streiken - bis zum 4. 2. -, die 400000 Studenten jedoch bleiben mit ihren Assistenten zusammen - bis zum 11. 2. - dem Vorlesungsbetrieb fern.

11. 2.
In Frankfurt demonstrieren 800 Studenten gegen den Vietnam-Krieg. Als berittene Polizei gegen einen Sitzstreik vor dem amerikanischen Generalkonsulat eingesetzt wird, ziehen die Demonstranten ins Stadtzentrum und blockieren den Verkehr.

22. 2.
Münchener Studenten demonstrieren gegen die Erhöhung der Straßenbahntarife.

26. 3.
Beim erstmals in Berlin veranstalteten Ostermarsch der Kampagne für Abrüstung ziehen 3000 Demonstranten durch die Stadt. Als 150 von ihnen nach der Schlußkundgebung mit einer Vietcong-Fahne zum Amerikahaus ziehen und die Fassade mit roten Farbbeuteln bewerfen, werden drei Studenten festgenommen.

5. 4.
Berliner Polizei verhaftet elf Kommunarden, um ein «Puddingattentat» auf den amerikanischen Vizepräsidenten Hubert Humphrey zu verhindern. Bei dessen Empfang- am 6.4. - in Schloß Charlottenburg demonstrieren daraufhin 2000 Studenten gegen den Vietnam-Krieg der Amerikaner. Bei seiner Weiterfahrt zum Springer-Hochhaus werden die Cadillacs des Fahrzeugkonvois mit Steinen und Flaschen bewor-fen; 24 Studenten werden dabei verhaftet.

12. 4.
Der amtierende Boxweltmeister im Schwergewicht, Muhammad Ali, weigert sich aus religiösen und politischen Gründen, seiner Einberufung zum Militär Folge zu leisten. Die Boxkommission erkennt ihm daraufhin den Titel ab und entzieht ihm die Boxlizenz; später verurteilt ihn ein nur aus Weißen bestehendes Gericht zur Höchststrafe von fünf Jahren Gefängnis, die er allerdings nicht antreten muß.

19. 4.
Gegen die Einleitung von Sanktionsmaßnahmen durch den Senat der FU protestieren 2000 Studenten mit einem nächtlichen Sit-in. Um Mitternacht läßt der Rektor die passiv Sitzenbleibenden durch Polizei hinaustragen. Als daraufhin den beiden AStA-Vorsitzenden wegen ihrer Teilnahme das Dienstverhältnis fristlos gekündigt wird, beschließt der Konvent eine Urabstimmung, in der - am 9. 5. - den beiden Studentenschaftsvertretern mit knapper Mehrheit das Vertrauen ausgesprochen wird.

21.4.
In Griechenland findet unter Anführung des Obersten Papadopoulos ein Militärputsch statt, der binnen kurzer Zeit die Form einer faschistischen Diktatur annimmt: Die parlamentarischen Institutionen werden außer Kraft gesetzt, die Massenmedien unter Kontrolle genommen und mehrere Tausend politischer Gefangener auf Inseln in Konzentrationslagern festgehalten.

30. 4.
In Berlin findet die Gründungsversammlung des «Republikanischen Clubs» statt.

18.5.
Der Ministerrat der DDR lehnt eine Ausreisegenehmigung des Ost-Berliner Liedermachers Wolf Biermann, der von den «Falken» zu einer Vietnam-Demonstration eingeladen worden war, ab.

22. 5.
Um gegen die bevorstehende Kürzung der Universitätsmittel zu protestieren, treten die Studenten der Marburger Universität in einen zweitägigen Generalstreik.

24.5.
Nach einer Brandkatastrophe in einem Brüsseler Kaufhaus, bei der 300 Menschen ums Leben kommen, verteilen Kommunarden an der Berliner FU ein Flugblatt mit der Aufschrift: «Wann brennen die Berliner Kaufhäuser?»