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1998

Rubrik
Repression & Widerstand

aus: /CL/DATENSCHUTZ/ALLGEMEIN
26.02.98

von: DATENSCHUTZ@PRIVACY1.ohz.north.de

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pte980222009
Politik/Soziales, Medien/Kommunikation
Lauschangriff/Skandal/Hintergrund

ENFOPOL: Maechtiger als die Maechtigen
Koordiniert europaweite Zusammenarbeit der Innen- und
Justizministerien
SPERRFRIST bis Montag, 23.2.1998, 10.00 Uhr - siehe auch pte980222007

Wien (pte) (22. Februar 98/15:37) - Enfopol ist eine Organisation, die
im Rahmen der "Dritten Saeule des Rates der Europaeischen Union" die
europaweite Zusammenarbeit der Innen- und Justizministerien
koordiniert. Sie steht ausserhalb der "normalen" Kontrolle saemtlicher
europaeischen Parlamente. Die Richtlinien, Plaene und Strategiekonzepte
der Enfopol haben weitreichende Auswirkungen und Konsequenzen auf
Menschenrechte und technische Entwicklungen, wie z.B. die direkte
Beeinflussung von Technologiestandards. Eines ihrer Ziele ist, den
gesamten Telefon- ! und Datenverkehr permanent abhoeren zu koennen, aber
auch die Verschluesselung von hochsensiblen Firmen- oder Privatdaten in
Computernetzen zu unterbinden.


Enfopol richtet ihre Empfehlungen in "Draft letters" und Dutzenden
"Memoranden of Understanding" - meist als "Limite" oder "Confidential"
gekennzeichnet - an Regierungen sowie Unternehmen der Computer- und
Kommunikationsindustrie. In diesen definiert sie unter anderem, wie
jene Techniken auszusehen haben, um jede Person, die ueber weltweite
Daten- und Telefonnetze kommuniziert (Sprache und Daten) immer und
ueberall, und ohne deren Wissen, in ihren Bewegungen, aber auch
sprachlich und schriftlich geaeusserten Gedanken, permanent ueberwachen
zu koennen. (Ende)

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pte980222007
Politik/Soziales, Medien/Kommunikation
Lauschangriff/Staatssicherheit/H i n t e r g r u n d


Enfopol: Internationaler Lauschangriff aufgedeckt?
Auszuege aus der Zeitung "Computerwelt" vom 23. Februar 1998
SPERRFRIST bis Montag, 23.2.1998, 10.00 Uhr - siehe auch pte980220014

Wien (pte) (22. Februar 98/15:29) - Unter Ausschluss der
oeffentlichkeit, abseits jeder parlamentarischen Kontrolle, arbeiten
europaeische Innenminister und hoechste Sicherheitsbeamte - auch
oesterreichische - an der Entwicklung eines totalen ueberwachungssystems
auf Basis bestehender und zukuenftiger Daten- und Kommunikationsnetze.
Geheime Vertraege dazu existieren laut des britischen
Forschungsinstituts Statewatch in Form eines
"Memorandum of Understanding concerning the lawful interception of
telecommunications", ENFOPOL 112, 10037/95.

Das ECHELON-System

Die ueberwachung der Kommunikations- und Datennetze wird durch die
Zusammenschaltung von Supercomputern mit den derzeit europaweit in
Aufbau befindlichen sicherheitspolizeilichen Datenbanken und -Netzen
ermoeglicht. Die Struktur dieses ueberwachungssystems entspricht in
ihren Grundzuegen dem Echelon-System, das von den Sicherheits- und
Nachrichtendiensten der USA, Kanadas, Grossbritanniens, Australiens und
Neuseelands seit Anfang der 90er-Jahre betrieben wird.


Bereits heute werden in Europa laut Statewatch alle E-Mails, Telefon-
und Faxverbindungen routinemaessig von diesen Nachrichtendiensten
abgehoert. Alle Zielinformationen aus Europa werden ueber die
europaeische Zentrale in Menwith Hill in den North York Moors/England
weitergeleitet und ueber Satellit in das strategische Zentrum Fort
Meade im US-Bundesstaat Maryland gesendet. Eine kleinere Station
befindet sich im bayrischen Bad Aibling.

Die Rechtslage in Oesterreich

Nach derzeit in oesterreich gueltigem Recht ist diese Form der
ueberwachung verboten. Trotzdem finden die Enfopol-Empfehlungen bereits
Eingang. In den Beilagen zum stenographischen Protokoll des
Nationalrates (XX. GP vom 12.3.1996) - der Gesetzesvorlage zu
"Lauschangriff und Rasterfahndung" - steht: "Durch die vorgeschlagene
Ergaenzung des Fernmeldegesetzes 1993 soll auch der Entschliessung des
Rates vom 17. Jaenner 1995 ueber die Anforderungen der gesetzlich
ermaechtigten Behoerden im Hinblick auf die rechtmaessige ueberwachung des
Fernmeldeverkehrs (Enfopol 150) entsprochen werden." Seiten spaeter
heisst es: "...Im Vordergrund steht nicht so sehr der Nachweis der
Schuld des Taeters einer individuellen strafbaren Handlung, sondern die
Vorsorge fuer die Verfolgung zukuenftiger Straftaten, somit
Strafverfolgung im weiteren Sinn (antizipierte Strafverfolgung)..."

Das Spiel mit dem Feuer

Die Wurzeln dieser geheim- und nachrichtendienstlichen Praxis stammen
aus der Zeit des Kalten Krieges. Die Plaene zur globalen ueberwachung
entstanden 1991 im Rahmen einer TREVI-Konferenz der EG-Minister und
wurden im November 1993 in Madrid konkretisiert. Die EU-FBI-Initiative
kam zum Ergebnis, dass die klassische Kontrolle traditioneller
Kommunikationssysteme mit der Liberalisierung der Telekommunikation
nicht mehr moeglich sei.

Daraus ergab sich die Notwendigkeit der Verankerung von Abhoermethoden
und -techniken in die Grundgesetze jener Laender, in denen die
Telekommunikation liberalisiert wird, der Verpflichtung fuer private
Kommunikationsanbieter, ihre Systeme fuer uneingeschraenkte
Abhoermassnahmen zu adaptieren, einer Sicherstellung, dass
Telefonanbieter immer und jederzeit mit Polizei und Staatspolizei
(internal security) kooperieren, der Weiterentwicklung jener
Technologien, die das Abhoeren von jedem Punkt der Welt aus
ermoeglichen, und so viele Laender wie moeglich ("as many countries
as possible") zur Unterzeichnung dieser Vereinbarungen zu bewegen.

Laender, die nicht bereit sind diese Bedingungen zu akzeptieren, werden
gegen ihren Willen ueberwacht, da die Abhoertechnik bereits in den
ausgelieferten Kommunikationssystemen installiert ist (z.B.: ISDN).
Auf diese Fakten weist ein Statewatch-Bericht hin. (Siehe auch EXTRA
"Offen und unfassbar zugleich") http://www.poptel.org.uk/statewatch/
Dieser Statewatch-Report hat u.a. Eingang in einen EU-Bericht
"Bewertung von Technologien zur politischen Kontrolle" ("An Appraisal
of Technologies of Political Control") gefunden. Auftraggeber dieser
Studie war die EU-Direktion fuer Forschung und Technologie (Directorate
General for Research). Sie wurde als Rohbericht ("Working
Document/Consultation Version") in Luxemburg am 6.Jaenner 1998 unter
der Dokumentennummer PE 166 499 publiziert.

Die TREVI-Entscheidung

TREVI leitet sich aus den Anfangsbuchstaben Terrorism, Radicalism,
Extremism und Violence ab. 1991, das Jahr des Golfkrieges: Die EG
Innen- bzw. Justizminister beschlossen im Jaenner in Luxemburg eine
Intensivierung der Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Terrorbekaempfung
unter Einbeziehung der Geheim- und Nachrichtendienste. Einzelheiten
ueber die Massnahmen wurden nicht bekannt.

Erste Hinweise auf den globalen "Lauschangriff" ergaben sich laut
Statewatch aus der TREVI-Konferenz Ende 1991 in London. An der
Konferenz nahm auch eine Delegation hochrangiger FBI- und DEA-Beamter
(Drug Enforcement Agency) teil. Diese draengten, laut Statewatch die
Europaeer, eine Studie ueber die rechtlichen und technischen Lausch- und
Abhoermoeglichkeiten innerhalb der EG zu erstellen. (Siehe EXTRA
oesterreich und TREVI)

Auf dem ersten Treffen des neuen Rates der Innen- und Justizminister
Ende November 1993 in Bruessel wurde der Beschluss ueber das Abhoeren von
Telekommunikationseinrichtungen ("The interception of Telecommunications")
angenommen. EU und FBI setzen eine Expertengruppe ein, um die
unterschiedlichen Systeme zwischen den USA und Europa aufeinander
abzustimmen und die europaeischen Kommunikationssysteme aus
"praktischen Gruenden" in die bestehenden Abhoersysteme von Hongkong,
Australien und Neuseeland einzubinden. (Statewatch "Interception of
communications", report to COREPER, Enfopol 40, 10090/93 Confidential,
Brussels).

Offiziell gegenueber den Medien, haben sich die Innenminister der zwoelf
EG-Staaten "unter Vorbehalt" Spaniens und der Niederlande auf ein
Arbeitsprogramm geeinigt. Als "vorrangige Aktionen" werden darin eine
Konvention ueber die Aussengrenzen der EU, eine gemeinsame Visapolitik
und Fluechtlingsfragen (Bosnien) gesehen. Gleichzeitig wurde
beschlossen, dass die europaeische Polizeitruppe Europol ihre Taetigkeit
in Den Haag aufnehmen soll.

Im Laufe des Jahres 1994 wurde vom K4-Komitee, einem Ausschuss der in
unmittelbarem Nahverhaeltnis zu Enfopol steht, ueber die legistischen
Voraussetzungen fuer den weltweiten Lauschangriff ("lawful interception
of communication") verhandelt. Der im Maerz 1994 vorgestellte Entwurf
entsprach bereits in grossen Bereichen der Endversion.

Weltweiter Lauschangriff, in drei Teilen

Der erste Teil umfasst laut Statewatch eine kurze Resolution: Das
gesetzliche Abfangen von Telekommunikation stelle ein wichtiges
Werkzeug fuer den Schutz von nationalen Interessen, der besonderen
nationalen Sicherheit und der Kriminalitaetsbekaempfung dar.

Im zweiten Teil werden die Kommunikationsdienste von
Netzwerk-Providern, LAN-, WAN- und Satelliten-Netzwerken definiert,
sowie der Gueltigkeitsbereich auf die Hersteller von Soft- und Hardware
ausgedehnt, die Kommunikationskomponenten entwickeln, anwenden und
betreiben. Weiters wird darauf hingewiesen, dass nicht nur
Telefon-Stammdaten und Gespraechsvermittlungs- und Inhaltsdaten
aufgezeichnet werden sollen, sondern auch die Bewegungsdaten des
Teilnehmers - auch wenn kein Telefongespraech gefuehrt werden sollte.

Gleichzeitig muessen die Netzbetreiber eine oder mehrere Schnittstellen
fuer die anfragende Stelle ("Law enforcement agencies") bereitstellen,
von welcher aus die Daten an die ueberwachungsstelle - egal wo sich
diese auf der Welt befinden sollte - uebertragen werden. Im Falle einer
verschluesselten oder komprimierten Kommunikation bzw. Datenuebertragung
habe der Netzbetreiber dafuer zu sorgen, die Daten zu entschluesseln und
diese unverschluesselt an die "Monitoring"-Stelle weiterzuleiten.

Am Ende dieses Dokuments findet sich die Formulierung, dass "weder das
Abhoerziel noch eine andere Person Hinweise darauf erhaelt, dass an den
Kommunikationssystemen Veraenderungen vorgenommen wurden, um den
Abhoerauftrag vorzunehmen. ... und darueber Stillschweigen zu bewahren
ist, wer und wie oeffentlich abgehoert wurde sowie die Technik und
Methode, mit welcher abgehoert wurde" (Quelle lt. Statewatch:
"Memorandum of Understanding concerning the lawful interception of
telecommunications", Enfopol 112, 10037/95, Limite, Brussels,
25.11.95)

Dieses Memorandum wurde laut Statewatch am 23. November 1995 von allen
15 EU-Mitgliedsstaaten durch die jeweiligen Vertreter in Form der
Justiz- und Innenminister unterschrieben - auch von den Vertretern
oesterreichs!

Kurz darauf erging ein Schreiben an die wichtigsten internationalen
Standardisierungsorganisationen IEC (International Electrotechnical
Commission/Genf), ISO (International Organisation for Standardization
/CH) und ITU (International Telecommunication Union/Genf) mit dem
Hinweis auf die hohen Risiken moderner Kommunikationstechniken im
Sinne der Unueberwachbarkeit, und dem Hinweis, bereits bei der
Standardisierung von uebertragungs- und Kommunikationssystemen auf die
einfache und effiziente ueberwachungsmoeglichkeit der Benutzer sowie der
uebertragenen Informationsinhalte Ruecksicht zu nehmen.

Im November 1995 praesentierte die spanische EU-Delegation einen
EU-weiten Bericht ueber die jeweils nationale Gesetzgebung zu den
Moeglichkeiten der Totalueberwachung. Teile dieses Berichts finden sich
auch in den Erlaeuterungen zum oesterreichischen Gesetz ueber
Rasterfahndung und Lauschangriff wieder, in gekuerzter Form, und nur
jene EU-Laender betreffend, wo die Umsetzung relativ einfach ist.
Besonders interessant ist jener Teil des Berichtes, der besagt, dass es
im Moment keine rechtlichen Abhoerprobleme bei der uebertragung von
Text, Daten oder Bilder gebe - laut Statewatch ein klarer Hinweis
darauf, dass bereits mit dem Echelon-System gearbeitet werden kann.

Weiters fasst der Bericht die rechtlichen Grundlagen zur ueberwachung in
den Mitgliedslaendern zusammen: Deutschland, oesterreich, Daenemark,
Luxemburg, Spanien und Portugal koennen einfach ("can simply") durch
aenderungen im Strafrecht die volle ueberwachung realisieren, waehrend
Belgien, Frankreich, Grossbritannien, Irland, Griechenland, Norwegen
und Schweden gaenzlich neue Gesetze bzw. eine Kombination aus beiden
benoetigen.

In den einzelnen Laendern seien bereits Diskussionen im Gange, welch
"grosse Vorteile" die Polizei habe, wenn "sie bereits Personen
ueberwachen koenne, die unter Verdacht krimineller Aktivitaeten stehen."
Der Bericht verweist auch explizit auf oesterreich, wo bereits ein
einfacher Antrag auf Telefonabhoerung die Eroeffnung eines
Untersuchungsverfahrens einleitet. (Quelle: "Report on the national
laws regarding the questionaries on phone tapping", Enfopol 15,
4354/2/95 REV2, Restricted, 13.11.95)

Das Echelon-System filtert unter Einsatz von Grosscomputersystemen
permanent riesige Datenmengen. Dabei werden durch Schluesselbegriffe
definierte Daten herausgefiltert. War Echelon in der Vergangenheit
primaer fuer schriftliche Informationsinhalte (Daten/Fax/Telex)
konzipiert, werden durch neue Abhoer-Satelliten im Orbit auch
Telefongespraeche leichter abhoerbar. Die Partner des Echelon-Systems
fuettern die "Raster-Computer" mit sogenannten "Woerterbuechern", die
einzelne Wortphrasen, Personennamen, Orte oder Handlungen sein koennen.
Saemtliche damit in Verbindung stehenden, aufgefangenen Informationen
werden unverzueglich an den "Auftraggeber" weitergeleitet.

Im Laufe der Zeit sind damit viele Informationen ueber potentielle
Terroristen gesammelt worden. Es gibt aber auch eine Menge an geheimen
Wirtschaftsdaten, und besonders intensiv werden alle Staaten
ueberwacht, die am GATT- bzw. WTO-Abkommen teilnehmen.

Autor: Edmund E. Lindau (Ende)