trend PARTISAN.net
online
archiv

1998

Rubrik
Repression & Widerstand

Presseerklärung vom 20.2.98

Maulkorb für den AStA der FU:
Das Aus für die politische Arbeit des Schwulenreferats?

Nach einem Beschluß des Verwaltungsgerichts Berlin vom 22.1.1998 ist es
dem Allgemeinen Studierendenausschuß (AStA) der Freien Universität Berlin per
einstweiliger Anordnung verboten,
"allgemeinpolitische, nicht hochschulbezogene Äußerungen (Erklärungen,
Forderungen, Stellungnahmen)
abzugeben." Bei Zuwiderhandlung droht ein Ordnungsgeld von 5,00 DM bis
500.000,00 DM.

Auslöser dieses Beschlusses ist eine Klage von Studierenden aus dem
rechten Spektrum (RCDS, Junge Union) wegen der
ihrer Meinung nach rechtswidrigen Wahrnehmung eines allgemeinpolitischen
Mandats durch den AStA FU.
Bundesweit gesehen ist diese Klage nur das vorerst letzte Glied in einer
Klagewelle.
Das Muster ist immer dasselbe, Studierende aus dem konservativen bis
rechtskonservativen und korporatistischen Lager
(RCDS/ Junge Union und Republikaner) versuchen auf juristischem Wege,
politisch mißliebigen ASten die Möglichkeit zu
nehmen, sich politisch zu äußern und bekommen immer recht (so z.B. in
Bremen, Bonn, Marburg, Münster, Potsdam).
Möglich wird dies aufgrund einer willkürlichen und künstlichen Trennung
zwischen dem sogenannten hochschulbezogenen
politischen Mandat und dem sogenannten allgemeinpolitischen Mandat durch
die Rechtssprechung. Während das erstere
den ASten zustände, soll dies beim letzteren nicht so sein.
In der Konsequenz bedeutet das für die Asten, daß sie Probleme an der
Hochschule nicht mehr in einen
gesamtgesellschaftlichen Rahmen stellen können, daß sie nicht mehr Teil
einer Gegenöffentlichkeit sein können, als der sie
sich verstehen (und als welcher sie auch jährlich bei den Wahlen zum
Studierendenparlament bestätigt werden). Gelang es
den KlägerInnen auf demokratischem Wege nie, den AStA selbst zu
übernehmen, so haben sie immerhin einen Maulkorb für
den amtierenden und im Januar im Amt bestätigten AStA erwirkt.

Für das Autonome Schwulenreferat ist die Entscheidung des
Verwaltungsgerichts aber besonders verheerend. Ist doch ein
Hochschulbezug für die Arbeit gerade dieses Referats, dessen
Schwerpunkte vor allem in "allgemeiner" Schwulenpolitik
(Kritik der Bürgerrechtsbewegung, Mitgestaltung alternativer Blöcke auf
dem Berliner CSD, etc.) liegen, kaum zu
konstruieren. Auch das liegt im Kalkül der klagenden Studierenden,
taucht doch in allen Programmen des RCDS und
ähnlicher Gruppierungen die Forderung nach Abschaffung der autonomen
Referate (für Frauen, Lesben, Schwule,
AusländerInnen) auf.
Die Mitglieder des Autonomen Schwulenreferats werden sich aufgrund des
gegen sie erlassenen Maulkorbs aber nicht auf
die Erledigung ihrer rein hochschulbezogener Aufgaben (wie die Beratung
schwuler Studenten oder die Organisation eines
Erstsemesterplausches) zurückziehen. Als Mitglieder einer in kürzester
Zeit zu gründenden vom AStA unabhängigen Gruppe
werden wir uns auch weiterhin in das schwulenpolitische Geschehen
einmischen.

Weitere Informationen unter Tel. 030/ 839 091-18

Bei Interesse steht auch eine Pressemappe mit Informationen zur
Geschichte des politischen Mandats, den juristischen
Hintergründen, den Konsequenzen für die AStA-Arbeit, dem Beschluß des
Verwaltungsgerichts und dem vom AStA FU
initiierten Aufruf gegen die Zensur studentischer Politik bereit.

Dieselben Informationen gibt es auch im Internet unter:
http://userpage.fu-berlin.de/~astafu/pm/