online archiv 1998
Rubrik Repression & Widerstand |
Hiermit dokumentieren wir eine (nicht autorisierte) Übersetzung
aus der Zeitung Özgür Politika über die aktuelle Situation
in den Gefängnissen in der Türkei und Kurdistan und die
Hungerstreikaktionen der revolutionären und demokratischen
Gefangenen:
Absender: K.SCHOENSEE@LINK-GOE.de
Übersetzung aus Özgür Politika vom 03.01.1998, Seite 1:
Wechselnder Hungerstreik
Die im Midyat Spezialgefängnis inhaftierten PKK Gefangenen
haben gegen die menschenverachtenden Behandlungen der Gefängnisleitung
einen Hungerstreik begonnen, der von den Gefangenen im dreitätigen
Wechsel geführt wird. Die Gefangenen in Gebze haben darauf aufmerksam
gemacht, daß in den Gefängnissen in Erzurum und Siirt der
Hungerstreik der Gefangenen wegen der Verantwortungslosigkeit und Gleichgültigkeit
der Verantwortlichen an die Todesgrenze angelangt ist: "Der Staat
spielt mit dem Leben der Gefangenen"
Die Todeshäuser (Isolationgefängnisse) sind bald fertig
Der 1996 begonnene Bau des Kocabas Gefängnis, der nach Diyarbarkir
das zweitgrößte Isolationsgefängnis wird, ist bald fertig.
An vielen Orten werden zur Zeit solche Isolationstrakte gebaut. Diese
sind in der Öffentlichkeit als Todeshäuser bekannt. Die
medizinischen Sachverständigen warnen die Verantwortlichen wegen
der zu erwartenden physiologischen und psychologischen Schäden für
die Gefangenen.
Übersetzung aus Özgür Politika vom 02.01.1998, Seite 4:
Der Staat wartet auf den Tod
Nachdem der Hungerstreik im Hochsicherheitsgefängnis in Erzurum 43
Tagen dauert, hat im E-Typ-Gefängnis der Hungerstreik erneut wieder
angefangen.
(...) Die im Erzurum E-Tipi-Gefängnis durch einen Hungerstreik
erkämpften und in Verhandlungen erfolgreich umgesetzten humanen
Verbesserungen für die Häftlinge sind von der Gefängnisleitung
nicht eingelöst worden. Der am 27. Dezember beendete Hungerstreik hat
erneut begonnen. Insgesamt 160 Tage im vergangenen Jahr waren die
Gefangenen
im Hungerstreik und ihr Gesundheitszustand hat sich sehr
verschlechtert. Der Vorsitzende Firat des Menschenrechtsvereins in Erzurum
erklärt: "Den Angehörigen, die die Gefangenen besucht haben,
haben folgende Information bekommen. Zwei Tage nachdem auf die
Forderungen des Hungerstreiks eingegangen worden ist, sind diese von
der Gefängnisleitung gestrichen worden. Darauf haben 20 Gefangene
erneut einen Hungerstreik begonnen." Die Delegation des
Menschenrechtsvereines wird nochmals nach Erzurum fahren und versuchen
den Hungerstreik zu beenden. Er sagte noch: "Nach dem letzten
Vorgehen der Gefängnisleitung wird ziemlich schwierig werden, die
Gefangenen zu überzeugen."
Die Versuche sind gescheitert
Im Erzurum Hochsicherheitsgefängnis sind seit 43 Tagen 336
Gefangene im Hungerstreik. Zur Zeit befinden sich die Gefangenen Serefkan
Kaya, Resul Akkol und Süleyman Elefkan in einer sehr ernsten Lage, sie
schweben immer noch in Lebensgefahr. Die Gefangenen der PKK (Arbeiterpartei
Kurdistands) und MLKP (Marxistisch-Leninistisch
Kommunistische Partei der Türkei/Kurdistan) haben in ihrer
Presseerklärung betont, daß bei den Gefangenen Yasin Aydin,
Mustafa Demir, Aydin Adiyaman, Murat Celik, Muhlis Altun, Ramazan Nazlier,
Sevket Arsal, Ibrahim Sezay, Yusuf Önen und Ali Mitilli Symptome wie
Magen-Darm-Blutungen, Atmembeschwerden und Seh-Schwierigkeiten
auftreten, daß das Leben der Gefangenen bedroht ist, aber sich an
der Haltung der Gefängnisdirektion nichts ändert: "Auf
alle unsere Bemühungen, die auf Kompromißbereitschaft und auf
unsere humanen Forderungen gerichtet sind, und auch die Anstrengungen der
Delegation
gab es nicht eine positive Reaktion. Sie [Staat und Gefängnisdirektion]
führen weiterhin ihre Isolationspolitik."
Weiterhin sind die Bemühungen den Hungerstreik mit Verhandlungen zu
beenden gescheitert. Die Kassiererin der THYD-DER Meliha Özcan und die
Angehörigen der Gefangenen haben versucht, mit dem Justizminister
Oltan Sungurlu zu sprechen, aber sie konnten nur mit dem Oberdirektor
der Gefängnisleitungen Hüseyin Turgut reden. Im Gespräch
verlangten sie eine Besuchserlaubnis für eine Delegation aus THYD-DER,
IHD, HADEP, TOHAV, Istanbul Barosu, SES Bursa Subesi, KESK und CHD in
den Gefängnissen. Die Erlaubnis für diesen Besuch wurde nicht
erteilt. Zu der Sache äußerte sich THYD-DER Vorsitzender Medeni
Ayhan, daß die Gefangenen in Erzurum am Sterben seien. "Die
Forderungen der Menschen sind Juristische und Humane. Wenn die Forderungen
nicht erfüllt
werden, werden wir Massenkundgebungen machen, Presseerklärungen und
Flugblätter schreiben und Plakate aufhängen."
Die Unterstützungsaktionen gehen weiter.
Die Proteste gegen die in den Gefängnissen eingerichteten
Isolationszellen gehen weiter. In Adiyaman sind die Gefangenen seit
dem 23. Dezember im befristeten und unbefristeten Hungerstreik. Im Namen
der im Adiyaman-Gefängnis inhaftierten Gefangenen, die der
PKK-Mitgliedschaft beschuldigt werden, gaben Zübeyir Perihan und Nazim
Erdogan eine Erklärung ab und sagten, daß sie in ihrem Hungerstreik
entschlossen seien. "Wenn es im Hungerstreik, wo sich
lebensbedrohliche Zustände zeigen, nicht zu einer Lösung kommt, werden
wir nicht schweigen, wir werden unseren Widerstand verstärken. Wir
mahnen die Regierung und das Justizministerium bei dieser Sache und fordern
die gesamte Öffentlichkeit dazu auf, aufmerksam zu werden." Im
geschlossenen Gefängnis Halfeti sagten die Gefangenen, die der PKK-
Mitgliedschaft beschuldigt werden, daß sie hauptsächlich aufgrund der
Bedingungen im Hochsicherheitsgefängnis in Erzurum und der
Unterdrückung in den anderen Gefängnissen mit einem
Hungerstreik beginnen. Die Gefangenen im Diyarbakirer E-Typ-Gefängnis
gaben eine Erklärung ab im Namen der Gefangenen, die der
PKK-Mitgliedschaft
beschuldigt werden, und Sevket Seker und Lesker Acar machten in
ihrer Erklärung hauptsächlich auf die Haftbedingungen im
Hochsicherheitsgefängnis in Erzurum, anderen Gefängnissen und
die Forderungen der Gefangenen aufmerksam. Sie werden ihren
Hungerstreik, der seit dem 21. Dezember andauert, in einen
unbefristeten
Hungerstreik umwandeln. > 4 Gefangene werden seit 8 Monaten nicht
behandelt
Nachdem die juristischen Rechte der Gefangenen in Ordu verschlechtert
wurden, beginnen sie am 17. März einen Hungerstreik, der mit den
Bemühungen des IHD beendet wurde, danach verschlechtert sich die
Situation der Gefangenen, die sich am Hungerstreik beteiligt hatten.
Hasan Önün, Sevkan Becarikli, Yusuf Vesak und Ahmet Kizilay sind
trotz aller Bemühungen und Proteste seit 8 Monaten nicht ins
Krankenhaus
gebracht worden. Die Angehörigen der Gefangenen sagten, daß bei
ihren Kindern Blutspucken, ohnmächtig werden, kurzfristiger Gedächtnisschwund
und Sehschwierigkeiten auftreten. "Nach dem Hungerstreik sind bei
unserem Kindern sehr ernste gesundheitliche
Probleme aufgetreten. Sie haben sich, weil sie krank sind, an die Gefängnisleitung
gewandt. Aber seit acht Monaten sind keine
medizinischen Behandlungen erfolgt. Der Staat hat unsere Kinder dem
Tod überlassen."
Karaca befindet sich in einer sehr schweren Lage
Der im Gefecht verwundet festgenommene PKK-Guerilla Ali Riza Karaca
ist in Yozgat gefangen genommen worden und seit 25 Tagen in Einzelhaft. Der
fünfmal operierte Karaca wurde in Einzelhaft
genommen, weil er Forderung stellte in das Gefängnis in Bursa
überstellt und behandelt zu werden. Es wurde berichtete, daß er
sich seit 25 Tagen in einem unbefristeten Hungerstreik befindet. Die
Angehörigen, die ihn besuchen wollten, machten darauf aufmerksam, daß
Karacas sehr schwer Flüssigkeit zu sich nehmen könne, keinen Besuch
empfangen dürfe und ihm Briefe in keinen Fall weitergegeben würden.
Die Angehörigen sagten, Karaca sei im Gefecht verwundet und
festgenommen wurden. Danach folgten fünf Operationen. Aber die
Behandlungen seien nicht beendet worden und sie fürchten um sein
Leben. Sie schilderten noch die Unterdrückung und Repressalien im
Gefängnis in Yozgat, an dessen Eingang ein Schild hinge "Besuchsplatz
der Terroristen". Damit versuchen sie die Angehörigen und
revolutionären sowie patriotischen Gefangenen zu provozieren.Außerdem
soll die in Tatvan (Provinz Bitlis) im Gefecht verwundete und
festgenommene Fatma Sido nach ihre Festnahme in das Gefängnis in Mus
gebracht worden sein. Dort ist sie nicht behandelt worden. Ihr
verwundetes Bein wurde nicht behandelt und sie wurde nicht ins
Krankenhaus gebracht. Die Gefangenen erklärten, daß die
Wahrscheinlichkeit sehr hoch sei, daß ihr Bein amputiert
werden müsse.
Die Gefängnisse verlieren jetzt auch noch die Gefangenen !
Der Gefangene Önder Sezgin ist von Ermenek Gefängnis zur
Behandlung ins Ankara Zentralgefängnis geschickt worden. Von ihm ist
nichts mehr zu hören. Im Schriftverkehr zwischen den Gefängnissen
Ankara und Ermenek konnte nicht festgestellten werden, wo sich Sezgin
befindet.
Es wurde berichtet, daß er am 2. Dezember wegen einer Behandlung von
Ermenek Gefängnis ins Ankara Zentralgefängnis geschickt geschickt
wurde. Aber er ist immer noch nicht im dortigen Gefängnis angekommen.
Die wegen PKK-Mitgliedschaft angeklagten Gefangene erklärten, daß
beabsichtigt ist, Sezgin verschwinden zu lassen. Die Gefangenen im
Ankara Zentralgefängnis informierten darüber, daß,
obwohl seine Überstellung über einen Monat her ist,
nicht bekannt sei, wo Sezgin sich befindet. (...) Er sei auch nicht
in den Akten registriert,
berichteten die Gefangenen der PKK und sie fürchten um sein
Leben. Die Gefangenen in Ermenek sagten, daß Sezgin an
verschiedenen Tagen zur Behandlung ins Ankara Zentralgefängnis
gebracht worden ist. "Sezgin wurde vorher operiert. Als seine
Beschwerden schlimmer
wurden, wurde am 2. Dezember überstellt und weggebracht. Wir haben
von ihm seit dem kein Lebenszeichen erhalten, wir sind in Sorgen um
sein Leben." Die Gefangenen im Zentralgefängnis Ankara und
im Gefängnis Ermenek rufen die gesamte Öffentlichkeit auf,
die Lage von Sezgin genau zu beobachten.
Weitere Informationen bei:
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