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Rubrik Militarismus |
IMI-SPEZIAL
8: Schritte qualitativer Abrüstung Entmilitarisierung der
deutschen Außenpolitik
Beschluß der IMI-Aktiventreffen vom 18.02.1998 und 17.03.1998
IMI-Positionen anläßlich der
Bundestagswahl 1998
An eine Kritik der Außenpolitik der Bundesregierung wagen sich viele
nicht mehr heran. Dies ist um so bedauerlicher, als daß sich im
Bereich der Außenpolitik seit Beginn der Kohl-Ära grundlegende
Paradigmenwechsel vollzogen haben. Im Bereich Außenpolitik und
insbesondere im Bereich der militärischen Komponente der Außenpolitik
sind dringend Korrekturen notwendig. Anläßlich des derzeit
laufenden Bundestagswahlkampfes gibt nun die Informationsstelle
Militarisierung (IMI) e.V. folgendes Positionspapier heraus. Die folgenden
Forderungen qualitativer Abrüstung sind unabhängig und (wohl)
auch nach der Bundestagswahl 1998 aktuell.
*Jetzt notwendig: Qualitative Abrüstung*
Wir meinen, daß es spätestens jetzt an der Zeit ist,
qualitative Abrüstung einzuleiten. "Qualitative" Abrüstung
meint, die Abrüstung der Komponenten, die die neue "Qualität"
der Bundeswehr ausmachen; Dies sind die "Verteidigungspolitischen
Richtlinien" als Grundlagendokument für die neue Strategie der
Bundeswehr. Dies sind die sogenannten Krisenreaktionskräfte (KRK) der
Bundeswehr mit denen die weltweiten Einsätze durchgeführt werden
sollen. Und dies sind die derzeit laufenden mindestens 215 neuen
Beschaffungsprojekte in einer Höhe von mindestens 170 Milliarden DM,
mit denen die Bundeswehr auch umgerüstet wird zu einer weltweiten
Interventionsarmee.
Grundlage für gemeinsames politisches Vorgehen im Bereich der
militärischen Komponente der deutschen Außenpolitik ist eine
gemeinsame Ablehnung der neuen Bundeswehr mit deren Folgen und
Implikationen.
Im wesentlichen gibt es drei relevante politische Positionen in der
parlamentarischen und außerparlamentarischen Opposition zum Umgang mit
der neuen Bundeswehr:
1. Positionen, die mit Hinweis auf die derzeit gültige Form des
Grundgesetzes für eine (Rück)-Umwandlung der Bundeswehr in eine Armee
ausschließlich zur Landesverteidigung eintreten. 2.
Auffassungen, deren Hauptansatzpunkt die Abschaffung der Wehrpflicht (und
eventuell aller Zwangsdienste) ist und die davon ausgehend eine starke
Reduzierung der Bundeswehr und ihre Umwandlung in eine Freiwilligenarmee
fordern, eine High-Tech-Armee für Auslandseinsätze aber ablehnen.
3. Positionen, die für eine (mittel- oder kurzfristige) Abschaffung der
Bundeswehr eintreten.
Die Vertreter/innen der beschriebenen Positionen sind für uns als
Informationsstelle Militarisierung (IMI) e.V. wichtige Bündnispartner.
Das heißt, daß eine gemeinsame Politik gegen die
Militarisierung der bundesdeutschen Außenpolitik mit Vertreter/innen
dieser Positionen möglich ist. (Auch bei IMI finden sich Menschen mit
diesen Positionen). Nichtsdestotrotz sind wir skeptisch, ob die Positionen
1 und 2 ausreichen. Sie sind für uns als Zwischenschritte denkbar,
aber als Ziel friedenspolitischer Arbeit nicht ausreichend. Bei Position 2
liegt unserer Ansicht nach eine falsche Schwerpunktsetzung vor. Politisch
ist die Wehrpflicht, so schlimm sie für Betroffene ist, nicht das
Hauptproblem, das Hauptproblem ist die neue Bundeswehr, also die neue
Ausrichtung der Bundeswehr auch in Richtung weltweite Kampfeinsätze.
Die Teile der Opposition, die die neue Bundeswehr akzeptieren, die also
die Bundeswehr als Instrument sehen, mit dem die Bundesrepublik weltweit
militärisch (auf welche Art auch immer) eigene Interessen umsetzen
will / soll, sind nicht nur für uns keine Bündnispartner.
Es gibt Menschen, die sich an Personen und Gruppen orientieren, die seit
den Zeiten der Nachrüstungsdebatte von ihren friedensbewegten,
antimilitaristischen oder pazifistischen Positionen abgerückt sind.
Notwendig ist es deshalb, eigene friedensbewegte politische Visionen in
der öffentlichen Wahrnehmung zu etablieren. Diese friedensbewegten
Visionen dürfen sich nicht in (kleinen) Schritten erschöpfen, ohne
solche Schritte sind sie allerdings schwerer vermittelbar.
Eine Produktion von Kriegswaffengütern impliziert auch deren
Verwendung. Kriegswaffen dienen der Zerstörung. Arbeitsplätze im
Bereich Kriegswaffen müssen umgewandelt werden in Arbeitsplätze,
bei denen zukunftsweisende Produkte hergestellt werden, die der Bewährung
der Erde dienen. Die immer wieder genannten Arbeitsplatzzahlen der
Kriegswaffen- industrie sind viel zu hoch gegriffen! Staatliche Unterstützung
von Konversion ist bei Kleinfirmen diskussionswürdig, bei Großkonzernen
wie Daimler-Benz, Siemens o.ä. nicht zuletzt aufgrund der hohen
Gewinne völlig inakzeptabel.
Mit prozentualen Kürzungen im Militärhaushalt (egal in welcher Höhe)
ist es nicht getan, da auch die dann gekürzten Gelder hauptsächlich
für die Krisenreaktionskräfte und neuen Aufrüstungsprojekte
ausgegeben werden und würden, also dafür, daß die
Bundeswehr von ihrer Strategie, Struktur und Bewaffnung her auch offensiv-
und kriegsführungsfähig wird. Genau das gilt es wieder zu
revidieren. Deshalb müssen diese obigen Forderungen umgesetzt werden,
um an das Problem Bundeswehr strukturell heranzukommen.
Die militärischen Komponente der bundesdeutschen Außenpolitik
wird ein zentraler Knackpunkt einer zukünftigen Regierung. Wir dürfen
als parlamentarische und außerparlamentarische Opposition nicht
hinnehmen, daß Zusagen für einen Weiterbestand der
umgewandelten, auch offensivfähigen, neuen Bundeswehr und die
Akzeptanz der NATO als
Eingangsvoraussetzungen für eine andere Regierung gelten. Die Themen
neue Bundeswehr, neue NATO und die fortschreitende Militarisierung der
deutschen Außenpolitik müssen auch im Wahlkampf thematisiert
werden!
Wir warnen dringend davor für eine Veränderung im Bereich der
Innenpolitik (v.a. Sozialpolitik) die Kontinuität der deutschen
Militärpolitik zu akzeptieren! Solche und andere angebliche Sachzwänge
sind trügerisch.
Ein Regierungswechsel allein und der Wechsel der Parteien, die die
Regierung stellen, verspricht noch lange keine andere Politik. Das gilt
insbesondere für den Bereich Außenpolitik und die militärische
Komponente der Außenpolitik. Notwendig für eine andere Politik
ist eine andere politische Grundstimmung in diesem Land!
Weitere Informationen und Material zu allen Themen rund um
die Bundeswehr gibt es bei: Informationsstelle Militarisierung (IMI)
e.V., Burgholzweg 116/2, 72070 Tübingen, Telefon + Fax: 07071-49154 +
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