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online archiv 1998 Rubrik 1.Mai |
Wichtig ist und bleibt der Widerstand ! Heraus zum revolutionären 1. Mai Demonstration in Oberhausen um 12.00 Uhr am Friedensplatz Infoveranstaltung, Abschlußdisco, Büchertisch, Volxküche Geht doch Arbeiten ! Wir sollen arbeiten, nicht für uns, nicht für das was wir brauchen und auch nicht unter selbstbestimmten Bedingungen. Nicht unter Bedingungen, in denen Spaß, Lust und Leidenschaft ihren Raum einfordern können. Nein, wir sollen arbeiten für Deutschland. Ähem, 'tschuldigung, für den "Standort Deutschland" heißt das ja jetzt. Die miefige Nation taugt immer noch für die unterschiedlichsten Schweinereien. Der rassistische Stammtisch in der Kneipe beruft sich abends auf's "Deutschsein" um am nächsten morgen vom Chef zur Arbeit in "nationaler Sache" angetrieben zu werden. Geht doch arbeiten, geht arbeiten für Deutschland. Aber ohne uns ! Da gibt es zunächst einmal das Zauberwort Globalisierung, das uns soll weismachen soll, daß durch neue Medien und durch eine weltweite Verschmelzung des Kapitals wir alle auf diesem Erdball näher zusammenrücken. Leider gibt es hierbei auch negative Begleiterscheinungen. So wird den Menschen suggeriert, daß der sich verschärfende Konkurrenzkampf zu Rationalisierung und damit letzendlich zu Massenarbeitslosigkeit führt. So wie früher die Erfindung der Dampfmaschine oder die Einführung des Fließbandes dafür herhalten mußte, die Entlassungen der arbeitenden Menschen zu rechtfertigen, wird auch heute die Ursache der Arbeitslosigkeit einer rein technologischen Natur zugeschrieben. Nicht die ökonomischen und politischen Machtverhältnisse werden für das Desaster verantwortlich gemacht, sondern die technologische Entwicklung. Hierbei wird die politisch-ökonomische Funktion der Erwerbslosigkeit völlig außer acht gelassen. Niemand verliert ein Wort darüber, daß Vollbeschäftigung für die Mächtigen der Wirtschaft grundsätzlich ungesund ist und das Arbeitslosigkeit ein integraler Bestandteil der normalen kapitalistischen Wirtschaft ist. Sie wird als Instrument der Lohndrückerei benutzt, die die Menschen zwingt jede Arbeit, auch unter den miesesten Bedingungen anzunehmen und mundtot gegenüber jedweder Kritik an diesen Ausbeutungsverhältnissen zu machen. Arbeitslosigkeit hat System Die Massenarbeitslosigkeit verändert die gesamten Lebens- und Arbeitsverhältnisse der lohnabhängigen Bevölkerung. Sie macht Massenarmut und ungarantierte Arbeitsverhältnisse immer mehr zur Regel und die soziale Demontage leichter durchsetzbar. Die Herrschenden spalten uns in Arbeitslose und Beschäftigte und spielen uns gegeneinander aus. Mit der Angst vor der Arbeitslosigkeit und der Not der Betroffenen machen die Unternehmer ein Riesengeschäft. Mit staatlicher Schützenhilfe für die Flexibilisierungsstrategie der Unternehmer, z.B. in Form des neuen Arbeitsförderungsgesetzes, soll für Arbeitslose Leiharbeit auf Abruf und Teilzeitarbeit die Regel werden. Für die Erwerbslosen verschärft sich die Situation immer mehr. Die Unterstützungsleistungen werden weiter radikal gekürzt, die Anspruchsvoraussetzungen verschlechtert, die Sperrzeiten und die Zumutbarkeit für miese und schlecht bezahlte Arbeit erhöht. Uns gegenüber stehen eine Handvoll von Konzernen und ihre Helfershelfer in den Regierungen und der Verwaltung. Sie verdienen sich dumm und dämlich an den neuen Technologien, den Großprojekten und an der Verlegung der Produktion in Billiglohnländer. Und wenn aus den Betrieben nicht mehr der maximale Profit rauszuholen ist, dann werden mit einem Achselzucken tausende Beschäftigte auf die Straße gesetzt. Rassismus hat System Die Menschen in diesen Billiglohnländern sind nochmal verschärften Ausbeutungsbedingungen ausgesetzt. Z.B: hat Osteuropa nach dem Zusammenbruch des real existierenden Sozialismus von der EU, und somit der BRD als treibende Kraft, die Funktion des Hinterhofs von EU-Europa aufgedrückt bekommen. Mit der alten rassistischen Arroganz wurde die Raumerweiterung Ost diesmal auf ökonomischen Weg vollzogen. Konzerne ließen sich nieder und durch eine katastrophale Kreditvergabepolitik wurde das Sozialsystem auf niedrigstes Niveau gestürzt. Die Menschen sollen nur noch unter den miesesten Bedingungen und zu den niedrigsten Löhnen für die Konzerne arbeiten oder auf der Straße enden. Für diejenigen, die eine Alternative in einer Flucht nach Westeuropa sehen steht ein System der Abschottung und Abschreckung, das Stigma des "Wirtschaftsflüchtling" bereit. Dieses Schlagwort ist in doppelter Hinsicht heuchlerisch. Zum einen werden auch Abschiebungen von politisch Verfolgten, die von Mord und Folter bedroht sind, bürokratisch geplant und alltäglich ausgeführt. Zum anderen geht es den Schreibtischrassisten keineswegs darum, den Arbeitsmarkt vollkommen vor Flüchtlingen abzuschotten. Es geht ihnen um einen kontrollierten Zugriff auf die Billigstarbeitskräfte. Durch das Ausländer- und Asylrecht in den illegalen Status gedrängt müsssen sie die letzte Arbeit hier machen. Wer ständig mit der Angst vor Knast und Abschiebung leben muß, kann nicht einmal seinen 4DM-Stundenlohn einfordern. Von Sozialversicherung, tariflichen Mindestlohn oder gewerkschaftlicher Organisierung ganz zu schweigen. Die Linie des DGB ist hier eindeutig. Razzien und staatliche Kontrollen werden als "arbeitnehmerfreundlich" hingestellt und nicht als Ursache für die miserablen Arbeitsbedingungen der Illegalisierten benannt. Es verwundert auch nicht, daß der DGB mit Unternehmensverbänden offen zur Denunziation von illegal Beschäftigten aufgerufen hat. Das dieses Prinzip der rassistischen Spaltung funktioniert, kann nur vor dem Hintergrund der rassistischen Mobilmachung Anfang der 90 verstanden werden. Diese fand ihren Höhepunkt in offen beklatschten Pogromen, einer Serie von organisierten Brandanschlägen und in der faktischen Abschaffung des Asylrechts 1993. Die rassistische Debatte um die Änderung des Asylrechts lief quer durch alle Parteien und Medien. Weite Teile der Bevölkerung setzten dem rassistischen Diskurs nicht viel entgegen. Sie reagierten eher verhalten oder beteiligten sich tat-und schlagkräftig. Schließlich sitzt das autoritär-rassistische Denkmuster - nach oben buckeln und nach und unten treten - immer noch tief. Mit dieser Debatte wurde vor allem eines erreicht: eine gesellschaftliche Gruppe zu isolieren und sie als Fremdobjekt erscheinen zu lassen. Und während sich der Bürgermob hitzig an dieser vergriff, experemtierten die Herrschenden kalt neue Instrumente der sozialen Kontrolle an den Flüchtlingen aus. Die Kasernierung in Lagern, der Zwang zu "allgemeinnütziger Arbeit", die Einführung von Freßpaketen und das Herausfalllenlassen aus dem Budessozialhilfegesetz. Die Absicht die dahinter steckt ist nicht "nur" den hier lebenden Flüchtlingen das Leben zur Hölle zu machen Es geht auch darum, eine subtile-kurzfristig nicht umsetzbare-Drohung gegenüber der Bevölkerung auszusprechen. Sie sind technisch in der Lage eine solche Sonderbehandlung an jeder anderen gesellschaftlichen Gruppe zu wiederholen. Repression hat System Dem entspricht, daß der Staat seinen Polizeiapparat immer weiter ausbaut und eine repressive Innenpolitik verfolgt. Die Einkaufsmeilen (CentrO.) der größeren Städte werden zu einer no go-area für bestimmte Bevölkerungsgruppen durchgesetzt. Polizei und von Unternehmen gekaufte Sicherheitsdienste operieren hier Hand in Hand nach dem Prinzip: wer nicht genug Geld zum Konsumieren hat wird schikaniert und fliegt raus. So verteilt die Polizei auch mal Stadtpläne an DrogenuserInnen, Obdachlose und BettlerInnen, in denen die ganze Innenstadt als Verbotszone markiert ist. Wurde in den 70 und 80 Jahren eine Integrationspolitik noch gezielt als Ergänzung von polizeilicher Repression eingesetzt, tritt diese immer mehr in den Hintergrund. Sie macht Platz für den starken Staat, der für die direkte Umsetzung der Pläne der Herrschenden sorgt. So werden die Castortransporte von 30.000 Uniformierten deeskalierend durchs Land geprügelt, besetzte Häuser brutal geräumt und unerwünschte Demonstrationen eingekesselt und komplett verhaftet. Der Raum für Widerstand ist kleiner geworden, auch wenn wir deswegen wohlkaum verlogenen Integrationstaktiken nachtrauern werden. Um der Polizei immer weitreichendere Befugnisse zu geben wurden die Gesetze in den letzten Jahren immer wieder verschärft. Herausragend dabei ist die Abschaffung des Grundrechts auf Unverletzlichkeit der Wohnung (Großer Lauschangriff) und die Aufhebung der Trennung von Geheimdiensten und Polizei. Begründet wird dieser Schritt hin zum Überwachungsstaat mit dem Schlagwort "Organisierte Kriminalität". Erwähnenswert hierbei ist, daß keine genaue Definition darüber existiert, wer denn nun ein organisierter Krimineller ist. Die drei Leute die sich zusammmentun um einen Zigarettenautomat zu knacken, oder wer?!? Was nicht erwähnt wird ist die Notwendigkeit eines starken Repressionsapparates zur Durchsetzung der Interessen der Herrschenden. Ein Ausbau des Repressionsapparates findet immer auch gegen potentielle soziale Bewegungen statt. Als das schlagkräftigste Mittel, daß gegen widerspenstige Opposition losgelassen werden kann. Allerdings sind wir im bundesrepublikanischen Alltag von sozialen Bewegungen, die diesen Apparat herausfordern könnten weit entfernt. Es wundert kaum, daß es nicht gelingt den Protest der SchülerInnen und StudentInnen mit dem der Erwerbslosen zu verknüpfen und solidarisch zu handeln. Im Gegenteil: Mit schöner Regelmäßigkeit formieren sich die einen oder anderen Bevölkerungsgruppen, rufen zu einem Marsch auf Bonn auf und entlassen dann die Menschen mit einem Ohnmachtsgefühl wieder in die desolate Gesellschaft. Wobei doch eigentlich klar ist, daß voneinander isolierter Protest nur stark eingeschränkte Möglichkeiten bietet. 30.000 StudentInnen/SchülerInnen die in Bonn demonstrieren sind den Herrschenden egal. Egal in dem Sinne, daß diese Leute nicht in der Position sind ihre Forderungen auch durchzusetzen. Soetwas kann nur durch ein Miteinander und einer Gleichzeitigkeit von sozialen Protest entstehen. Ein Protest der weiterkommt, in Bewegung bleibt und sich letztendlich praktische Widerstandsformen aneignet. Das System muss weg ! Was wäre denn wenn wir uns der kapitalistischen Unlogik entziehen würden? Was wäre wenn wir darüber nachdächten, was für uns notwendig und sinnvoll ist? Was wäre, wenn wir Bedingungen schaffen würden, unter denen Spaß und Lust zu einem bestimmenden Faktor unserer täglichen Aufgaben wird? Was wäre, wenn wir eigene Ideen gemeinsam entwickeln würden? Was wäre, wenn wir einfach aufhören in den vorgegebenen Kategorien zu denken und handeln? Wir müssen begreifen, daß gesellschaftliche Befreiung schließlich keine Angelegenheit revolutionärer Generalstäbe oder staatlicher Herrschaftsapparate ist, sondern das sie auf eigenständige Interessenswahrnehmung, praktische Selbstorganisation und die Wiedergewinnung autonomer Öffentlichkeiten jenseits von Herrschaftswissenschaft und Medienmonopolen aufgebaut werden muß. Wenn Befreiung heißt, daß sich Menschen in die Lage versetzen, ihre Lebensweise selbst zu gestalten und ihre gesellschaftlichen Zielvorstellungen eigenständig zu entwerfen, so gilt es Unterschiede und Differenzen anzuerkennen, ohne damit auf eine kritische Auseinandersetzung zu verzichten. Die widersprüchliche Vielfalt der Kämpfe, Konflikte und politischen Ansätze kann produktiv sein, wenn sie neuen Erfahrungen Raum gibt und Lernprozeße antreibt. Immer unter der Voraussetzung, daß sie die eigene Subjektivität auch auf das neu eröffnete Terrain der "sozialen Frage" beziehen, können Sozialrevolutionäre, Autonome, Sozialisten, KommunistInnen, linke GewerkschaftlerInnen und andere fortschrittlichen Gruppen wieder miteinander ins Gespräch kommen. Heraus zum revolutionären 1. Mai Gegen Sozialabbau ! Gegen die Standortlogik ! Die "Innere Sicherheit" stören ! Den rassistischen Konsens durchbrechen ! Für selbstbestimmtes Leben und Arbeiten ! Nach der Demonstration gehts weiter im Drucklufthaus mit: Infoveranstaltung mit einem Referenten aus Frankreich, zu der dortigen Arbeitslosenbewegung Virus-Konzert in der Halle, 1.Mai-Bang-Disco, Filme zum revolutionären 1. Mai V.i.S.d.P.: Paul Pott, Liebknechtstr. 98, 46047 Oberhausen |