online archiv 1998
Rubrik Internet |
Quelle: C't 3/98
Innenministerium will Zugriff
auf Stammdaten von Internet Nutzern
Alle deutschen Internet Provider müssen nach Plänen des
Bundesinnenministeriums (BMI) künftig den Verfassungsschutzbehörden
Zugriff auf ihre Bestandsdaten gewähren. Das Ziel: die exakte
Zuordnung von Homepages und EMail Adressen zu ihren Besitzern. Das erst
Anfang August in Kraft getretene Teledienste Datenschutzgesetz (TDDSG) soll
dazu entspre chend geändert oder wie der Bundestagsabgeordnete und SPD
Internet Experte Jörg Tauss meint verschlechtert werden. In einem
c't vorliegenden internen Argumentationspapier begründet der Leiter
der BMI Abteilung ,Innere Sicherheit', Reinhard Rupprecht, das Vor haben
damit, daß politische Extremisten jeglicher Couleur das Internet vor
allem zum Austausch von Nachrichten und zur Agitation gegen die
freiheitliche demokratische Grundordnung nutzten. Im Be reich der Homepages
im World Wide Web reiche die Band breite vom Angebot ,politisch
extremistischer konzeptioneller Texte und Veranstaltungs und
Demonstrationsaufrufen über Verkaufsoffenen für Propagan damaterialien
bis hin zu detail lierten und umfangreichen technischen Anleitungen zur
Herstellung von Sprengstoffen und dem Bau von Bomben'. Nach geltender
Rechtslage darf die Anfrage des Verfas sungsschutzes nach dem Klarnamen
einer Person dem Provi der nicht zur Kenntnis gelangen. Ein technisches
Verfahren soll daher den direkten Zugriff auf den Kundenstamm ermögli
chen, ohne daß der Provider den Abruf registriert. Die Kosten hierfür
trägt der Betreiber und damit indirekt der Kunde. Entsprechende
Einrichtungen mußten die Telekommuni kations und Mobilfunkbetrei ber
nach den Vorgaben des Telekommunikationsgesetzes (TKG) bereits mit
Millionenaufwand nachrüsten. Es wird sogar darüber diskutiert, ob
die Telekombetreiber eine Standlei tung zur Regulierungsbehörde
unterhalten müssen, damit der Verfassungsschutz innerhalb weniger
Sekunden auf die Adreßdaten des Telefonkunden zugreifen kann.
Wie aus dem internen Papier der Abteilung ,In nere Sicherheit' hervorgeht,
konn ten die Verfas sungsschutzbehör den bislang keine Auskunft verlan
gen beziehungs weise Beschlag nahmungen durch führen, da eine
gesetzliche Aus kunftsvetpflichtung der je weiligen Diensteanbieter nicht
existiere. Mit der neuen Rege lung für private Teledienste anbieter
werde den Behörden allerdings kein neues Eingriffs recht eingeräumt,
da vor der Privatisierung der Informations und Kommunikationsdienste die
Deutsche Bundespost ,auf dem Wege der Amtshilfe' einen Zugriff ermöglicht
hatte. Es handele sich nun lediglich ,um einen juristischen Anpassungs
prozeß'. Das trifft jedoch kei nesfalls auf die
Auskunftsverpflichtung für Internet Pro vider zu, da diese nicht auf
die Zuordnung von Telefonnum mern, sondern von EMail und WWW Adressen zu
konkreten Personen abzielt. ,Immerhin sagt das BMI mit der Forderung nach
Zugriff auf Mailnummern nun, wohin die Reise gehen soll,' begrüßte
der Bun destagsabgeord nete und for schungspolitische Sprecher der Bündnisgrünen,
Manuel Kiper, die neueste Initia tive aus dem Bundesministeri um. Bereits
die technische Spezi fikation einer Schnittstelle für den Datenabruf
nach § 90 TKG habe ein ent sprechend definiertes Daten feld für
Mailnummern ent halten. Doch daß dieses für einen Abruf von
EMail Adres sen gedacht war, wurde bisher vom Ministerium abgestritten.
Kiper: ,Ein bißchen Glasnost kann dem BMI auch nicht schaden.'
Nach Ansicht von Ingo Ruhmann, Vorstandsmitglied des Forum
InformatikerInnen für Frieden und gesellschaftliche Verantwortung
(FIFF), sind nun auch interne Firmennetze be troffen: ,Über potentiell
jedem firmeninternen Netz hängt nun das Damoklesschwert des Da tenabrufs
Zuwiderhandlun gen sind mit Bußgeld bewehrt.' Jörg Tauss kritisierte
die ge setzlich verordnete Abhör schnittstelle ,als einen Schlag gegen
das Internet'. Den vielen kleinen und mittelständischen Internet
Providern fehle das Geld für die Nachrüstung. Tauss: ,Würde
man sie also mit denselben Pflichten wie die großen Telekombetreiber
bela sten, wäre das ganz sicher das wirtschaftliche Aus dieser jun gen
Zukunftsbranche.' Er for dert die betroffenen Unterneh mer daher au{ sich
in ihren Wahlkreisen mit den Abgeord neten der Regierungskoalition in
Verbindung zu setzen und ihnen die Tragweite dieser Pläne klar zu
machen. Diese sollten auf Minister Kanther dahingehend einwirken, ,daß
die ser seine Bemühungen, die Zukunftstechnik aus unserem Land zu
vertreiben, endlich unterläßt.' |