trend PARTISAN.net
online
archiv

1998

Rubrik
Globales & Internationales

HEYVA SOR A KURDISTAN+ (Kurdischer Roter Halbmond)
Grupellostr. 27 40210 * Düsseldorf (Öffentlichkeitsarbeit)
Telefon 0211 / 1 64 97 64 ( Fax 0211/ 1 64 97 65
Internet: http://www.de/Kurdischer-Roter-Halbmond Email: heyva@aol.com

BERICHTE AUS KURDISTAN
März 1998


Embargo fordert Tote
Ninova/Südkurdistan: Eine weiterer Flüchtling im Camp Ninova ist an
Unterernährung und Krankheit gestorben. Beydur Kara (60), Mutter von fünf
Kindern, die krank war, ist gestorben. Durch das Embargo der KDP haben die
Flüchtlinge keine Medikamente und Lebensmittel, so daß einfache Krankheiten
nicht behandelt werden können. Bereits zuvor starben Kinder und Frauen an
Hunger und Epidemien. (27.03., Ö.P.)

Newroz-Syndrom
Diyarbkir/Van/Istanbul: Newroz, neuer Tag, das traditionelle Neujahrfest des
kurdischen Volkes war immer ein Tag, an dem die türkische Armee und Polizei
ihre brutale Kurdenpolitik praktiziert hat: Insbesondere seit 1990 fanden am
Newroztag, 21.3., Massenverhaftungen statt, wurde in die Massen geschossen und
zahlreiche Menschen erschossen bzw. verwundet. Nun versucht der türkische
Staat seit 1995, nachdem die Newroz-Feierlichkeiten nicht unterbunden werden
konnten, Newroz als ein türkisches Nationalfest zu degradieren. Offizielle
Version lautet, Nevruz (der Name wird auch türkisiert) sei der Tag, an dem die
türkischen Stämme vor Dürre unter der Führung eines Grauen Wolfes aus
Zentralasien 900 n. Ch. nach Anatolien ausgewandert sind. Seit zwei Jahren
veranstalten die staatlichen Institutionen unter Beteiligung der
Ministerpräsidenten, der Militärs und Ministern, Zentralveranstaltungen
-jedoch nur in Kurdistan, während gegen die Newroz feiernden kurdischen Massen
weiterhin rigoros vorgegangen wird. Auch am Newroztag 1998 hat sich die
türkische traditionelle Kurdenpolitik wiederholt: In zahlreichen türkischen
und kurdischen Städten ist die türkische Polizei gegen die Massen brutal
vorgegangen. In den kurdischen Städten Diyarbakir, Van, Siirt wurden
zahlreiche Menschen verletzt. Drei Frauen, Mizgin Sen, Hanim Berge und Aslan ?
liegen noch schwer verletzt in Intensivstationen im Krankenhaus. Unter den
Festgenommenen befindet sich auch der italienische Journalist Dino Frisullu.
Ihm wird vorgeworfen, die Massen zum Aufstand angestiftet zu haben. Der
Staatsanwalt beim Staatssicherheitsgericht in Diyarbakir fordert fünf Jahre
Freiheitsstrafe für Frisullu. Dies hat eine diplomatische Krise zwischen
Italien und der Türkei hervorgerufen. (21. - 27.3., Ö.P.)

6 Fememorde in einem Monat
Batman:. Trotz der Behauptung der Regierung, es gebe keine politisch
motivierten Morde mehr, finden die Angriffe der staatlich gelenkten
Todesschwadronen kein Ende: So wurden allein in der Stadt Batman innerhalb
eines Monates 6 Menschen bei Überfällen sog. "unbekannter Täter" getötet.
(30.3., Ö.P.)

Selbstverbrennungen aus Protest
Canakale: Die Gefangene Sema Yüce, hat sich aus Protest gegen den andauernden
Krieg in ihrer Zelle im Gefängnis Canakale in der Nacht zum 22.3. selbst
verbrannt. S. Yüce, deren Körper 40% verbrannt ist, liegt im Koma. Am 26.3.
hat sich ein weiterer Gefangener, Fikri Baygeldi, auch aus Protest gegen die
türkische Kurdenpolitik in demselben Gefängnis selbst verbrannt und ist ein
Tag später seinen Verbrennungen erlegen. (24.3., Ö.P.)

30,- DM Geldstrafe für Vergewaltigung
Bitlis: Gültekin Sen, Offizier und stellvertretender Kommandant der
Gendarmerie in Saginli, Distrikt Hizan, der vom Juli bis Dezember 1996 A. C.
(20), Tochter eines Dorfschützers, öfter vergewaltigt hatte, wurde am 25.10.97
vom Militärgericht in Van für schuldig befunden, jedoch nur zu einer
Geldstrafe von 3,650 Mio. TL (umgerechnet 30,- DM) auf Bewährung verurteilt.
Er übt weiterhin sein Amt aus, jedoch in der türkischen Stadt Sinop, am
schwarzen Meer. (24.03., Ö.P.)

Fragebogenaktion zur Denunziation
Hakkari Eine Befragung durch die Offiziere der Gendarmerie in den Schulen in
der Kreisstadt Beytüsebap entbehrt jeglicher menschlichen Norm: In den
Schulen werden die Schüler einem Test unterzogen, wodurch mit Farben die
politische Einstellung der Eltern festzustellen, bezweckt wird: So wird z. B.
gefragt, was sind deine Eltern? Aktivist = rot, Revolutionär = weiß,
Sympathisant = gelb, neutral = blau. (10.3. Ö.P.)

UN: "Türkei, das Land der Verschwundenen"
Die Menschenrechtskommission der UNO hat in einem Bericht über
"Verschleppungen von Menschen" der Türkei einen breiten Platz eingeräumt.
Demnach befindet sich die Türkei weltweit unter 22 Ländern, in denen die
Menschen am meisten verschleppt werden. Dem Bericht zufolge wurden 1997-1998
allein 8 Kurden, und allesamt in Diyarbakir verschwinden lassen. Der Bericht
enthält nachgewiesene Fälle, wonach seit 1990 153 Personen in Kurdistan nach
ihrer Festnahme verschwunden sind. Nach den IHD-Recherchen fehlt von 436
Verschleppten bislang jede Spur. In dem Bericht wird darauf hingewiesen, daß
Verschleppungen in der Türkei weiter andauern. (25.3., Ö.P.)

Anwaltskammer: "Kriegsfolgen sind verheerend"
Diyarbakir: Die Anwaltskammer in Diyarbakir weist in einem an die Regierung
gerichteten Bericht zur Lage in Kurdistan auf die tiefgreifenden Folgen des
andauernden Krieges hin. Demnach hat der seit 1984 andauernde Krieg etwa 30
Tausend Menschen das Leben gekostet und über drei Mio. Menschen sind aus ihren
angestammten Orten geflüchtet. Bis Ende 1997 wurden 3.211 Dörfer völlig
zerstört bzw. entvölkert. Dies setzt sich wie folgt zusammen: 1989-1993 923
Dörfer, 1994 1.800 Dörfer, 1995 195 Dörfer, 1996 175 Dörfer und 1997 118
Dörfer. In diesem Zeitraum wurden etwa drei Tausend Menschen durch "unbekannte
Täter" ermordet, darunter sechs kurdischen Anwälte. 1984-1997 wurden etwa 100
Tausend Menschen vor den Staatssicherheitsgerichten angeklagten. (3.3., Ö.P.)

Zwangsspenden für die Militärs
Diyarbakir: Schüler und Lehrer müssen nun auch für das türkische Militär
spenden. Nach Informationen aus der Kreisstadt Ergani werden die Eltern der
Schüler und die Lehrer -z. T. unter Drohung- gefordert, sich an einer
Spendenkampagne mit einem Beitrag von 250 Tausend bis 1 Million TL zu
beteiligen. Die Propaganda dafür wird durch Militärs, Polizei, Landrat und
Erziehungsdirektion getrieben. (8.3., Ö.P.)

Istanbuler-IHD (Menschenrechtsverein)
Bericht Februar 1998

13 Menschen wurden durch "unbekannte Täter" ermordet
2 Menschen wurden von der Polizei exekutiert
4 Personen wurden nach ihrer Festnahme verschwunden
17 Folterfälle wurden registriert
2.242 Männer und
572 Frauen wurden festgenommen und davon
44 inhaftiert
101 Menschen befinden sich weiterhin wegen ihrer Meinungsäußerung in Haft

1. Durch Angriffe "unbekannter Täter" wurden getötet:
Murat Bakir (31) 01.03. - Tokat
Veli Demiryürek 08.03. - Tokat
Akin Uygur und Mehmet Dal (23) 19.03. - Batman

2. Durch Angriffe "unbekannter Täter" wurden verletzt:
Faruk Kardas (19) und
Davut Kersin (24) 19.03. - Batman

3. Bei Angriffen von Militärs, Polizei und Dorfschützern Getötete und Verletzte:
05. 03. Van: Mikail Karademir und Hüseyin Demirhan wurden von den Militärs in
der Nähe des Dorfes Dolucikin, Distrikt Gürpinar, ohne Vorwarnung
niedergeschossen. 06. 03. Urfa: R. E. (25) wurde vor sieben Jahren von dem
Dorfschützer Mehmet Ucar (34) in dem Dorf Tilhan (Kinalitepe) vergewaltigt.
Der angezeigte Dorfschützer wurde aufgrund der Verjährung freigelassen und das
Verfahren eingestellt. 08.03. Batman: Semra Ay und Necla Ates, die nach zwei
Jahre Haftzeit zusammen mit weiteren fünf politischen Gefangenen aus dem
Gefängnis in Batman freigelassen wurden, wurden vor dem Gefängnis erneut
festgenommen und sexuell mißhandelt. 16.03. Bursa: Ali Efeer, der zuvor
festgenommen wurde, ist am 14.3. im Polizeipräsidium infolge von Mißhandlungen
gestorben. Izmir: Seyfettin Özcelik, Mitglied des HADEP- Kreisvorstandes in
Gaziemir, wurde beim Verteilen von Flugblättern festgenommen und schwer
gefoltert. 17.03. Diyarbakir: Mehmet Yavuz (23) wurde am 12.3. zu Hause im
Stadtteil Aliemir von der Polizei festgenommen mit der Begründung, die Polizei
in Adana suche ihn. M. Yavuz, der dann nach Adnana überführt wurde, wurde im
Polizeigewahrsam in Adana am 13.3. zu Tode gefoltert. Seiner Familie gegenüber
wurde ein Herzinfarkt als Todesursache behauptet. An seinem Leichnam jedoch
wurden mehrere Folterspuren festgestellt: Seine Arme und sein Schädel wurden
gebrochen, an seinem Körper wurden Zigaretten ausgelöscht und seine Zehen- und
Handnägel wurden herausgezogen. Diyarbakir: Die Dörfer Dönenkaya, Köfürbeyt,
Tarimova, Kalemköyü, Üzlüce, Dariseven Esenyol und Aricotak, Distrikt Silvan,
deren Bevölkerung die Dorfschützertätigkeit ablehnt, werden durch die Militärs
schikaniert und angegriffen. Die Umgebung dieser Dörfer werden mit schweren
Waffen beschossen. Als letztes ereignete sich ein Vorfall in der Nähe des
Dorfes Sütlüce. Resul Kirdak (13) wurde am 12.3. durch den Beschuß der Gegend
niedergeschossen, als er sein Vieh auf der Weide hütete. 19.03. Siirt: Die
Schäfer Etman Can, Ibrahim Evin, und Ramazan Balik wurden am 10.3. am Ufer des
Flusses Tigris durch die Militärs scher verprügelt, da sie das Weideverbot für
die Tiere nicht beachtet haben. 10.03. Mardin: Abidin Aydin, dessen Ehefrau
1993 in U-Haft durch die Militärs vergewaltigt wurde, wurde festgenommen und
in der Polizeidirektion in der Kreisstadt Derik schwer gefoltert. Die Familie
Aydin wird seit geraumer Zeit schikaniert, da sie den türkischen Staat wegen
der Vergewaltigung an Frau Sükran Aydin vor dem Europäischen Gerichtshof
verklagt hatte, in dessen Folge die Türkei verurteilt worden ist. 21.03.
Istanbul: Murat Can und Alpay Denizhan, die einem Diebstahl verdächtigt
wurden, wurden am 19.3. auf der Flucht mit einem Fahrzeug von der Polizei
niedergeschossen, so daß sie einen Verkehrsunfall verursachten, wobei sie
tödlich verunglückt sind. 30.03. Agri: Fecri Yüce (18), Bruder der Gefangenen
Sema Yüce, die sich am 21.3. im Gefängnis von Canakale selbst verbrannt hat
und noch immer in Lebensgefahr schwebt, wurde am 28.3. im Distrikt Tutak von
der Polizei festgenommen und schwer gefoltert, da er sich telefonisch nach dem
Zustand seiner Schwester im Krankenhaus in Adapazari erkundigen wollte. Izmir:
Gazali Turan und Abdullah Kaya, die bei den Newroz-Feierlichkeiten
festgenommen wurden, wurden im Polizeigewahrsam schwer gefoltert.

4. Verschwindenlassen von Menschen nach ihrer Festnahme:
01.03. Diyarbakir: Fikri Özgen (72) festgenommen am 27.02.97 vor seinem Haus
im Stadtteil Hatboyu. Siirt: Mehmet Inan (42) festgenommen am 18.04.96, als er
im Stadtteil Seyrantepe zum Einkaufen sein Haus verließ. 05.03. Izmir: Ayse
Hira, IHD-Mitglied, festgenommen am 2.03. im Krankenbett zu Hause im Stadtteil
Yamanlar/Karsiyaka. 06.03. Südkurdistan: Am 3.3. wurde das Flüchtlingscamp
Niniva in der Nähe der Stadt Mosul/Nordirak von einer KDP-Einheit unter
Beschuß genommen. Anschließend wurden zwei Flüchtlinge verschleppt, über deren
Schicksal nichts bekannt ist. 11.03. Aydin: Abdulgafur Aksoy, Sänger der
kurdischen Musikgruppe "Koma Jiyana Welat" festgenommen am 8.3. nach seinem
Auftritt bei einer Veranstaltung anläßlich des 8. März in Aydin. Istanbul:
Yusuf Ulu, festgenommen am 9.3. gegen 04:00 Uhr zu Hause in dem Stadtteil
Bagcilar. 18.3. Istanbul: Serafettin (19) und Mehmet Sahin (17), Sinan
Beyazdogan und Salih Demir festgenommen am 16.03. zu Hause in den Stadtteilen
Terazi und Kücükköy. 19.03. Mus: Cerge, Irfan und Kemal Özer festgenommen am
16.03. zu Hause im Dorf Hanoglu, Distrikt Malazgirt. Urfa: Nazan Aysal Can,
Mitglied der Lehrergewerkschaft Egitim-Sen, festgenommen am 16.3. gegen 12:00
Uhr zu Hause im Distrikt Siverek. 27.03. Diyarbakir: Aziz Süer und Tahir
Altinsöz festgenommen am 23.03. Distrikt Bismil. 29.03. Mersin: Lütfü
Kizilkaya und Hasan Ali Bindal festgenommen am 22.03. im Rahmen der
Massenverhaftungen anläßlich der Newroz-Feierlichkeiten in Mersin. Diyarbakir:
Hatice Tekdag festgenommen am 22.03. bei den Newroz-Feierlichkeiten am
Cumhuriyet-Platz.

5. Verschleppt und getötet:
04.03. Diyarbakir: Mehmet Özdemir, der am 24.12.97 festgenommen wurde, wurde
am 1.3. in der Nähe des Dorfes Kevnecar (Alabal), Gemeinde Mermer tot
aufgefunden. 25.3. Südkurdistan: Mehmet Benek (65) und Ahmet Benek (50), die
bei einem Überfall der KDP`ler und türkmenischen Milizionäre am 3.3. auf das
Flüchtlingscamp Ninova in der Nähe der Stadt Mosul/Nordirak verschleppt
wurden, wurden am Newroz-Tag, dem 21.3. im von der KDP kontrollierten Dorf
Beasle tot aufgefunden. Die Körper der Verschleppten wurden auf bestialische
Weise gefoltert und zugerichtet: So wurden die Arme, Ohren abgeschnitten,
Augen ausgestochen. Die Köpfe wurden vom Rumpf entfernt und für die Belohnung
den türkischen Militärs als PKK`ler präsentiert. 27.03. Adiyaman: Hüseyin Cici
(15), der zuvor in der Kreisstadt Tut verschleppt wurde, wurde am 24.2.98 in
einem verlassenen Haus gefesselt tot aufgefunden. 30.03. Batman: Semsettin
Özcan (45), der am 14.1. in dem Lokal "Marmara" im Stadtteil Kültür
verschleppt wurde, wurde in der Nähe der pädagogischen Schule im Stadtteil 19
Mayis gefesselt tot aufgefunden.

6. Tote und Verletzte durch Minen- und Bombenexplosionen:
01.03. Siirt: Der Schäfer Ekrem Celik (13) wurde durch die Explosion einer
Handgranate schwer verletzt, die er am 27.2. in der Nähe des Dorfes Qewik
(kemerli), Distrikt Eruh, fand. 06.03. Mardin: In der Nähe des Distriktes
Mazidag trat Ramazan Yürek (23) am 3.3. auf eine Anti-Personenmine, auf dem
Weg zu seinem Weingarten. Dabei wurde er schwer verletzt. 12.03. Mardin: In
der Nähe des Dorfes Kismetli, Gemeinde, Kilavuz haben Kinder auf dem Feld eine
Handgranate gefunden, wo zuvor die Militärs stationiert waren. Bei der
Explosion der Handgranate wurden M. Ali Akinci (12) getötet und Lütfü Kacak
(12) sowie Hüseyin Akinci (13) schwer verletzt. 16.03. Diyarbakir: Auf dem
Müll der Internatsschule in Lice, welche als Militärstation benutzt wird,
suchten Kinder am 11.3. nach Metallresten. Dabei fanden sie ein
Artellerie-Geschoß, das dann explodierte. Dabei wurde Engin Ceylan (14)
getötet und Mehmet Karadag (13), Hüseyin Bogar (13) und Abdullah ? schwer
verletzt. 25.03. Van: Die von den Militärs auf den Spiel- bzw. Müllplätzen
hinterlassenen Bomben fordern immer mehr Tode unter der Zivilbevölkerung: Am
22.3. spielten Kinder auf dem Müll des Bataillon, wobei sie eine Handgranate
fanden, die dann explodierte. Dabei wurden Mugdat Usman (13) und Adnan Usman
(14) getötet und Ali Aktas (12) schwer verletzt.