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1998

Rubrik
Faschismus
Rassismus
Neue Rechte
 

BIFFF... Berliner Institut fuer Faschismus-Forschung
und Antifaschistische Aktion
Oranienstrasse 189
10999 Berlin
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Materialien zur Sekten-Enquetekommission XI:


Ein Teil der "Freireligioesen"-Sekte
der SPD-MdB Barnett und Pick
ist wegen der Nazi-Verbindungen jetzt doch
Gegenstand der Sekten-Enquetekommission
des Deutschen Bundestages

Fuer Rudolf Scharping geht es ploetzlich um alles oder nichts:
Barnett steht auf Platz 2 der SPD-Landesliste Rheinland-Pfalz
und damit l a n d e s w e i t bei der Zweitstimme a u f d e m W a h l z e t t e l. ---
Scharping steht auf Platz 1

Steigt die Presse erst auf das Thema ein, dann faellt die SPD in
Rheinland-Pfalz unter 20 Prozent: Die Spitzenkandidatin der SPD
zur Bundestagswahl und direkte Gegenkandidatin von
Bundeskanzler Helmut Kohl im Wahlkreis Ludwigshafen, MdB Doris
Barnett, und der langjaehrige SPD-Bundestagsabgeordnete Eckhart
Pick sind nicht nur Mitglied einer Sekte, die Adolf Hitler zum
Gott erklaerte - wir berichteten darueber -, die Sekte ist nun
auch indirekt zum Gegenstand der Enquete-Kommission "Sogenannte
Sekten und Psychogruppen" des Deutschen Bundestages geworden,
die einen Teil der "freireligioes-unitarischen Bewegung"
(Selbstbezeichnung) in ihrem Zwischenbericht erwaehnt.

Im Zwischenbericht der Kommission, Bundestagsdrucksache
13/8170, heisst es auf Seite 46: "Erste neuheidnische Gruppen
haben sich ebenfalls schon im ausgehenden 19. Jahrhundert
gebildet. Dies fuehrte etwa zur Gruendung der Germanischen
Glaubensgemeinschaft (GGG) im Jahre 1913, der deutschreligioesen
Gemeinschaft im Jahre 1911, und der Nordischen
Glaubensgemeinschaft im Jahre 1928. Diese Organisationen wurden
direkt nach dem II. Weltkrieg groesstenteils verboten,
konstituierten sich aber bereits in den 50er Jahren wieder neu:
So z. B. die Deutschglaeubige Gemeinschaft 1957; die Gylfiliten
Gilde 1976; der Armanenorden 1976; der Asgard Bund 1980 oder
die Arbeitsgemeinschaft naturreligioeser Staemme Europas (ANSE)
1989."

Alte Liebe

ANSE, GGG und "freireligioes-unitarische Bewegung": Man kennt
sich nicht nur fluechtig. Ueber Verbindungen der Deutschen
Unitarier" und der ANSE wurde schon frueher berichtet (vgl. P.
Kratz: Die Goetter des New Age, Berlin 1994), ueber eine
Verbindung des offiziellen Organs der Freireligioesen" - der
Zeitschrift "Wege ohne Dogma" - bis hin zur ANSE aus den 90er
Jahren berichteten wir kuerzlich - unwidersprochen. Gemeinsam
mit den "Deutschen Unitariern" und der "Germanischen
Glaubensgemeinschaft" gruendete der "Bund Freireligioeser
Gemeinden Deutschlands" (BFGD) nach dem II. Weltkrieg den
"Dachverband Deutscher Volksbund fuer Geistesfreiheit" (DVfG),
der heute "Dachverband Freier Weltanschauungsgemeinschaften"
(DFW) heisst und von den "Freireligioesen" und den "Deutschen
Unitariern" dominiert wird; die GGG wird von den
"Freireligioesen" selbst als Gruendungsmitglied des DVfG
angegeben.

"Freireligioese" berufen sich 1998 selbst auf die GGG-Szene

Doch damit nicht genug: Der Gruender der "Germanischen
Glaubensgemeinschaft" war der antisemitische Agitator Ludwig
Fahrenkrog. In "Wege ohne Dogma", Ausgabe Maerz 1998 (!),
berufen sich die "Freireligioesen" offen positiv auf den Nazi
Carl Peter als einen ihrer Stammvaeter; das "freireligioese"
Sektenzentrum im pfaelzischen Iggelbach traegt heute sogar seinen
Namen: Carl-Peter-Haus". Peter war ab 1934 Chef des Verlags
Ludwig Fahrenkrog, des Verlags der GGG, den er gleichzeitig zum
Verlag der "Freireligioesen" machte. Das haben die
"Freireligioesen" sogar selbst 1959 in ihrem Buch "Die
Freireligioese Bewegung. Wesen und Auftrag" geschrieben. Ihr
Stammvater Carl Peter, wie ihn der Religionswissenschaftler
Ulrich Nanko in seiner Dissertation (Marburg 1993) darstellt:
Mitglied der NSDAP, Vertrauter Reinhard Heydrichs, Bewunderer
des NSDAP-Reichstagsabgeordneten und Fuehrers des
antikapitalistischen Nazi-Fluegels Graf Reventlow, vorgesehen
als Bundesgeschaeftsfuehrer der nazistischen Deutschen
Glaubensbewegung" (DG), in die er die "Freireligioesen" fuehren
wollte. Wir stehen mit dem Fuehrer auf dem Boden des Dritten
Reiches. "Wir stehen in einem Deutschen Glauben, der seine
Richtlinien aus dem religioesen Erbgut des deutschen Volkes
nimmt", hiess es im Gruendungsbeschluss der DG, der gegen das
angeblich "verjudete" Christentum gerichtet war. Mit Zustimmung
Heydrichs erschien im Fahrenkrog/Peter-Verlag ab 1935 die
Zeitschrift "Deutsches Werden", in deren Lesekreise sich die
"Freireligioesen" sammelten. 1937 gruendete Peter mit Zustimmung
des Nazi-Staates die "Gemeinschaft Deutsche Volksreligion" als
Sammelorganisation der "Freireligioesen" und wurde ihr
Geschaeftsfuehrer. Ab 1945 war Peter dann Bundesgeschaeftsfuehrer
des BFGD.

Nationalsozialismus als "Kultur"

Chef der "Gemeinschaft Deutsche Volksreligion" (GDV) und
gemeinsam mit Peter Herausgeber von "Deutsches Werden" war
Ernst Bergmann, NSDAP-Mitglied seit den 20er Jahren, zeitweise
der fuehrende "Philosoph" des Nazismus und ein Hauptideologe der
Nazis im Kirchenkampf". Sein Buch "Die deutsche Nationalkirche"
wurde am 7. 2. 1934 gemeinsam mit Alfred Rosenbergs "Der Mythus
des 20. Jahrhunderts" vom Vatikan auf den Index gesetzt - kein
kleiner Feind des Christentums also. Carl Peter verlegte
Bergmanns Buecher, z. B "Die Geburt des Gottes Mensch" (1939;
d. i. die religioese Form des Herrenmenschentums; zentraler
Glaubensinhalt der "Freien Religion" ist bis heute die
angebliche Selbstgoettlichkeit ihrer Anhaenger) und "Nordisch-
Germanischer Glaube oder Christentum?" (1940); Peter und
Bergmann schrieben gemeinsam das Heft "Was will die
Gemeinschaft Deutsche Volksreligion" (1939). Bergmann hatte
schon 1933 sein Buch "Deutschland, das Bildungsland der neuen
Menschheit. Eine nationalsozialistische Kulturphilosophie"
herausgebracht.

"Blut und Boden" als "Religion"

Der Kirchenhistoriker Klaus Scholder schreibt in seinem Buch
"Die Kirchen und das Dritte Reich" (1985), das von der
Bundeszentrale fuer politische Bildung kostenlos verteilt wird,
Bergmann habe den Christen woertlich "Antigermanismus zugunsten
der Bibel und des Gottes Israels" vorgeworfen und in seinen "25
Thesen der Deutschreligion" von 1934 geschrieben, das Goettliche
sei in "der Natur- und Wirklichkeitswelt, in Blut und Boden,
Volk und Heimat, Nation und Vaterland" zu finden.

Eine klare Nazi-Tradition also, in die sich die
"Freireligioesen" 1959 und 1998 erneut selbst stellen. In dem
"Wege ohne Dogma"-Heft 3/1998, das die Bekenntnisse zu Carl
Peter enthaelt, schreiben auch s ae m t l i c h e "Pfarrer"
der "Freireligioesen" eine gemeinsame Erklaerung, in der sie
"Zugestaendnisse" an den Nationalsozialismus fuer richtig halten,
indem sie lediglich "ein 'Zuviel' an Zugestaendnissen"
kritisieren. Carl Peter kritisieren sie nicht. Wieviel
"Zugestaendnisse" darf's denn sein?

SPD-MdB Barnett, Pick, und ihre "Freireligioesen" auf Dummenfang

Wie die Zeitschrift "Wege ohne Dogma" - laut Impressum Organ
des "Bundes Freireligioeser Gemeinden Deutschlands" (BFGD), der
Organisation Barnetts, und Organ der "Freien
Religionsgemeinschaft Rheinland", der Organisation Picks -, so
versuchen auch Pick und Barnett in einer gemeinsamen Erklaerung
vom Maerz 1998 den Eindruck zu erwecken, als seien die
"Freireligioesen" von den Nazis verfolgt und verboten worden.
Was sie verschweigen: Schon 1933 erreichte Carl Peter die
Aufhebung eines voruebergehenden Verbots in Preussen und Heinrich
Himmler persoenlich wollte sich fuer die Gemeinde in Iggelbach
("Carl-Peter-Haus") einsetzen, so Nanko in seiner Dissertation.
1934 bekam auch die Nuernberger Gemeinde wieder "volle
Freiheit", Peter sammelte die "Freireligioesen" mit Heydrichs
Zustimmung ab 1934 um den GGG-Verlag, ab 1937 gab es die
Wiedergruendung "Gemeinschaft Deutsche Volksreligion". Warum
verschweigen Pick, Barnett, und ihre Sekte dies?

Verbots-Legende

Im Rahmen der Nazi-Intrigen und -Konkurrenzen wurde der BFGD -
dessen Vorstand nur noch aus vier NSDAP-Mitgliedern bestand,
darunter Peter, Bergmann und der SS-Standartenfuehrer Dr. Eckert
(so Nanko) - 1934 vom preussischen Innenminister Hermann Goering
fuer das Gebiet Preussens verboten, weil hier und da in BFGD-
Gemeinden angeblich SPD-Leute untergeschluepft waren. Schon 1937
gruendeten Bergmann und Peter die Organisation der
"Freireligioesen" als "Gemeinschaft Deutsche Volksreligion" neu
- diesmal SPD- und "judenfrei": "Ohne Belaestigung seitens der
Behoerden bluehte das Gemeindeleben wieder auf", schrieben die
"Freireligioesen" 1959 in ihrer Selbstdarstellung ueber die Zeit
nach 1937; sogar oeffentliche und "reichsweite" Tagungen der
Sekte waren moeglich: "Im Jahre 1942 fand in Berlin eine
Konferenz statt", so die Selbstdarstellung von 1959, in der
sich die ... Gruppen vereinigen wollten"; Carl Peter leitete
die Konferenz und berichtete von 40 aktiven Gemeinden und 78
"Stuetzpunkten" der angeblich - laut Barnett und Pick -
"verbotenen" Sekte, die in Wahrheit unter dem Schutz der SS
17.000 Mitglieder und ein riesiges Geldvermoegen hatte, wie
Peter damals mitteilte.

"Freireligioese" als Testamentsvollstrecker Goerings

Carl Peter - und in Mainz der Sektenfuehrer Georg Pick - hatten
den Willen Goerings vollstreckt und die "Freireligioesen" frei
von Juden, frei von Sozialdemokraten und anderen Linken
gemacht, die vor 1933 einen kleinen Fluegel innerhalb der
voelkisch ausgerichteten "Freien Religion" gebildet hatten. Nur
der rechte, voelkisch-nazistische Fluegel blieb unter Peters und
Picks Fuehrung uebrig. Welch ein Zynismus, wenn sich die
"Freireligioesen" heute auf die Opfer des Nationalsozialismus
berufen, die doch erst durch Peter und Georg Picks Ideologie
und durch ihr Zusammenspiel mit den Nazi-Machthabern in die KZ
kamen und dort ermordet wurden!

V.i.S.d.P.: P. Kratz, Dipl.-Psych., April 1998.