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online archiv 1998 Rubrik Faschismus Rassismus Neue Rechte |
Antifaschistische Nachrichten: http://www.infolinks.de/an/ VS-Agent und Rechtsextremist Bernd Schmitt hat eine neue Kampfsportschule in Solingen eröffnet Passend zum 5. Jahrestag des Brandanschlags von Solingen hat der "nachrichtenehrliche" Spitzenagent des NRW-Verfassungsschutzes Bernd Schmitt wieder eine neue Trainingsstätte in der Solinger Burgstr. 101 (Hinterhof) aufgemacht. Auf der antifaschistischen Demonstration anläßlich des 5. Jahrestages der Solinger Morde wurde vor knapp Tausend TeilnehmerInnen die sofortige Auflösung der Schule gefordert. So brisant und gefährlich können die Aussagen von Bernd Schmitt über die organisierte Naziszene nicht gewesen sein, daß er wieder öffentlich seinen braunen Kampfsport anbieten kann, ohne das er Übergriffe von Naziseite zu befürchten hat. Wuppertaler und Solinger AntifaschistInnen bereiten hingegen die antifaschistische Auflösung der neuen Wirkungsstätte von Bernd Schmitt vor. Eine erste Kundgebung vor den Haus wurde bereits auf der Demonstration am 30.5. versucht, aber polizeilich verhindert. Im folgenden veröffentlichen wir einen Redebeitrag von Frank Knocke von der Solinger Demonstration. Die Demonstrationsroute an diesem Ort vorbei wurde bewußt so festgelegt. Hier befindet sich der Sitz der Solinger Kreishandwerkerschaft der Bau-, Straßenbau- und Zimmererbranche. Einer der mächtigsten Männer dieses Interessenverbandes ist der Obermeister der Baugewerbe-Innung: Günther Kissel! Seit dem 9. September 1997 darf dieser Kissel gerichtsnotorisch legitimiert ungestraft "rechtsextremistischer Drahtzieher", "Auschwitzleugner" und "Volksverhetzer" genannt werden. Er hatte damals gegen die Zeitung für Emanzipation und Solidarität "Tacheles" - als deren Redakteur ich hier rede - Strafanzeige gestellt und den Prozeß vor dem Landgericht verloren. Auch auf die Gefahr hin, daß der größte Solinger Bauunternehmer jetzt erneut klagt: Günther Kissel ist nicht nur ein Holocaust-Leugner, ein rassistischer Volksverhetzer und einer der wichtigsten Finanziers der alten und neuen Nazis in diesem Land, Kissel ist ein geistiger Brandstifter und als solcher auch indirekt für den mörderischen Brandanschlag vom 29. Mai 1993 mit verantwortlich. Für mich ist der Umgang mit und die Haltung zu Kissel ein ganz entscheidendes Kriterium dafür, ob die Menschen dieser Stadt wirklich etwas aus dem hinterhältigen Brandanschlag vor fünf Jahren gelernt haben und bereit sind, Konsequenzen zu ziehen, oder ob mit feierlichen Gedenkreden, Mahn- und Diskussionsveranstaltungen, die von Jahr zu Jahr in der Öffentlichkeit weniger Resonanz finden, nicht kaschiert wird, daß der alte Geist von offener, halbherziger und heimlicher Toleranz gegenüber fremdenfeindlichen, rassistischen und neofaschistischem - kurz: menschenfeindlichem - Denken und Handeln weiter lebt und wuchert. Die Haltung zu Kissel ist deshalb ein Kriterium, weil es sich bei ihm um einen bekennenden Antisemit und Faschisten handelt, der als mehrfacher Millionär, größter Bauunternehmer und einstimmig wiedergewählter Vorsitzender der Baugewerbe-Innung Macht hat. Da kann doch nicht schon wieder, wie nach 1945 in der Entnazifizierungskampagne, nach dem Motto verfahren werden, wonach die kleinen Nazis gefangen und die großen laufengelassen werden. Wie aber soll die Ablehnung eines Bürgerantrags durch eine CDU/SPD/ FDP-Mehrheit im Stadtrat verstanden werden, wenn in diesem Bürgerantrag gefordert wird, den Firmen des Herrn Kissel keine öffentlichen Wohnungsbaufördermittel mehr zu geben, sie bei beschränkten Ausschreibungen nicht mehr zur Angebotsabgabe aufzufordern und keine Einladungen bezüglich der Bau-Innung mehr auszusprechen bzw. anzunehmen, solange Kissel als ihr Obermeister fungiert. Es hat in diesem Staat weit über 13.000 Berufsverbotsverfahren gegen linke Briefträger, Lokomotivführer, Lehramts- und Beamtenanwärter gegeben. Auch in dieser Stadt gab es diese gnadenlose und existenzvernichtende Hatz gegen sogenannte Linksextremisten, und vor allem die Partei, welche die Bezeichnung christlich in ihrem Namen trägt, setzt unter dem Deckmäntelchen der Totalitarismus-Theorie - wonach rechts gleich links ist - jetzt ihre blindwütige Hatz gegen Linke fort und toleriert, wie es schon immer so war, in Deutschland wie in Sachsen-Anhalt, also auch in Solingen, die extreme Rechte. Als wäre nichts geschehen, schütteln sie dem honorigen Bürger Kissel die Hand, geben ihm öffentliche Wohnungsbauförderungsmittel, würdigen seine unternehmerischen und arbeitsplatzschaffenden Fähigkeiten, weihen seine Häuser ein und gratulieren ihm brav zum Geburtstag. Dabei haben sie vergessen, oder lassen es sich sogar gefallen, daß sich Kissel weigerte, eine mit öffentlichen Mitteln gebaute Seniorenwohnanlage nach dem Namen der israelischen Partnerstadt Solingens Ness Ziona zu benennen. Die Krone der Geschmacklosigkeit war jedoch die Vergabe des Erweiterungsbaus der Geschwister-Scholl-Schule an die Firma Kissel Rapid - trotz massiver Proteste der Schüler, die nicht in einer Schule lernen wollten, die von jemandem gebaut wird, der es beschämend findet, daß das Vaterland es der Waffen-SS nicht gebührend dankt, daß diese den höchsten Blutzoll im Kriege zahlen mußte. (Zitat Leserbrief Kissel im Solinger Tagblatt, 29.6.97) Es hat sich nicht viel geändert, vor und nach dem Brandanschlag. Im Gegenteil: Die Stimmung der Intoleranz und Fremdenfeindlichkeit ist noch viel schlimmer geworden in dieser Stadt. Und es tröstet mich wenig, daß dies auch anderswo passiert. Zwei kleine Beispiele: Wer sich auf offiziellen Empfängen der Kreishandwerkerschaft weigert, dem Volksverhetzer und Auschwitzleugner Kissel die Hand zu geben, wird zu einer unerwünschten Person erklärt und höflich gebeten, die Veranstaltung zu verlassen. Wer an einem Wochenende anläßlich des dritten Jahrestages des Brandanschlags einen Baukran der Firma Kissel besetzt und dort ein Transparent mit der Losung "Kein Geld für Faschisten" aufhängt, wird wie ein Schwerverbrecher behandelt und zu Geldstrafen verurteilt. Wenn jedoch wie am 27.9.1997 etwa 10 Neonazis unmittelbar in der Nähe der Unteren Werner Straße, dem Ort des Brandanschlages, ein Lagerfeuer anzünden und rechtsextreme Parolen und Lieder skandieren, wenn am 19.12.97 ca. 40 Neonazis prügelnd durch Solingen-Ohligs ziehen, dann hält es die örtliche Polizeiführung noch nicht einmal für nötig, die Öffentlichkeit darüber zu informieren. Für mich stehen die Leute, die Kissels Baukran besetzt hielten - auch wenn die Zeiten nicht vergleichbar sind - in der demokratischen Tradition der Geschwister Scholl und des antifaschistischen Widerstandes, und es ist schon bezeichnend, wenn Gerichte im Namen des Volkes solche Zivilcourage bestrafen, während ein geistiger Brandstifter, Auschwitzleugner, Kriegs- und SS-Verherrlicher, Antisemit und Volksverhetzer wie Herr Kissel als ein honoriger Mitbürger behandelt wird. |