online
archiv
1998
Rubrik
Faschismus
Rassismus
Neue Rechte |
aus *UZ* Unsere Zeit, Zeitung der DKP, Nr. 23 Interview mit Peter Wegner und Peter Gingold
Vor dem Kongreß der VVN/BdA
Am Rande des 14. Parteitages sprach die UZ mit Peter
Wegner aus Berlin, der als VVN-Bundessprecher Gast auf
dem Parteitag war, und Peter Gingold, VVN- und
DKP-Mitglied, über die Rolle des Antifaschismus auf dem
Parteitag und die Aufgaben von Antifaschistinnen und
Antifaschisten heute.
UZ: Hätte der Bereich Antifaschismus eine
größere Rolle
auf dem 14. Parteitag der DKP spielen müssen?
Peter Wegner: Ich bin hier Gast auf diesem Parteitag
und
fand ihn erstmal sehr interessant und habe ihn auch sehr
interessiert verfolgt. Mag sein, Antifaschismus hat hier
nicht die herausragende Rolle gespielt. Aber wenn man
weiß, daß die DKP von antifaschistischen
Widerstandskämpferinnen und -kämpfern und Verfolgten
gegründet wurde, dann weiß man eigentlich auch, daß der
Antifaschismus ein Bestandteil ihrer Arbeit ist. Das hat
sich auch in vielen einzelnen Beiträgen
wiedergespiegelt. So auch in der Resolution zur
Solidarität mit den Antifaschistinnen und
Antifaschisten, die Opfer der neuerlichen
Hausdurchsuchungswelle im Zusammenhang mit der
Antifaschistischen Aktion in Passau waren, und in dem
Wahlbeschluß.
Peter Gingold: Soweit ich den Rechenschaftsbericht und
auch die Diskussion in Erinnerung habe, da stand der
Antifaschismus oft im Mittelpunkt. Im Referat von Heinz
Stehr und auch in einigen Diskussionsbeiträgen, ging es
auch um die Sorge über die Rechtsentwicklung in unserem
Land. Vor allem im Zusammenhang mit dem Sozial- und
Demokratieabbau, dem scheibchenweisen Abbau von sozialen
und demokratischen Errungenschaften. Insofern spielte
der Antifaschismus schon eine große Rolle auf dem
Parteitag.
UZ: Durch den fortschreitenden Rechtstrend und
durch
deutlich stärkere Aktivitäten von Neofaschisten wachsen
die Anforderungen an Antifaschisten. Wie können wir
diesen Anforderungen nachkommen?
Peter Wegner: Das ist die Frage, die momentan sehr
schwer zu beantworten ist. Es vollzieht sich meines
Erachtens momentan wirklich in einer ungeheuren
Schnelligkeit ein Aufschwung der Rechten - gerade auch
bei Jugendlichen. Wir haben in der letzten Zeit auch
massive Bedrohungen von VVN-Funktionären gehabt. Um
Berlin herum und auch in Berlin selbst, also nicht nur
in den Außenbezirken, was früher immer so gang und gäbe
war, existiert ein extrem braunes Umfeld.
Neofaschistische Gruppen treten immer aktiver auf. Ich
denke, dagegen hilft nur eins, daß sich die
antifaschistischen Kräfte aus den unterschiedlichen
linken Strömungen zusammenschließen, um eine Strategie
zu entwickeln, wie man dagegenhalten kann. Die VVN, die
natürlich das Potential von antifaschistischen
Widerstandskämpfern hat, kann diese Arbeit in dieser
Situation nicht alleine leisten.
UZ: Müssen Kommunistinnen und Kommunisten
stärker als
bisher in die antifaschistische Bewegung eingreifen?
Peter Gingold: Ich denke, daß es für Kommunisten
garnichts Wichtigeres gibt, als gegen diese Entwicklung,
die wir jetzt erleben, einzutreten. Wenn ich an Saalfeld
denke, an den Aufmarsch der Neonazis in Leipzig, die
Ergebnisse der Wahlen in Sachsen-Anhalt und die
Tatsache, daß es allein in einem Jahr 11 000
rechtsextremistische Straftaten gegeben hat und über 1
000 rassistische Gewaltanschläge, dann haben die
Kommunisten eine ganz große Aufgabe, alles zu tun, um
dieser Entwicklung entgegenzutreten. Das hängt auch mit
ihrer antifaschistischen Tradition zusammen, da sind
gerade die Kommunisten gefordert. Ob das ausreichend
ist? Ausreichend ist es nie, würde ich sagen. Wir müssen
das auch in Relation unserer Möglichkeiten und unserer
Kraft, die wir momentan haben, sehen. Soweit ich das
immer wieder erlebe, ist die DKP und sind Kommunisten
dabei, wenn Initiativen gegen die Zusammenrottung von
Nazis - unabhängig von der DKP, zum Beispiel bei
Autonomen - entstehen. Dabei spielen wir auch eine
gewisse mobilisierende Rolle.
UZ: Die VVN hat mit ihrem "Appell an die
Jugend" und der
angestrebten Staffettenübergabe einen Schritt gemacht,
der meines Erachtens eine richtige Antwort auf diese
Entwicklung ist. Geht die Arbeit mit der Jugend in der
VVN voran?
Peter Wegner: Das ist regional sehr unterschiedlich.
Es
hat regional durchaus kleine Erfolge gegeben, wo jüngere
Antifaschistinnen und Antifaschisten zur VVN gekommen
sind. Das ist aber wirklich noch nicht der Durchbruch.
Wir brauchen unbedingt junge Leute, damit die
Staffettenübergabe tatsächlich stattfinden kann. Wir
haben vom 12. bis zum 14. Juni in Braunschweig unsere
Bundeskonferenz. Ein Teil dieser Konferenz wird erstmals
die Arbeit im antifaschistischen Bereich mit
Jugendlichen ausmachen. Jugendliche werden dort über
ihre Arbeit diskutieren können. Sie werden ein kleines
Lager aufschlagen und wir hoffen, daß dort Jugendliche
aus der Umgebung, also aus Niedersachsen, aber auch die
VVN-Gruppen mit Jugendlichen, die es zum Beispiel in
Baden-Württemberg tatsächlich gibt, über ihre
Erfahrungen diskutieren.
UZ: Kannst du noch etwas mehr über die Inhalte
auf dem
bevorstehenden Kongreß sagen?
Peter Wegner: Unser Kongreß steht unter dem Motto
"Zukunft Antifaschismus". Dieses Motto steht also schon
im direkten Zusammenhang mit der Gewinnung von
Jugendlichen. Ein Schwerpunkt des Kongresses wird aber
auch der Bundestagswahlkampf sein. Wir wollen zum
Bundestagswahlkampf mit Aktionen und Material an die
Öffentlichkeit treten. Wir haben eine Flugblattserie, wo
antifaschistische Widerstandskämpfer und die jüngere
Generation gemeinsam erklären, warum man keine
Neofaschisten wählen soll. Dazu wird es auch Plakate
geben. Natürlich werden wir auf dem Kongreß auch die
gegenwärtige Situation analysieren und über unsere
weitere Arbeit diskutieren.
(Die Fragen stellte Wera Richter) |