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1998

Rubrik
Faschismus
Rassismus
Neue Rechte
 

Henning Flad
Biologismus und Menschenfeindlichkeit
.
Aus: Bochumer StudentInnen Zeitung Nr. 488 Freitag, 17. April 1998


In Teilen der Ökologiebewegung macht sich gefährliches Gedankengut
breit. Militante Tierschutzgruppen machen immer häufiger
Schlagzeilen. Immer wieder werden Tiere aus Schlachthöfen "befreit",
Jagdhochsitze angesägt, und Brandanschläge auf Tierversuchslabore
verübt. Für eine "vegane" Lebensweise, gegen die Ausbeutung von Tieren
wird geworben. Von den Akteuren wird dies damit begründet, Tiere zu
töten sei genauso schlimm wie das Töten von Menschen. Doch nicht nur
"vegane Tierrechtsgruppen", sondern auch Prominente wie der Theologe
Eugen Drewermann oder die Journalistin Alice Schwarzer treten für die
Rechte von Tieren ein. Was steckt wirklich dahinter?

Veganismus ist eine radikalisierte Forrn des Vegetarismus. Nicht nur
das Essen von Fleisch, sondern jeglicher Konsum von tierischen
Produkten wie Milch oder Honig sei abzulehnen, da dies immer mit der
Tötung oder Ausbeutung von Tieren verbunden sei. Begründet wird dies
damit, daß Tiere ebenso wie Menschen leidensfähig seien, und deshalb
kein moralischer Unterschied zwischen Menschen und Tieren gemacht
werden könne. Systematisch wird von veganen Tierrechts-Gruppen die
Grenze zwischen Mensch und Tier angegriffen und dazu aufgerufen,
Mensch und Tier als gleichwertig anzusehen. Alles andere sei
"menschliches Herrenmenschendenken" und "Arroganz". Das
anthropozentrische (den Menschen in den Mittelpunkt stellende)
Weltbild sei "speziezistisch", genau so schlimm wie
z.B. Rassismus. Bei derartige Denken kann es nicht verwundern, daß
Hühnerlegefabriken und Schlachthöfe von Tierrechtsgruppen immer wieder
als "Tier-KZs" bezeichnet werden, eine unerträgliche Relativierung des
Holocausts. Und in der Tat, wer Menschen in seinem Denken nicht in den
Mittelpunkt stellt, müßte beispielsweise die Bekämpfung einer
Heuschreckenplage als etwas genauso Schlimmes wie das massenhafte,
fabrikmäßige Morden in Auschwitz ansehen. Mit der Ablehnung eines
anthropozentrischen Weltbildes wird die moralische Schranke für das
Töten von Menschen entscheidend abgesenkt.

Das hat Konsequenzen: In der veganen Zeitung "instinkte" wurden
Menschen bejubelt, die Gullideckel von Brücken aud fahrende Autos
geworfen hatten. Selbst der US-amerikanische "UNA-Bomber", ein von
technik- und zivilisisationsfeindlichen Ideen bessener Mann, der an
technische Einrichtungen und Universitäten Dutzende von Briefbomben
verschickt hatte, was mit vielen Verletzten und auch einigen
Todesfällen verbunden war, fand in der Zeitschrift "Die Eule"(1/1995)
Anklang. In der gleichen Ausgabe dieses Blattes findet sich auch ein
Comic, der die systematische Tötung von Autofahrern als Lösung für das
Problem der Luftverschmutzung propagiert. Und in einem von einer
veganen Gruppe aus dem Ruhrgebiet verteilten "Tierrechtsleitfaden"
finden sich als Nachwort die Sätze: " An die ZweiflerInnen, die
Teilnahmslosen und diejenigen, die es besser machen würden, wenn sie
den Willen dazu hätten. Wisset diese eine Wahrheit: Dadurch, daß Du
dein Leben durch das Leid anderer bestreitest, wäre es für diese Welt
besser, wenn du stirbst." Derartige Selbstüberhöhung und
Sendungsbewußtsein sind in der veganen Szene durchaus üblich. Anfang
Juni 1996 fand in Frankfurt eine Demonstration gegen Tierversuche
unter dem Motto "Kreuzzug (!!!) für die gequälten Versuchtiere"
statt. Zentrales Problem auf der Erde sind in dieser kruden Ideologie
die Menschheit und die Zivilisation als solche. So schreibt die Gruppe
"earth first" in ihrer Selbstdarstellung: "Der Mensch ist einzige
Wesen, das in maßloser Gier und Unverständnis unter all den Lebenden
gewütet hat und nach mehr griff, als ihm zusteht. (...) Diese Schuld
hat sich die Menschheit kollektiv aufgeladen. Reiche und Mächtige
teilen sie.mit all ihren Unterdrückten." Geworben wird im gleichen
Text auch für das Zerstören von "Maschinen und
Autos". Gesellschaftliche Konflikte und z.B. ökonomische Ursachen von
Umweltzerstörung werden als unwichtig erklärt und "die wilde
untereinander verbundene Gemeinschaft, die Wildnis, der Lebensfluß,
der nicht durch industrielle Störung oder menschliche Anmaßung
behindert werden darf" mystifiziert.

Zu einem anthropozentrischen Denken kann es keine rationale Alternative geben. Die Frage, ob z.B. die Natur zerstört ist oder
nicht, läßt sich eben nur vom Standpunkt eines bestimmten Lebewesens
aus klären. "Gesetzt den Fall, eine Stubenfliege vermöchte sich eine
Meinung über ihre Umwelt bilden(...), so würde die Stubenfliege das
Fehlen faulenden Fleisches in der Stube als existentielle Zumutung
empfinden und von ordentlichen ökologischen Verhältnissen erst wieder
reden mögen, wenn sich die Katze unter dem Sofa.erbricht und damit
eine Fülle von Nahrungsressourcen verfügbar macht". (Jürgen Dahl in Natur, Nr. 12/1982). Zudem müssen immer wieder Entscheidungen zwischen dem Wohlergehen von Menschen uad Tieren getroffen werden. Hier kann es immer nur eine Möglichkeit geben. Ökologische Politik, die das Wohlergehen des Menschen nicht zum Maß aller Dinge macht, muß in Esoterik, ökodikatorischen Vorstellungen oder schlimmstenfalls sogar Massenmorden enden.

Dieser Text wurde nicht im redaktionellen Konsens
mit der Bochumer StudentInnen Zeitung veröffentlicht