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1997

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Internet
Solidarität mit Angela Marquardt!

Kurzbericht von der Gerichtsverhandlung am 4.2.

Staatsanwalt forderte selber Freispruch, weil ihm die Argumente ausgingen

Berlin/4.2.1997/ Sozusagen in letzter Minute hatte sich das Gericht auf die Sichtweise von Angela Marquardt und ihrem Rechtsanwalt eingelassen, daß der "Internetkomplex" (Radi-Link) und das Wochenpostinterview nicht in ein Verfahren gehören und diesen Teil abgetrennt und auf Juni 1997 vertagt. Mit einer Stunde Verspätung begann im größten Gerichtssaal der Moabiter Strafgerichts heute die Verhandlung gegen Angela Marquardt. An die 100 Leute hatten nicht in den kleinen B 131 gepaßt, und da es bei einem guten deutschen Gericht ordentlich zugehen muß, dauerte der Umzug nun mal eine Stunde.

Der Staatsanwalt, der grad eben sein buntes Partyjäckchen gegen die schwarze Robe getauscht hatte, begründete die Notwendigkeit der Anklage auf Billigung von Gewalt im Zusammenhang mit politischen Auseinandersetzungen mehr als dünn. Er griff sich aus dem Wochenpostinterview eine(!) Frage heraus, die sich vermeindlich auf den damals acht Monate zurückliegenden Brand bei der Jungen Freiheit bezog, und konfrontierte sie mit einem(!) Antwortsatz ("Ich halte es für legitim, daß die Junge Freiheit nicht gedruckt wird.") Sodann setzte er alle Hoffnungen auf die Beweisaufnahme.

Die Beweisaufnahme verlief jedoch ganz entgegen seinen Erwartungen. Frank Hauke, der damalige Wochenpost-Journalist, begleitet von drei Bodyguards, machte trotz seiner verbalen Eloquenz, eine denkbar schlecht Figur in Sachen "Zeuge der Anklage". Aus seinem Redeschwall blieb nur die mehr als banale Erkenntnis übrig, daß das gesprochene Wort immer etwas anderes ist als das geschriebene und das geschriebene stammte halt von ihm und nicht von Angela Marquardt.

Nils Kaiser, der Mitarbeiter von Angela Marquardt, bestätigte im Rahmen seiner Zeugenvernehmung, daß er aufgrund der damals üblichen Arbeitsteilung den Interviewtext authorisiert habe und nicht Angela Marquardt. Auf Nachfrage durch den Verteidiger machte er dann deutlich, daß er die Vorlage an vielen Stellen hätte inhaltlich entscheidend redigieren müssen, weil Hauke versucht habe, Positionen einzubauen, die Angela Marquardt so nie vertreten hatte. Andererseits wies er daraufhin, daß die vom Staatsanwalt inkriminierte Textstelle von ihm nicht verändert worden sei, weil ihm im Kontext des Gesamtinterview eine derartige Interpretation, es handele sich um Billigung von Gewalt, nie gekommen sei.

Da dem Staatswalt sukzessive die Argumente ausgingen, weil jene eigentümliche Interpretation dieser Textstelle offensichtlich nur ihm allein nachvollziehbar blieb, schmiß er, juristisch verklausuliert, das Handtuch und plädierte selber für Freispruch. Das anwaltliche Plädoyer schloß sich dem an - zugleich machte aber der Rechtsanwalt deutlich, daß es ein juristischer Schmarren sei, überhaupt von "Billigung" zu reden, wo die Straftat fehle. Fakt war nämlich, daß die BAW-Ermittlungen über den Brand bei der Jungen Freiheit keinerlei Hinweise auf eine Straftat gebracht hätten.

In ihrem Schlußwort verteidigte Angela Marquardt nochmal expressis verbis, daß sie die Motive derer, die Gewalt zur Bekämpfung des Rechtsextremismus einsetzen, billige. Dagegen billige sie keinesweg die Gewaltausübung, sondern lehne solche Methoden ausdrücklich ab.

Nachbemerkung: Die Kosten des Verfahrens trägt die Staatskasse. Wäre es in diesem Fall nicht sinnvoller - gerade in der Zeit der knappen öffentlichen Haushalte - die Kosten vom Gehalt des Staatsanwalts abzuziehen?