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1997

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1.Mai

1.Mai in Zürich

Was Isaac Velazco in Zürich nicht hätte sagen dürfen...

(Übersetzung)

Liebe Genossinnnen und Genossen, Freundinnen und Freunde!

Zur Feier dieses 1. Mai möchte ich all jene begrüssen, die als Arbeiterinnen und Arbeiter, als Angestellte und Berufsleute entschlossen sind, Widerstand gegen ein unmenschliches kapitalistisches Modell zu leisten: den Neoliberalismus.

Die Ideologien seien überholt, heisst es, und die Demokratie habe den sozialistischen Totalitarismus endgültig besiegt. Doch gerade heute zeigt sich ganz offensichtlich, dass ;der Widerspruch zwischen gesellschaftlicher Arbeit und individuellem, privatem Profit alles andere als verschwunden ist. Der Neoliberalismus verschärft diesenWiderspruch, indem er die Reichen immer reicher macht, und Millionen von Menschen auf der ganzen Welt in immer tiefere Armut stürzt.

Der Neoliberalismus kennt keine Grenzen. Mehr oder wenigerausgeprägt und mehr oder weniger brutal beherrscht dieses Wirtschaftssystem heute die ganze Welt, die Länder des Südens und des Nordens.

Vor mehr als einem Jahrhundert begannen Arbeiterinnen und Arbeiter, dem Kapital soziale Rechte abzuringen. Der Kampf um den 8-StundenTag schuf Bewusstsein und verstärkte die Organisation unter d e n Arbeitenden. Aus dem Stellen von einzelnen Forderungen wurde ein politischer Kampf gegen die Ausbeutung und den Widerspruch zwischen Arbeit und Kapital.

In Peru begann der Kampf um den 8-Stunden-Tag 1906, mit den Hafenarbeiter.von Puerto de Callao. Sie erreichten dieses Ziel zwei Jahre später Die Arbeiterbewegung umfasste bald verschiedenste Produktionssektoren. Aus der Bewegung der Bäckerei- und Textilarberterlnnen entstand die Peruanische Gewerkschaftsföderation CGTP. Ihr Gründer war Amauta José Carlos Maridtegui, ein hervorragendenr Lehrer und einer der ersten sozialistischen Denker inPeru und Lateinamerika.

Die Gewerkschaft in der Textilfabrik CROMOTEX tat sich besonders hervor. Als die Besitzer beschlossen, die Fabrik in Konkurs zu schicken, um damit die Gewinne zu sichern ohne den Verpflichtungen gegenüber den Arbeiterinnen und Arbeitern nachkommen zu müssen, beschloss die Gewerkschaft die friedliche Besetzung der Fabrikarreals. Es kam zu monatelangen Verhandlungen zwischen Gewerkschaft und dem Unternehmen, die jedoch zu keiner Lösung führten.

Am 4. Februar 1979 liess das Unternehmen das Arreal unter Polizeieinsatz stürmenmj. 6 Besetzer wurden dabei ermordet, ein Polizist kam beim Sturz aus dem 2. Stock des Gebäudes ums Leben. Arbeiterlnnenund Gewerkschftsführer wurden verhaftet. Sie wurden angeklagt, die Ordungskräfte angegriffen und einen Polizistenumgebracht zu haben. Unter ihnen befand sich Nestor Cerpa Cartolini. Nach 8 Monaten mussten Cerpa und die anderen Inhaftierten auf Druck von der Strasse freigelassen werden.

Das brutale Vorgehen gegen die friedliche Besetzung der Fabrik, mit der nicht mehr als die legitimen Rechten der Arbeiterlnnen gefordert wurden, zeigte Cerpa, dass diese Rechte nicht allein durch die Gewerkschaft, das heisst nicht einzig mit friedlichen und legalen Mitteln, durchgesetzt werden können. Der peruanische Staat hatte nicht gezögert, Gewalt gegen die Gewerkschaft anzuwenden. Vor diesem Hintergrund wurde Cerpa zum Revolutionär, der sich dem peruanischen Staatsterrorismus ebenfalls mit der Waffe entgegenstellt, um dadurch für die Menscherwürde aller Peruanerinnen und Peruaner, ihren Zugang zu Bildung, Gesundheit und Kultur und soziale Gerechtigkeit einzustehen. Für Nestor Cerpa und seine Compaiieras und Companeros war die Gewalt nicht das Ziel, sondern ein Mittel zur Durchsetzung der legitimen Rechte. In Ihrem über 15 Jahre dauernden Kampf war es der MRTA ein grosses Anliegen, die Genfer Bürgerkriegskonvention zum Schutz der Zivilbevölkerung und den Umgang mit Gefangenen und Verletzten genau einzuhalten.

1987, anlässlich der: Besetzung von Juanjui im peruanischen Dschungelgebiet, hat Nestor Cerpa Cartolini sämtliche Gefangenen und Verletzten den medizinischen und kirchlichen Behörden übergeben. Unter den Gefangenen befand sich auch der Offizier und Sohn des berüchtigten Chefs der Nationalen Direktion gegen den Terrorismus, John Caro.

1991 brachte er nach einer bewaffneten Auseinandersetzung mit der nationalen Polizei in Rioja alle 9 Gefangenen in den Gewahrsam des örtlichen Bischofs. Nestor Cerpa Cartolini forderte die peruanische Bevölkerung in Fernsehansprachen immer wieder dazu auf, die Genfer Konvention und die Menschenrechte zu beachten.

Mit der Besetzung der japanischen Botschaft am 17. Dezember 1996 führte Cerpa zum einen der ganzen Welt die Logik des bewaffneten Kampfes vor Augen; andererseits zeigte er aber auch den Irrsinn eines Wirtschaftssystems, das für die Rentabilität des Kapital mit Gewalt gegen die gesamte Bevölkerung vorgeht. Die Botschaftsbesetzung rückte die Folgen und Mechanismen des neoliberalen Modells ins Blickfeld derWeltöffentlichkeit: Das Elend des Grossteils der Bevölkerung durch die rücksichtslose Ausbeutung der menschlichen und natürlichen Ressourcen zugunsten der raschen Bereicheruniz einer verschwindendkleinen, mit dem transnationalen Kapital verbundenen Bevölkerungsgruppe.

Die Botschaftsbesetzung vom 17. Dezenber zeigte den Irrsinn des neoliberalen Wirtschaftssystems, für dessen Durchsetzung Staststerrorismus, Folter, aussergerichtliche Verurteilungen, Morde und den Einsatz von Todesschwadronen nötig sind.

9.000 Frauen und Männer sitzen unter unmenschlichen Bedingung in peruanischen Gefängnissen, weil sie sich gegen dieses System zur Wehr gesetzt haben.

Am 22. April 1997 wurde das Botschaftsgelände auf japanischem Boden gestürmt, alle Mitglieder des Kommandos wurden umgebracht. Damit sollte diesem skrupellosen kapitalistischen Modell, dem Neoliberalismus, in der Welt einmal mehr Nachachtung verschafft werden.

Daran müssen wir am heutigen Internationalen Tag der Arbeit denken!

Es leben der 1. Mai und die Internationale Solidarität

Isaac Velazco, Vertreter des MRTA in Europa