Quelle: Interim Nr. 488 Ladenkollektiv politik+rausch zum Vorwort der Interim Nr. 485 vom 7. Oktober 1999:
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Wohin mit den Vergewaltigern?Im Vorwort der Interim 485 wird unser Text "Dickicht ringsum..." von der Redaktion der Nummer 485 [im Folgenden: "Redaktion"] für eine Positin vereinnahmt, die nicht die unsere ist. Die Redaktion schreibt zur zweiten Erklärung der "Schlagt-die-Sexisten-wo-ihr-sie-trefft-GmbH" [im Folgenden: "GmbH"]: "Ein hoffentlich letztes Wort sei unsererseits den Frauen und Lesben der schlagenden Fraktion [d.i. die "GmbH"] hinterhergerufen. An einer Stelle haben wir mit euch Konsens: Welche dermaßen dogmatisch mit dem Holzhammer agitieren (und mit der Gaspistole vorgehen) wie ihr in der letzten Ausgabe und praktisch alle gemischtgeschlechtlichen Gruppen zu aktiven Täterschützern deklarieren, brauchen sich nicht mehr in einem gemischtgeschlechtlichen Heft zu Worte zu melden. (An dieser Stelle verweisen wir auf den Beitrag des Ladenkollektivs "Politik und Rausch"). Insofern gehen wir davon aus, daß sich die verschiedenen Beiträge auf diejenigen beziehen, die ein echtes Interesse an Diskussionen über antipatriarchale Politik auch mit gemischten Gruppen haben. Dafür steht die Interim selbstverständ- [bricht hier ab]"
Der Tonfall dieses Absatzes ist recht erfrischend: Inzwischen kann auch in einem Interimvorwort zu diesem Komplex mal scharfe Kritik an einem FrauenLesbenzusammenhang formuliert werden, ohne diese in eine "Ja, aber..." Formulierung verpacken zu müssen. Nun kommt es darauf an, wie/womit dieser Diskussions-Freiraum gefüllt wird (s.u.). Und wir können der "Redaktion" nachfühlen, daß sie nur zu gerne nicht mehr in die Verlegenheit gebracht würde, Texte wie der der "GmbH" veröffentlichen zu müssen. Aber: Die "GmbH" und ähnliche werden auch weiterhin in der gemischt-geschlechtlichen Szene agieren/agitieren und dabei nicht selbstgenügsam auf die Möglichkeit verzichten, in der Interim zu veröffentlichen. Selbst wenn sich die "GmbH" tatsächlich nicht mehr zu Wort meldete, hielten wir da Auftreten der "Redaktion" dennoch für politisch falsch, weil es
a) die "GmbH" einfach aus der Verantwortung entläßt,
b) die realen Widersprüch in der autonomen Szene nicht wahrnimmt und
c) ohne inhaltliche Begründung hier zwar zufällig die Richtigen erwischt, aber keine Kriterien für andere, frühere oder spätere Fälle
bietet.a) Die Aktion der "GmbH" bezog sich auf einen gemischt-geschlechtlich öffentlichen Raum, betraf eine gemischt-geschlechtliche Szene und vor dieser muß sie sich rechtfertigen. Auch der "GmbH" können wir nachfühlen, daß sie sich in dieser Situation lieber aus der Konfrontation, in die sie sich (nicht erst mit dieser Aktion) begeben habt, zurückziehen und politisch nur beschränkt haften will. Das ist mit einer trotzigen Geste immer leicht möglich. Wir halten es aber nicht für politisch sinnvoll, sie auf diese Weise davon kommen zu lassen.
Das Flugblatt der "schnarups" forderte die "GmbH" ganz unmittelbar zu einer direkten Diskussion auf, läßt die "GmbH" also nicht nicht ohne jede Rechtfertigung für ihre Aktion davon kommen - und genau darin liegt die Stärke des Flugblatts. Es scheint gewirkt zu haben: Die zweite Erklärung der "GmbH" ist unseres Erachtens eine Reaktion auf das Flugblatt der "schnarups": Sie erschien erst nach dem Flugblatt der "schnarups" (wenn sie auch in der Interim in anderer Folge auftauchen) und geht inhaltlich auf das Flugblatt ein. Die erklärungen der "GmbH" und die mit ihr sympathisierenden Texte sind Teil dieser Debatte und müssen dieser Debatte wegen veröffentlicht werden. Und weil diese Debatte eine gemischt-geschlechtliche Szene angeht, muß sie auch in einem gemischt-geschlechtlichen Blatt veröffentlicht werden. Wir fänden es also besser, wenn die "GmbH" und ihre FreundInnen in die Pflicht genommen würden, statt erleichtert aufzuatmen, wenn sie sich der Auseinandersetzung entziehen.b) Die Interim erfüllt eine positive Funktion, wenn sie die Debatten in der Szene wiedergibt und dadurch mit ermöglicht. Und gerade die gegenwärtigen beiträge zeigen sehr deutlich, daß es in Fragen von Geschlechterverhältnissen, Sexismen und Patriarchat in der autonomen Szene auf unabsehbare Zeit völlig konträre Lager geben wird, die in weiten Teilen gegensätzlicher Auffassung sind und/oder aneinander vorbeireden. Und niemand hat die Legitimation, zu entscheiden, was nun die wahrhaft autonome Position in dieser Frage ist und also noch in die Interim kommt und was nicht.
c) Die "GmbH" aufzufordern, sich nicht mehr in gemischt-geschlechtlichen Blättern zu Worte zu melden, halten wir daher für falsch und nicht begründbar. So nett es auch ist, in einem Interimvorwort positiv gewürdigt zu werden: In diesen Kontext wollen wir nicht gestellt werden.
"Dickicht ringsum..." vertritt an keiner Stelle die Position, die "GmbH" möge sich nicht mehr äussern. Wenn die "Redaktion" solches vertreten will, dann soll sie es auch begründen. Andernfalls besteht die Gefahr der Beliebigkeit, d.h. der oben angesprochene Diskussions-Freiraum kann natürlich auch mit Interimredaktionenwillkür oder Antifeminismus oder schlimmerem gefüllt werden.Im Übrigen sind wir der Meinung, daß die Interimredaktionen "kontroverse" Texte zu dieser Thematik "selbstverständ-" drucken müssen, statt sie "selbstverständ-" im Ordner verschwinden zu lassen (in dieser Debatte wieder geschehen). Alles andere wäre politisch so sinnlos, wie der Versuch einen Gebirgsbach in Handschellen zu legen.
Die "Kritik an der Zittauer Frauen-Resolution" von "Stefanie und Uschi" (Interim 486, S. 8-11) diskutieren!
Berlin, 11.11.99: Ladenkollektiv politik und rausch
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