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KOMMUNISTISCHE STREITPUNKTE - Zirkularblätter - Nr. 8 - 04.08.2004 - Onlineversion

Klaus Braunwarth

Konspekt zu

PROJEKT KLASSENANALYSE:

ZUR DEBATTE ÜBER DAS SYSTEM DER KRITIK DER POLITISCHEN ÖKONOMIE IN DER UDSSR

Rubins Interpretation der Marxschen Theorie

(in: Dialektik der Kategorien, Westberlin 1975, S. 137 - 190)



Vorbemerkung: Das PKA versucht in diesem Aufsatz den Beitrag Rubins zu einem angemessenen Verständnis der Marxschen Kritik der Politischen Ökonomie insgesamt zu würdigen und bezieht sich dabei auch auf Texte von ihm, die wir in unserer Diskussion nicht behandelt haben. Das sind vor allem die "Studien zur Marxschen Werttheorie", Europäische Verlagsanstalt, Frankfurt/M. 1973 (erste russische Ausgabe 1924), die vor dem Vortrag entstanden sind, dessen Zusammenfassung vorstehend abgedruckt ist, und mehr nebenbei "Stolzmann als Marxkritiker" sowie "Zwei Schriften über die Marxsche Werttheorie", beide abgedruckt in "Marx-Engels Archiv". Zeitschrift des Marx-Engels-Instituts in Moskau, hrsg. von D. Rjazanov, Band 1, Politladen-Reprint, Erlangen 1971 (Neudruck der Ausgabe Frankfurt/M. 1928). Das PKA hebt die richtige Auffassung des Marxschen Begriffs der produktiven Arbeit als mehrwertproduzierende und des Produktionspreises als notwendiger Form, in der sich der Wert der Ware als kapitalistisch produzierter ausdrücken muß als Verdienste Rubins hervor. Das dritte vom PKA festgehaltene Verdienst Rubins - um die Differenz zwischen der systematischen Darstellung der kapitalistischen Warenproduktion mit der ihrer historischen Entwicklung zu wissen - fällt thematisch auch in den Rahmen seines von uns behandelten Vortrags, weshalb unsere nachstehende Zusammenfassung des PKA-Beitrages damit beginnt. Soweit sich das PKA dabei auf andere Arbeiten Rubins als seinen referierten Vortrag bezieht wird jeweils speziell darauf hingewiesen.

1.1 Das "Kapital" ist

"die allgemeine theoretische Reproduktion des Systems der bürgerlichen Produktionsweise und keinesfalls identisch mit der Untersuchung ihrer realhistorischen Entwicklung". /142/

Das "Kapital" beginnt daher mit der Ware, nicht weil der kapitalistischen Produktion eine Periode einfacher Warenproduktion vorausgegangen wäre, sondern weil an der Oberfläche der kapitalistischen Gesellschaft die Klassenverhältnisse die Form von Verhältnissen unabhängiger Warenproduzenten annehmen (Rubin, Studien zur Marxschen Werttheorie, S. 47, Fußnote 1-3). Die falsch historizistische Rezeption des "Kapital" führt auch dazu

"der Grundkategorie des Marxschen Systems, dem Wert, überhistorischen Charakter zuzusprechen. Auf der richtigen Fassung des Werts als Schlüsselkategorie der Kritik der politischen Ökonomie basiert nach Rubin das Verständnis der abgeleiteten Begriffe." /142/

Der Wert ist keine überhistorische Kategorie, sondern die gesellschaftliche Formbestimmung der Arbeit einer (allgemein gewordenen) Warenproduktion. /142f/

"Mit dem Wert wird nicht irgendein Produktionsverhältnis gefaßt, sondern nur das Verhältnis von Lohnarbeit und Kapital und die Beziehung der Produktionsagenten als Warenbesitzer aufeinander." /143/

1.2 Rubins Versuch der Rekonstruktion der Marxschen Theorie geht von der richtigen Einsicht aus, daß sich im systematischen Zusammenhang der Kategorien der Kritik der politischen Ökonomie der Systemcharakter des Kapitalverhältnisses reflektiert. Die ökonomischen Kategorien sind "historisch bestimmte Abstraktionen". /144f/ Selbst die einfachsten von ihnen, die sich in allen Gesellschaftsformationen finden, haben

"ihren Charakter als allgemeine, wesentliche Abstraktionen nur auf Basis historisch spezifischer Formen der Lebensverhältnisse." /145/

Doch Rubin vertritt diese Auffassung nicht konsequent. Geht er zunächst tatsächlich so weit, das Kategoriensystem der Kritik der politischen Ökonomie als theoretischen Ausdruck der wirklichen Produktionsverhältnisse zu charakterisieren (vgl. z.B. "Dialektik der Kategorien", S. 58) macht er schließlich zwei dazu in Widerspruch stehende Einschränkungen, die letztlich dazu führen,

"daß die Genesis und die Bestimmtheit der theoretischen Abstraktionen doch von der Entwicklung ihres Inhalts abgetrennt werden". /146/

Die erste besteht darin, daß seine Bemerkungen über analytische und dialektische Methode und, an anderer Stelle, über die Übernahme von Kategorien der Hegelschen Logik durch Marx

"Erkenntnismittel, die nicht dem betrachteten Gegenstand selbst entspringen, sondern sich vorgängiger, selbständiger erkenntnistheoretischer Reflexion verdanken"

einführen, die anzuwenden der angemessenen theoretischen Durchdringung des Gegenstandes vorausgesetzt sein soll. /146f/

Die zweite Einschränkung drückt sich in Rubins Auffassung aus, der Marxschen Entwicklung der Kategorien läge ein

"Vergleich zwischen einer einfachen warenproduzierenden Gesellschaft, einer hypothetischen kapitalistischen Wirtschaft und einer entwickelten kapitalistischen Wirtschaft" (Studien zur Marxschen Werttheorie, S. 220)

zugrunde. /148f/ Dabei geht es nicht um historische Vergleiche, die die Spezifik kapitalistischer Verhältnisse verdeutlichen, sondern darum, den Maßstab zur Kritik der bürgerlichen Gesellschaft nicht aus der Darstellung ihrer eigentümlichen Struktur, sondern aus der Betrachtung historischer Gesellschaftsformationen zu entnehmen. /149/

"... der Maßstab der 'Gesellschaftlichkeit'" aber muß "aus der Natur der jeder Produktionsweise eigentümlichen Verhältnisse, nicht aus ihr fremden Vorstellungen entlehnt werden". (Marx, Das Kapital, 1.Auflage, in: Marx-Engels-Studienausgabe, Bd.II, Frankfurt 1966, S.238)

Die Analyse historischer Gesellschaftsformationen kann nicht nur nicht der der bürgerlichen vorausgesetzt werden, vielmehr ist umgekehrt die der bürgerlichen Gesellschaft der Schlüssel zur Einsicht in die Struktur vorbürgerlicher Verhältnisse. /ib./

Das "Mißverständnis des Zusammenhangs von theoretischer Reproduktion der bürgerlichen Gesellschaft und ihrer wirklichen Entwicklung (...)" führt "schließlich zur falschen Auffassung des Inhalts der ökonomischen Kategorien selbst". /150/

1.3 Rubins eigentliche theoretische Intention ist, den Zusammenhang zwischen Wert und Arbeit genau zu bestimmen. Dazu will er den Begriff der Arbeit so fassen, daß in ihm "schon alle Merkmale der sozialen Organisation der Arbeit enthalten sind". /151/ Marx dagegen geht im "Kapital" weder vom Begriff des Werts noch von dem der Arbeit aus, sondern von der Ware als einfachster Form, in der das Arbeitsprodukt in der bürgerlichen Gesellschaft erscheint. Zwar geht Marx vom Doppelcharakter der Ware sogleich zum Doppelcharakter der Arbeit über, aber das

"bedeutet weder, daß die Ware aus der Arbeit, noch daß die Form des Werts unmittelbar aus der Form der Arbeit entwickelt wird, statt aus den widersprechenden Bestimmungen der Ware selbst." /152/

Seine Analyse der Arbeit beginnt Rubin dann mit ihrer konkreten oder nützlichen Seite, von der er - da die Betrachtung der nützlichen Arbeit eines einzelnen Produzenten kaum zur Klärung der Sache beiträgt - sogleich zur Betrachtung der Gesamtheit der verschiedenen konkreten Arbeiten, d.h. zum System der gesellschaftlichen Teilung der Arbeit übergeht. /ib./ Aber nicht gesellschaftliche Teilung der Arbeit überhaupt, sondern ihre historisch spezifische Form, die warenproduzierenden Verhältnissen unterliegt, wäre zu betrachten, wenn der Zusammenhang von Arbeitsteilung und Warenproduktion gezeigt werden soll. Die Bestimmung dieser historisch spezifischen Form ist auf dieser Stufenleiter der Analyse aber noch gar nicht möglich. /153/

Natürlich ist Voraussetzung des einfachen Zirkulationsprozesses, nicht für sich, sondern für die Gesellschaft zu produzieren, also Subsumtion der Subjekte unter die Teilung der gesellschaftlichen Arbeit und mehr noch gesellschaftlich spezifisch geteilter Arbeit. Die einfache Voraussetzung, daß die Individuen Tauschwerte austauschen, unterstellt ökonomische Verhältnisse, "die viel entwickelter sind als jene des einfachen Zirkulationsprozesses". /ib./

"Die Grundvoraussetzung, daß die Subjekte der Zirkulation Tauschwerte produziert haben, Produkte, die unmittelbar unter der gesellschaftlichen Bestimmtheit des Tauschwerts gesetzt sind, also auch subsumiert unter eine Teilung der Arbeit von bestimmter historischer Gestaltung produziert haben, schließt eine Masse Voraussetzungen ein, die weder aus dem Willen des Individuums hervorgehen, noch aus seiner unmittelbaren Natürlichkeit, sondern aus geschichtlichen Bedingungen und Verhältnissen, wodurch das Individuum schon sich gesellschaftlich, als durch die Gesellschaft bestimmt findet; ebenso wie diese Voraussetzung Verhältnisse einschließt, die sich in anderen Produktionsbeziehungen der Individuen als den einfachen, worin sie sich in der Zirkulation gegenübertreten, darstellen." (Marx, Grundrisse, Berlin 1953, S. 905) /188, Anm.63/

Mit anderen Worten ist das ganze System der bürgerlichen Produktion unterstellt, damit die Ware als Ausgangspunkt der gesellschaftlichen Produktion erscheint und die einfache Zirkulation als der Produktion und Konsumtion vermittelnde Stoffwechwechsel. /153f/

"Vom Standpunkt der einfachen Zirkulation aber sind diese Verhältnisse ausgelöscht. Sie selbst betrachtet, erscheint in ihr die Teilung der Arbeit faktisch nur in dem Resultat ihrer Voraussetzung, daß die Subjekte des Austauschs verschiedene Waren produzieren, die verschiedenen Bedürfnissen entsprechen." (Marx, Grundrisse, S. 907) /154/

Die einfachen Formen von Ware und Geld oder die einfache Zirkulation unterstellen also nicht nur entwickeltere ökonomische Verhältnisse, die mit diesen Formen nicht nur nicht identisch, sondern an ihnen auch nicht sichtbar sind.

Die Umstellung des Gangs der Kategorien bezahlt Rubin mit dem Fehler der Verwechslung von einfachen und entwickelteren Produktionsverhältnissen. /ib./

Nachdem Rubin hervorgehoben hat, daß in einer organisierten Gemeinschaft die konkret-nützlichen Arbeiten unmittelbar gesellschaftlich sind, stellt er sich die Frage, ob es in einer solchen Gemeinschaft darüber hinaus auch eine soziale Gleichsetzung der Arbeit gibt. /ib./ Dazu unterstellt er eine geplante Wirtschaft, in der die konkret-nützliche und die soziale Bestimmtheit der Arbeit wieder zusammenfallen, in der aber auch eine gesellschaftliche Gleichsetzung der Arbeit stattfindet, die "den Prozeß der Vergesellschaftung und der Verteilung der Arbeit" ergänzt (Rubin, Studien zur Marxschen Werttheorie, 51f). Daß es für Rubin in einer Übergangsgesellschaft neben einer nicht näher charakterisierten Vergesellschaftung und Verteilung der Arbeit auch eine soziale Gleichsetzung über den Markt, also Ware-Geld-Beziehungen gibt /155/

"gesteht diesen Erscheinungsformen der sozialen Gleichsetzung der Arbeit einen historisch unspezifischen Charakter zu, verwandelt sie in unhistorische Kategorien." /156/

Rubin hält eine gewisse soziale Gleichsetzung der Arbeit weder für jeden beliebigen arbeitsteiligen Produktionsorganismus gegeben, noch will er sie für die Warenproduktion reservieren und plädiert stattdessen für einen "Mittelweg". /155f/ Für ursprüngliche Gemeinwesen und andere "gesellschaftliche Organisationen, die auf extremer Ungleichheit der verschiedenen sozialen Schichten basierten (z.B. Sklaverei)" schließt er sie aus, bzw. beschränkt sie auf "Mitglieder einer bestimmten sozialen Gruppe" (Rubin, Dialektik der Kategorien, 13f.) /157f/.

"Die physiologische Gleichheit ist mithin eine notwendige Voraussetzung für die gesellschaftliche Gleichsetzung und Verteilung der Arbeit im allgemeinen. (...) Die physiologische Homogenität menschlicher Arbeit ist eine biologische Voraussetzung, nicht jedoch die Ursache der Entwicklung der gesellschaftlichen Arbeitsteilung. (Diese Voraussetzung ist umgekehrt Resultat des langwierigen Prozesses der Menschheitsentwicklung, insbesondere der Entwicklung von Arbeitsinstrumenten sowie einzelner Körperteile: der Hand und des Gehirns.) (...) In einer kleinen, auf Arbeitsteilung beruhenden Gemeinschaft manifestiert sich die physiologische Homogenität der Arbeit innerhalb eines kleinen Personenkreises; der allgemeinmenschliche Charakter der Arbeit kann nicht zum Ausdruck gelangen." (Rubin, Studien zur Werttheorie, S.98f) [Im Text des PKA ist die Passage von Rubin mit solchen Auslassungen zitiert, das sie unverständlich ist. Daher ist einiges aus dem Buch ergänzt] /158/

Arbeit ist nur der abstrakte Ausdruck für die einfache Beziehung der produktiven Tätigkeit des Menschen. Praktisch und wahr wird diese Abstraktion aber erst auf einer bestimmten Stufenleiter der Entwicklung ihrer Gesellschaftlichkeit, in der Arbeit

"Arbeit schlechthin, Arbeit die absolut gleichgültig gegen ihre besondere Bestimmtheit, aber jeder Bestimmtheit fähig"

wird. /158f/

Die physiologische Gleichheit der Arbeit ist nicht Voraussetzung der bürgerlichen Produktionsweise, umgekehrt wird erst durch deren Revolutionierung des Produktionsprozesses die Arbeit in einfache Verausgabung der Arbeitskraft transformiert. Erst auf dieser Basis stellt sich das Produkt auch als Verausgabung gleicher menschlicher Arbeitskraft und diese als in der Sache vergegenständlicht dar.

Nur für die Warenproduktion gilt,

"daß nämlich der spezifisch gesellschaftliche Charakter der voneinander unabhängigen Privatarbeiten in ihrer Gleichheit als menschliche Arbeit besteht und die Form des Warencharakters der Arbeitsprodukte annimmt". (Marx, Das Kapital, MEW 23, S. 88) /159/

"Wenn Rubin also die physiologische Gleichheit selbst als biologische Eigenschaft zur Voraussetzung der gesellschaftlichen Arbeitsteilung schlechthin macht, sitzt er selbst dieser für die bürgerliche Produktionsweise schon im einfachsten Verhältnis charakteristischen Mystifikation und Verkehrung auf und faßt den gesellschaftlichen Ausdruck als Naturform auf." /159/

1.4 Wie in entwickelten vorkapitalistisch-arbeitsteiligen Gesellschaften lassen sich nach Rubin auch in einer warenproduzierenden gesellschaftliche, verteilte und gesellschaftlich gleichgesetzte Arbeit unterscheiden, realisieren sich nun aber in anderer Form und werden zur Grundlage der drei Aspekte des Werts: Wertform (gesellschaftliche Arbeit), Wertgröße (Verteilung der Arbeit) und Wertsubstanz (sozial gleichgesetzte Arbeit). /160/ Im folgenden wird nur Rubins Argumentation zur Wertsubstanz erörtert. /161/

Gesellschaftliche und gesellschaftlich gleichgesetzte Arbeit vertauschen nach Rubin in der Warenproduktion ihren Platz, weil die Gesellschaftlichkeit der Arbeitsprodukte über ihre Gleichsetzung hergestellt wird. /161/ Rubin zufolge ist

"die abstrakte Arbeit nur das Resultat des Austauschs (...). Nur in dem Maße wie der Produktionsprozeß die soziale Form einer Warenproduktion annimmt, d.h. basierend auf dem Austausch, nimmt die Arbeit die Form einer abstrakten Arbeit an und die Arbeitsprodukte die Form des Wertes." (Dialektik der Kategorien, S. 28)

Durch Abstraktion von ihrer Naturalform werden demzufolge die Arbeitsprodukte zu Werten; eine Abstraktion oder Reduktion die im unmittelbaren Produktionsprozeß bloß antizipatorischen oder ideellen Charakter als Produktion für den Tausch hat (vgl. Rubin, Studien zur Marxschen Werttheorie, S.106). /162/

"Rubins Verwechslung verschiedener Formbestimmtheiten der bürgerlichen Produktionsverhältnisse erhält hier ihren [im Original "seinen"] schlagendsten Ausdruck: Rubin verwandelt die Darstellungsform gesellschaftlicher Arbeit in den wirklichen Produktionsakt (...)". /163/

Das hat Rubin zurecht den Vorwurf eingetragen, "ein Anhänger des Tauschkonzepts" zu sein, den er mit der Unterscheidung zweier Begriffe von Tausch zurückweisen wollte: "Tausch als gesellschaftlicher Form des Reproduktionsprozesses" und "Tausch als einer besonderen Phase dieses Reproduktionsprozesses" (Studien zur Marxschen Werttheorie, S. 112 und Dialektik der Kategorien, S.27ff). /164/

Daran ist soviel richtig,

"daß die einfache Zirkulation, obgleich ein vom unmittelbaren Produktionsprozeß getrennter und selbständiger, ihm vorhergehender Prozeß (...) dennoch die absolute Grundlage des kapitalistischen Produktionsprozesses (...) und mithin selbst ein Moment dieses Gesamtreproduktionsprozesses ist (...)". /164/

Rubin begreift nicht, daß die einfache Zirkulation eine der kapitalistischen Produktionsweise immanente Form der Vermittlung ist. Sie ist die Oberfläche des gesellschaftlichen Gesamtreproduktionsprozesses, an der sich die Individuen in den einfachen Bestimmungen von Käufer und Verkäufer gegenübertreten und das Setzen von Tauschwert als Verwandlung des Eigentums an eigener Arbeit in gesellschaftliche Arbeit erscheint, was auf Produktionsverhältnisse verweist, in denen

"das einzelne Produkt als solches in keiner Bestimmtheit mehr zu den unmittelbaren Produzenten steht und folglich ohne die Realisierung durch die Zirkulation nichts ist." /164f/

Aus der Entwicklung der Form des Werts (Verwandlung von privater in gesellschaftliche Arbeit) ergibt sich durch die Vermittlung der gesellschaftlichen Operation der Zirkulation (Kauf und Verkauf) der Schein eines ursprünglichen (der Zirkulation vorausgesetzten) Aneignungsprozesses, in dem gesellschaftliche mittels eigener Arbeit angeeignet wird. Diesen Schein nimmt Rubin für bare Münze, wenn er die Zirkulation nicht als abgeleitete Sphäre begreift und den von ihr erzeugten Schein der ursprünglichen Aneignung durch eigene Arbeit in den wirklichen Produktionsakt verwandelt. /165/ So kann über die nähere Bestimmtheit dieses unterstellten Ursprünglichen nichts näheres ausgesagt werden, und außerdem ist, wie schon bei den Kategorien Ware und Arbeit, die Struktur der Darstellung umgedreht. Die Darstellung des Kapitals als vermitteltem Zwangsverhältnis ist nicht mehr mit den Formen der einfachen Zirkulation zusammengebracht. /166/

1.5 Der Zusammenhang von Wert und Arbeit, den zu klären Rubin sich vorgenommen hatte, ist bis jetzt kaum aufgehellt. Im Gegenteil. Rubin stellt die Struktur der Darstellung der ökonomischen Kategorien auf den Kopf und identifiziert "den Wert als bloße Darstellungsform gesellschaftlicher Arbeit“ unmittelbar "mit seinem Grund, der tauschwertsetzenden Produktion" und kann so die Verwandlung der Arbeitsprodukte in Waren nicht mehr herleiten.

"Das Arbeitsprodukt ist in allen gesellschaftlichen Zuständen Gebrauchsgegenstand, aber nur eine historisch bestimmte Entwicklungsepoche, welche die in der Produktion eines Gebrauchsdings verausgabte Arbeit als seine 'gegenständliche' Eigenschaft darstellt, d.h. als seinen Wert, verwandelt das Arbeitsprodukt in Ware." (Marx, Das Kapital, Bd. 1, MEW 23, S.76) /167/

Für Rubin muß die richtige Anwendung der Methode ergeben, was er aus der Sache nicht entwickeln kann: die Verbindung von Wertsubstanz, Wertgröße und ihr gegenständlicher Reflex in der Wertform. /167f/

Bei Marx ist der Doppelcharakter der Arbeit der "Springpunkt", um den sich das Verständnis der politischen Ökonomie dreht und der bei der Analyse der Ware entdeckten doppelten Bestimmtheit der bürgerlichen Arbeit entspringen die Widersprüche, die in den Gegensätzen der Warenmetamorphose ihre Bewegungsform erhalten. /168ff/

2. Rubin hatte selbst betont, daß der innere Zusammenhang der Kategorien der Kritik der politischen Ökonomie als theoretischer Reflex des wirklichen Systems der kapitalistischen Produktionsweise aufzufassen ist. /171/ Hinter diese Einsicht fällt er wieder zurück, indem sich ihm die Kategorien von den bestimmten sozialen Formen des Lebensprozesses lösen und zu methodischen Postulaten verselbständigen und indem er die Kategorien des Werts und weiterentwickelt die von Ware und Geld zwar als historisch spezifische Formen benennt,

"aber die historische Bestimmtheit der Produktionsverhältnisse, worin Ware und Geld zu allgemeinen und wesentlichen Formen des Reichtums werden, gar nicht erklären kann. Statt die Formen der einfachen Warenzirkulation als notwendige Vermittlungsformen des bürgerlichen Reichtums zu begreifen und ihren Ursprung zurückzuführen auf das soziale Verhältnis von Lohnarbeit und Kapital, macht Rubin umgekehrt die Formen der einfachen Warenzirkulation zur Grundlage des kapitalistischen Produktionsprozesses; und zwar nicht nur mit der Ahnung des Richtigen, daß das Verhältnis von Lohnarbeit und Kapital beständig vermittelt und versteckt ist durch die Beziehungen der Produktionsagenten als Warenbesitzer aufeinander, sondern wesentlich im Sinne des Falschen, der dem Schein der Warenzirkulation entlehnten Vorstellung, daß die einfachen Formen von Ware und Geld für sich den Regulator der kapitalistischen Produktionsweise darstellen oder wesentliche Formen der gesellschaftlichen Appropriation der äußeren Natur sind." /172f/

Durch die widersprüchlichen Resultate seines Versuchs zur Rekonstruktion der Marxschen Theorie gerät Rubin in der Diskussion über den sozialen Gehalt der ökonomischen Verhältnisse in der Sowjetunion der zwanziger Jahre in eine seltsame Lage. Einerseits widerspricht er der Auffassung, die die Fortexistenz von Ware-Geld-Verhältnissen für unproblematisch, weil gar nicht spezifisch kapitalistisch, hält, andererseits kann er ihre wirkliche Qualität auf der Basis der sowjetischen Produktionsverhältnisse auch nicht entschlüsseln. /173/ Vielleicht aus Angst vor zu erwartenden Konflikten zieht er rücksichtsvolle Schlüsse hinsichtlich der gesellschaftlichen Natur der verbliebenen gegenständlichen Vermittlungsformen (Ware und Geld) der gesellschaftlichen Arbeit, was wiederum auf seine allgemeinen theoretischen Intentionen zurückschlägt. /176/

Rubins sowjetische Kritiker spüren die Schwächen seiner Position (weitgehende Ausblendung des gesellschaftlichen Prozesses der Naturaneignung und keine Vermittlung desselben mit den gesellschaftlichen Verkehrsformen) heraus, pochen ihr gegenüber aber bloß formelhaft auf Prinzipien vom Primat der Produktion usw., ohne einen blassen Schimmer von seinem eigentlichen Anliegen und dessen Wichtigkeit für eine angemessene Rezeption der Marxschen Kritik der politischen Ökonomie, der Bedeutung der Formbestimmungen der ökonomischen Verhältnisse, zu haben. /175ff/

"Es hat sich gezeigt, daß es sich bei Rubins Arbeiten um eine entwickelte Stufe der Rekonstruktion des kritischen Gehalts der Marxschen Theorie handelt, die aber aufgrund gravierender Mißverständisse des Systems der Kritik der politischen Ökonomie in sich widersprüchlich ist und letztlich den kritischen Ausgangspunkt, der ihr Verdienst ausmacht, im Resultat wieder preisgibt." /185/

"Noch deutlicher indes als bei Rubin ist bei seinen Kritikern, daß die berechtigte Verteidigung einzelner Seiten des Marxschen Systems aufgrund des unbegriffenen Gesamtzusammenhangs in dogmatisch vertretene Auflösung des revolutionären Gehalts der Marxschen Theorie mündet." /ib./

es folgt: Klaus Braunwarth, Wert und Arbeit - Kommentar zu Rubin und PKA


 

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