(13. Oktober 1957)
Diese Version aus: Mao Tse-tung, Ausgewählte Werke Band V, Verlag für fremdsprachige Literatur, Peking 1978, S.565-582
|565| Für die Ausrichtungsbewegung ist
jetzt eine Form gefunden worden: die Form der freien Meinungsäußerung, der
offenen Aussprache, der großen Debatte und der Dazibao (Wandzeitung mit großen
Schriftzeichen). Es handelt sich um eine neue, von den Massen geschaffene Form,
die sich von allen anderen Formen, die unsere Partei im Verlauf ihrer
Geschichte angewandt hat, unterscheidet. Sicher, während der Ausrichtung in
Yenan gab es einige Dazibaos, aber wir haben diese Form damals nicht
aufgegriffen. Auch später in der "dreifachen Überprüfung" und
"dreifachen Konsolidierung" wurde sie nicht eingesetzt. In der
Periode der revolutionären Kriege bekamen wir weder Sold, noch hatten wir Waffenfabriken.
so daß sich unsere Partei und unsere Armee allein auf die Soldaten und auf die
Bevölkerung in den verschiedenen Gebieten, auf die Massen, stützen konnten. Mit
den Jahren bildete sich so ein
demokratischer Arbeitsstil heraus. Aber die Form der freien
Meinungsäußerung, offenen Aussprache, großen Debatte und Dazibao, wie wir sie
heute haben, gab es damals nicht. Warum? Weil der Waffenlärm alles übertönte,
wir mitten im Krieg standen und der Klassenkampf sehr scharf war; hätten wir
auch noch eine lärmende Auseinandersetzung in den eigenen Reihen zugelassen,
wäre das schlecht ausgegangen. Heute liegen die Dinge anders: Der Krieg ist
vorbei, und bis auf die Provinz Taiwan ist das ganze Land befreit. Daher diese
neue Form. Ein neuer revolutionärer Inhalt braucht eine neue Form, in der er
sich ausdrücken kann. Unsere gegenwärtige Revolution ist eine sozialistische
Revolution, ihr Ziel ist der Aufbau eines sozialistischen Landes, und sie hat
sich diese neue Form gefunden, eine
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schnell, d.h. in wenigen Monaten, erlernt werden kann.
Hauptsächlich zwei Befürchtungen
werden laut, wenn es zu freier Meinungsäußerung, offenen Aussprachen, großen
Debatten und Dazibaos kommt. Da ist einmal die Furcht vor Unordnung. Fürchtet
ihr euch vor Unordnung? Ich glaube, viele fürchten sich davor. Dann ist da die
Furcht, man könne in eine mißliche Lage geraten, aus der man nicht heil wieder
herauskommt. Die als Fabrikdirektoren, Genossenschaftsleiter, Hochschulrektoren
oder Parteisekretäre tätig sind, fürchten alle, daß sie nicht ungeschoren
davonkommen, wenn jedermann seine Meinung öffentlich kundtut, wenn die Flammen
hochschlagen. jetzt ist es leicht, die Menschen zu überzeugen, daß man keine
Angst zu haben braucht, aber im Mai
war es ziemlich schwierig. In keiner der 34 Pekinger Universitäten und
Hochschulen war es erlaubt, seine Meinung frei zu äußern, erst nachdem viele
Sitzungen abgehalten worden waren, änderte sich das. Warum ist Furcht hier
unnötig? Warum nützt uns die freie Meinungsäußerung? Was ist am günstigsten für
uns? Meinungsäußerung in großem Stil, in
kleinem Stil oder überhaupt keine? Überhaupt keine Meinungsäußerung wäre für uns ungünstig, und Meinungsäußerung in
kleinem Stil kann Probleme nicht lösen. Deshalb
muß Meinungsäußerung in großem Stil stattfinden. Erstens wird sie keine
Unordnung hervorrufen, und zweitens wird sie es einem nicht unmöglich machen,
sich aus seiner mißlichen Lage zu befreien. Anders ist die Sache allerdings mit
gewissen Personen, zum Beispiel mit Ding Ling, sie wird nicht ungeschoren
davonkommen, und auch Feng Hsüä-feng nicht, der Feuer gelegt hat, um die
Kommunistische Partei zu verbrennen. Hierbei handelt es sich aber nur um einige
wenige, um Rechte. Die anderen haben nichts zu fürchten, sie werden aus ihrer
mißlichen Lage wieder herauskommen. Schlimmstenfalls haben sie sich
Bürokratismus, Sektierertum, Subjektivismus oder ähnliches zuschulden kommen
lassen, und wenn es so ist, brauchen sie das nur zu korrigieren; es gibt also
keinen Grund zu Befürchtungen. Das Grundlegende ist das Vertrauen in die große
Mehrheit der Volksmassen, in die Tatsache, daß die große Mehrheit des Volkes
gut ist. Die große Mehrheit der Arbeiter, die große Mehrheit der Bauern und die
große Mehrheit der Mitglieder der Kommunistischen Partei und des
Jugendverbandes ist gut. Keiner von ihnen will unser Land in Unordnung stürzen.
Die Mehrheit der bürgerlichen Intellektuellen, Kapitalisten und Mitglieder der
demokratischen Parteien kann umerzogen werden. Deshalb brauchen wir uns nicht
zu fürchten, denn es kann und wird
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der Mehrheit vertrauen, und wieviel meinen wir damit? Etwa 51 Prozent? Nein, wir meinen 90 bis 98 Prozent.
Die sozialistische Revolution ist
für uns alle etwas Neues. Die Revolution, die wir in der Vergangenheit
durchführten, war nur eine demokratische Revolution, war ihrem Wesen nach eine
bürgerliche Revolution. Sie zerstörte nur das imperialistische, das
feudalistische und das bürokratisch-kapitalistische Eigentum, nicht aber
das individuelle Eigentum oder das national-kapitalistische Eigentum. Aus
diesem Grund konnten viele die Hürde der demokratischen Revolution
überspringen. Während einige in Wirklichkeit keine große Lust zu einer
konsequenten demokratischen Revolution hatten und gerade eben noch
hinüberrutschten, waren andere willens, hart für eine solche Revolution zu
arbeiten, und schafften den Sprung recht gut. jetzt haben wir die Hürde des
Sozialismus vor uns, und sie ist für einige Leute schwer zu nehmen. Sehen wir
uns zum Beispiel nur jenes Parteimitglied in der Provinz Hupeh an, jenen Mann,
der ursprünglich ein Landarbeiter war. Drei Generationen seiner Familie hatten
betteln Reben müssen. Ihm brachte die Befreiung ein neues Leben. er kam zu
einigem Wohlstand und wurde Kader auf Distriktsebene. Trotz alledem beklagte er
sich bitter über den Sozialismus und lehnte den genossenschaftlichen
Zusammenschluß in der Landwirtschaft hartnäckig ab; er verlangte
"Freiheit" und stellte sich gegen
das staatliche Monopol für den Ankauf und Absatz von GetreideÜber das
Leben dieses Mannes ist jetzt eine Ausstellung organisiert worden, die der Klassenerziehung
dienen soll. Er vergoß bittere Tränen der Reue, versprach, sich zu bessern.
Warum ist die Hürde des Sozialismus so schwer zu nehmen? Weil Sozialismus die
Zerstörung des kapitalistischen Eigentums und seine Verwandlung in
sozialistisches Volkseigentum, Zerstörung des individuellen Eigentums und seine Verwandlung in
sozialistisches Kollektiveigentum bedeutet. Allerdings wird dieser Kampf viele
Jahre andauern, und es ist jetzt schwer, genau zu sagen, wann die
Übergangsperiode abgeschlossen sein wird. Der Kampf in diesem Jahr ist wie ein
Wellenberg. Werden sich jedes Jahr die Wogen türmen wie im Gelben Fluß? Ich
glaube nicht. Nichtsdestoweniger wird es in Zukunft noch etliche Male
vorkommen.
Wie viele Menschen im ganzen Land
lehnen heute den Sozialismus ab? Genossen aus verschiedenen Orten und ich haben
das jetzt überschlagen. Das Ergebnis ist, daß etwa 10 Prozent unserer gesamten
Bevölkerung den Sozialismus ablehnen oder bekämpfen. Die Zahl
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schließt ein die
Grundherrenklasse, die Großbauern, einen Teil der wohlhabenden Mittelbauern,
einen Teil der nationalen Bourgeoisie, einen Teil der bürgerlichen
Intellektuellen, einen Teil der Oberschicht des städtischen Kleinbürgertums und
sogar vereinzelte Arbeiter und arme Bauern und untere Mittelbauern. Wieviel
sind 10 Prozent bei einer Bevölkerung von 600 Millionen? 60 Millionen. Das ist
keine geringe Zahl, man sollte sie nicht unterschätzen.
Wenn wir sagen, daß wir festes
Vertrauen in die große Mehrheit der Volksmassen haben müssen, gehen wir von
zwei Tatsachen aus: Erstens, go Prozent unserer Bevölkerung unterstützen den
Sozialismus. Darin sind enthalten das Proletariat, die armen Bauern, d.h. die
Halbproletarier in den ländlichen Gebieten, die unteren Mittelbauern und die
Mehrheit der Oberschicht des Kleinbürgertums, die Mehrheit der bürgerlichen
Intellektuellen und ein Teil der nationalen Bourgeoisie. Zweitens, wie viele
von denen, die den Sozialismus ablehnen oder bekämpfen, gehören zu den
schlimmsten Starrköpfen, d.h. zu den Ultrarechten, Konterrevolutionären,
Saboteuren und zu denen, die zwar keine Sabotage treiben, aber äußerst
hartnäckig sind, so sehr, daß sie wahrscheinlich ihren Starrsinn mit ins Grab
nehmen werden? Vermutlich nur etwa 2 Prozent. Wieviel sind 2 Prozent der gesamten Bevölkerung? Zwölf Millionen. Formiert
und mit Waffen ausgerüstet, würden sie eine riesige Armee abgeben. Warum wird
es trotzdem keine allgemeine Unordnung im Land geben? Weil sie in verschiedenen
Genossenschaften, Dörfern, Fabriken, Schulen und Zellen der Kommunistischen
Partei, des Jugendverbandes und der demokratischen Parteien verstreut sind. Da
sie überall verstreut sind und sich nicht zusammenrotten können, wird es keine
große Unordnung geben.
Wie groß ist die Reichweite der
sozialistischen Revolution? Welche Klassen sind in den Kampf verwickelt? Die
sozialistische Revolution ist ein Kampf des Proletariats und der von ihm
geführten Werktätigen gegen die Bourgeoisie. Zwar ist Chinas Proletariat
relativ klein an der Zahl, aber es hat sehr viele Verbündete. Die wichtigsten
sind die armen Bauern und unteren Mittelbauern, die 70
Prozent oder ein wenig mehr der Landbevölkerung ausmachen. Die
wohlhabenden Mittelbauern machen etwa 20 Prozent aus. Die gegenwärtigen wohlhabenden Mittelbauern kann
man grob in drei Gruppen einteilen. die, die für den genossenschaftlichen
Zusammenschluß sind, das sind 40 Prozent; die Schwankenden ebenfalls 40 Prozent; und die dagegen sind, 20 Prozent. Die
Erziehung und Umerziehung in den letzten Jahren hat die Grundherren und
Großbauern aufgespalten, einige von ihnen sind nicht mehr
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ganz und gar gegen den
Sozialismus. Wir sollten auch an die Bourgeoisie und die bürgerlichen
Intellektuellen analytisch herangehen und nicht alle für Gegner des Sozialismus
halten, denn das ist nicht der Fall. go Prozent unserer gesamten Bevölkerung
sind für den Sozialismus. Auf diese Mehrheit müssen wir vertrauen. Durch unsere
Arbeit und die große Debatte können wir weitere 8 Prozent gewinnen, womit sich
die Gesamtzahl auf 98 Prozent erhöhen wird. Die Starrköpfe, die verbissen gegen
den Sozialismus ankämpfen, machen nur 2 Prozent aus. Allerdings müssen wir auf sie achtgeben, weil sie
immer noch eine ansehnliche Kraft sind, wie Genosse Deng Hsiao-ping eben
sagte.
Die Großbauern sind die
Bourgeoisie auf dem Lande, ihnen schenken nur wenige Gehör. Noch tiefer stehen
die Grundherren in der öffentlichen Meinung. Die Kompradoren-Bourgeoisie
hat sich sowieso längst in Verruf gebracht. Die Bourgeoisie und die
bürgerlichen Intellektuellen, die Oberschicht des ländlichen Kleinbürgertums
(die wohlhabenden Mittelbauern), die Oberschicht des städtischen
Kleinbürgertums (die verhältnismäßig wohlhabenden Kleineigentümer) und die
Intellektuellen dieser Schichten, sie haben einen bestimmten Einfluß.
Insbesondere die Intellektuellen sind gern gesehen, sie werden in allen
Bereichen gebraucht. Hochschulen brauchen Professoren, Grund- und
Mittelschulen Lehrer, Zeitungen Journalisten, Theater Darsteller, und für den Aufbau sind Wissenschaftler, Ingenieure und
Techniker nötig. Gegenwärtig gibt es fünf Millionen Intellektuelle und 700 000 Kapitalisten, zusammengenommen etwa sechs
Millionen. Wenn jeder eine fünfköpfige Familie hat, so sind das fünf mal
sechs Millionen, also 30 Millionen. Die Bourgeoisie und die bürgerlichen
Intellektuellen haben ein relativ hohes Niveau der Bildung und technischen
Qualifikation. Das ist der Grund, warum sich die Rechten so aufblasen. Hat Luo
Lung-dji nicht gesagt, die kleinen proletarischen Intellektuellen könnten
einen großen kleinbürgerlichen Intellektuellen wie ihn nicht anleiten? Er
rechnet sich nicht zur Bourgeoisie, sondern besteht darauf, daß er ein
Kleinbourgeois sei, ein großer kleinbürgerlicher Intellektueller. Meiner
Meinung nach sind nicht nur die kleinen proletarischen Intellektuellen, sondern
auch die Arbeiter und Bauern, die kaum einige Schriftzeichen kennen, viel
gescheiter als Luo Lung-dji.
Die rechte und die mittlere
Gruppe der Bourgeoisie und ihrer Intellektuellen sowie der Oberschicht des
Kleinbürgertums und ihrer Intellektuellen können sich mit der Führung der
Kommunistischen Partei und des Proletariats nicht so ganz abfinden. Wenn von der
Unterstützung der Kommunistischen Partei und der Verfassung die Rede ist,
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pflichten sie zwar bei und heben
auch die Hand, aber mit dem Herzen sind sie nicht wirklich dabei. Hier muß man
unterscheiden zwischen den Rechten, die feindlich gesinnt sind, und den in der
Mitte Stehenden, die halb geneigt sind, sich abzufinden, halb sich sträuben.
Gibt es nicht Leute, die behaupten, die Kommunistische Partei sei unfähig,
dieses oder jenes zu leiten? Diese Ansicht vertreten nicht nur die Rechten,
sondern auch manche von den in der Mitte Stehenden. Kurz, wenn es stimmt, was sie
sagen, dann wären unsere Tage gezählt, der Kommunistischen Partei bliebe nichts
anderes übrig, als auszuwandern, und das Proletariat müßte sich auf einen
anderen Planeten begeben. Weil ihr in keinem Fach etwas taugt! Die Rechten
sagen das so, in keinem Fach kennt ihr euch aus. Das Hauptziel der
gegenwärtigen Debatte ist, die in der Mitte
Stehenden, die Halbherzigen, zu gewinnen, ihnen beizubringen, was es mit
den Gesetzmäßigkeiten der gesellschaftlichen Entwicklung auf sich hat und daß es besser für sie ist. auf das
Proletariat mit seinem niedrigen Bildungsniveau
und auf dem Lande auf die armen Bauern und unteren Mittelbauern zu hören.
Was das Bildungsniveau angeht, sind das Proletariat, die armen Bauern und
unteren Mittelbauern nicht so gut, aber wenn es aufs Revolution-Machen
ankommt, da sind sie gut. Wird sich die Mehrheit der Menschen davon überzeugen
lassen? ja. Die Mehrheit der Bourgeoisie, der bürgerlichen Intellektuellen und
der Oberschicht des Kleinbürgertums wird sich überzeugen lassen. Und auch die
Mehrheit der Universitätsprofessoren, Grund- und Mittelschullehrer,
Künstler, Schriftsteller, Wissenschaftler und Ingenieure. Diejenigen, die sich
jetzt noch etwas sträuben, werden sich nach einigen Jahren allmählich
dreinschicken.
Unter der gegebenen
Voraussetzung, daß die Mehrheit der Menschen den Sozialismus unterstützt, ist
das gegenwärtige Auftauchen der Form Meinungsäußerung, Aussprache, Debatte in
großem Stil und Dazibao nützlich. Diese Form hat keinen Klassencharakter. Auch
die Rechten können die Meinungsäußerung, Aussprache in großem Stil und Dazibao
benutzen. Ihnen verdanken wir die Erfindung des Ausdrucks "in großem
Stil". In meiner Rede vom 27. Februar
dieses Jahres habe ich ihn nicht gebraucht, ich habe nichts über
Meinungsäußerung, Aussprache, Debatte in großem Stil gesagt. Wenn wir auf einer
Konferenz hier im Mai letzten Jahres über "hundert Blumen blühen
lassen" sprachen, bezog sich das auf die "Meinungsäußerung", und
wenn wir über "hundert Schulen miteinander wetteifern lassen"
sprachen, bezog es sich auf die "Aussprache", und auf keinen Fall ist
der Ausdruck "in großem Stil" gefallen. Überdies wollten wir
"Laßt
|571| hundert Blumen blühen" nur
auf den Bereich der Literatur und Kunst anwenden und "Laßt hundert Schulen
miteinander wetteifern" nur auf den akademischen Bereich. Später forderten
die Rechten, die Anwendung dieser Losung auf politische Angelegenheiten
auszuweiten, mit anderen Worten, sie forderten die Meinungsäußerung über alle
Angelegenheiten, eine "Periode der Meinungsäußerung", und sie wollten
sie in großem Stil. Es ist daher offensichtlich, daß diese Losung genauso gut
von der Bourgeoisie wie vom Proletariat verwendet werden kann, von den Linken,
von den Mittleren und von den Rechten. Aber welche Klasse zieht wirklich
Vorteil aus der Losung "Meinungsäußerung, Aussprache, Debatte in großem
Stil und Dazibao"? Letzten Endes das Proletariat und nicht die
bürgerlichen Rechten. Denn 90 Prozent der Bevölkerung wollen keine Unordnung im
Lande, sie wollen den Sozialismus aufbauen. Von den restlichen 10 Prozent, die
den Sozialismus ablehnen oder bekämpfen, schwanken viele, und nur 2 Prozent sind
halsstarrige antisozialistische Elemente. Wie könnten sie das ganze Land in
Unordnung bringen? Also ist die Losung der Meinungsäußerung und Aussprache in
großem Stil, ist die Form oder Methode der Meinungsäußerung, Aussprache und
Debatte in großem Stil und Dazibao letzten Endes für die Mehrheit der Menschen
vorteilhaft und hilft ihnen, sich selbst umzuerziehen. Es gibt zwei Wege, den
Weg des Sozialismus und den des Kapitalismus, doch es ist der Sozialismus, dem
diese Losung Nutzen bringt.
Wir brauchen uns nicht vor Unordnung fürchten, noch davor, daß wir
nicht mit heiler Haut davonkommen
könnten. Den Rechten wird es allerdings schwerfallen -allen, sich aus
der Affäre zu ziehen, obwohl es auch ihnen immer noch möglich sein wird. Der
Dialektik entsprechend werden sich die Rechten, schätze ich, in zwei Fraktionen
spalten. Möglicherweise werden ziemlich viele von ihnen, vom allgemeinen Strom
der Ereignisse mitgerissen, einen Denkprozeß durchmachen, ihren Standpunkt
ändern, sich bessern und nicht mehr mit dem Kopf durch die Wand wollen. Wenn es
so weit ist, wird ihnen das Etikett "Rechter" abgenommen, werden sie
nicht mehr "Rechte" genannt werden und außerdem eine Anstellung
bekommen. Einige unverbesserliche Starrköpfe mögen bis zum Schluß verstockt
bleiben und das Rechten-Etikett mit ins Grab nehmen. Das macht nichts,
solche Individuen wird es immer geben.
Die Unruhe, die die Rechten auf
rührten, hat es uns ermöglicht, eine Bestandsaufnahme zu machen: 90 Prozent der
Bevölkerung sind für den Sozialismus, und mit gewissen Anstrengungen können wir
den
|572| Prozentsatz auf 98 erhöhen; 10
Prozent lehnen ihn ab oder bekämpfen ihn, doch die schlimmsten
antisozialistischen Starrköpfe unter ihnen machen lediglich 2 Prozent aus. Durch
diese Bestandsaufnahme wissen wir, woran wir sind. Unter der Führung der Partei
des Proletariats und mit der Unterstützung der Mehrheit der Menschen für den
Sozialismus können wir die Methode der freien Meinungsäußerung, der offenen
Aussprache, der großen Debatte und der Dazibao zur Verhütung solcher
Ereignisse, wie sie sich in Ungarn und nun in Polen zugetragen haben, anwenden.
Wir brauchen keine Zeitschrift zu verbieten, wie das in Polen geschah, [1] bei uns
genügt es, einen oder zwei Leitartikel in der Parteizeitung zu veröffentlichen.
Wir schrieben zwei Leitartikel zur Kritik an der Wenbui Bao. Der
erste war nicht gründlich und traf die Sache nicht genau, aber nach dem zweiten
nahm die Wenhui Bao die Korrektur ihrer Fehler in
Angriff. Genauso die Hsinmin Bao. In Polen hätte dies nicht in der gleichen Weise
geschehen können, weil sie dort weder das Problem der Konterrevolutionäre und Rechten noch die Frage, welcher Weg
gegangen werden soll, gelöst und zudem den Kampf gegen die bürgerliche
Ideologie nicht angepackt haben. Die Folge war, daß das Verbot einer
Zeitschrift eine Affäre auslöste. In China sind solche Sachen, glaube ich,
leichter zu regeln, und ich bin niemals pessimistisch gewesen. Habe ich nicht
gesagt, daß es kein Durcheinander geben wird und wir uns nicht zu fürchten
brauchen? Durcheinander kann sich in etwas Gutes verwandeln. Wo die Meinungen
in ihrer ganzen Vielfalt geäußert werden, einhergehend mit dem Heulen und
Grollen der Dämonen und gefolgt von großer Unruhe, dort ist alles viel leichter
zu regeln.
Vor der Befreiung hatte China
lediglich vier Millionen Industriearbeiter, jetzt sind es zwölf Millionen. Obwohl
klein an der Zahl, hat die Arbeiterklasse, und nur die Arbeiterklasse, eine
große Zukunft. Die anderen Klassen sind alle im Übergang begriffen, sie werden
ausnahmslos in die Arbeiterklasse übergehen. Auf der ersten Stufe dieses
Übergangs werden die Bauern zu Kollektivbauern und auf der zweiten zu Arbeitern
in Staatsgütern. Die Bourgeoisie wird liquidiert, aber nicht physisch, sondern
als Klasse; ihre Individuen werden umerzogen. Die bürgerlichen Intellektuellen
wie auch die kleinbürgerlichen Intellektuellen müssen umerzogen werden. Das
kann schrittweise geschehen, bis sie sich schließlich in proletarische
Intellektuelle verwandelt haben. Ich habe einmal das Wort zitiert: "Wenn
die Haut weg ist, woran sollen die Haare dann haften?" Wenn die Intellektuellen
sich nicht ans Proletariat heften, laufen sie Gefahr, "freischwebende
Herrschaften" zu
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den Gewerkschaften angeschlossen, und manche sagen: "Gehören wir nicht zur
Arbeiterklasse, jetzt, wo wir in der Gewerkschaft sind?" Nein. Schließlich
gibt es auch Leute, die in die Kommunistische Partei eingetreten sind und
dennoch den Kommunismus bekämpfen. Sind Ding Ling und Feng Hsüä-feng
nicht solche antikommunistische Kommunisten? Der Beitritt zur Gewerkschaft
macht einen nicht automatisch zum Mitglied der Arbeiterklasse, dazu muß man
erst einmal einen Prozeß der Umerziehung durchlaufen. Die Mitglieder der
demokratischen Parteien, die Universitätsprofessoren, Literaten und Schriftsteller
haben derzeit keine Freunde unter den Arbeitern und Bauern. Das ist ein
bedenklicher Mißstand. Fe Hsiaotung zum Beispiel hat an Orten wie Peking,
Schanghai, Tschengdu, Wuhan und Wuhsi über zweihundert Freunde unter den
hochgestellten Intellektuellen. Er kann aus diesem Kreis einfach nicht
ausbrechen und, schlimmer noch, er hat bewußte Anstrengungen gemacht, diese
Leute zu organisieren, und ist als ihr Wortführer aufgetreten. Das ist ihn
teuer zu stehen gekommen. Ich habe zu ihm gesagt: Können Sie sich nicht ein
bißchen ändern? Lassen Sie Ihren Zweihunderterkreis fahren, suchen Sie sich
andere zweihundert aus den Reihen der Arbeiter und Bauern. Meiner Meinung nach
sollten sich alle Intellektuellen ihre Freunde unter den Massen der Arbeiter
und Bauern suchen, dort können sie echte Freunde finden. Befreundet euch mit
alten Arbeitern. Bei den Bauern sucht eure Freunde nicht voreilig unter den
wohlhabenden Mittelbauern, sucht sie unter den armen Baum und unteren
Mittelbauern. Denn die alten Arbeiter und die armen Bauern und unteren
Mittelbauern haben einen ausgezeichneten
Orientierungssinn.
Die Ausrichtungsbewegung geht in
vier Phasen vor sich - Meinungsäußerung, Gegenangriff, Reformen und
Studium. Also zuerst freie Meinungsäußerung,
dann Gegenangriff gegen die Rechten, dann Überprüfung und Reformen und
schließlich etwas Studium des Marxismus-Leninismus, gepaart mit Kritik
und Selbstkritik von der Art lauen Windes und milden Regens in
Gruppenversammlungen. Als am 1. Mai dieses Jahres in einem Dokument des ZK der
KP Chinas zur Ausrichtung von "lauem Wind und mildem Regen" die Rede
war, hatten ziemlich viele Leute, hauptsächlich die Rechten, Einwände, sie
wollten unbedingt einen "heftigen Wind und strömenden Regen", was
sich dann übrigens als sehr günstig für uns herausstellte. Das hatten wir
erwartet. Denn in der Ausrichtungsbewegung in Yenan hatte es schon einmal etwas
Ähnliches gegeben; anstelle des von uns vorgeschlagenen lauen Windes hatte sich
ein mächtiger Sturm erhoben, aber schließlich hatte
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der laue Wind doch die Oberhand
gewonnen. Wenn in einer Fabrik Tausende von Dazibaos auftauchen, haben die
Leiter einen schweren Stand. Nach etwa zehn Tagen wollen einige die Stellung
räumen und ihr Amt niederlegen; sie sagen, sie hielten es nicht länger aus,
könnten nicht mehr essen und nicht mehr schlafen. So erging es den Sekretären
der Parteikomitees in den Pekinger Hochschulen, sie verloren ihren Appetit und
litten an Schlaflosigkeit. Die Rechten sagten, sie brauchten uneingeschränkte
Redefreiheit ohne irgendwelche Erwiderungen. Wir sagten auch: Lassen wir sie
ruhig ihr Pulver verschießen, wir antworten erst einmal nichts darauf. So
ließen wir sie den ganzen Mai gewähren und kamen
bis 8. Juni mit keiner Widerlegung heraus. Alle Meinungen wurden frei
ausgesprochen. Grob gerechnet waren über 90 Prozent der geäußerten Ansichten
richtig, die Meinungen der Rechten machten nur einen geringen Bruchteil aus.
Damals hieß es für uns: sich ein dickes Fell zulegen und zuhören und dann erst zum Gegenschlag ausholen.
Jede Institution und Organisation muß
diese Phase durchmachen. In jeder Fabrik und jeder landwirtschaftlichen
Genossenschaft muß die Ausrichtung durchgeführt werden. Auch in der Armee
findet sie jetzt statt. Das ist unerläßlich. Ohne diese Ausrichtung wird der
"freie Markt" wieder um sich greifen. Es ist schon eine merkwürdige
Welt, fällt die Ausrichtung einmal drei Jahre aus, schießen in der
Kommunistischen Partei, im Jugendverband, in den demokratischen Parteien, unter
Universitätsprofessoren, Grund- und Mittelschullehrern, Journalisten,
Ingenieuren und Wissenschaftlern absonderliche Argumente wie Pilze aus dem
Boden und kommen wieder kapitalistische Ideen zum Vorschein. Genauso wie man
jeden Tag sein Haus aufräumen und sein Gesicht waschen muß, muß man im
allgemeinen, meine ich, jedes Jahr einmal eine Ausrichtung durchführen, die
etwa einen Monat, dauern sollte. Möglicherweise werden sich dabei wieder die
Wogen türmen. Für die gegenwärtigen Wellenberge sind nicht wir verantwortlich,
sondern die Rechten. Haben wir nicht davon gesprochen, daß wir in der
Kommunistischen Partei einen Gao Gang hatten? Sollte es in den demokratischen
Parteien wirklich keinen einzigen Gao Gang geben? Ich glaube das einfach nicht.
jetzt sind in der Kommunistischen Partei wieder solche Leute entdeckt worden,
z.B. Ding Ling, Feng Hsüä-feng und Djiang Feng, haben Sie in den
demokratischen Parteien nicht auch welche gefunden?
Die Bourgeoisie und die
bürgerlichen Intellektuellen müssen die Notwendigkeit ihrer Umerziehung einsehen.
Die Rechten wollen nichts davon wissen, und unter ihrem Einfluß zeigen sich
auch einige andere
|575| nicht eben bereitwillig, was sie
damit begründen, daß sie bereits umerzogen seien. Dschang Nai-tji sagt,
Umerziehung sei etwas Entsetzliches, so, als würden einem die Sehnen
herausgezerrt und die Haut abgezogen. Wir sagen, man solle das alte Ich
ablegen, und er spricht von "Sehnen herauszerren" und "Haut
abziehen". Nun, wer will denn diesem Herrn derartiges antun? Viele Leute
haben offenbar vergessen, was unser Ziel ist, was die Umerziehung notwendig
macht und welches die Vorteile des Sozialismus sind. Warum ist eine
ideologische Umerziehung notwendig? Weil wir wollen, daß die bürgerlichen
Intellektuellen die Weltanschauung des Proletariats annehmen und sich zu
proletarischen Intellektuellen wandeln. Die alten Intellektuellen werden sich
gezwungen sehen, diese Wandlung mitzumachen, weil neue Intellektuelle auf den
Plan treten. Sie mögen sagen, daß die neuen Intellektuellen, was ihre
Kenntnisse betrifft, noch nicht auf der Höhe sind, aber schließlich werden sie
doch so weit sein. Das Auftauchen dieser neuen Kräfte wird die alten
Wissenschaftler, Ingenieure, Professoren und Lehrer herausfordern und
anspornen. Wir schätzen, daß die große Mehrheit Fortschritte machen und ein
Teil von ihnen sich in
proletarische Intellektuelle verwandeln kann.
Das Proletariat muß
seine eigene Intellektuellenarmee aufbauen, wie die Bourgeoisie es auch
tut. Keine Klasse kann ohne eigene Intellektuelle ihre politische Macht
aufrechterhalten Wie könnte die Diktatur der Bourgeoisie in den
Vereinigten Staaten ohne ihre Intellektuellen bestehen? Wir haben bei uns eine
Diktatur des Proletariats, und das Proletariat muß seine
eigene Intellektuellenarmee aufbauen, diese muß alle jene Intellektuellen aus der alten Gesellschaft einschließen, die umerzogen sind und
wirklich den Standpunkt der Arbeiterklasse eingenommen haben. Dschang Nai-tji
kann man wahrscheinlich zu den Rechten zählen, die sich nicht mehr
ändern wollen. Wird er aufgefordert, sich zu einem proletarischen
Intellektuellen zu wandeln,, winkt er ab und behauptet, er habe sich
längst gewandelt, er sei nun ein "roter Bourgeois".
Gut, folgen wir der Methode "Selbsteinschätzung und öffentliche
Diskussion"; Sie können eine Einschätzung Ihrer selbst abgeben, aber sie muß öffentlich
diskutiert werden. Wir sagen, zum "roten Bourgeois"
fehlt Ihnen noch einiges, Dschang Nai-tji, Sie sind ein weißer Bourgeois. Manche treten
dafür ein, man solle zuerst fachkundig und dann rot werden. Zuerst
fachkundig und dann rot werden bedeutet zuerst weiß sein und dann rot
werden. jetzt nicht rot, sondern später - wenn sie jetzt nicht
rot sind, was sind sie dann? Natürlich weiß. Intellektuelle sollten rot
und fachkundig zugleich sein.
|576| Um rot zu werden, müssen sie sich
entschließen, ihre bürgerliche Weltanschauung gründlich umzuformen. Dafür
brauchen sie nicht eine Menge Bücher zu lesen, sie müssen sich nur ein
wirkliches Verständnis folgender Fragen erarbeiten: Was ist das Proletariat?
Was ist die Diktatur des Proletariats? Warum hat allein das Proletariat eine
große Zukunft vor sich, während sich alle anderen Klassen im Übergang befinden?
Warum muß unser Land den sozialistischen Weg einschlagen, darf es nicht den
kapitalistischen Weg gehen? Warum ist die Führung durch die Kommunistische
Partei unerläßlich?
Viele nehmen Anstoß an dem, was
ich am 30. April gesagt habe [2]. "Wenn die Haut
weg ist, woran sollen die Haare dann haften?" Ich sagte, es habe in China
fünf Häute gegeben. Drei davon waren alte Häute, sie wurden vom
imperialistischen, vom feudalen und vom bürokratisch-kapitalistischen
Eigentum gebildet. Früher waren die Intellektuellen in ihrer Existenz von
diesen Häuten abhängig, außerdem vom national-kapitalistischen Eigentum
und vom Eigentum der Kleinproduzenten, das heißt vom kleinbürgerlichen
Eigentum. Unsere demokratische Revolution zielte darauf ab, die ersten drei
Häute zu beseitigen, dafür brauchte sie, von der Zeit Lin Dsö-hsüs [3] an gerechnet, mehr
als ein Jahrhundert. Die sozialistische Revolution zielte auf die Entfernung
der anderen beiden Häute ab, des national-kapitalistischen Eigentums und
des Eigentums der Kleinproduzenten. Alle diese fünf Häute gehören nun der
Vergangenheit an. Die drei alten Häute sind schon lange verschwunden, und die
anderen zwei sind nun auch weg. Was für eine Haut haben wir heute? Die Haut des
sozialistischen Gemeineigentums, welches, versteht sich, wiederum aus zwei
Teilen besteht: aus dem Volkseigentum und dem Kollektiveigentum. Von wem leben
sie nun, all die Mitglieder der demokratischen Parteien, Professoren,
Wissenschaftler und Journalisten? Sie leben von der Arbeiterklasse, von den
Kollektivbauern, vom Volkseigentum und vom Kollektiveigentum, kurz, sie leben
vom sozialistischen Gemeineigentum. Da nun die fünf alten Häute verschwunden
sind, fliegen die Haare in der Luft herum und bleiben, wenn sie zu Boden
geschwebt sind, nirgends fest haften. Die Intellektuellen sehen immer noch mit
Verachtung auf die neue Haut herab und sagen: Was sind schon das Proletariat,
die Armen Bauern und unteren Mittelbauern? Sie sind zu unwissend, haben
weder von Astronomie noch von Geographie eine Ahnung. Und sie denken, daß von
allen Vertretern der "drei Religionen
und neun Denkschulen" [4] ihnen keiner das Wasser reichen könne. Es widerstrebt den Intellek
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tuellen, den Marxismus-Leninismus
zu akzeptieren. Diesen Marxismus-Leninismus haben früher viele bekämpft: Die
Imperialisten bekämpften ihn, Tschiang Kai-schek bekämpfte ihn
tagtäglich, er sagte, "Der Kommunismus eignet sich nicht für chinesische
Verhältnisse", und jagte den Menschen Angst vor ihm ein. Damit die
Intellektuellen dem Marxismus-Leninismus beipflichten und ihre
bürgerliche Weltanschauung in eine proletarische umwandeln, ist einige Zeit
vonnöten und eine sozialistische ideologische Revolution. Die Bewegung dieses
Jahres soll den Weg zu diesem Ziel ebnen.
Nach dem Gegenangriff gegen die
Rechten herrscht nun in manchen Institutionen, Organisationen und Hochschulen
Windstille. In den leitenden Positionen macht man es sich bequem und zeigt
wenig Lust, die Reformen nun auch anzupacken, die in vielen korrekten
kritischen Außerungen gefordert wurden. So steht es in einigen Institutionen,
Organisationen und Hochschulen in Peking. Meiner Meinung nach sollte in der
gegenwärtigen Phase, in der Phase der Reform, ein neuer Aufschwung der
Meinungsäußerung eingeleitet werden. Hängt Dazibaos auf und fragt: "Warum
führt ihr keine Reformen durch?" Fordert sie heraus! Das kann sehr
nützlich sein. Dieser Phase soll man eine kurze Zeit einräumen, sagen wir, ein
oder zwei Monate. Darauf muß eine Periode des Studiums folgen, damit etwas Marxismus-Leninismus studiert
und in der Art des "lauen Windes und milden Regens" Kritik und
Selbstkritik geübt wird. Das ist dann die vierte Phase. Das Studium ist natürlich nicht eine
Sache von ein oder zwei Monaten, was ich meine, ist, daß Interesse am Studium
geweckt werden soll, auch über das Ende der Bewegung hinaus.
Einmal muß Schluß mit dem
Gegenangriff gegen die Rechten sein. Manche Rechte haben das vorhergesehen.
Früher oder später wird der Sturm vorbei sein, sagten sie. Das ist sehr
richtig. Ihr könnt nicht endlos auf die Rechten einschlagen, Tag für Tag, Jahr
für Jahr. In Peking zum Beispiel ist die Atmosphäre nicht mehr so stark von dem
Kampf gegen die Rechten geprägt wie zuvor, denn der Gegenangriff wird bald
vorüber sein. Trotzdem, ganz vorbei ist er noch nicht, wir dürfen in unseren
Anstrengungen nicht nachlassen. Immer noch weigern sich manche Rechte
hartnäckig, zu kapitulieren, so zum Beispiel Luo Lung-dji und Dschang Nai-tji.
Ich meine, wir sollten es noch ein paar Male mit ihnen versuchen, und wenn sie
sich immer noch nicht überzeugen lassen, was können wir da machen - jeden
Tag eine Sitzung mit ihnen abhalten? Wenn sich einige Starrköpfe nie ändern
wollen,
|578| werden wir sie wohl abschreiben
müssen. Sie sind ja nur eine Handvoll, wir werden sie sich selbst überlassen
und für einige Jahrzehnte auf Eis legen. Die Mehrheit jedenfalls drängt nach
vorn.
Beabsichtigen wir, die Rechten
ins Meer zu werfen? Nein, keinen einzigen wollen wir hineinwerfen. Die Rechten
sind eine feindliche Kraft, weil sie die Kommunistische Partei, das Volk und
den Sozialismus bekämpfen. Aber wir behandeln sie jetzt nicht, wie wir die
Grundherren und Konterrevolutionäre behandeln; der grundlegende Unterschied
ist, daß ihnen das Wahlrecht belassen wird. Vielleicht, daß man einzelnen
dieses Recht wegnehmen und sie durch körperliche Arbeit umerziehen muß. Unsere
Praxis ist aber, von Verhaftungen und Wahlrechtsentzug abzusehen und ihnen
statt dessen einigen Spielraum zu geben; das wird helfen, sie zu spalten. Habe
ich nicht gerade vorhin davon gesprochen, daß es zwei Typen von Rechten gibt?
Typ eins sind diejenigen, denen man, wenn sie sich gebessert haben, ihr
RechtenEtikett abnehmen kann, die wieder in die Reihen des Volkes zurückkehren können. Typ zwei sind
diejenigen, die unverbesserlich bleiben, bis zu dem Tag, an dem sie beim
Höllenfürsten vorsprechen. Dann werden sie sagen: "Wir sind die, die nicht
kapituliert haben, Eure Majestät. Seht, wie charakterfest wir sind!" So
sind sie, loyale Diener der Bourgeoisie. Die Rechten stehen mit den
übriggebliebenen feudalen Kräften und den Konterrevolutionären in Verbindung,
mit ihnen identifizieren sie sich, mit ihnen handeln sie in gegenseitigem
Einvernehmen. Die Grundherren brachen angesichts der Wenhui Bao in jubel aus und kauften sie, um den Bauern daraus
vorzulesen und sie einzuschüchtern. "Schaut her", sagten sie,
"das steht alles in der Zeitung gedruckt!" Sie wollten alte
Rechnungen begleichen. Auch die Imperialisten und Tschiang Kai-schek
sprechen dieselbe Sprache wie die Rechten. Zum Beispiel standen die Reaktionäre
in Taiwan und Hongkong fest hinter Tschu An-pings Behauptung "die
Kommunistische Partei monopolisiert alles", Dschang Bo-djüns
Forderung nach einer "politischen Planungskammer" und Luo Lung-djis
Ruf nach einer "Rehabilitierungskommission". Der USA-Imperialismus
ist ebenfalls sehr angetan von unseren Rechten. Einmal legte ich Ihnen die
Frage vor: "Wenn die Amerikaner in Peking einmarschieren, was werden Sie
dann tun? Wie werden Sie sich dazu stellen? Was werden Sie unternehmen? Wenn
die Vereinigten Staaten ein Marionettenregime einsetzen, werden Sie da
mitmachen oder werden Sie mit uns in die Berge ziehen?" Ich sagte dann,
meine Absicht sei, in die Berge zu ziehen, zuerst nach Dschangdiiakou und dann nach Yenan. Ich sprach von der schlimmsten
der Möglichkeiten,
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gehen und zu zeigen, daß wir keine Unruhe fürchten. Selbst wenn die Vereinigten
Staaten halb China besetzten, würde uns das nicht einschüchtern. Hielt Japan
nicht mehr als die Hälfte Chinas besetzt? Und haben wir nicht zurückgeschlagen
und ein neues China geschaffen? In Gesprächen mit Japanern sagte ich, daß wir
dem japanischen Imperialismus für seine Aggression danken sollten, weil er uns
damit viel Gutes getan hat: Er rüttelte die ganze Nation zum Widerstand auf und
erhöhte das Bewußtsein unseres Volkes.
Die Rechten sagen nicht die
Wahrheit, sie sind unaufrichtig und treiben hinter unserem Rücken üble Dinge.
Wer hätte gedacht, daß Dschang Bo-djün so viele Übeltaten begeht? Meine
Meinung ist: je höher das Amt dieser Leute, desto größer der Aufruhr, den sie
machen. Das Dschang-Luo-Bündnis war hocherfreut über die zwei
Losungen "Koexistenz auf lange Sicht und gegenseitige Kontrolle" und
"Laßt hundert Blumen blühen, laßt hundert Schulen miteinander
wetteifern". Sie verwendeten sie, um uns zu bekämpfen. Wir sagten, daß wir
für eine langfristige Koexistenz sind - sie versuchten, für uns eine
kurzfristige Koexistenz daraus zu machen- Wir sagten, daß wir für
gegenseitige Kontrolle sind - sie wiesen jegliche Kontrolle zurück. Für
einige Zeit gebärdeten sie sich wie toll und erreichten am Ende das Gegenteil:
Sie verwandelten die langfristige Koexistenz für sich in eine kurzfristige. Was
ist mit Dschang Bo-djüns Ministerposten? Ich fürchte, er kann ihn nicht behalten. Sicher werden
die Volksmassen nicht damit einverstanden
sein, daß ein Rechter Minister ist! Dann haben wir da noch einige bekannte
Rechte, die als Abgeordnete im Nationalen Volkskongreß
sitzen. Was macht man mit ihnen? Ich fürchte, es wird Schwierigkeiten geben, wenn wir ihnen diese Posten lassen. Ding
Ling züm Beispiel kann unmöglich
länger Abgeordnete bleiben. Doch wäre es
wohl auch nicht gut, wenn man gewissen Rechten keinerlei Posten, gar keine
Arbeit gäbe. Zum Beispiel kann Tjiän We-tschang seinen Posten als
Professor vielleicht weiter behalten, aber nicht den als Protektor. Manche
andere Professoren sollten vielleicht eine Zeitlang nicht in ihrer alten
Stellung arbeiten, weil die Studenten nicht zu ihren Vorlesungen gehen würden.
Was könnte man dann mit ihnen machen? Wir könnten ihnen an den Hochschulen
einige andere Aufgaben zuteilen, sie während dieser Zeit einer Umerziehung
unterziehen und nach einigen Jahren den Unterricht wiederaufnehmen lassen. All
diese Fragen wollen gut überlegt sein, es handelt sich hier um eine
komplizierte Angelegenheit. Revolution an sich ist eine komplizierte An
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gelegenheit. Ich bitte Sie, diese
Frage zu diskutieren-. Wie behandeln wir die Rechten, wo bringen wir sie
unter?
Wie steht es in den verschiedenen
demokratischen Parteien und an der Basis? Ich fürchte, daß Sie, die Sie in
verantwortlichen Positionen sind, in diesem Punkt auch nicht klarsehen. Für
eine gewisse Zeit gelang es starrsinnigen Rechten, in manchen Organisationen
die Wasser zu trüben, so daß wir den Grund nicht mehr sehen konnten. Bei
unseren Nachforschungen hat sich herausgestellt, daß sie in Wirklichkeit nur 1
oder 2 Prozent
ausmachen. Tut ein bißchen Alaun ins Wasser, und man wird den Grund wieder
sehen können. Die gegenwärtige Ausrichtung gleicht einer Dosis Alaun. Wenn in
großem Stil Meinungen geäußert und Debatten abgehalten worden sind, werden wir
den Dingen wieder auf den Grund sehen können. In Fabriken, Dörfern und Hochschulen
sind wir heute schon in der Lage dazu, und in der Kommunistischen Partei, dem
Jugendverband und den demokratischen Parteien sehen wir auch bereits klar.
Nun einige Worte über das 40-Punkte-Programm
zur Entwicklung der Landwirtschaft. Nach
zwei Jahren Praxis bleibt es bei den grundlegenden Planziffern vier, fünf und acht, das heißt einem jährlichen
Ertragssoll von 400 Djin Getreide
pro Mu nördlich des Gelben Flusses, 500 Djin nördlich und 800 Djin südlich des
Flusses Huaiho. Dieses Ziel soll in zwölf Jahren erreicht werden, das ist der
wesentliche Punkt. Am Programm als Ganzem ist, abgesehen von einigen Artikeln,
keine grundsätzliche Änderung vorgenommen worden. Manche Probleme sind gelöst
worden, zum Beispiel ist die Frage des genossenschaftlichen Zusammenschlusses
im großen und ganzen erledigt, also sind die diesbezüglichen Artikel
entsprechend revidiert worden. Früher waren einige Punkte nicht besonders
hervorgehoben, wie die über die Landmaschinen und die chemischen Düngemittel.
Da jetzt große Anstrengungen in diesen Bereichen gemacht werden müssen, werden
sie in den betreffenden Artikeln stärker herausgearbeitet. In der Reihenfolge
der Artikel wurden gewisse Abänderungen vorgenommen. Nach der Beratung auf der
gemeinsamen Tagung des Ständigen Ausschusses des Nationalen Volkskongresses und
des Ständigen Ausschusses des Nationalkomitees der Politischen
Konsultativkonferenz wird dieser revidierte Entwurf des Programms zur
Entwicklung der Landwirtschaft erneut in allen ländlichen Gebieten zur
Diskussion gestellt werden. Er kann auch in Fabriken, verschiedenen
Gesellschaftskreisen und in den demokratischen Parteien diskutiert werden.
Dieser von der Kommunistischen Partei Chinas vorgelegte Programmentwurf ist von
unserer
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ZK der KP Chinas, ausgearbeitet worden, nicht von einer "politischen
Planungskammer", wie sie Dschang Bo-djün vorschwebt.
Es ist notwendig, die gesamte
Bauernschaft in die Diskussion über dieses Programm einzubeziehen. Wir
müssen die Energie und Begeisterung des Volkes beflügeln. Energie und
Begeisterung haben in der zweiten Hälfte des letzten Jahres und der ersten
Hälfte dieses Jahres nachgelassen und sind dann wegen der Unruhe, die die
Rechten in Städten und Dörfern gestiftet haben, weiter gesunken. Die
Ausrichtung und der Kampf gegen die
Rechten haben der Energie und Begeisterung des Volkes großen Auftrieb gegeben.
Meiner Meinung nach ist das 40-Punkte-Programm zur Entwicklung der
Landwirtschaft den chinesischen Verhältnissen gut angepaßt und kein Produkt des
Subjektivismus. Wohl gab es etwas Subjektivismus im Programm, aber das haben
wir beseitigt. Insgesamt gesehen, stehen die Aussichten gut, daß dieses
Programm verwirklicht werden kann. China kann verwandelt werden, Unwissenheit
kann in Wissen und Lethargie in Vitalität verwandelt werden.
Im Programm gibt es einen Artikel
über die Beseitigung der vier Plagen Ratten, Spatzen, Fliegen und Stechmücken.
Ich bin sehr an dieser Sache interessiert, ich weiß nicht, was Sie dazu meinen.
Ich nehme an, auch Sie sind daran interessiert. Es wird eine große Bewegung für
die öffentliche Gesundheit und eine Kampagne zur Zerstörung des Aberglaubens
sein. Die vier Plagen auszurotten ist keine einfache Sache. Auch hier wird man
auf freie Meinungsäußerung, offene Aussprache, große Debatte und Dazibao
angewiesen sein. Wenn das Volk dazu mobilisiert wird und einige Erfolge erzielt
werden, dann wird sich, glaube ich, die Mentalität der Menschen ändern und die
Moral der chinesischen Nation großen Auftrieb erhalten. Wir müssen unserer
Nation neue Kraft geben.
Die Aussichten für die
Familienplanung stehen gut. Auch in dieser Angelegenheit muß es eine große
Debatte geben, muß es Perioden des Versuchs, der Verbreitung und Verallgemeinerung geben, jede von einigen Jahren
Dauer.
Eine Fülle von Arbeit liegt vor
uns. Vieles. was im 40-Punkte-Programm zur Entwicklung der
Landwirtschaft vorgesehen ist, harrt noch der Verwirklichung. Und das ist nur
der Plan für die Landwirtschaft, daneben gibt es noch den für die Industrie und
den für die Kultur und das Bildungswesen. Wenn einmal die ersten drei
Fünfjahrpläne erfüllt sind, wird unser Land sein Aussehen verändert haben.
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Wir schätzen, daß gegen Ende des
dritten Fünfjahrplans der jährliche Ausstoß von Stahl 20 Millionen Tonnen erreichen wird.
Dieses Jahr haben wir einen Ausstoß von 5,2 Millionen Tonnen, also werden wir das
Ziel wahrscheinlich in zehn Jahren erreichen. Indien produzierte 1952 1,6 Millionen
Tonnen Stahl, und seine gegenwärtige Produktion liegt bei etwas über 1,7
Millionen Tonnen, das bedeutet in fünf Jahren ein Wachstum von wenig mehr als
100 000 Tonnen. Und wie steht es mit uns? Unsere Produktion lag 1949 nur bei 190 000
Tonnen, konnte bis zum Ende der dreijährigen Wiederherstellungsperiode auf über
1 Million Tonnen angehoben werden und hat nach weiteren fünf Jahren jetzt 5,2 Millionen Tonnen
erreicht, das bedeutet in fünf Jahren eine Steigerung von über 3 Millionen
Tonnen. Noch einmal fünf Jahre, und unsere Produktion wird die 10-Millionen-Tonnen-Marke
überschreiten, oder noch ein bißchen mehr, 11,5 Millionen Tonnen, erreichen. Und wenn
der dritte Fünfjahrplan erfüllt ist, können wir es dann auf 20 Millionen Tonnen
bringen? ja, das können wir.
Ich sage, dieses unser Land ist voller Hoffnung. Die
Rechten behaupten, es wäre ohne Hoffnung, sie sind völlig im Unrecht. Es fehlt
ihnen an Zuversicht. Das ist nur natürlich, denn sie bekämpfen den Sozialismus.
Wir halten am Sozialismus fest, deshalb sind wir die Zuversicht selbst.
ANMERKUNGEN
* Rede von Genossen Mao Tsetung auf der 13. Tagung der Obersten Staatskonferenz.
1 Im Oktober 1957 verbot die polnische Regierung die Wochenschrift Po Prostu, was einen Aufruhr unter den Studenten verursachte.
2 Gemeint ist die Rede, die Genosse Mao Tsetung am 30. April 1957 auf einer Sitzung von leitenden Mitgliedern der demokratischen Parteien und von parteilosen Demokraten über die Ausrichtungsbewegung und die ideologische Umerziehung der Intellektuellen gehalten hat.
3 Lin Dsö-hsü (1785-1850) war während des ersten Opiumkriegs Gouverneur der Provinzen Kuangtung und Kuangsi der Tjing-Dynastie und trat für einen entschlossenen Widerstand gegen die britische Aggression ein.
4 Damit sind Vertreter der verschiedenen Branchen und Berufe gemeint.