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Nachdem es dem in Westberlin herrschenden Machtkartell unter der Hegemonie
der rechten SPD durch den Reichsbahnkrieg(**) gelungen war, kommunistische und
andere oppositionelle Strömungen zu isolieren, entstand ein politisches
Klima in der Stadt, in dem jede Opposition, die Kritik an der Westintegration
erhob, brutal verfolgt werden konnte, ohne daß sich ein breiteres
Protestpotential gegen die damit einhergehende Außerkraftsetzung der
minimalsten bürgerlichen Rechte formierte.
Die SED und die mit ihr verbundenen Kräfte, insbesondere die FDJ und
der FDGB, wurden Opfer zahlloser staatsterroristischer Maßnahmen. Die
Phase dieses brutalen Antikommunismus entsprach ungefähr dem Zeitraum der
zweiten Etappe der Westintegration, weil in diesem Abschnitt die kommunistischen
Kräften, die an der Einheit Deutschland festhielten, logischerweise aus
ihrer Sicht versuchen mußten, dieser Westintegration den Weg zu
versperren. Aufgrund der Kräftekonstellationen in Gesamtberlin konnte ihre
westberliner Politik nur von Ostberlin aus entfaltet werden. Dieser Umstand ermöglichte
wiederum dem westberliner Machtkartell, alle oppositionellen Handlungen
scheinbar rechtsstaatlich als Landesverrat und Staatsgefährdung zu
verfolgen. Bei diesen Verfolgungsmaßnahmen gab es eine abgestimmte
Arbeitsteilung mit den Westallierten.
Schon in der zweiten Hälfte des Jahres 1949 setzten massive politische
Repressionen gegen die vom "Deutschen Volksrat" - ein von SED und KPD
geschaffenem Ausschuß - geführte Kampagne für die Bildung einer
gesamtdeutschen Regierung mit Sitz in Berlin ein. Am 1.10.1949 wurde von diesem
Gremium in Ostberlin anläßlich des "Weltfriedenstages" eine
Massendemo durchgeführt. Als am folgenden Tage ebenfalls versucht wurde, in
verschiedenen westberliner Bezirken Demos durchzuführen, wurden diese von
der Polizei brutal zerschlagen.
Im Januar und Februar 1950 führte die SPD eine Reihe von politischen
Massenveranstaltungen an der Sektorengrenze in Kreuzberg, Wedding und Neukölln
unter dem Titel "Freie Wahlen für Berlin" durch. Das Ziel dieser
Kampagne stand unter der von Willy Brandt ausgegebenen Losung: "Sowenig wie
der Sozialismus in einem allein möglich ist, sowenig ist er in einer Stadt
denkbar." und sollte speziell die ostberliner Bevölkerung dazu
bringen, ebenfalls für eine Westintegration - dh. für den -
einzutreten. Als auf diesen Veranstaltungen SED-Mitglieder die ideologische
Auseinandersetzungen suchten, wurden diese als "kommunistische Stör"
behandelt, dh. gegen sie wurde mit der Polizei vorgegangen. Als am 5.2.1950
daraufhin die SED im Wedding eine eigene Veranstaltung machen will, um ihre
Positionen zu erläutern, wird diese kurzer Hand auf Initiative der SPD
verboten und die Teilnehmer werden durch Polizei in den angrenzenden Ostsektor
verjagt.
Ab Februar 1950 begannen die Kommunisten, ihre Propaganda für das 1.
Deutschlandtreffen der Jugend in Ostberlin am 27.-30.5.1950 zu entfalten. Dieses
Treffen sollte sich unter der Parole für Frieden und Völkerfreundschaft
gegen die beginnende Wiederaufrüstung in der BRD richten und für ein
wiedervereintes friedliebendes Deutschland werben. Schon am 9.2.1950 untersagten
die jegliche damit zusammenhängenden Demos in Westberlin. SPD-Oberbürgermeister
Reuter ("Schaut auf diese Stadt") unterstrich eine gute Woche später
die Richtigkeit der Anordnung. Währenddessen hatten sich die Bezirksbürgermeister
mit der "Kampfgruppe gegen die Unmenschlichkeit"- einer Art Bürgerwehr
- getroffen, um Gegenmaßnahmen für das Pfingstjugendtreffen durchzu.
Dennoch versuchte am 10.3.1950 die FDJ mit einer Kundgebung auf dem Kreuzberger
Mariannenplatz, das Demo-Verbot zu durchbrechen. Gegen die rund 2.000 Teilnehmer
wird seitens der Polizei sogar mit der Schußwaffe vorgegangen. Immer
wieder versuchen FDJ-Gruppen in der 2. Märzhälfte, Demos zu
organisieren, die von der Polizei brutal zerschlagen werden. Mit
Schnellgerichten werden Festgenommene zu mehrwöchigen Gefängnisstrafen
verurteilt.
SPD, CDU, FDP und UGO versetzten die Westberliner in eine bürgerkriegsähnliche
Progromstimmung und gaben ein gemeinsames Hetzplakat heraus, auf dem es hieß:
"Duldet in eigenem Interesse keine Quartierwerbung in Euren Häusern.
Nur dadurch könnt Ihr Euch vor Sachschäden, Überrumpelungen und
Gewalttätigkeiten schützen, die zwangsläufig eintreten müssen,
wenn es der SED gelingt, in das freiheitlich gesinnte Westberlin große
Massen verhetzter Menschen auf diesem Wege einzuschleußen. Jede
Quartiermachung ist verboten und wird strafrechtlich verfolgt."
Am 4.4.1950 wurde unter Leitung des amerikanischen Stadtkommandanten Taylor
ein Krisenstab zur Bekämpfung "kommunistischer Putschversuche"
mit der westberliner Polizei gebildet, der aus vier Ausschüssen bestand,
die "politische, militärische, psychologische und Abwehrfragen"
behandelten. Dennoch unternahm auch im April die FDJ zahlreiche
propagandistische Aktionen in den Westsektoren, die allerdings angesichts des
Progromklimas auf das Plakatekleben beschränkt blieben. Auch hier kommt es
zu zahlreichen Verhaftungen und Aburteilungen.
Nach dem nun jegliches Eintreten für die Teilnahme am
Deutschlandtreffen brutal unterdrückt worden war, verstärkte in den
Wochen vor dem Deutschlandtreffen der "Westen" die Propaganda für
Westberlin als "Schaufenster der freien Welt". Daran beteiligten sich
insbesondere der RIAS und die Jugendverbände, sowie die FU. Während
des Jugendtreffens in Ostberlin, an dem 700.000 Jugendliche aus allen Teilen
Deutschlands und dem Ausland teilnehmen, hielten sich in Westberlin zu
propagandistischen Zwecken die Mitglieder der Bonner Regierung auf, um "Verbundenheit
des freien Deutschland mit Berlin" zu bekunden. Dieses Verständnis von
westlicher Freiheit wurde kurze Zeit später nochmals unter Beweis gestellt,
als am 31.5.1950 10.000 westdeutsche Teilnehmer bei Rückkehr in die BRD von
Bundesgrenzschutz und Polizei verhaftet werden. Angeblich sollten sie auf
Thyphus untersucht werden, in Wirklichkeit ging es um die Registrierung durch
den Staatsapparat.
Im Sommer 1950 nahmen die FDJ und das Deutsche Komitee für den Frieden
die Agitation für die Deutsche Einheit und gegen die Remilitarisierung der
BRD in Westberlin wieder auf. In diesem Zusammenhang sammelten sie
Unterschriften zur "Ächtung der Atombombe". Am 18.7.1950
formierte sich dafür in Westberlin ein Demonstrationszug mit mehreren
tausend Teilnehmern. Die westberliner Polizei führte hier ihre erste
Massenhaftung von mehr als tausend Teilnehmern durch. Unter ihnen sich auch der
Physikprofessor Robert Havemann. Am 30. August 1950 verbreiteten die Tempelhofer
SPD, CDU und FDP einen Aufruf, worin sie ankündigen, Namen von Unterstützern
der Unterschriftensammlung öffentlich bekanntzugeben, und die Bevölkerung
auffordern, Unterschriftensammler der Polizei zu übergeben. Gegen
Progromstimmung organisierte die FDJ am 1.9.1950 eine mehr als 1000köpfige
Demo vor dem Schöneberger Rathaus. Dabei setzte die Polizei das 1.Mal(!) in
der Geschichte Wasserwerfer ein und nimmt dabei keine Rücksicht auf den
gleichzeitig laufenden Wochenmarkt.
Am 10.9.1950, dem Gedenktag für die Opfer des Faschismus, formierten
sich zwei große Demonstrationszüge der VVN, die von Westberlin aus
zum Ostberliner Lustmarschieren wollten. Auch diese Demos werden illegalisiert
und blutig von der Polizei zerschlagen. Diesen Vorfall nahmen die Westalliierten
zum Vorwand und verhängten am 11.9.1950 mit ihrer berüchtigten
Anordnung 501 den Ausnahmezustand in Westberlin. Gestützt auf diese
Anordnung setzte die SPD-Fraktion im westberliner am 28.9.1950 einen Antrag
durch, der jede Verbreitung "kommunistischer" Schriften in Westberlin
verbietet. Am 19.12.1950 erweiterten die Westallierten ihre Anordnung durch eine
neue (Nr. 504). Dadurch wurde festgelegt, daß Verstöße gegen
Nr. 501 von Militärgerichten oder westberliner Gerichten mit Gefängnis
bis zu fünf und/oder bis zu 50.000 DM Geldstrafe zu ahnden sind.
Nachdem nun jegliches öffentliches oppositionelles Auftreten
illegalisiert worden war, folgte sozusagen als krönender Abschluß im
Januar 1951 die höchstrichterlich getroffene Feststellung, daß der
FDGB in Westberlin keine Tarifpartei sein kann, was seiner Illegalisierung in
Betrieben gleichkam. Somit war zum Jahreswechsel 1950/51 in Westberlin ein
politisches Klima herangewachsen, das die Kommunisten veranlaßte, es als
faschistisch zu charakterisieren. In dieses Klima paßte sich der
offizielle Appell des DGB vom Februar 1951 an den Senat nahtlos ein, wo dieser
aufgefordert wurde, westberliner Kommunisten zwangsweise auszubürgern.
Ebenfalls entsprach die nun durchgeführte Ausrüstung der westberliner
Polizeieinheiten, die an den Sektorengrenzen eingesetzt waren, mit Karabinern
dem herrschenden Zeitgeist und für den herbeigeredeten Bürgerkriegszustand
ein stückweit Realität. So schien es in der Logik solch erfundener
Verhältnisse auch ganz normal, daß zum Jahre1951 die Polizei mit
automatischen Waffen und Maschinengewehren ausgerüstet und ihre
Mannschaftsstärke um weitere 2.000 aufgestockt wurde. Auch der westberliner
Zoll wurde so verstärkt, daß pro Kilometer Grenze diese
ununterbrochen 24 Stunden am Tag von mindestens einem Beamten bewacht werden
konnte.
Trotz dieser Bedingungen begannen im Frühsommer 1951 SED und FDJ ihre
Agitation und Propaganda für die am 15.August 1951 in Ostberlin angesetzten
III.Weltfestspiele der Jugend und Studenten für den Frieden in den
westberliner Stadtteilen. Eine der ersten Reaktionen des Senats war im Mai 1951
die Illegalisierung mehrerer als kommunistisch eingestufter, westberliner
Friedenskomitees. Eine der übelsten Maßnahmen antikommunistischer
Hetze bildete der zwischen dem 3.und 5.6.1951 in verbreitete Aufruf des
westberliner Senats, in dem er den Kampf gegen die Remilitarisierung als "Manöver
nach dem Vorbild der NSDAP" bezeichnet. Trotz dieser massiven Unterdrückung
und ideologischen Diversion konnte der Vorsitzende des Groß-Berliner
Friedenskomitees, Professor Robert Havemann, am 9.6.1951 mitteilen, daß
rund 110.000 Unterschriften in Westberlin gesammelt worden seien, wovon 86,7
Prozent sich gegen die Remilitarisierung der BRD aussprochen hatten.
Ebenfalls im Juni 1951 versuchten mehrere hundert FDJler, zweimal die
Pfaueninsel zu besetzen, um dadurch gegen ihre militärische Nutzung durch
die Amerikaner zu protestieren. Es kommt wieder zu zahlreichen Verhaftungen.
Auch bei anderen Aktionen im Juli 1951, wie z.B. Flugblätterverteilen auf
S-Bahnhöfen, griff die Polizei jedes Mal hart durch und wurde dabei von
Teilen der westberliner Bevölkerung aktiv unterstützt. Am 28.7.1951
wurden schlielich rund 6.000 westdeutsche Jugendliche vom Bundesgrenzschutz
gehindert, die "grüne" BRD/DDR-Grenze zu überschreiten, um
an den III. Weltfestspielen teilnehmen zu können. Seitdem befindet sich die
westberliner Polizei in Alarmbereitschaft.
Während der Weltjugendfestspiele kommt es am 15.8.1951 zu dem
massivsten Polizeiübergriff in der westberliner Geschichte. Seit Tagen
hatten der Senat, die bürgerlichen Parteien und Jugendverbände, sowie
der DGB mit einem riesigen Propagandaaufwand die Teilnehmer der Festspiele ins "freie
Berlin" eingeladen. Die FDJ entschloß sich daher mit drei Demozügen
(im Wedding, Neukölln und Kreuzberg) mit rund 10.000 Teilnehmer der
Einladung zu folgen. Kaum daß sie die Grenze überschritten hatten,
wurden die Demonstranten mit Polizeikesseln festgehalten, verprügelt und
hunderte, die nicht in den Ostsektor zurückfliehen konnten, wurden
festgenommen und zur Aburteilung den Schnellgerichten zugeführt.
Exemplarisch für dieses staatsterroristische Klima steht die Tötung
des Kommunisten Ernst Kamieth am 7.11.1951 durch den Kreuzberger Polizeibeamten
Zunker. hatte mit einer Polizeigruppe den Potsdamer Güterbahnhof nach "kommunistischen
Propagandamaterial" untersucht und dabei Ernst Kamieth so niedergeschlagen,
daß er dadurch besinnungslos wurde und verstarb. Erst nach zwei Monaten,
nachdem der "Groscurth-Ausschuß" eine massive Öffentlichkeitsarbeit
entfaltet hatte, nahm man Zunker 11.1.1952 in Haft, der erst am 10.5.1954 (!!!)
äftig verurteilt wurde. Obwohl im Verfahren noch fünf andere Fälle
von Körperverletzung im Amt nachgewiesen wurden, erhielt Zunker für
alle 6 Fälle zusammen eine Strafe von 22 Monaten Gefängnis, wobei als
mildernder Umstand angesehen wurde, daß Zunker ein "Polizeirevier an
der Sektorengrenze" leitete. Trotz dieser schließlich doch erfolgten
Verurteilung hatte Zunker während des Verfahrens die Symphatien der
Herrschenden auf seiner Seite. So stellte die SPD-Fraktion im Abgeordnetenhaus
am 7.3.52 den Dringlichkeitsantrag auf sofortige Haftentlassung. SPD-Funktionäre
wie der Kreuzberger Bezirksbürgermeister Willy Kressmann solidarisierten
sich öffentlich mit Zunker. Und Zunker wurde bereits am 21.3.52 wieder aus
der U-Haft entlassen und blieb bis zu seiner Verurteilung auf freiem Fuß.
Im Jahre 1952 spitzte sich der Staatsterror gegen kommunistische und
oppositionelle Kräfte weiter zu, indem nun die staatsterroristischen Maßnahmen
direkt auf die der westberliner Kommunisten zielten. Eingeleitet wurde diese
Phase im Februar 1952 mit der Bildung des Landesamtes für Verfassungsschutz
verab-. Selbst Künstler wie der Komponist Eduard Künnecke oder die
Schauspielerin Else Riechers wurden ihrer Ämter enthoben bzw. bekamen
Berufverbot, weil sie für Zusammenarbeit aller Berliner Kulturschaffenden
eingetreten waren. Durch die Änderung des Gesetzes über die
Anerkennung als politisch, rassisch oder religiös Naziregime Verfolgte
verschufen sich die Herrschenden im März 1952 die "Rechts"grundlage
kommunistischen oder oppositionellen Kräfte den Verfolgtenstatus und damit
finanzieller Unterstützungen zu berauben. Angesichts der in Westberlin
herrschenden Wohnungsnot, Lauben wurden noch massenhaft als benutzt, schlug der
spätere SPD-Innensenator Lipschitz im Juli 1952 vor, der Senat solle den
Kommunisten die Laubengrundstücke entziehen. SPD-Bürgermeister Reuter
nimmt am 10.7.52 diesen Vorschlag auf und kündigt an, daß man nun
keine "kommunistischen Nester" in den Laubenkolonien mehr dulden
werde. In Kreuzberg verfügte SPD-Bürgermeister Kressmann, daß
sozialbedürftige westberliner SED-Mitglieder kein Geld sondern Naturalien
erhalten, die sie sich im Fichtebunker abholen müssen, wo "politische
Flüchtlinge" aus der DDR untergebracht sind. Gleichzeitig überprüfte
der Senat die zwangsweise Unterbringung von Verfechtern der östlichen
Ideologie" in "besonders einzurichtenden Anstalten". Im September
1952 schließlich überfiel die Polizei 11 Zweigstellen der "Weddinger
Konsumgenossenschaft" und schloß sie mit der Begründung, dort würde
kommunistische Propaganda verbreitet. Mit diesen Maßnahmen wurde ein Klima
der existenziellen Angst von oben offiziell durchgesetzt, mit dem jegliche
Ausschaltung von linken Kräften legitimiert werden konnte. Dies wird z.B.
daran deutlich, daß die herrschenden Parteien die Zulassung einer unabhängigen
sozialdemokratischen Partei (USPD) mit der Erklärung verweigern, ihr sei "weniger
am Wohl der Berliner Bevölkerung als an der Erreichung totalitärer
Ziele gelegen". Die Illegalisierung der USPD, einer Gruppierung von rund
100 westberliner Sozialisten, war der blanke Hohn, denn zum selben Zeitpunkt
befinden sich Mitglieder dieser Gruppierung unter dem Vorwurf des Trotzkismus in
der DDR in Haft.
Doch trotz dieser zuspitzten Situation ließen SED und FDJ 1952 nicht
nach, in Westberlin für ein geeintes, friedliebendes und neutrales
Deutschland politisch einzutreten. Zwischen März und August 1952 durchbrach
allein die FDJ mit sechs Großdemos dieses staatsterroristische Klima in
Westberlin. Höhepunkte bildeten die Demo am 24.4.1952 gegen den BRD-"Generalkriegsvertrag"
mit mehr als 15.000 Teilnehmern in Reinickendorf und Wedding und die 1.Mai-Demo
mit mehr als 10.000 Teilnehmern in der Weddinger Brunnenstraße. Bei allen
Demos setzte die Polizei Wasserwerfer und Gummiknüppel ein, nahm zahllose
Demonstranten in "Schutzhaft" und führte sie Schnellgerichten zu.
Ab 1953 verlagerte die SED den Schwerpunkt ihres propagandistischen und
politischen Auftretens auf unmittelbar soziale Fragen. In Westberlin herrschte
zu dem nun seit mehr als vier Jahren eine breite Massenarbeitslosigkeit, d.h.
jede/r vierte Werktätige war 1953 arbeitslos (258.551 Arbeitslose zu
751.569 Beschäftigten - Stand Januar 1953). Bis zum DruPa-Streik am
28./29.5.1952 gegen die Verabschiedung des Betriebsverfassungsgesetzes hatte es
in diesem Zeitraum in Westberlin keinen gewerkschaftlichen Streik gegeben. Auf
diesen Streik, der den Charakter eines Generalstreiks hatte (zwei Tage
erschienen in der BRD und Westberlin keine Zeitungen) und von der BRD
ausgegangen war, übte die gesamte westberliner Reaktion politischen Druck
aus. Hierbei taten sich besonders hervor: der SPD-Landesvorsitzende Neumann, der
SPD-Bürgermeister Reuter und der westberliner Vorsitzende des DGB
Scharnowski (SPD). Entsprechend der Änderung des Hauptschwergewichts der
politischen Arbeit trieb die SED die Einrichtung von Erwerbslosenkomitees voran
und führte von 1953 bis Mitte 1954 mehrere zentrale westberliner
Arbeitslosenkonferenzen durch. Doch wie in den Jahren zuvor, wurden sämtliche
Aktivitäten von den Herrschenden illegalisiert und es kam weiterhin zu
massiven polizeilichen Verfolgungsmaßnahmen - insbesondere bei den
Aktionen auf den Arbeitsämtern.
Diese Änderung der Hauptlinie der SED drückte allerdings auch das
Scheitern der bisherigen Linie aus, denn es war in keiner Weise gelungen, ein
nennenswertes Protestpotential außerhalb des eigenen Spektrums für
den Erhalt der deutschen Einheit zu formieren. So legte die Gesamtberliner
Bezirksdelegiertenkonferenz der SED am ./14.3.1954 fest, daß nun die zukünftige
Hauptlinie der Partei der außerparlamentarische Kampf gegen
Preistreiberei, wachsende Verelendung und Massenarbeitslosigkeit sein sollte.
Dabei sollte besonders das Bündnis mit den en Kollegen im
Gewerkschaftsrahmen gesucht werden. Wie weit die Isolierung der Kommunisten aber
auch in unmittelbaren Klassenkampffragen vorwar, zeigte sich in der Tarifrunde
der ÖTV im August 1954. Als FDGB-Flugblätter auftauchten, die zum
Streik aufriefen, konnte sich die westberliner ÖTV-ührung gegenüber
ihrer Mitgliedschaft erfolgreich gegen einen Streik aussprechen und stattdessen
zu Spitzeldiensten gegenüber Kommunisten auffordern. Und dies, obwohl in
Hamburg zum gleichen Zeitpunkt der öffentliche Dienst im Vollstreik stand.
Nachdem nun ab 1953 die Westintegration vollständig abgeschlossen und
selbst in gewerkschaftlichen Fragen kein Protestpotential mehr vorhanden war,
sondern die Bevölkerung dem brutalen Antikommunismus überzeugt folgte,
begann der herrschende Block das politische Klima zu "liberalisieren".
Wennn man von den 400 verhafteten Wahlhelfern absieht, so konnte die SED in den
Abgeordnetenhauswahlen 1954 relativ unangefochten öffentlich auftreten. Sie
bekam wieder Räume und bekannte SED-Mitglieder aus der DDR, wie z.B.
Johannes R.Becher, konnten einreisen und öffentlich reden.
Trotz des herrschenden Antikommunismus, hatte die SED ihre offensive Politik
bis zu diesem Zeitpunkt nicht aufgegeben. Im Dezember 1954 errang sie mit ihren
Spitzenkandidaten Robert Havemann und Helene Weigel ihr bis heute bestes
westberliner Wahlergebnis mit 2,7 Prozent und erreichte im Wedding sogar 4,3
Prozent. In der Folgezeit schränkte die SED in Westberlin eine offensive
Politik immer weiter ein, so daß auch von daher drastische Verfolgungsmaßnahmen
zurückgingen und die SED sich wieder öffentlich betätigen konnte.
Im August 1955 konnte die SED ihre erste öffentliche Veranstaltung durchführen,
die nicht illegalisiert wurde und im Dezember 1955 erschien das erste Mal in
Westberlin eine legalisierte SED-Zeitung: Die WAHRHEIT. Dennoch hörte die
Kommunistenverfolgung in Westberlin in der Folgezeit nicht etwa auf, sondern
verlief eben im bürgerlich-zivilisierten Bahnen oder wie es so schön
heißt: rechtsstaatlich.
Wie lleicht jedoch antikommunistische Progromstimmungen wieder zu entfachen
waren, zeigte sich sowohl beim "Chrustschow-Ultimatum" 1958 als auch
beim "Mauerbau" 1961. Als sich ab 1968/69 eine revolutionäre
Linke unabhängig von der SED/SEW herausbildete, konnten die in Westberlin
Herrschenden je nach Bedarf auf ihr bekanntes antikommunistisches Arsenal gegen
diese zurückgreifen. Insofern bildet der Antikommunismus in Westberlin auch
heute noch eine ernstzunehmende "historische Altlast".
(*) Alle Zahlen, Daten, Fakten und Zitate stammen aus: Berlin -
Ringen um Einheit und Aufbau, Bd.3, Bd.4, Bd.5, Hrg. Senat v. Berlin, 1962,
1968, 1971
(**)Am 21.5.1949 traten in den Westsektoren von insgesamt 15.000
westberliner Reichsbahnbeschäftigten 11.500 in den Streik, um die 100%
Entlohnung in Westmark zu erzwingen. Der Streik dauerte bis zum 28.6.1949 und
vertiefte die Spaltung der Stadt.
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