Willi Nowak wurde in
den 60er Jahren mehrfach
wegen seiner
kommunistischen Gesinnung
unter Anwendung des KPD-Verbotsurteils
inhaftiert und verurteilt.


Wie umfassend die politische Repression war, zeigt der folgende Beschluß des Amtsgerichts Bochum.

Das Urteil in der Praxis

40 Gs 2184/61

Beschluß in der Strafsache gegen den Kaufmann Willi Nowak, geb. am 24.12.1919 in Bochum, wohnhaft in Bochum-Oberdahlhausen, Herbergsweg 63, z.Zt. U.- Haftanstalt in Bochum, wird der Antrag des Beschuldigten vom 5. 12.1961, die Aushändigung der Bücher

l.) Grundlagen des Marxismus-Leninismus

2.) Grundlagen der marxistischen Philosophie

3.) Lehrbuch zur politischen Ökonomie

an ihn zu genehmigen, abgelehnt.

Gründe:

Die o.g. Bücher können dem Beschuldigten nicht ausgehändigt werden, da hierdurch der Zweck der Untersuchungshaft gefährdet würde (§ 116 Abs. 2 StPO, Nr. 45 U.haft Vollstr.0).

Der Beschuldigte steht nach dem Ergebnis der bisherigen Ermittlungen in dem dringenden Verdacht, einer konspirativ arbeitenden Literatur-Hersteller- und Verteilergruppe der illegalen KPD anzugehören.

Die Zugehörigkeit zu einer derartigen Gruppe, die darauf geschult und deren ganzes Bemühen daraufgerichtet ist, ihre Tätigkeit im Dunkeln zu halten und ihre Zwecke, ihre Gliederung und ihre Helfershelfer bei den Strafverfolgungsbehörden zu verbergen, begründet den Verdacht, daß der Beschuldigte auch während ,seiner Untersuchungshaft versucht, mit seinen konspirativ arbeitenden Mittätern und Helfern in Verbindung zu treten (bzw. umgekehrt). Insbesondere könnte auf diese Weise die Vernichtung von Spuren der Tat oder von anderen Beweismitteln drohen oder auch Zeugen oder Mittäter beeinflußt und die Ermittlung der Wahrheit vereitelt werden.

Mit Rücksicht auf die besondere Verdunklungsgefahr, die bereits zur sofortigen Verlegung von insgesamt 3 Untersuchungsgefangenen in andere Untersuchungshaftanstalten geführt hat, kommt die Übergabe von Büchern und sonstigen Druckschriften (Zeitungen usw.) aus der Hand von Angehörigen und Bekannten sowie aus der Sowjetunion nicht mehr in Betracht. Es kann nämlich insbesondere nicht ausgeschlossen werden, daß auf diese Weise unkontrollierte Geheim-lnformationen und ähnliche Mitteilungen an die Untersuchungsgefangenen in der Haftanstalt gelangen und diese so Anweisung bekommen, wie sie ihr Verhalten und ihre Aussagen einzurichten haben. Die.ses könnte z..B. durch Kennzeichnung bestimmter Buchstaben mittels Unterstreichungen, Namenpunktierungen etc. geschehen. Eine Überwachung und eine wirklich wirksame Kontrolle in dieser Hinsicht ist technisch praktisch ausgeschlossen.

Daher war der Antrag des Beschuldigten zurückzuweisen. Sein Recht, sich frei über alle, auch politische Dinge zu informieren, muß gegen überdem Zweck der Untersuchungshaft, die ihm vorgeworfene Tat ohne eine Störung von seiner Seite aufzuklären, zurücktreten.

Gegen diese Entscheidung gibt es das Rechtsmittel der einfachen Beschwerde, das schriftlich oder zu Protokoll der Geschäftsstelle bei dem hiesigen Amtsgericht oder in Eilfällen beim Landgericht in Bochum einzulegen ist.

Bochum, den 2. Feb.1962
Amtsgericht Bochum

gez. Prausner (Gerichtsassessor)