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...Der erste Abschnitt der Urteilsgründe beschäftigt sich mit der
Geschichte der KPD sowie mit einigen verfahrensmäßigen Fragen,
insbesondere den Einwendungen, die gegen die Durchführung des Verfahrens
erhoben worden waren. Als deren wichtigste wird die Problematik der
Anwendbarkeit des Parteienverbots nach Art. 21 II GG auf die KPD gelten können....
....Die Prozeßvertretung der KPD hatte geltend gemacht, daß
sie als demokratische Partei i.S.d. Potsdamer Abkommens von den Besatzungsmächten
vor Inkrafttreten des Grundgesetzes lizenziert worden sei und daß sie
daher begrifflich den Tatbestand des Art. 21 II GG nicht erfüllen könne.
Das BVerfG hat sich gegen diese Auffassung gewandt und Art. 21 II GG auf die KPD
für anwendbar erklärt. Das vom Potsdamer Abkommen aufgestellte Prinzip
der Zulassung aller demokratischen Parteien in Deutschland sei für die
Auslegung des Art. 21 II GG nicht von entscheidender Bedeutung. Dies finde
seinen Grund darin, daß der Demokratiebegriff des Potsdamer Abkommens sich
von demjenigen des Grundgesetzes unterscheide. Wegen ihrer verschiedenartigen
sozialen Vorstellungen hätten sich die Alliierten nicht positiv über
die konkrete Ordnung des künftigen deutschen Staates einigen können.
Den Begriff "Demokratie" hätten sie nur im Sinne einer "Kompromißformel"
gebraucht, die im wesentlichen dazu dienen sollte, die neuzuerrichtende Ordnung
deutlich vom eben beseitigten nationalsozialistischen System abzuheben. Im
Potsdamer Abkommen sei daher "demokratisch" nur als negative
Abgrenzung i.S.v. "antifaschistisch" gemeint. Hiervon unterscheide
sich der Demokratiebegriff des Grundgesetzes.
"In notwendiger Ergänzung und Weiterführung des im PA (=
Potsdamer Abkommen) nur teilweise bestimmten Demokratiebegriffs hat das
Grundgesetz eine mit positivem Inhalt erfüllte demokratische Staatsordnung
eingeführt, die dem PA entspricht, indem sie seine Forderungen an die
Demokratie voll in sich aufnimmt, die darüber hinaus aber noch weitere
Prinzipien aufstellt, deren Gesamtheit im Grundgesetz als <freiheitliche
demokratische Grundordnung> bezeichnet wird. Es wäre eine Überdehnung
der Begriffe <Demokratie> und <demokratisch> im PA, wenn man mit der
KPD aus ihnen folgern wollte, das Grundgesetz sei nicht berechtigt, diese neue
demokratische Ordnung vor dem Angriff feindlicher Kräfte zu schützen,
nur weil diese Kräfte sich mit ihm in der Ablehnung der
nationalsozialistischen Gewaltherrschaft einig wissen, also ebenfalls <demokratisch>
in dem oben beschriebenen negativ-polemischen Sinn des PA sind". Und
weiter führt das BVerfG aus: "Es (das Grundgesetz) kann diese
staatliche Ordnung auch gegen Parteien verteidigen, die den negativen Teilinhalt
des Begriffs <demokratisch> im Sinne des PA entsprechen mögen, die
darüber hinausgehenden, das Wesen der freiheitlichen demokratischen Ordnung
darstellenden Prinzipien bekämpfen."....
....Im letzten
Teil des ersten Abschnitts der Urteilgründe geht das BVerfG auf Fragen der
Auslegung des Art. 21 II GG ein. Es führt aus, daß eine Partei nicht
schon verfassungswidrig sei, wenn sie einzelne Bestimmungen oder Institutionen
des GG ablehne. "Sie muß vielmehr die obersten Werte der
Verfassungsordnung verwerfen, die elementaren Verfassungsgrundsätze, die
die Verfassungsordnung zu einer freiheitlichen demokratischen machen ....".
Hinzukommen müsse eine "aktiv kämpferische, aggressive
Haltung gegenüber der bestehenden Ordnung". Das Gericht wendet
sich sodann gegen die Auffassung der KPD, daß Art. 21 II ein
verfassungswidriges Tätigwerden der Partei erfordere, und gelangt zu der
Ansicht, daß mit der Formulierung "darauf ausgehen" in Art. 21
II GG die verfassungwidrige Absicht gemeint sei; ein konkretes Unternehmen i.
S.d.§ 81 StGB sei zur Erfüllung dieses Tatbestands nicht erforderlich.
Abzustellen sei bei der Ermittlung der Absicht auf die Ziele der Partei. Zu den
"Zielen" wird bemerkt:
"Eine Dokumentation der Zielsetzung in dem Sinne, daß alle Ziele
schriftlich niedergelegt oder sonstwie fixiert sein müßten, verlangt
Art. 21 II nicht.... Daher sind auch geheime Zielsetzungen rechtserheblich,
sofern sie nachweisbar sind . . . . Ohne weiteres leuchtet es ein, daß
Ziele, aus denen sich die Verfassungswidrigkeit einer Partei ergeben könnte,
niernals offen verkündet werden"....
....Im folgenden
nimmt das BVerf G zur Frage Stellung, ob der Marxismus-Leninismus als "Ziel"
i.S.d. Art. 21 II GG in Betracht kommt. Nach seiner Ansicht kann die Theorie des
Marxismus-Leninismus als solche niemals gegen die freiheitliche demokratische
Grundordnung verstoßen, diese Lehre sei nicht Gegenstand des Verfahrens.
Aber: "Die eindeutig bestimmbare Grenze zwischen wissenschaftlicher
Theorie und politischem Ziel liegt dort, wo die betrachtend gewonnenen
Erkenntnisse von einer politischen Partei . . . in ihren Willen aufgenommen, zu
Bestimmungsgründen ihres politischen Handelns gemacht werden". -
Durch diese Spaltung des Marxismus-Leninismus in die Theorie "als solche"
und in die Theorie als Anleitung für die Praxis wird es dem BVerfG möglich,
die Lehre des Marxismus-Leninismus trotz gegenteiliger Behauptung zur
Beurteilung der Verfassungswidrigkeit der KPD heranzuziehen.....
...Der Rückgriff des BVerfG auf die Theorie des Marxismus-Leninismus, um
hieraus eine verfassungsfeindliche Zielsetzung der KPD abzuleiten, wird
angesichts der Tatsache verständlich, daß dem Gericht "kein
einziger tatsächlicher Nachweis konkreter Fakten einer umstürzlerischen
Tätigkeit (gelang), durch die die KPD die <freiheitliche demokratische
Ordnung> angegriffen oder auch nur versucht hätte, anzugreifen, durch
die sie ihren angeblichen Willen bekundet hätte, die Bundesrepublik zu stürzen
oder die Verfassung zu beseitigen."....
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