rote hilfe 3+4/96


EIN ZEITZEUGE

Auszug aus einem Interview mit Fritz Rische zum KPD-Verbotsprozeß 1956
aus: Die Rote Hilfe, 3+4/96
Rote Hilfe e.V., Postfach 6444
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Fritz Rische, Düsseldorf, Metallarbeiter und Journalist. Wegen "Hochverrat" von der Nazijustiz verfolgt. Nach dem Krieg war er Abgeordneter der KPD im bizonalen Wirtschaftsrat und im ersten Deutschen Bundestag. F.R. war Mitglied des Sekretariats des KPD-Parteivorstandes. Vom Bundesgerichtshof wurde er 1956, kurz vor dem KPD-Verbot wegen "Vorbereitung zum Hochverrat" als Mitverfasser des Programms zur nationalen Wiedervereinigung Deutschlands verurteilt. Er war dreieinhalbJahre in Untersuchungshaft und im Gefängnis.

Genosse Fritz, du warst einer der Prozeßvertreter der KPD beim Verbotsprozeß. Welche Möglichkeiten hattet Ihr, auf den Prozeß einzuwirken?
Ich war im Sekretariat des Parteivorstandes. Aus dieser Funktion heraus ergaben sich auch meine Aktivitäten als Prozeßvertreter der KPD vor dem Bundesverfassungsgericht. Kurz zuvor war ich mit anderen Genossen wegen Hochverrats verurteilt worden und wir saßen in verschiedenen Gefängnissen. Denn schon lange bevor das KPD-Verbot verkündet und rechtskräftig wurde, wurden wir schon verfolgt. In dieser Zeit gab es schon an die 500 Ermittlungsverfahren, also eine breite Repressionspolitik seitens der Herrschenden durch die Adenauerjustiz, die in der personellen Besetzung eine Fortsetzung der Hitlerjustiz war. Das Bundeskriminalamt hatte Leute abgestellt, die uns aus den Gefängnissen zu den Veranstaltungen des Gerichts per Auto brachten. Wir wurden dann in einer speziellen Etage im Gebäude des Bundesverfassungsgericht geführt. Hier konnten wir mit unseren Rechtsanwälten als Prozeßvertreter diskutieren. Aber wir waren hier isoliert, wir hatten keine Möglichkeit irgendwie eine Pressekonferenz abzuhalten. Auch aus dieser Sicht war es kein freies Verfahren. Zunächst wollte man uns keine Gelegenheit geben, uns zu äußern, wir wären also nur eine Art Staffage gewesen. Das haben wir abgewehrt. Wir hatten dann die Möglichkeit, unsere Meinung zu einzelnen Themen vorzutragen.

Es wird behauptet, in der Bundesrepublik gab und gibt es keine politische Justiz und Prozesse.
Das Verfahren war abgestimmt mit den amerikanischen Besatzungsvertretern, die daran interessiert waren, daß ein Musterurteil gefällt wurde. Auch Adenauer war daran in teressiert. Es war eine politische Motivation vorhanden, die Kommunisten und ihre Freunde im Kampf gegen die Spaltung und gegen die Remilitarisirung zu kriminalisieren und auszuschalten. Es war ein gesteuerter politischer Prozeß. Im Ablauf der 5 Jahren bis zur Urteilsfällung hatte es einigemale direkte Beeinflussung aus Bonn, also Adenauer, und direkte Absprachen mit dem Vorsitzenden desGerichts gegeben. Dies ist belegbar. Adenauer drängte immer auf die Beschleunigung des Verfahrens. Es sollte ein Musterprozeß werden, ähnliche Prozesse sollten danach auch in den anderen Ländern Westeuropa stattfinden. Das Ziel war: Kommunisten soll- ten weg vom Fester. Das war aber so nicht durchsetzbar.

Wie war die Solidarität organisiert?
Es gab eine entsprechend breite Solidaritätsbewegung. Sie hatte keinen organisatorischen Rahmen wie in der Weimarer Zeit die Rote Hilfe, die ja auch nicht nur aus Mitgliedern der KPD bestand. Zur Unterstützung der Inhaftierten gab es viele Geld- und Unterschriftensammlungen, Solidaritäts- und Protestschreiben. Ich saß im Gefängnis in Karlsruhe und habe wie viele andere auch die finanzielle und politische Solidarität genießen können.
Der Vorsitzende Richter Windrich bemerkte vor der Urteilsverkündung, daß eine große Anzahl von Briefen, Protesteklärungen bei den Richtern eingegangen sind. Sie wurden Aufgefordert sich nicht für die Verurteilung der KPD zurVerfügung zu stellen. Im Zeitraum des Prozesses kam es zu Solidaritätsaktionen; z.B.in Hamburg forderten Hafenarbeiter mit 50 000 Unterschriften die Beendigung des Verbotsprozesses. Die Solidarität kam auch aus der internationalen Sphäre. Man darf nicht vergessen, alle kommunistischen Partei- en, viele internationale Persönlichkeiten haben gegen das Verbot protestiert. Das war ei- ne sehr breite und tiefe Solidaritätsaktion. Ein Komitee für die Wiederzulassung der. KPD wurde gebildet, das auch im Ausland tätig war. Die Angehörigen der Inhaftierten, die Rechtsanwälte sind z.B. nach Paris, Brüssel und London gefahren und haben dort mit Hil- fe führender Persönlichkeiten aus der internationalen juristischen Bewegung, mit Abge- ordneten, Vertreter der Parteien, den Schriftstellern usw. gesprochen, damit sie für die Be- endigung der Verfolgungen und für die Freilassung der inhaftierten Genossinen und Ge- nossen kämpfen. Aber auch aus den Kreisen der führenden Intelligenz hier, selbst ehemali- ge Richter aus dem Bundesverfassungsgericht haben sich für die Beendigung der Verfolgung und die Wiederzulassung der KPD ausgesprochen. Das war also, wenn man so will, ein Knäuel von Solidarität. Das war politische Solidarität, aber das war auch immer ver- bunden mit einer sozialen, moralischen und materiellen Solidarität.
Bei der Solidarität der SED und der DDR darf man nicht vergessen, die SED und DDR waren direkt mit angeklagt. Es wurden deshalb auch DDR u.a. Bürger, Journalisten auf dieser Grundlage verhaftet und verurteilt. Natürlich hat es eine direkte Materielle Hilfe gegeben. Die Angehörigen haffen die Möglichkeit sich in der DDR in den Ferienheimen zu erholen. Aber das war nicht nur Solidarität mit den Familienangehörigen, es gab ja die Aktion "Frohe Ferienkinder", auch die wurden verboten und die OrganisatorInnen der humanen Aktion zu langen Gefängnisstrafen verurteilt.
Dies alles zeigt, keine Bewegung gegen Klassenjustiz, gegen bürgerliche Unrechtsjustiz, keine politische Bewegung, wogegen sie sich auch richtet, kann ohne Solidarität sich durchsetzen. Auch unsere Bewegung für die Rehabilitierung der Opfer des kalten Krieges kann ohne Solidarität nicht leben. Solidarität ist sozusagen für jede politische Bewegung Lebenselement, Widerstandselement und ein Element des Sieges und des Erfolgs.
Ja, ohne die Solidarität wäre der Erfolg, die Bereitschaft zur Einstellung der Verfahren gegen die 17 Göttinger Antifaschisten nicht möglich gewesen. Ich habe persönlich erlebt, wie Mitangeklagte aufgetreten sind und haben die Ungeheuerlichkeit der Anklage gegeißelt. Sie haben politische und materielle Unterstützung erhalten. Wie man sieht: Solidarität ist das A und O jeder politische Bewegung und wer sich nicht wehrt lebt verkehrt.