Stadt. Diskurs




Gotham City und die Zukunft des öffentlichen Raumes
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Ich bin bei meinen Eltern mitversichert.Bin ich doch! Oder?

Über das Verhältnis von Party und Politik

von Bodo Hahn

Städtischer Raum war schon immer und ist heute mehr denn je umkämpfter Raum. Die Ausgrenzung bestimmter gesellschaftlicher Gruppen, die durch rassistische Raster fallen, die im Sinne kapitalistischer Logik nicht verwertbar sind oder sein wollen, deren Lebensstil herrschenden Moralvorstellungen widerspricht, ist ein Prozeß, der zu einer Politisierung räumlicher Dimensionen und zu Kämpfen um deren Nutzung geführt hat. Was das mit Partys zu tun haben soll, ist zunächst unklar. Angefangen, sich über den Zusammenhang zwischen öffentlichem Raum und Party Gedanken zu machen, haben einige Leute aber zu dem Zeitpunkt, als in Frankfurt am Main, zum Zwecke der Räumung einer Party wegen Ruhestörung etliche Gäste von den Bullen ordentlich aufs Maul bekommen haben. Ist das Soundsystem Waffe im Kampf gegen die hegemoniale Ideologie von Zucht und Ordnung? Kann das ungefragte Veranstalten einer Party Mittel im Kampf um städtische Räume sein? Und was ist überhaupt die politische Dimension von Party über den Spaßfaktor hinaus?

Die sogenannte Linke und der öffentliche Raum: ein seltsames Verhältnis

Der Kampf um den öffentlichen Raum spielt sich zwischen denen, die ihn beanspruchen und denjenigen, denen er streitig gemacht wird, meist auf Basis eines reinen Macht Ohnmacht - Verhältnisses ab, der den Ausgang des Kampfes bereits besiegelt zu haben scheint. Dies ist auch und vor allem auf der Ebene politischer Kämpfe der Fall. Tatsache ist, daß jenseits von traditionell aufklärerischen Formen der Herstellung linker Opposition (Demonstrationen, Flugblätter, Zeitungen, usw.) der öffentliche Raum mittlerweile weitgehend widerstandslos den hegemonialen politischen Kräften und den kapitalträchtigen Interessengruppen überlassen wurde. Die üblichen Formen der Artikulation von Protest scheinen weitgehend an Wirkkraft verloren zu haben, auch wenn in Zukunft nicht auf sie verzichtet werden sollte. Voraussetzung einer Entwicklung neuer Praxisformen ist also zunächst eine Klärung der eigenen Vorstellungen von dem, was öffentlicher Raum sein sollte als Voraussetzung für einen Kampf um diesen.

Dabei ist weder die Position einer Formulierung von politischen Forderungen und dem Versuch der Durchsetzung derselben vom Standpunkt der Betroffenheit, noch von dem der Stellvertreterpolitik aus erstrebenswert. Erstens nicht, weil eigene Betroffenheit sicherlich zwar im Hinblick auf die Stigmatisierung linker politischer Positionen festzustellen ist, man aber im Alltag meist nicht den stigmatisierten Personengruppen zugehörig ist, außer man begibt sich durch politische Aktion ganz bewußt in eine solche Situation. Zweitens nicht, weil Stellvertreterpolitik immer die Übereinstimmung von Betroffenen mit den eigenen Forderungen voraussetzt, was allein schon in Anbetracht der vielfältigen Spaltungs- und Entsolidarisierungsprozesse zwischen und innerhalb stigmatisierter Gruppen unrealistisch ist. Es gilt daher, Aktionsformen zu finden, die es ermöglichen, eigene Vorstellungen von dem, was öffentlicher Raum für einen selbst und für andere sein sollte zu artikulieren und zumindest temporär durchzusetzen, und die gleichzeitig Formen der Solidarisierung mit marginalisierten und ausgegrenzten Gruppen bieten. Und diese Vorstellungen, so meine These, sind über das Ritual der Party vermittelbar.

Die Party als Form des Riots

Eine Vermittlung der Widersprüche von Betroffenheits- und Stellvertreterpolitik läßt sich nämlich in Aktionen denken, die zum Ziel haben, sich öffentlichen Raum selbstbestimmt anzueignen und - zumindest temporär - die Vorstellung von öffentlichem Raum als einem für alle uneingeschränkt zugänglichen Raum einerseits, aber auch als einem kommunikativem Raum, der eigene progressive Gestaltungsmöglichkeiten und die Herausbildung von Formen des Widerstandes zu verwirklichen erlaubt durchzusetzen(1). Selbstbestimmte Aneignung bedeutet die Benutzung öffentlichen Raumes zu Zwecken für die jener nicht vorgesehen ist, beziehungsweise, die in diesem explizit verboten sind, und ob Betroffene sich dieser Idee anschließen oder nicht, bleibt dabei ihre eigene Entscheidung.

Um zu den einleitenden Gedanken zurückzukehren: Eine Party ist selbstverständlich nicht einfach eine Party. Partys finden als spezifisch jugendkulturelles Ritual in einem bestimmten Kontext statt. Und der hat, wie jedes andere gesellschaftliche Phänomen auch, eine politische Dimension, und dies vor allem dann, wenn man sich mit seinem Anliegen, nämlich Leute zu einem Ereignis, bei dem vor allem Lärm, Kommunikation und Rausch im Mittelpunkt stehen, zu versammeln, außerhalb der eigenen vier Wände, so man überhaupt welche hat. Es liegt in diesem Zusammenhang zum Beispiel nahe, Partys an solchen öffentlichen Orten zu veranstalten, die symbolisch und konkret für repressive Ausschließungspraxen stehen, und das sind eben vor allem die Kerngebiete der Stadt, aber auch Bahnhöfe, U-Bahnstationen und so weiter.

Dadurch werden Möglichkeiten geschaffen, sich mit marginalisierten Gruppen zu solidarisieren, ohne sich als deren Stellvertreter zu inszenieren. Gleichzeitig wird jedoch auch die Party an sich zum Politikum, und kann zu einer Repolitiserung sich als vermeintlich unpolitisch präsentierender Szenen dienen.

Party und Öffentlichkeit

Ein nicht unwesentlicher Aspekt dieser Aktionsform ist ihr Inszenierungscharakter(2). Sie tritt damit in ein Wechselverhältnis zur bürgerlichen Öffentlichkeit und deren Repräsentationsorganen, das sie schnell in den Mühlen der kulturindustriellen Informationsmaschinerie zermalmt, und sie in der öffentlichen Wahrnehmung dem Konsens des Spaß-haben-Wollens (wobei streitbar ist, inwieweit der überhaupt noch besteht) unterordnet. Gerade das Ritual Party erweist sich dabei als ein brisantes Unterfangen. Selbstverständliche Voraussetzung für die politische Aneignung des Rituals ist daher, daß derartige Aktionen unbedingt unangemeldet stattfinden müssen. Damit entziehen sie sich zunächst den Disziplinierungsmechanismen und Kontrollbestrebungen städtischer Ordnungspolitk. Sinn einer subversiven Party in einem Kontext, der sich in seiner Bedeutung über das reine Spaß haben erhebt, weil die Teilnehmenden dafür, daß sie sich an einem Platz aufhalten, der ihnen streitig gemacht wird, ein gewisses Risiko auf sich nehmen. Desweiteren kann bei gegebenem Anlaß die Party innerhalb eines bestimmten inhaltlichen Rahmens gestellt werden, um ihre politische Dimension und Zielrichtung deutlich zu machen. Die Aktionsform läuft sonst Gefahr, in der Forderung nach der grenzenlosen Party zu verbleiben, und ist so von allen möglichen dubiosen Politklüngeln vereinnahmbar, die sich jugendkulturelle Rituale gerne aneignen, um flott und offen zu wirken, damit aber gleichzeitig das Ritual seiner politischen Kraft enthoben. Gelingt die Aktion, so ist vorstellbar, daß sie nicht nur einen dem Thema angemessenen Grat zwischen kalkulierbarem Risiko und Illegalität wandert, sondern bietet eine radikale Form praxisnahen politischen Agierens. Keine Party als Einverständniserklärung, sondern Party als Konfrontation mit den herrschenden gesellschaftlichen Verhältnissen. Sich Häuser und Plätze zu nehmen, die allen zustehen und vielen verweigert werden. Ich scheiße auf die Loveparade!

Anmerkungen

  1. A propos Gestaltungsmöglichkeiten: Ganz nebenbei sei hier auch die Verbindung zu den aktuellen Maßnahmen gegen Sprayer erwähnt.
  2. Man möge hier einwenden, es handele sich damit um einen Akt von lediglich symbolischer linker Politik. Es sei jedoch mit Blick auf hegemoniale Formen symbolischer Politik darauf verwiesen, daß auch symbolhaftes politisches Handeln nur selten ohne weitreichende