Bernd Rabehl und Stefan Pribnow

Benno-Ohnesorg-Kongreß zur 68er Revolte

oder: Der Sinn der Emanzipation

Mittlerweile pfeifen es die Spatzen von den Dächern! APO-Opas und Alt-Subversive, traditionelle und Neue Linke, Situationisten und Provo-Päpste der endsechziger Jahre, studentische Aktivisten der ersten Stunde, AStA-Funktionäre und Staatsprofessoren in ihren letzten Zügen tagen seit Wochen in Berliner Hinterstuben und diskutieren über das Konzept für den Benno-Ohnesorg-Kongreß, der "die gesammelten Erfahrungen lebendig halten und die gewonnenen Erkenntnisse an die junge Generation weitergeben" soll, so heißt es in den Kongreßprotagonistenblättern von "Kalaschnikow" bis zur "jungen Welt" und weiter: "Laßt uns noch einmal von vorne beginnen!"

War der Sinn jeder Revolte und jeder Organisation nicht vorerst ihr Scheitern, um reaktionäre Denkweisen, Star-Allüren und Machtansprüche insbesondere innerhalb der Linken herauszustellen?

Die geneigten LeserInnen können sich vorstellen, daß der Medienkomiker Cohn-Bendit, der so wunderbar die Blödheiten der Politiker vorführen kann und sie zur Weißglut bringt, plötzlich Propaganda machen soll für eine neue Ordnung? Er soll Legitimität stiften für eine neue Macht, die vorerst im Durcheinander von Hegemoniestreit der einzelnen Linksparteien sich bewegt? Entweder bringt er alle gegen sich auf, weil Linke nun einmal keinen Spaß verstehen oder er wird Opfer seiner handfesten Eitelkeiten und produziert sich als Medienstar oder Sprecher aller Unterprivilegierten. Oder Dutschke läßt sich von seinen Gefolgsleuten zum "Subcommandante", "Maximo Lider", "Großen Vorsitzenden" oder "Generalissimus" aufbauen? Er glaubt plötzlich seinem Medienbild, seiner Inszenierung und zwingt seine Getreuen, an seine Weisheit und Größe, an seine Bestimmung und Führerschaft zu glauben? All diese Eitelkeiten, Einbildungen und Sentimentalitäten waren 1968 vorhanden. Vor allem die unzähligen Unterführer aus der zweiten Reihe redeten sich ein, daß es Zeit sei, die "Partei des Proletariats" zu gründen und sie veranstalteten Kostümfeste und ließen die Kommödianten hochleben, nur daß untersagt war, darüber zu lachen. Die Linke war in den endsechziger Jahren längst noch nicht fähig, irgendeine Macht zu übernehmen oder Gesellschaft grundlegend zu verändern. Es fehlte nicht an Glauben und Willen; es fehlte auch nicht an Parteien und Parteilichkeit: es fehlte der Sinn der Emanzipation!

Der "Sinn des Kongresses" besteht, 30 Jahre nach der Erschießung des Studenten Benno Ohnesorgs, einzig und allein im Spürsinn. Aber welches Clientel gilt es aufzuspüren? Die eigene Dummheit und Ohnmacht, die die Studentchen zur Bestallung ihrer primären Karriere und zur Nachholung sekundärer Sozialisation voneinander treibt - oder lieber die anderen? Ja, vielleicht konstituiert sich die Hate-Army-Fraktion, um die Konsumentenkinder der 68er auf der diesen Sommer erneut anstehenden Dr.-Motte-Love-Parade anzugreifen! Warum nicht?! Das wäre quasi pop-postmoderne Wissenschaftskritik. Mehr noch: Ein neuer Sommer der Anarchie! Folks - do it!!!