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26.5.1997
PRESSEMITTEILUNG zum Benno-Ohnesorg-Kongreß
Am 30.5. bis 1.6. 1997 wird in den Räumen der Technischen Universität Berlin der Benno-Ohnesorg-Kongreß stattfinden. Er wird veranstaltet von der Zeitschrift Kalaschnikow in Zusammenarbeit mit dem AStA der Freien Universität und der Technischen Universität, dem RefRat der Humboldt-Universität, dem APO Archiv/Institut für Soziologie/FU, der Zeitung "junge Welt", der Zeitschrift "Konkret", dem SdS und anderen. Die Redaktion des trend unterstützt diesen Kongreß, weil er einen fraktionsübergreifenden Diskussionprozeß über die Geschichte der StudentInnen- und Jugendbewegung in Gang zu bringen verspricht, der letztlich in dieser Weise bis heute nicht geleistet wurde.
Wenn es auf diesem Kongreß gelingt, die Lehren aus der Geschichte der StudentInnen- und Jugendbewegung mit den aktuellen Fragen linker&radikaler Politik zu vermitteln, könnte dies ein Beitrag sein, wieder zu einer dauerhaften Vernetzung linker&radikaler Gruppen und Strömungen zu kommen. Ein solches "rotes Netzwerk", welches sich die theoretischen Grundlagen für die Aufhebung der kapitalistisch warenproduzierenden Gesellschaft aneignet und dabei eine entsprechende politische Praxis entfaltet, trägt die Chance in sich, die allgegenwärtige Vorstellung vom Ende der Geschichte in der bürgerlichen Gesellschaft zur Erosion zu bringen.
Der Benno-Ohnesorg-Kongreß ist ein Versuch, die Frage nach den historischen Möglichkeiten von individueller und kollektiver Emanzipation wieder in den öffentlichen Diskursen zu verankern. Desweiteren wird mit dem Kongreß der vorherrschenden tendenziösen und teilweise denunziatorischen Geschichtsschreibung in Sachen 68er Bewegung entgegen getreten. Deshalb tragen wir als Veröffentlichungplattform für linke&radikale Texte im Internet zur Verbreitung des Kongresses bei, indem wir
- das Programmheft des Kongresses ins Internet stellen: trend/bok/
- das Textarchiv unserer Serie "Aufruhr & Revolte" auf die Kongreßthemen abstimmen
- nach Beendigung Kongreß-Ergebnisse und Schlußdokumente im trend verbreiten werden.
Als wir von dem Kongreß hörten, mußten wir feststellen, daß zum damaligen Zeitpunkt der Planung unserer Meinung nach zu wenig der internationale Kontext der StudentInnen- und Jugendbewegung und ihr gesellschaftlichen Resonanzboden herausarbeitet waren. Der Veranstalter räumte uns sofort die Möglichkeit ein, unsere Kritik konstruktiv zu wenden. Wir bieten daher eine eigene AG mit dem Titel Aufbruch zum Proletariat an und sind an der Moderation der AG Antiautoritäre Erziehung und der 3. Generaldebatte beteiligt. Dies spricht insgesamt für eine offene, dem politischen Anliegen des Kongresses dienliche Streitkultur.
Um so mehr befremdet uns der Versuch einiger Leute, Personen von der Teilnahme am Kongreß auszugrenzen, weil ihnen deren politische Biografie nicht mehr paßt. Ferner kritisieren wir, daß die ASten der Berliner Universitäten diesen Kongreß nur mit geringen finanziellen Mitteln unterstützen.
Empört sind wir jedoch, daß das Präsidialamt der Technischen Universität der Auffassung ist, diesen Kongreß mit Wachschutz überwachen zu lassen und dies als Auflage ebenso an die Raumvergabe geknüpft hat wie die zeitliche Begrenzung in den Abendstunden auf 21.30 Uhr.
Im Auftrage der trend Redaktion
Karl Müller
Wegen der Kritik im vorletzten Absatz unserer Pressemitteilung erhielten wir vom RefRat folgendes Fax mit der Bitte um Veröffentlichung, sowie eine Email von Angelika Gödde.
RefRat der HUB gesetzlich AStA ReferentInnenrat des StudentInnenparlaments der Humboldt-Universitat zu Berlin
Dorotheenstr. (Clara-Zetkin-Str.) 17, D- 10099 BERLIN-Mitte Tel: +49-(0)30/ 2093-2603 oder -2614, Fax: +49-(0)30/ 2093-2396 Postanschrift: Unter den Linden 6, D-10099 Berlin e-mail: refrat@rz.hu-berlin.de
Berlin, den 7.5.97
An die Vorbereitungsgruppe
des Benno-Ohnesorg-KongreßFinanzantrag zum Benno-Ohnesorg-Kongreß
Zunächst protestieren wir schärfstens dagegen, daß das bereits gedruckte Plakat den RefRat mitsamt HU-Siegel als Veranstalter nennt, obwohl noch kein entsprechender Beschluß vorlag. Wir fordern, das auf sämtlichen weiteren Auflagen des Plakates der RefRat nicht mehr als Veranstalter genannt wird - der RefRat ist bloß Unterstützer des Kongresses. Außerdem muß eine offizielle Korrektur dazu im Programm zum Kongres erscheinen - wir müßten ansonsten rechtliche Schritte gegen die unrechtmäßige Verwendung des Siegels einleiten...
Zur Einladungspolitik des Kongresses: Im Gespräch mit heute linkspolitisch aktiven Personen wurde von diesen viel Kritik an der Einladungspolitik und Vorgehensweise des Kongresses geäußert. Auch die anderen beiden ASten haben bekanntlich Kritik an einigen Eingeladenen erhoben. Es besteht eine Liste von Prominenten, die zum Kongreß eingeladen werden sollen, aber einige wissen noch nichts von ihrem Glück.
Es handelt sich um eine Art beliebigen Gemischtwarenladen, ein völlig offenes Forum, d.h. die Eingeladenen - mit wenigen Ausnahmen wie Agnoli, Ditfurth, Elsässer - haben heute Positionen in Institutionen inne (z.B. bei der SPD) und wollen eindeutig nichts mehr mit ihrer damaligen Politik in der 68er Zeit zu tun haben.
Die Zusammenstellung der Gästeliste erfolgt eher nach dem Zufallsprinzip in einer Vorbereitungsgruppe, die sich jeweils montags um 19 Uhr trifft.
Wer bei der Kongreßorganisation mitwirken wollte, mußte bisher an dieser Vorbereitungsgruppe teilnehmen. In Zukunft muß es jedoch auch möglich sein, Kritik an der Kongreßorganisation zu äußern, ohne genötigt zu werden, am Montagabend aufzutauchen. Wir fordern deshalb eine Einflußnahmemöglichkeit für den RefRat, die Asten und für andere Gruppen (z.B. Redaktion trend) auf dieses Konzept, die auch schriftlich per Fax oder in anderen Gesprächen erfolgen kann.
Problematisch ist, daß bisher ein stichhaltiges inhaltliches Konzept zum Kongreß fehlt. Es besteht deshalb die Gefahr, daß es bei der jetzigen Zusammensetzung der Podien weniger um eine Perspektive für die jetzige StudentInnensituation (Bewegung?) oder gesellschaftliche Lage geht (auch wenn die 3. Generaldebatte als Strategiediskussion wie weiter bezeichnet ist). Damit wäre der Kongreß eher ein folgenloses Abfeiern der damaligen APO und weniger die Überlegung, was die 68er-Zeit mit heute zu tun haben konnte.
Als Voraussetzung fur die Gewährung der Vorfinanzierung stellt der RefRat daher eine Bedingung an die Vorbereitungsgruppe: die Erstellung eines inhaltlichen Konzepts, das einen Bezug zur heutigen Situation herstellt und das Ziel des Kongresses klar benennt.
Bezüglich der Finanzierung hat der Benno-Ohnesorg-Kongreß auch die Möglichkeit, andernorts Geld zu beschaffen: z.B. bei Netzwerk e.V., beim Hamburger Institut fur Sozialforschung, usw. Der RefRat gewährt deshalb eine Vorfinanzierung mit der Auflage, weitere Antrage bei anderen Finanzquellen zu stellen (bitte nicht Spiegel TV) und den Betrag gegebenenfalls zurückzuzahlen.
Mit freundlichen Grüßen,
RefRat
Date sent: Thu, 29 May 1997 22:46:29 -0700
From: goedde@sonett.asfh-berlin.de
To: trend@berlin.snafu.de
Subject: benno-ohnesorg-kongress
Liebe Leute,
ich kann Eure Kritik nur unterstützen. Ich war auch ein paar mal bei den Vorbereitungen und einem mehr oder weniger informellen Gespräch. Ich finde die Art und Weise von Ausschlüssen und z.T. pragmatischem Opportunismus ziemlich übel. Zum Beispiel wurden Wolff und K. Rutschky wieder von der offiziellen Liste genommen, weil der AStA der TU gedroht hat, deshalb die Räume nicht zur Verfügung zu stellen.
Daß aber Christine Labonté-Roset, unsere Rektorin, die zwei wichtige Hochschultage verhinderte (einen zur sozialen Deregulierung und einen zu Tendenzen der Euthanasie) und auch ansonsten eine sehr obskure Politik betreibt, weiter auf dem Plakat steht und zu den hochwohlnobel Eingeladenen gehört, scheint niemanden zu stören.
Dabei stehe auch ich der Politik und Auffassung von R. Wolff sehr kritisch gegenüber. Er ist Luhmann-Anhänger und hat vom Marx nicht die Bohne kapiert. Er bezeichnet z.B. China heute immer noch als "kommunistisch" - weshalb ich ihm von dem Rätekommunisten Cajo Brendel auch das Buch über China zum Lesen gegeben habe.
Aber ich halte die Politik für sehr übel (auch vertreten z.B. in der Interim vom 8. März 97), ihn als "Pädophilen" zu bezeichnen und ihn und Katharina Rutschky aufgrund seiner Kritik an Wildwasser von der Liste zu streichen.
Weil ich gegen solch eine demagogische Politik anstinke und mir nicht das Maul verbieten lasse, bin ich im gegenwärtigen AStA einem ziemlichem Mobbing ausgesetzt, das sogar darin gipfelt, mir (obwohl ich gewähltes StuPamitglied bin) den Schlüssel für das Büro abzunehmen. Mir ist verboten worden, Kopierer etc. zu benutzen und meine Plakate werden entfernt. Hauptverantwortlich dafür ist ein obskurer "Frauenstammtisch der ASFH", zu dem eine PDS-Frau namens Petra Burger einlädt, die auch Öffentlichkeitsreferentin des ASTA ist.
Sie alle haben Wolff noch immer als Hauptfeind - und dies auch scheinbar nötig...
Nach reiflicher Analyse - gestützt auf das Buch "Weiblichkeitsmythen"- von Christine Wittrock und der Faschismusanalyse von G.L. Mosse - komme ich dazu, daß ihre Politik in Richtung Faschismus tendiert.
Alle, die mit solch demagogischer Politik Schulterschluß veranstalten, sollten vielleicht mal ein wenig Theorie machen.
U.a. empfehle ich allen sogenannten FeministInnen das Buch: "Gender-Killer". Den Text "Im Dienste des Gemeinwohls" - Frauenbewegung und Nationalstaat" von Cornelia Eichhorn werde ich demnächst auf meiner web-page installieren. Diese ist: (noch im Anfänger-Stadium) http://uhura.asfh-berlin.de/~goedde
angelika gödde