Arbeitsgruppe
Internationalismus
Stand: 19. Mai 1997

Aktuelle Krisenerscheinungen der internationalen Kapitalbewegung sind anhaltende Arbeitslosigkeit, hohe und weiter ansteigende Staatsverschuldung der industriell hochentwickelten Staaten sowie der Staaten in der sog. Dritten Welt. Wenn auch nicht unmittelbar allgemein als Problem begriffen, stellen sich noch einige weitere ökonomische Phänomene als paradox genug heraus, wie Überangebot an Geldkapital bei mangelhafter privater Nachfrage und staatlicher Verschuldung und umgekehrt ein offenbar unlösbarer öffentlicher Bedarf infrastruktureller Maßnahmen, neuerdings hauptsächlich im ökologischen Bereich.

Über den weiteren Entwicklungsgang der Kapitalakkumulation herrscht allgemeine Ratlosigkeit. Ob die Arbeitslosigkeit weiter ansteigt oder wieder die Inflation oder beides, die Verschuldung der industriellen Staaten gebrochen werden kann, jene der Peripherien zur internationalen Währungskrise und damit Weltwirtschaftskrise führt oder eher eine unmittelbare ökonomische Krise zum Durchbruch kommt, bleibt in der Debatte innerhalb der bürgerlichen Öffentlichkeit einigermaßen unklar.

Allein die thematisierung ökonomischer Zusammenhänge auf internationaler Ebene weist darauf hin, daß ökonomische Fragen der Kapitalakkumulation zwar aus einem nationalen Rahmen heraus entwickelt aber nicht beantwortet werden können.

Zwar fand bereits die ursprüngliche Akkumulation durch weltweite Aktionen in Form des Kolonialismus statt und hat die internationale Kapitalbewegung bis in die jüngste Geschichte hinein begleitet, wovon der Erste Weltkrieg noch Ausfluß und der Zweite Weltkrieg das Ende waren, als außerordentliche Formen internationaler Kapitalbewegungen mit noch völlig unerforschten ökonomischen Konsequenzen für die Kapitalakkumulation. Jedoch erschien die 1929 ausbrechende Weltwirtschaftskrise als Krise der hochentwickelten kapitalistischen Staaten selbst, weil nur sie die Akteure des Weltmarktes waren. Nachdem die Kolonialländer nach dem Zweiten Weltkrieg weitgehend in ihre politische Unabhängigkeit entlassen wurden, erscheint die gegenwärtige weltwirtschaftliche Krisentendenz in diesen formal unabhängigen Staaten aktuell in der selbständigen Form der "Verschuldung der Entwicklungsländer", und wird sogesehen diesen gegenüber folgerichtig auch als selbstverschuldet interpretiert.

Während bezüglich des Kolonialismus ein Ausplünderungs- und Ausbeutungsverhältnis zwischen den kapitalistischen Zentren und den Peripherien nicht ernsthaft geleugnet wurde, wird dem Begriff des Neokolonialismus, der das ursprüngliche als materiell fortbestehendes Verhältnis unterstellt, Skepsis entgegengebracht. Währenddessen beginnt allerdings das Verhältnis der Metropolen zu den Peripherien eine ganz neue Form anzunehmen, die nunmehr als Rekolonialisierung zu bezeichnen wäre.

Walter Krause