Die sozialdemokratischen
Handwerkeleien
in den Kinderläden bekämpfen
aus: SDS Info 11/12 vom 2.Mai 1969, S.56ff

Die Arbeit in den Kinderläden, die mit einem pragmatischen Aspekt-Aufbewahrung der Kinder- und mit einem politischen Aspekt - Sozialistische Erziehung Politisierung der Eltern - begonnen wurde, ist in fast allen Gruppen in sozialdemokratische Handwerkelei abgeglitten. Die sozialdemokratischen Vertreter der Kinderläden versuchen das in einem Papier "Von der antiautoritären Erziehung zur sozialistischen" zu verschleiern, Sie beginnen mit einer theoretischen marxistischen Analyse, in der viele wahre Sätze stehen.

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Die Analyse wird jedoch in keiner Weise die Praxis angewendet. Es ist vielmehr so, daß sie den Charakter eines marxistischen Zierrats trägt. Ebenso wie die großen Mengen von der Berliner Gruppe nachgedruckten theoretischen Schriften dient er dazu, den Mangel an theoretischer Aufarbeitung der eigenen Praxis zu verdrängen. So wird mit ökonomischen Kategorien nachgewiesen, daß der Mittelstand im Spätkapitalismus objektiv verproletarisiert. Welche konkrete Schwierigkeit die Politisierung des Mittelstandes hat, auf welche Weise die ideologischen und im Sozialcharakter verankerten Hemmnisse gegen eine Widerstandspraxis durchbrochen werden können, kann mit dem Ansatz der Sozialdemokraten nicht erklärt werden. Man mogelt sich über die Schwierigkeiten hinweg, nennt die Erziehung im Kindergarten proletarisch läßt Arbeiter im Kindergarten mitarbeiten und glaubt, damit eine Strategie der subjektiven Proletarisierung des Mittelstandes gefunden zu haben. Der Anspruch die Kinder zu Sozialisten zu erziehen, fordert eine total neue Konzeption der Erziehung. Wenn die Praktizierung dieser neuen Konzeption nicht in wilde Experimentiererei auf Kosten der Kinder ausarten soll, muß sie auf einer fundierten wissenschaftlichen Basis stehen. Das ist hier nicht der Fall.
Beispiel: Im Kinderladen soll den Kindern Bedürfnisbefriedigung garantiert werden. Es wird nicht die Frage diskutiert, welche Bedürfnisse beim Kind wie zu befriedigen seien. Vielmehr wird so getan, als handele es sich beim Kind im sozialistischen Kindergarten um einen schon nichtrepressiv erzogenen Menschen, der nur noch originäre Bedürfnisse des "Allseitigen Menschen", die es bedenkenlos zu befriedigen gilt, artikuliert. Das wird zur Folge haben, daß diese Kinder überhaupt nicht mehr dazu im Stande sein können, sich mit der Realität auseinander zu setzen. Das bedeutet politisch, daß diese Menschen dann nicht gelernt haben, Triebaufschub fähig zu sein, was für langfristiggezielten Wiederstand notwendig ist. Zur Frage der Fixierung an die Eltern wird die These aufgestellt, daß sie im Kinderladen leichter zu lösen sei. Es gab kaum eine Diskussion zu dieser Problem. Dazu hätten die arbeitenden Genossen ihre Praxis theoretisch analisieren müssen. Ein vereinzelter Ansatz einer Berliner Genossin wurde nicht aufgegriffen. Auch war niemand bereit, in einer Arbeitsgruppe über Kinder zu arbeiten. Vorherrschend war die dilettantische Meinung, die Fixierung an die Eltern oder Bezugspersonen sei durch Erhöhung der Anzahl der Bezugspersonen zu lösen. Das ist Unsinn. Die Fixierung an einer Bezugsperson mit gerade dann auf, wenn das Bedürfnis z.B. nach emotionaler Zuneigung von der Bezugsperson nicht befriedigt wird. Die Ideologie der Notwendigkeit vieler Bezugspersonen rationalisieren den bei vielen Genossen vorhandenen Unwillen, sich mit den Kindern, die vielfach als lästig empfunden werden (Lutz v. Werder) intensiv zu beschäftigen.
Was verstehen die Sozialdemokraten nun unter politischer Praxis? Unter politischer Praxis verstehen die Genossen z. B., mit den Kindern an einer Demonstration vor dem Moabiter Gefängnis teilzunehmen. Ein anderer Bereich ist die Bildung von Kollektiven wie z.B. Kommunen, die politisch-praktisch nichts tun, als ihre psychologische Probleme zu bespiegeln (so die richtige Analyse in Paper 2), aber weder zu einer Analyse dieser unpolitischen Praxis noch zu konkreten Ansätzen einer neuen Strategie gelangen. Darüber mogelt man sich so lange hinweg: man entdeckt, daß die Kommunen sich politisch begreifen müssen (Welche Neuigkeit!).. Das ist nicht mehr als ein moralischer Apostel. Das wird dadurch, gelegt, daß noch keine Kommune, die nicht vonvornehe rein ein Zusammenschluß von im politischen Kampf stehenden Genossen war, dadurch zur politischen Praxis gekommen ist, daß sie sich politisch begriffen hätte. Dieses politische Begreifen ist nichts anderes, als die Verschleierung des Versumpfens in linker Subkultur. Ein gezielter Angriff auf die Misere im sozialen Bereich wird nicht geleistet: nicht im geringsten werden die Kinderladenprojekte im Hinblick auf eine Agitation von Kindergärtnerinnen diskutiert. Vielmehr werden kritische Kindergärtnerinnen in Enklaven abgezogen, was die Konsequenz hat, daß kein Angriff auf die bürgerlichen Kindergärten gestartet wird. Statt die staatlichen Institutionen zu zersetzen, versucht man, sie nur zu ersetzen.
Wie stellen sich die sozialdemokratischen Handwerkler die Politisierung der Kinder vor?
"Die Konfrontation mit diesem politischen Kampf und die darin dem Kinde sichtbar werdende gesellschaftliche Realität, wird das scheinheilige,.... usw.... Triebleben des Kindesidylls - rational vermittelt - politisch verunsichern." Ganz abgesehen davon, daß dieses Konzept der Aufklärung durch politische Verunsicherung allen Erfahrungen politischer Mobilisierung widerspricht (vergl. 2.KU-Broschüre: Bericht über den Springer-Arbeitskreis) zeigen die Beispiele, welchen-naiv-aktionistischen Begriff von politischer Praxis die sozialdemokratischen Handwerkler haben:

  1. Die Geschichte von Kunzelmann und Langhans
  2. Kenntnis des Arbeitsprozesses
  3. Invasion auf dem Hinterhof
  4. Organisierter Widerstand gegen die Rolle des Erziehers als verlängerter Arm der Eltern. Beispiel: Demonstrationsspiel "Pierre ist doof.!"

Es bleibt völlig ausserhalb der kritischen Diskussion, in welchem Bereich Kinder überhaupt Ansätze von Widerstand leisten können, der aus ihren konkreten Interessen motiviert ist. Daß Bereiche wie "Böse Artikel aus Illustrierten"(Stern), " Onkel Kunzelmann und Langhans im Gefängnis". "Bei der Arbeit den Arbeitern zusehen" nicht dem Kind gesellschaftliche Realität vermitteln können, die von ihm anders als chaotisch mythisch verkürzt oder als bezugsloses Abenteuer verarbeitet werden können, erscheint banal, zeigt aber deutlich, daß die Eltern noch nie ein Verhältnis zur Realität von Agitation gewonnen haben. Von der ursprünglichen Intention, den Kindern eine politisch vertretbare und psychologisch pädagogisch fundierte Erziehung zu garantieren, wird jetzt der Rückzieher auf bloßes Einüben vor sozialistischen Tugenden gemacht:

1 . Mut
2. Disziplin
3. Interessenklarheit
4. Solidarität
5. Bereitschaft zum Kampf

Das gipfelt in dem bestärkenden Abendgebet:

"Nur ein Kind, daß den Genossen MAO liebt und die BULLEN haßt, ist ein politisch Kind"

Es ist eindeutig, daß das Kinderladen-Seminar als gescheitert angesehen werden muss. Wo liegt dennoch sein politischer Wert? Zunächst in der Entlarvung der Sozialdemokraten. Zweitens ist uns bewußt geworden, daß eklatant die Notwendigkeit besteht, die bisherige Praxis theoretisch und nicht rationalisierend aufzuarbeiten, und den Kampf gegen die Revisionisten in den Kinderläden aufzunehmen. Ein neues Kinderladen-Seminar sollte nicht eher stattfinden, als nicht Papiere von mehreren Gruppen vorliegen, die anhand der Praxis der Gruppen auf folgende Fragen eingehen: Sollen die Kinderläden ihren politischen Anspruch aufgeben und erkennen, daß ihr Wert in der Entlastung der Eltern, aber niemals in deren Politisierung liegen kann? Welche Rollen spielen in der Erziehung der Kinder zu ich-starken, stabilen Persönlichkeiten die Sexualerziehung, Kinderlektüre, Spiele, Mutter-Kind-Beziehung, psyehische Probleme des Kindes, Vorbereitung auf die Schule und Schulpraxis, insgesamt alsi die Erabeitung einer wissenschaftlichen emanzipatorischen Kindererziehungs-Konzeption. Dazu müssen Möglichkeiten der Zusammenarbeit mit Studenten pädagogischer psychologischer Fachbereiche geprüft werden.

Carola Knirsch, Angela Luther, Marion Wittstock