Karl-Heinz Schubert

Zur Geschichte der westberliner Basisgruppen

aus: Aufbruch zum Proletariat

Die Basisgruppen als Stadtteilgruppen

Als am 11. April 1968 die Schüsse aus der Pistole des Arbeiters Bachmann den SDS-Funktionär Rudi Dutschke vor dem westberliner SDS-Zentrum am Kurfürstendamm schwer verletzten, brach eine Welle des Protestes los, in die Zehntausende von Menschen in der BRD und Westberlin einbezogen waren und die während der Osterfeiertage sich direkt gegen den Springerkonzern richteten. In Westberlin gingen die Lieferfahrzeuge von Springer in Flammen auf. Ein Mitarbeiter des westberliner Verfassungsschutzes hatte das Startsignal gegeben, indem er nicht nur Wagen selber anzündete, sondern auch Demonstranten mit mitgebrachten Molotowcocktails versorgte./1/

Der Springerkonzern war der eigentliche Drahtzieher dieser Kurzschlußhandlung des Arbeiters Bachmann. So jedenfalls interpretierten die Studenten dieses Ereignis. Diese Interpretation war durch die Springer-Kampagne vorbereitet worden, die infolge des 2.Junis bis zum Januar 1968 abgelaufen war und in der die von der Kritischen Theorie geborgte Manipulationsthese für den SDS ihre Bestätigung fand./2/ Am 12. April 1968 formiert sich ein Demonstrationszug von über 10.000 Teilnehmern in der Innenstadt, der sich mit der Polizei in massive Straßenschlachten verwickelte und dem es gelang, zum Rathaus Schöneberg durchzubrechen, wo der ehemalige FU-Assistent Krippendorf die Forderungen erhob, daß 1. der Senat zurücktritt, 2. Springer enteignet wird, 3. ein Arbeiter-, Angestellten-, Schüler- und Studentenrat gebildet wird, der die Enteignung kontrolliert und dem zur Mobilisierung einer sozialistischen 1. Maikundgebung im Rundfunk täglich Sendezeit eingeräumt wird.

Beim TU-AStA wurde ein Koordinationsausschuß/3/ gebildet, der die Aktionen und Propaganda für diese Forderungen in den Stadtteilen zentral unterstützen sollte. Eine typische Aktion stellte das morgendliche Klauen von BILD- und BZ-Zeitungspaketen an Kiosken dar. Mit Bezugnahme auf die wichtigsten Meldungen wurden mit den Produktionsmitteln des TU-AStA Flugblätter hergestellt, die die durch BILD und BZ verbreiteten Nachrichten richtigstellten und kommentierten. Dieser zähe und arbeitsintensive Versuch der Schaffung einer sogenannten Gegenöffentlichkeit wurde bald abgebrochen. Es zeigte sich einfach, daß mit Methoden der reinen Aufklärung eine politische Veränderung bei "den Massen" nicht einzuleiten war.

Dennoch bildeten sich in dieser Aufklärungskampagne 12 Stadtteilbasisgruppen, deren Zusammensetzung noch überwiegend studentisch war. Jedoch war der Anteil nichtstudentischer Mitglieder erheblich über dem entsprechenden Anteil an den alten KU-Arbeitskreisen. Gerade Jungarbeiter, Lehrlinge und Oberschüler gingen in diese Gruppen. Wobei nicht übersehen werden darf, daß ein nicht unerheblicher Teil dieser Gruppen aus anderen organisatorischen Zusammenhängen - wie etwa den Falken oder der SEW - kam. Eine Ausnahme bildete der Sozialistische Club Neukölln, der im Dezember von frustierten linken Sozialdemokraten vorwiegend aus dem Arbeitermilieu gegründet worden war. Sie waren Anfang 1968 aus der SPD ausgeschlossen worden./4/ Die sich ihnen anschließenden Studenten banden diesen Zirkel in die zentralen studentischen Kampagnen ein. Dennoch betonte der SC durch weitere Beibehaltung des Klubnamens seine nichtstudentische Herkunft.

Für die bald darauf stattfindende 1.Mai-Demo fielen den Stadtteilbasisgruppen weitere Arbeits- und Propagandafelder zu. Zuvorderst, da sich die Basisgruppen stadteilbezogen verstanden, Mietfragen, die mit dem damals drohenden Weißen Kreis und der begonnenen Stadtsanierung in Altbaugebieten zusammenhingen. Lediglich die Basisgruppe Wedding, die aus der SDS-Projektgruppe Räte hervorgegangen war, agitierte von Anbeginn betriebsbezogen (AEG-Telefunken) - nicht aber mit betriebsspezifischen Problemen. Allgemein verstand sie ihre Praxis - ebenso wie andere Gruppen - noch nicht als Betriebsstrategie zum Aufbau revolutionärer Arbeiterbetriebsgruppen, sondern im Sinne einer allgemeinen Aufklärung und Enthüllung.

An der sozialistischen 1. Mai Kundgebung 1968 in Neukölln nahmen rund 30.000 überwiegend junge Menschen teil. Das Spektrum der Teilnehmer umfaßte alle linken außerparlamentarischen Strömungen: Die Hochschulgruppen (SDS, SHB, GSG, HSU, LSD), die SEW, die Falken und linke Sozialdemokraten, sowie anarchistische und trotzkistische Kräfte.

Zwar waren die Differenzen, die den späteren Zerfall dieses linken Blocks hervorriefen, bereits alle vorhanden/5/, aber die Auffassung, sich gegen den Block der Herrschenden in Gestalt der DGB-Freiheitskundgebung vor dem Reichstag zu formieren und eine sozialistische Perspektive entwickeln zu müssen, einte noch alle Kräfte.

Wolfgang Lefevre (SDS) drückte dies in seinem Referat zur politischen Situation Westberlins vor gut 3000 Zuhörern in der überfüllten Hasenheide am Vorabend des 1. Mai folgendermaßen aus: "Unter den gegenwärtigen Bedingungen hat Berlin keine Chance als die, ein Schrebergarten für Rentner und unfähige Politiker zu werden. Die Chance dieser Stadt liegt darin, daß sie zum Initiator und zum anstiftenden Lehrstück der deutschen sozialistischen Revolution wird, die all diese Verhältnisse von der Bühne fegen wird, die heute die Agonie der Stadt ausmachen."/5/

Nach dem für die Linke erfolgreichen 1.Mai begann sich die Frage der langfristigen politischen Organisierung in den Vordergrund der Basisgruppendebatte zu schieben. Am 3.5.68 wurden auf einer VV der Basisgruppen Beschlüsse zu einer "künftigen Organisierung" gefaßt./7/ Jedoch konnte ein kontinuierlicher Diskussionprozeß darüber nicht in Gang kommen, da das vorherrschende Politikverständnis noch viel zu sehr von der Kampagnenpolitik, wie sie der SDS bisher betrieben hatte, bestimmt war.

Für dieses Politikverständnis gab es in der Gestalt der französischen Mairevolte eine weitere Bestätigung. Dem damaligen Anschein nach war es Studenten durch die Dialektik von Aktion und Aufklärung gelungen, breite Teile der Arbeiterklasse für eine der schärfsten Auseinandersetzungen gegen den französischen bürgerlichen Staat nach 1945 zu mobilisieren. Daniel Cohn-Bendit, damals einer der führenden Köpfe des "Pariser Mai" - heute erfolgreicher Unternehmer und Freund der Grünen, erklärte damals gegenüber dem Spiegel: "Je mehr sich die Bewegung entwickelt hat, um so deutlicher hat sich gezeigt, daß das Regime zurückweicht, wenn man konsequent kämpft. Das ist eine große Lehre nicht nur für Frankreich."/8/

Indem sich der linksradikale Flügel der westdeutschen und westberliner APO mit den spontaneistischen und anarchistischen Kräften der französischen Revolte identifizierte, wurden weitere Widersprüche zu den altkommunistischen Kräften (SEW / in der Gründung befindliche DKP) sichtbar./9/

Nahezu gleichzeitig ging die Kampagne gegen die Verabschiedung der Notstandsgesetze ihrem "Höhepunkt" entgegen. In Anlehnung an die bisherigen Erfahrungen und bedingt durch die französischen Ereignisse glaubten nicht geringe Teile der APO, die Verbindung zum gewerkschaftlichen Protestpotential herstellen zu können./10/ Am frühen Morgen des 27.5.1968 besetzten Studenten das Germanische Seminar an der FUB und benannten es in Rosa-Luxemburg-Institut um. Das unbesetzte Otto-Suhr-Institut wurde in Karl-Liebknecht-Institut umgetauft und in einem Flugblatt der Besetzer hieß es: "Die Notstandsgesetze sind die reale Perspektive unserer gesellschaftlichen Entwicklung. Mit der dritten Lesung ist das protestierende Einwirken auf das Parlament verabschiedet...Es gibt nur eine praktische Antwort auf die Faschisierung der Gesellschaft: Die Organisierung des Widerstands."/11/ In der Stadt blieben Aktionen dagegen ohne Belang. Dort wo Basisgruppen in Erscheinung traten, wurden sie für Aktionen an der Uni eingespannt./12/ Die Verkennung der Kräfteverhältnisse, die schon in Lefevres 1.Mai-Referat angelegt war, drückte sich u.a. in dem 24stündigen Generalstreikaufruf der westberliner FALKEN aus, den diese ohne jegliche Resonanz vor den westberliner Betrieben verteilten. Auch ihre Demo im Wedding mit Schwerpunkt Schering und Osram blieb ohne Auswirkungen./12/ So stellte sich endgültig dieser Kampf gegen die Notstandgesetze mit ihrer Verabschiedung durch den Bundestag als ein Kampf auf verlorenem Posten dar.

Obwohl im Frühsommer 1968 die Zahl derer, die sich der APO zurechneten, ständig anschwoll, kam doch die ganze Perspektivlosigkeit dieser Bewegung durch die nicht zu verhindernde Verabschiedung der NS-Gesetze im Bundestag zum Ausdruck. Im Spätsommer 1968 schien die APO zerfallen und auf die Unis zurückgeworfen.

In dieser Phase ging die Rolle der Basisgruppen als Organ von stadteil-bezogenen Mobilisierungs- und Enthüllungskampagnen immer weiter zurück. Viele oberflächlich Anpolitisierte sprangen wieder ab. Dieser Mitgliederverlust traf besonders die Basisgruppen, die gleichsam als Bürgerinitiative wie z.B. die BG Schöneberg, Wilmerdorf und Friedenau gewirkt hatten. Die Wilmerdorfer BG und der Neuköllner SC griffen daher zum Mittel der Schulung, um den Zerfall aufzufangen und zu einem neuen Politikverständnis durchzustoßen. Die Basisgruppen Spandau und Reinickendorf, die sich überwiegend aus Oberschülern und Lehrlingen zusammensetzten, konzentrierten sich ganz in Sinne der studentischen anti-autoritären Revolte auf einen sogenannten Sexpol-Ansatz./14/ Andere BG`s wie die Weddinger, die Moabiter und die Tegeler ver"nderten weitgehend das Konzept und bndelten die Kr"fte fr die in ihren Bereichen vorhandenen Industriebetriebe und konnten sich so, gesttzt auf Studenten, die ihre Arbeit an der Uni nahezu einstellten, zunächst konsolidieren. Allein die Kreuzberger nahmen den Rückgang ohne wesentliche Kurskorrektur hin und setzten im Stadtteil die als Mieter- und Sanierungsarbeit begonnene Politik fort./15/

Die sehr heterogene Behandlung der Rekonstruktion der BG`s verweist auf den relativ hohen Beliebigkeitsgrad der politischen Interventionssektoren. Sie wurden nicht mithilfe einer diskutierten und vereinheitlichten politischen Linie bestimmt, die dann auch den Bezugspunkt für die Analyse eines möglichen späteren Scheiterns gebildet hätte. Vielmehr schien es so, daß allein die konkrete personelle Zusammensetzung der BG, sowohl in altersgemäßer als auch in klassenspezifischer Hinsicht, die jeweilige Entscheidung bedingte. So blieb folglich die Frage der Transformierung der Jugend- und Studentenbewegung in eine revolutionäre Arbeiterbewegung bzw. deren Rekonstruktion, die noch im Frühjahr 68 im Sinne der Kritischen Theorie konzeptionell gelöst schien, offen.

Anmerkungen:

/1/ siehe dazu BAUMANN, Bommi, Wie alles anfing, Ffm 1976, S. 27 + 38f

/2/ Infolge der Tötung von B. Ohnesorg wurde ein "Pressearbeitskreis" eingerichtet, der im Oktober 1967 eine Broschüre "Springer enteignen?" herausbrachte. Hierin sollte die Manipulationthese - wie sie der SDS in Anlehnung an die Kritische Theorie vertrat - durch Konzernanalyse erhärtet werden. Für das Frühjahr 1968 war eine Enteignet-Springer-Kampagne geplant worden, die durch die Ereignisse in der geplanten Form nicht mehr zustande kam. Der Republikanische Club (RC) wurde am 30.4.1967 gegründet. Zum Selbstverständnis hieß es in der Gründungssatzung: "Die Mitglieder fühlen sich den in Deutschland schwach entwickelten republikanischen Traditionen verpflichtet und verstehen sich als Teil der politischen Linken" (zitiert nach: Das Andere Deutschland, Nr.1, Hannover 1967). Das Spektrum der Gründungsmitglieder reichte von Flechtheim über Neuss bis Mahler. Konkreter Anlaß dieser linksbürgerlichen Intellektuellen, die enge Verbindungen zum SDS hatten, sich zusammenzuschließen, war die Bildung der "Großen Koalition".

/3/ siehe dazu SCHMIDT, Rudi, a.a.O., S.99; in diesem Ausschuß bildeten die Vertreter des SDS die Mehrheit; ständige Sitzungsteilnehmer stellten die SEW, der RC und die Falken, sowie der SHB. Aus diesem Ausschuß ging direkt das sozialistische Maikomitee hervor.

/4/ Die Eröffnungsveranstaltung des SC fand in einer Neuköllner Schule am 14.12.67 statt. Hauptreferent war der Trotzkist E.MANDEL. Anlaß für den SPD-Ausschluß war allerdings das in Neukölln zahlreich verteilte Einladungsflugblatt, in dem es hieß: "Die traditionellen Parteien sind, wie immer deutlicher wird, nicht mehr in der Lage, die Interessen der arbeitenden und lohnabhängigen Menschen wirksam zu vertreten." (zit.nach: BERLINER EXTRA-DIENST, Nr.64, Westberlin 1967)

/5/ Die Differenzen kamen z.B. darin zum Ausdruck, daß die Maizeitung des "sozialistischen Maikomitees" nicht im SEWeigenen Druckhaus Norden, sondern beim Spandauer Volksblatt (heute - Volksblatt Berlin) gedruckt wurde, weil die SEW sich weigerte, einen Artikel, der auf die KPD-Vergangenheit des damaligen rechtssozialdemokratischen westberliner DGB-Vorsitzenden, Walter Sickert, einging, abzudrucken.

/6/ zitiert nach BERLINER EXTRA-DIENST, Nr. 35/II, Westberlin 1968

/7/ siehe dazu: Protokoll der Basisgruppen-Sitzung vom 3.5.1969, in: Sozialistische Politrik Nr.10, Westberlin, 1971, S.114

/8/ zitiert nach Spiegel Nr.22/1968, S.112

/9/ Mit der Verbreiterung der sozialen Basis der APO verschob sich die Abgrenzung von den "moskauorientierten" Kommunisten immer mehr auf die Ebene theoretischer Grundfragen einer zu rekonstruierenden, revolutionären Arbeiterpolitik. Dafür bot der "Pariser Mai" sozusagen das konkrete Material der Beweisführung. Als Forum dieses ideologischen Kampfes entstand 1968 vorübergehend ein zentrales Organ namens "was tun", das in der BRD und Westberlin gleichzeitig erschien. Zum Herausgeberkreis gehörten u.a. Bernd Rabehl, Christian Semler, Peter Brandt, Günter Amendt, Gaston Salvatore und Rudi Dutschke. Die Juli-Nr. 1968 diente nahezu ausschließlich zur Propagierung der ideologischen Grenzziehung anhand der Pariser Ereignisse und des Prager Reformkurs. So trug einer der Hauptartikel, in dem der "Verrat" der KPF gegeiselt wurde, den bezeichnenden Titel "Die französischen Kommunisten hatten kein Glück mit ihrem Godesberger Programm". In ihm wurde der französische Führer der KPF, Marchais, mit dem späteren sozialdemokratischen Bundeskanzler, Schmidt, als Vertreter der im trotzkistischen Sinne verbürokratisierten Arbeiterparteien verglichen. In dem Artikel "Prager Frühling", wurde die Hoffnung zum Ausdruck gebracht, daß sich der Reformkurs auf die anderen sozialistischen Länder ausdehnen könnte, worin deren Zentralproblem, die "stalinistische Bürokratisierung", seine Lösung finden würde. Die SEW, die die Verschärfung der Widersprüche sehr genau registrierte, ließ die APO durch ihr Zentralorgan "Die Wahrheit" bereits am 14./15. Mai 1968 wissen, daß man sich vom "Gegner der APO" nicht das "Trennende" aufzwingen lassen solle, und es ginge nachwievor um die "Festigung der Aktionseinheit".

/10/ siehe dazu BERLINER EXTRA-DIENST, Nr.42/II, wo dieser auf der Titelseite 500.000 Streikteilnehmer für den Tag der Verabschiedung der NS-Gesetze ankündigte. Nach einer vom ED durchgeführten Umfrage in Mannheimer und Frankfurter Betrieben sollten allein dort mindestens 50.000 Arbeiter in den Streik treten.

/11/ zitiert nach: Hochschule im Umbruch, FU-Dokumentation, Teil V, Westberlin 1983, S.313

/12/ siehe dazu: SCHMIDT, Rudi, a.a.O., S. 101 und BERICHT DER BASISGRUPPE WEDDING, Zirkular für die westberliner Basisgruppen, hektorgrafiert, vermutlich Herbst 1968

/13/ vgl. dazu: SCHRAMMAR, Frank, u.a., Zwischen "rotem Pfadfindertum" und "politischem Kampfverband", Westberlin 1981, S.61

/14/ Verkürzt ausgedrückt, steht der Begriff "Sex-Pol" für Versuch, in der revolutionären Alltagspolitik Marxismus und Psychoanalyse zusammenzubringen. Mit diesem Verständnis revolutionärer Politik sind Namen der linkskommunistischen Bewegung der 20er Jahre wie Reich, Korsch, Rühle und Bernstein eng verbunden. Zwischen 1967 und 1969 brach eine wahre Flut an Raubdrucken aus, wo Schriften dieser Richtung massenhaft in Umlauf gebracht wurden. Durch ahistorisches Hereinnehmen der Positionen von Reich & Co. wurde eine Sichtweise begünstigt, in der der Protest gegen herrschende Sexualnormen bereits schon für eine revolutionäre Tat gehalten wurde. Von heute aus muß gesagt werden, daß die Sexpolrichtung lediglich das Ausleben männlicher Promiskuitätsphantasien zum Gegenstand hatte. Eine kritische ideengeschichtliche Würdigung und Darstellung des Sexpol-Ansatzes, findet man in: Marxismus, Pychoanalyse, Sexpol, Bd. I+II, Hrg.: GENTE, H.-P., Ffm 1970/72. Die im Bd.II veröffentlichten "Sexpol-Protokolle" der Gruppe Sexpol-Nord, die zur BG Reinickendorf gehörte, geben ein anschauliches Beispiel für das politische Selbstverständnis der Vertreter dieser Linie im Basisgruppenspektrum.

/15/ siehe dazu SCHMIDT, Rudi, ebd, S.100