Hannah Kröger
Die organisatorische Situation in Berlin

Aus: Neue Kritik 54, 1969, Ffm, S.49ff

Die beiden Tatsachen, daß immer noch ein erheblicher Teil der westdeutschen Genossen auf der Suche nach Orientierungspunkten nach Berlin blickt und ein Teil des Berliner SDS offen seinen Führungsanspruch gegenüber den westdeutschen Genossen geltend macht (vgl. Üstraaktion in Hannover und die eingeleitete Schwerpunktarbeit Ruhrgebiet), machen es notwendig, die organisatorische Situation in Berlin einmal etwas zu beleuchten.

Die folgende Analyse mag manchem Genossen, je nachdem, welchen ideologischen Standort er teilt und mit welchen Konsistenzansprüchen er von diesem Standort aus urteilt, als zu wenig eindeutig parteilich erscheinen. In der Phase der Transformation, in der wir uns befinden, ist es jedoch inadäquat, rigide von ideologischen Positionen aus zu urteilen, die sich entweder nicht mehr oder noch nicht praktisch bewährt haben. Im Zentrum der Analyse steht deshalb die Organisationswirklichkeit, d. h. die jüngste Entwicklung und die in ihr angelegten Tendenzen. In Berlin wird seit Jahren keine einheitliche Strategiediskussion mehr geführt, aber seit mehr als einem Jahr klagen "informelle Kader" über Partikularismus und Reformismus der "sogenannten" arbeitenden Gruppen. Diese klassenfeindlichen Tendenzen wurden und werden nicht nur verschiedenen ad-hoc-, Projekt- und Arbeitsgruppen an den Universitäten, sondern in erheblichem Maß auch den Stadtbezirks- und Betriebsbasisgruppen zur Last gelegt. Der Widerspruch liegt darin, daß die Klage bisher weder innerhalb der Diskussion derjenigen Gruppen, die ihrem mehr oder minder expliziertem Anspruch zufolge die Avantgarde der Bewegung bilden, noch in öffentlichen Veranstaltungen zu einer grundsätzlicheren politischen Reflexion der möglichen Funktion der antiautoritären Revolte im Überbau für die proletarische Revolution und die gesellschaftliche Umwälzung oder einer Explikation des Kaderverständnisses in bezug auf die politisch- ideologische Linie geführt hat. Die "militante" Sterilität der Hochschulrevolte, die Stagnation der Basisgruppen (sowohl analytisch wie agitatorisch), der Rückgang der Mobilisierung seit den Osterereignissen wird nur in sich isolierenden ML-Gruppierungen (Romanisten, Ökonomen) zum Anlaß einer kritischen vorwärtstreibenden Analyse des eigenen diffusen ideologischen Selbstverständnisses genommen. Während dessen regenerieren sich die revisionistischen Organisationen zunehmend aus jungen frustriert-antiautoritären Genossen. "Wir sollten uns in unserer theoretischen Polemik auf das dringendst Notwendige beschränken. Der Prozeß der Selbstentlarvung der SEW wird sich an den konkreten Betriebskonflikten und an dem konkreten Kampf der Arbeiterklasse in den Westberliner Betrieben zeigen oder er wird sich nicht zeigen (!)... und das ist der einzige Prüfstein, Genossen, ob wir eine revolutionäre Organisation sein WERDEN oder ob sie es SIND" (Antwort des Genossen Semler auf die Angriffe der Roten Garden auf der Großveranstaltung in der Hasenheide am Vorabend des diesjährigen l. Mai)

Die kritische Analyse der antiautoritären Praxis zerstört die Fiktion, als ob die mit der Hochschulrevolte verbundenen Lernprozesse eindeutig in eine bestimmte ideologisch-politische Richtung tendierten. Darüber kann auch das beliebte Etikett "antikapitalistisch" nicht hinwegtäuschen.

1. Zu den Berliner Basisgruppen

Die Basisgruppen, zahlenmäßig allen anderen aktiven Gruppen überlegen, spielen politisch in Berlin keine entscheidende Rolle, da sie über kein einheitliches Konzept verfügen. Mit ihrer Sammelbeckenfunktion nach den Osterereignissen 1968 und ihrer politischen Diskriminierung durch die alte SDS-Führungsgarnitur (vgl. die Kontroverse Hemmer/Semler anläßlich des Nixonbesuchs in Berlin und die Rede Semlers am Vorabend des l. Mai in der Hasenheide) läßt sich dieser Mangel nicht mehr erklären. Die Basisgruppe Wedding hat z. B. sehr viel Energie und Mühe auf die Rezeption und Überprüfung des Begriffes Arbeiterkontrolle verwandt. Es bleibt aber unklar, ob unter Arbeiterkontrolle von ihr eine politische Übergangsforderung (in Zusammenhang mit Doppelherrschaft, wie es Spartakus* vertritt) oder lediglich die Praxis einer revolutionären Betriebsorganisation vor der Revolution verstanden wird. Die Basisgruppe Wedding ist die älteste Berliner Basisgruppe. Sie hat im Zusammenhang mit der Herstellung einer Betriebszeitung, auf Betriebsversammlungen gegenüber dem Betriebsrat und der Firmenleitung vertretenen Forderungen nach einem Betriebskindergarten, durch die Zusammenarbeit mit Jungingenieuren gegenüber dem Betriebsrat, anläßlich des Ingenieurschülerstreiks und des keimhaften Protestes von Arbeitern gegen die "rationalisierte" Lohnfortsetzung einige praktische Initiative gezeigt. Politisch ist sie mit dem Vorschlag hervorgetreten, die bestehenden Basisgruppen zu Keimzellen der zukünftigen Kaderorganisation umzufunktionieren und die Grundlage für die Massenorganisation in den Betrieben selbst zu legen. Dieser Vorschlag ist angesichts des Konglomeratcharakters und der politischen Schwäche der Basisgruppen als unrealistisch anzusehen; er mußte schon deswegen scheitern, weil er das Problem der historisch adäquaten Relativierung des absoluten Führungsanspruchs der marxistisch-leninistischen Partei und des Organisationsprinzips des demokratischen Zentralismus dadurch zu lösen vorgab, indem er es umging.

Demgegenüber konzentrierte sich die (Basisgruppe Tegel, die aus einem Hochschulseminar hervorging, von Anfang an auf die Agitation gegen die bestehenden hierarchischen Strukturen im Betrieb. Auch hier blieb undiskutiert, inwiefern die universitätsspezifische antiautoritäre Konfliktstrategie ohne Zugrundelegung einer gesamtgesellschaftlichen Klassenanalyse auf das Vorgehen im Betrieb übertragen werden kann. Bis heute ist zu der (diffusen) Konfliktstrategie nur die Bemühung um detaillierte Kenntnis der spezifischen Betriebsprobleme (Analyse der Arbeitsplatzsituation, Analyse der neuen Lohnfestsetzungssysteme, Analyse der Verflechtung des einzelnen Betriebs innerhalb des Konzernverbandes) hinzugetreten. Darin äußert sich die Postulierung des in seiner Einseitigkeit falschen Theorems "Emanzipation vom Arbeitsplatz aus", das ja schon in der Hochschule nur in Verbindung mit den Anti-Imperialismus-Aktionen hatte agitatorisch wirksam werden können. Diese "Betriebsstrategie" behauptet von sich nichtsdestoweniger, sie sei "antikapitalistisch"; ebenso wie die in bestimmten Überbaubereichen Widerstandsformen entwickelnde antiautoritäre Politisierung im Hochschulbereich. "Theoretisch" drückt sich das darin aus, daß die vom Gesichtswinkel des Studenten aus verständliche Orientierung an gesellschaftlichen Hierarchien unter umgekehrtem Vorzeichen als Klassenkampfperspektive in den Produktionsbereich hineinprojiziert wird, d. h. im Bewußtsein der Studenten die Stellung im Produktionsprozeß die Stellung zu den Produktionsmitteln als Kriterium der Klassenzugehörigkeit verdrängt, wohingegen das Maß, um das Kategorien wie Verfügungsgewalt und Expertokratie heute das grundlegende Klassenkriterium Eigentum ergänzen, sich nur durch die durchgeführte Analyse feststellen läßt.

Einen besonderen Weg innerhalb der Basisgruppen ging die Basisgruppe Spandau Ihre Entwicklungsgeschichte ist insofern bedeutsam, als sie das in manchen Genossenköpfen erstarrte Urteil Antiautoritarismus-kleinbürgerlich, Zentralismus-proletarisch negiert. Die Basisgruppe Spandau ist die einzige Berliner Basisgruppe mit überwiegend proletarischer Beteiligung. Sie besteht aus 8—10 Gruppen, die ihren einheitlichen Zusammenhang über die Delegiertenzentrale und zu definierten Themen stattfindende Wochenendseminare wahrt. Die Delegiertenzentrale funktioniert nach imperativem Mandat und rotierendem System (l Monat Einarbeitung, l Monat Hauptvertretung). Die Basisgruppe Spandau hatte ihren Ursprung in Gruppen von befreundeten Schülern und Lehrlingen, die an Demonstrationen und Aktionen in der Innenstadt teilnahmen. Ihren Zusammenhalt fanden diese Gruppen zunächst durch Sexpol- und ähnliche Arbeitskreise. Inzwischen ist die Schulung in politischer Ökonomie und in der Geschichte der Arbeiterbewegung aufgenommen worden. Die Politisierung konnte hier die affektiven Bedürfnisse berücksichtigen, "organisch" vor sich gehen, da allein schon die geografische Entfernung von der City einen gewissen Schutz vor den ständig wechselnden Invektiven bot, mit denen das informelle Berliner SDS-Politbüro die Basisgruppenarbeit bedachte. Da sie noch vollauf damit beschäftigt waren, ihre eigene minimale Zentralisierung von unten her zuwege zu bringen, entzogen sich die Spandauer Genossen allen Integrationsversuchen in eine Basisgruppenzentralisation auf abstrakter Ebene. Dem Delegiertenrat der Basisgruppen ("Maikomite") ist es denn auch bisher nicht gelungen, alle Basisgruppen in die Erarbeitung einer einheitlichen politischen Konzeption für die Betriebs- und übrige Basisarbeit zu integrieren. Das hat dazu geführt, daß Organisationen mit statutmäßig fixiertem Selbstverständnis - revisionistischen und antirevisionistischen Charakters (SEW, FDJ — Rote Garden — Spartakus) —, die sich untereinander bekämpfen, in den Basisgruppen um Einfluß konkurrieren. Bei unseren "Rädelsführern" gerinnt sowohl das relative Scheitern der Hochschulrevolte wie auch das im Ganzen erfolglose Herumwursteln der Basisgruppen zu einem Praxisverständnis, das sich für diese nur insoweit interessiert, als sie die eigenen nie in Zweifel gezogenen Führungsqualitäten nicht tangiert. Mühelos wird die aufgrund des Mangels an politischer Linie objektiv rückläufige Tendenz der Hochschulrevolte in eine "höhere Stufe" des Kampfes uminterpretiert. Seinen "bewußten" Ausdruck findet dieser noch immer unter die Kategorien Subjektivität und Spontaneität einzuordnende Vorgang in der Aufgabenbestimmung der von der Hochschule her in Angriff genommenen Selbstzentralisation.

2. Zur Situation im Hochschulbereich nach der Verabschiedung des Hochschulgesetzes

Die bevorstehende Verabschiedung des Hochschulgesetzes und die Zerschlagung der zentralen Studentenvertretung vor Augen, spitzten sich zu Beginn des Sommersemesters in Berlin die Auseinandersetzungen um die Organisationsfrage unter dieser Bezugnahme zu. Das Berliner Hochschulgesetz hat inzwischen die Universität "modernisiert", d. h. den kapitalistischen Verwertungsbedingungen angepaßt. Gegenüber dieser kapitalistisch reformierten Universität ist die alte antiautoritäre (anti Ordinarien —) Konfliktstrategie hilflos. Sie wurde aber zunächst nicht fallengelassen, sondern mit Eiern eskaliert (bei den Germanisten, Anglisten, Historikern, Ökonomen und Juristen). Dadurch sollte denjenigen, die politisch aktive Studenten an den Staatsapparat denunziert hatten, der Weggang von Berlin erleichtert werden; die anderen wurden aufgefordert, sich von der Denunziationspraxis ihrer "Kollegen" zu distanzieren und sich mit den Studenten gegen den Senat und das Hochschulgesetz zu solidarisieren. Diese Taktik hatte zur Folge, daß die Polarisierung zu — und die Mobilisierung abnahm. Erst der immer näher rückende Termin des Inkrafttretens des Hochschulgesetzes brachte die Wende. Dabei ergriffen die um das INFI zentrierten Genossen die Initiative. Sie wollten der Liquidierung des ASTA durch den Berliner Senat mit dem Aufbau einer radikal "antikapitalistischen" studentischen Frontorganisation begegnen. Zunächst wurde freilich noch viel Zeit verloren mit Diskussionen um historisch obsolete (radikaldemokratische Urabstimmung) bzw. politisch irreale (Sturm auf die Jur. Fak.) Vehikel zur kurzfristigen Gründung dieser Organisation.

Der ASTA hatte ursprünglich über den Konvent ein rätedemokratisches "über die Universität hinausreichendes " Modell propagiert. Im SDS tauchten bald Zweifel auf, ob man die Realisierung eines derartigen Modells politisch verantworten könne, da die implizite Grundvoraussetzung, nämlich politisch funktionierende Basisorganisation, auf Grund "des Institutspartikularismus und -reformismus" nicht als gegeben anzusehen sei. Die Modellvorstellungen "zur Lösung" der Organisationsfrage, wie sie sich auf einer nach Pfingsten einberufenen Arbeitskonferenz konkurrierend gegenüberstanden, spiegelten einen deprimierenden Mangel an politischer Theorie. Unsere führenden Genossen suchten der naturwüchsigen Konkurrenz nicht dadurch zu begegnen, daß sie darauf verzichteten, den verschiedenen ausgetüftelten Organisationsmodellen noch ein weiteres konkurrierend gegenüberzustellen und statt dessen erst einmal in breiterem Rahmen die überfällige Strategiediskussion in Angriff zu nehmen, sondern sie setzten ihre "Konkurrenz" dadurch matt, daß sie einfach mit dem Anspruch auftraten (und wer sonst könnte unangefochten mit diesem Anspruch auftreten?), das einzig richtige Organisationsmodell aus der einzig richtigen Klassenanalyse abzuleiten. Die Vorspiegelung — denn um mehr handelt es sich nicht — wurde von zahlreichen Genossen durchschaut, teilweise zugegeben und scheiterte schließlich ganz. Aber nach dem Motto "Angriff ist die beste Verteidigung" wurde jeder Widerstand gegen organisatorische Beschlüsse auf ungeklärter strategischer Grundlage mundtot gemacht (Genosse Fichter: "Wer nicht die sofortige Bildung der Kommissionen unterstützt, arbeitet dem Berliner Senat entgegen.") Über die Arbeit dieser Kommissionen, wie andererseits über die Franktionierungsprozesse in den ad-hoc-Gruppen, sollte die Sozialistische Massenorganisation (SoMao) vorbereitet werden.

Kommissionsarbeit

Von den drei gegründeten Kommissionen (Produktion, Sozialisation, Verwaltung) kam der Kommission Produktion von Anfang an besondere Bedeutung zu. Sie sollte eine Analyse der wirtschaftlichen Situation und Zukunft Berlins erarbeiten, und anhand der Ergebnisse dieser Analyse sollten dann Kriterien für den strategischen Einsatz arbeitswilliger Genossen gefunden werden. Zugleich sollten von der Plattform der Kommission aus die Basisgruppen kritisiert und der voluntaristlsche Fraktionierungstrend "Studenten in die Betriebe" kontrolliert werden. Gesetzt, die Analyse ergibt, daß der Anteil der Berliner Facharbeiter stetig abnimmt, daß der Berliner Investitionstrend rückläufig ist, daß immer mehr Betriebe schließen müssen, weil sie mit ihrer veralteten Maschinerie nicht mehr konkurrenzfähig sind, oder nach Westdeutschland verlagert werden -   gleichzeitig aber die Subventionsleistungen des Bundes für längere Zeit noch an dauern - dann ist es fraglich, ob die politische Arbeit in Berlin überhaupt noch lohnt, ob man nicht seine Kräfte viel besser auf westdeutsche Regionen konzentriert, die heute oder in absehbarer Zeit von schweren Strukturkrisen erschüttert werden. Die Kommission Produktion wurde auf Drängen verschiedener Genossen, die in der praktischen Arbeit stehen und ihre praktischen Probleme aufgenommen sehen wollen, in sechs Unterkommissionen aufgeteilt: Ökonomie Westberlins (die sich im wesentlichen darauf beschränkte, die beibehaltene und in ihrer strategischen Fragwürdigkeit oben angedeutete Hypothese durch Interpretation statistischen Materials zu stützen), Lehrlinge und Jungarbeiter, Gastarbeiter, technische Intelligenz, Frauenarbeit und Kritik der bisherigen Betriebsarbeit. Die Kritik der bisherigen Betriebs- und Basisgruppenarbeit war aber infolge der Eindimensionalität der theoretischen Hypothesen, mit denen die Unterkommission Ökonomie Westberlins arbeitete, schon ganz pauschal angelegt und eine davon unabhängige Kritik der innerhalb der Betriebs- und Basisgruppenarbeit gemachten Erfahrungen für die Arbeit dieser Kommission damit irrelevant. So litt die Kooperationsfähigkeit der Unterkommissionen von Anfang an an dem verdeckten Widerspruch, daß sich die in den fünf spezifischen Unterkommissionen arbeitenden Genossen gerne an der Gruppe Ökonomie Westberlins strategisch orientieren wollten, daß die aber die Bedeutung ihrer Arbeit prinzipiell relativierte. Die Frage, welche Bedeutung eine derartige objektivistische makroökonomische Analyse strategisch für uns haben soll, wurde in der Arbeit der Produktionskommission nicht geklärt. Als hinreichende Grundlage einer Klassenanalyse kann sie jedenfalls nicht gelten. Spätestens seit den Klassenanalysen des Vorsitzenden Mao sollte allgemein bekannt sein, daß die subjektiven Bedingungen des Klassenkampfes nicht als Appendix an eine "objektive" ökonomische Situation angeklebt werden können. Vielmehr ist es notwendig, die subjektiven Bedingungen von vornherein als integralen Bestandteil der Klassenanalyse selbst zu behandeln (beispielhaft vom methodischen Ansatz her — weniger von der Durchführung und den Ergebnissen — ist dafür nur die Analyse zur Frauenarbeit). Die Nichtbeachtung dieses Grundsatzes führte dann zu dem fatalen Schluß, daß Gastarbeiter, Frauen und Lehrlinge für uns in Berlin die einzigen lohnenden Agitationsobjekte darstellten: gerade so als ob deren besondere ökonomische Ausbeutungssituation auch eine im Vergleich zum übrigen Proletariat besondere subjektive Motivation zum Klassenkampf automatisch nach sich zöge.

Die Unterkommissionen haben ihre Berichte inzwischen veröffentlicht; wie schon aufgrund der naturwüchsigen Arbeitsteilung, mehr noch auf Grund des angedeuteten und verschleierten Widerspruchs zu erwarten war, gehen diese Arbeiten im allgemeinen über empirische Bestandsaufnahmen nicht hinaus; organisatorische Konsenquenzen jedenfalls können aus ihnen nicht gezogen werden. Indessen wurde mit gerade diesem Anspruch zum 8. 7. 69 eine Veranstaltung zur Organisationsfrage im Audimax der FU ("Die Sozialistische Massenorganisation macht das Hochschulgesetz zum Papiertiger") angekündigt. Die Veranstaltung sollte durch Vorstellung der Ergebnisse der Kommissionsarbeit Richtung und Profil gewinnen. Es wurde eine Analyse der Ausbeutung der Frauen durch die kapitalistische Produktion und der psychischen Auswirkungen der Arbeitsbedingungen auf die Frauen vorgetragen. Die Überrumpelung und Hilflosigkeit der Genossen, die das Audimax gerade zur Hälfte füllten, zeigte sich darin, daß sich keiner zur Diskussion meldete, aber auch keiner protestierte. Der Mangel an theoretischem Rüstzeug zur Bewältigung der Organisationsfrage konnte kaschiert werden, indem im Namen einer isolierten und darum letzlich unausgewiesenen revolutionären Strategie im Sozialisationsbereich die unartikulierten Kadervorstellungen der Roten Zelle Germanistik (ROTZEG) und der Schein-Demokratismus des Sozialistischen Arbeiter- und Lehrlingszentrums (SALZ) im neuen Propagandafeldzug für das Sozialistische Zentrum zusammengefaßt wurden ("Wenn wir heute zu tausenden mit dem Lohn eines Arbeitstages das Sozialistische Zentrum bauen, so schaffen wir morgen die Sozialistische Masserorganisation"). Bei der Vielzahl der aktiven linken Gruppen in Berlin mit ihren Raum- und Arbeitsschwierigkeiten ist der Aufbau eines Sozialistischen Zentrums, pragmatisch gesehen, sicher eine gute Sache. In einem etwas anderen Licht erscheint das Zentrum allerdings, wenn es in direktem Zusammenhang mit der SoMao genannt wird, einer Massenorganisation ohne politisch klare Kaderlinie. An der politisch-ideologischen Verwirrung der Berliner Linken ändert sich auch nichts durch den inflationären Gebrauch der Begriffe. Kader und Schulung, unter denen sich jeder etwas anderes vorstellt. ES IST DRINGEND NOTWENDIG, DIE POLITISCH-IDEOLOGISCHE AUSEINANDERSETZUNG VORANZUTREIBEN, BEVOR WIR ORGANISATORISCH FORMALISIEREN, und zwar in folgenden Fragen:

1. Strategische Einschätzung des intellektuellen Kleinbürgertums (vor allem Sozialisationsberufe und technische Intelligenz') für die proletarische und gesellschaftliche Revolution
2. Verhältnis von Führung der Massen zur Selbstorganisation der Massen
3. Innerer Aufbau der Kaderorganisation
Wenn wir unsere Aufgabe darin sehen, unter den Bedingungen des deutschen Monopolkapitalismus, des deutschen Imperiallsmus und des bundesdeutschen Staates als eines ergebenen Vasallen der deutschen Kapitalinteressen, konkrete Klassenkämpfe zu initiieren, dann können wir diese Fragen nur durch eingehende Analyse der Entwicklungsgeschichte des deutschen und internationalen Kapitalismus historisch adäquat entscheiden. Das erfordert nicht nur ein Zugrundelegung des originären Marxismus, sondern auch eine gleichzeitige Analyse der Entwicklungsgeschichte des Bewußtseins der durch diesen Kapitalismus betroffenen Massen, einschließlich einer Analyse der Politik ihrer "Vertretungen", von den Gewerkschaften bis zu den KP's.

Fraktionierung

Der Inhalt der Fraktionierung, die die Sozialistische Massenorganisation an der Hochschulbasis vorbereiten sollte, wurde während der Vorbereitung der Arbeitskonferenz so bestimmt, daß sie sich gegen den rechten und linken studentischen Opportunismus wenden sollte. Während der rechte studentische Opportunismus als ein sich an Mehrheitsverhältnissen und der Spontaneität der Basis orientierender Demokratismus definiert wurde, galt als linker Opportunismus eine geschichtslose Haltung, die keine Lehren aus dem konkreten Verlauf des praktischen Kampfes zu ziehen imstande sei. Diese Definition des "Linksabweichens" muß aufgrund mangelnder Begrifflichkeit Verwirrung stiften; denn während sich das mangelnde historische Kontinuitätsbewußtsein dem antiautoritären Aktionismus zuordnen läßt, sind es die traditionellen (revisionistischen) kommunistischen Parteien, die zeigen, daß sie nicht imstande sind, Lehren aus dem konkreten Verlauf des praktischen Kampfes zu ziehen. Die Bestimmung der Fraktionierung in den ad-hoc-Gruppen konnte also nur dahin gehen, alle Kraft auf die unmittelbare Aufgabe der Erarbeitung und Festlegung einer klaren politischen Linie zu konzentrieren, wobei die objektive Schwierigkeit darin besteht, sich gleichzeitig von dem bloß antiautoritären Aktionismus einerseits und dem Revisionismus und Opportunismus sozialdemokratischer und kommunistischer Provenienz andererseits abzuheben.

Die reale Bewegung der Fraktionierung innerhalb der Hochschulgruppen isi-uneinheitlich verlaufen. Der Grund dafür ist darin zu suchen, daß das WS 68/69 und besonders der aktive Streik charakterisiert waren durch die Dominanz der Diskussionen um revolutionäre Berufspraxis ("Lernt euren Beruf im Klassenkampf"). In den traditionell linken Fächern mit unklarer Berufserwartung führte die Dominanz des Themas zu sterilen Diskussionen um "Abschaffung der Soziologie als Hauptfach"; ganz allgemein verlagerte sich dadurch das agitatorische Schwergewicht innerhalb der Hochschule weg von den luxurierenden Fächern hin zu den auf klare Berufsfunktionen führenden Studiengängen, besonders denjenigen mit Staatsexamensabschluß in der Philos. Fak. Die zukünftigen Lehrer brauchten ihre Berufsperspektive nicht mehr zu verdrängen, sondern konnten im Gegenteil jetzt den nur ihnen möglichen Zugang zu einer breit angelegten Initiative im gesamten Sozialisations- und Ausbildungsbereich als allgemeine strategische Perspektive interpretieren. Es fällt also schwer, die im Zusammenhang mit dem Thema revolutionäre Berufspraxis geführten Diskussionen in den ad-hoc-Gruppen derjenigen Studiengänge, die entweder eindeutig oder wahlweise auf Berufsfunktionen im Sozialisationsbereich zuführen, in dem oben beschriebenen Verständnis als Fraktionierung zu begreifen. Prototypisch ist das Beispiel der Germanisten, bei denen gerade der Beginn der politischen Schulung an einem so wenig kontroversen Gegenstand wie dem Kommunistischen Manifest in Verbindung mit dem durch die Berufspraxisdiskussion vorhandenen Rationalisierungsangebot die reale Fraktionierung verhinderte, Anders verlief die Entwicklung in den (ad-hoc-Gruppe) der Juristischen und WISO-Fakultät. Diese Fakultäten waren" während des Wintersemesters Brennpunkte des aktiven Streiks und der mit ihm verbundenen Auseinandersetzungen. Die zum überwiegenden Teil jungen Genossen in den ad-hoc-Gruppen der beiden Fakultäten wurden durch die dominante Berufspraxisdiskussion, die ihnen ausweglos erschien ("Der Jurist verhält sich entweder herrschaftskonform oder er fällt raus"), neurotisiert. Die ad-hoc-Gruppe der Juristen hat sich von der Fixierung an eine politisch aussichtslose Institutspolitik und eine innerhalb der Fakultät geringe und stagnierende Mobilisierung nicht lösen können und — abgesehen von der Projektgruppe Strafvollzug — einem strategisch geklärten und kollektiv vollzogenen Anschluß an die praktische Arbeit außerhalb der Universität noch nicht gefunden.

An der Juristischen und der WISO-Fakultät bildeten sich in den Auseinandersetzungen um die Möglichkeiten revolutionärer Berufspraxis und um eine bornierte Anti-Ordinarien-Institutspolitik eine "kommunistische Fraktion", die sich eine kritische Distanz zu dem heillosen Gezänk innerhalb der ad-hoc-Gruppen ihrer Fakultäten zunächst nur dadurch schaffen konnte, daß sie die (voluntaristische) Parole "ausgewählte Studentenkollektive in die Betriebe" ausgab. Diese Studenten waren bereit, ihr Studium ab- bzw. zu unterbrechen, um als Kollektive in der Produktion zu arbeiten und dort mit dem Aufbau von Betriebskadern zu beginnen. Mit der Anvisierung dieser konkreten Praxisperspektive stellte sich das Problem der ideologischen und fachlichen Schulung. Auf der Suche nach Orientierungspunkten nahm die Gruppe Kontakt auf zu den Roten Garden und zur KPD (ML). Inzwischen hat sie das Grundschulungsprogramm der Roten Garden übernommen. Ähnliche Gruppen bestehen oder sind im Entstehen begriffen bei den Romanisten, Medizinern und Psychologen. Sie tendieren dazu, sich der — innerhalb der Revolte gestellten — Aufgabe der Lösung der Kaderfrage gegenüber abstinent zu verhalten. So hat diese Gruppe, indem sie als einzige den politischen Sinn der Fraktionierung angefangen hat zu realisieren, eine Wendung gegen alles Antiautoritäre genommen, daß ihnen jetzt als "bürgerlich" bzw. gar "revisionistisch" gilt, wodurch sich für sie die konkrete Bedingungsanalyse des Klassenverhältnisses, das die antiautoritäre Studentenrevolte hervorgebracht hat, subjektiv erübrigt.

Rote Zellen an den Universitäten

Die Rote Zelle Germanistik wurde auf der Veranstaltung zur Organisation der Studentenschaft unter den Bedingungen des Hochschulgesetzes gegen Ende des Sommersemesters als exemplarische Organisationsform vorgestellt und propagiert ("Wir fordern euch auf, in allen Studiengängen und Instituten rote Zellen zu bilden"). Die Zellentaktik selbst wurde

nicht grundsätzlich diskutiert. Jedes Mitglied der Roten Zelle Germanistik hat pro Monat einen Mitgliedsbeitrag von DM 5.— plus DM 4.— für das Abonnement der Roten Presse Korespondenz zu entrichten. Der Wortradikalismus in der Anfangsphase der Konstituierung der ROTZEG ("Hauptquartiere", "Banner aufpflanzen", "gelobe, ein guter Marxist zu sein") stand in eigenartigem Widerspruch zu der politischen Vagheit dessen, worauf die Mitglieder inhaltlich verpflichtet wurden (s. o.). Drei der fünf Ausschüsse, an denen verbindlich mitarbeiten muß, wer Mitglied der ROTZEG werden will, orientieren sich an den unmittelbaren Bedürfnissen der Germanistikstudenten (Basisarbeit im Institut: Arbeit mit Erstsemestern, SV, Kollektives Grundstudium; "Unterlauft das Prüfungssystem"; Studienorganisation und Schulung). Der Ausschuß IV (Initiativausschuß für die Sektion Erziehung und Ausbildung) arbeitet mit den PH-Studenten und dem Lehrlingszentrum (SALZ) zusammen und hat sich darüber hinaus die Aufgabe gestellt, Genesis und Perspektive der Schülerbewegung zu erarbeiten, während die Aufgabenstellung des Ausschusses V (Initiativausschuß für Agitation und Propaganda) innerhalb dieser Konstruktion völlig im Dunkel bleibt. Abgesehen von der Roten Zelle Ökonomie, die identisch ist mit der ML-Schulungsgruppe, hat das Beispiel der Germanisten bisher nur bei den ad-hoc-Gruppen der mathematischen und naturwissenschaftlichen Fächern Resonanz gefunden.

Rote Garden und Lehrlingszentrum

Die Zusammenfassung der Jugendorganisation der KPD (ML) und des Sozialistischen Arbeiter- und Lehrlingszentrums rechtfertigt sich nur von ihrer praktischen Aufgabenbestimmung her, in deren Zentrum die Lehrlingsarbeit steht.

Das SALZ nahm seinen Anfang bei einzelnen Studenten, die schon längere Zeit intensive Lehrlingsarbeit bei der IG Metall gemacht hatten und sich dem Opportunismus der Gewerkschaftsfunktionäre nicht mehr länger beugen wollten. Ihm kommt, weil es zusammen mit der ROTZEG maßgebliche Initiative bei der Propagierung des Sozialistischen Zentrums entwickelte, besondere Bedeutung zu. Vertreter des SALZ haben sich an der Arbeit der Kommission Produktion beteiligt, indem sie zusammen mit einigen SDS-Persönlichkeiten den Bericht für die Unterkommission Lehrlinge und Jungarbeiter anfertigten. Das SALZ besteht gegenwärtig aus 20—30 Lehrlingen, Jungarbeitern und Studenten, wobei die Lehrlinge quantitativ das Obergewicht haben. Diese Gruppe ist die einzige, die unabhängig davon, daß der empirische Teil ihres Berichts organisatorische Konsequenzen nicht zuläßt, im Rahmen der Kommissionsarbeit bisher bestimmte organisatorische Vorschläge gemacht hat: Umstrukturierung der bestehenden Basis- und Betriebsgruppen zu Betriebsgruppeneinheiten, die überbetrieblich nach Konzernen bzw. Branchen strukturiert werden, bzw. Betriebsgruppeneinheiten für das Handwerk und Kleinbetriebe, die sich aus Berufsschulbasisgruppen zusammensetzen (dementsprechend wird vom SALZ jetzt eine Berufsschulkampagne geplant). Daneben stellt sich das SALZ die Aufgabe, die Voraussetzungen der Schaffung einer einheitlichen sozialistischen Jugendorganisation historisch und systematisch aufzuarbeiten. Zur Frage der Notwendigkeit der Schaffung einer proletarischen Kaderorganisation und deren politisch-ideologischer Linie nimmt die Unterkommission in ihrem Bericht nur indirekt negativ Stellung: die lapidare Feststellung, daß sich die Kader aus den Betriebsgruppeneinheiten rekrutieren, und die formale Bestimmung der Schulung nur nach ihrer Aufteilung "nach Betrieb, Handwerk, kaufmännische Angestellte etc." reduzieren den Organisationsvorschlag auf ein puristisches Modell, das die Frage der Kaderlinie dadurch umgeht, daß es die Kader kaderwidrig selbstentstehend begreift. Da die Lehrlingsarbeit eine zentrale Aktivi tat der Roten Garden darstellt, die sich gegenwärtig auf Kaderschulungsarbeit konzentrieren, und das SALZ sich ebenfalls (neben der Propagierung konkreter politischer Forderungen wie der nach einem tariflich festgesetzten Lehrlingsgehalt von DM 500,— und der Einrichtung von "vom Kapital unabhängigen (?) zentralen Lehrlingswerkstätten" auf Schulung konzentriert, drängt sich die Frage auf, weshalb es zwischen den Roten Garden und dem SALZ keine Zusammenarbeit gibt. Mit der Frage der Zusammenarbeit stellt sich für das SALZ die Frage nach der ideologischen und funktionalen Bestimmung der Kaderorganisation und für die Roten Garden die Frage nach der Praxis und der Massenlinie. Die Roten Garden stehen noch in der Phase des Kaderaufbaus. Aus ihren Statuten geht klar hervor, daß es ohne Kaderlinie keine Massenlinie geben kann, und daß, wenn diese Voraussetzung fehlt, "Subjektivismus, Individualismus verbunden mit Cliquenwesen und Liberalismus" als Erscheinungsformen der kleinbürgerlichen Ideologie entstehen. Den Roten Garden wird oft der Vorwurf gemacht, ihre Schulung zu "unvermittelt" festzulegen, zu wenig von "den Erfordernissen der Praxis her" zu bestimmen. In diesem Vorwurf zeigt sich, daß das Interesse an der Wahrung des die Aktion fetischisierenden antiautoritären Selbstverständnisses das Interesse an der Herstellung des Kontinuitätsbewußtseins gegenüber dem internationalen und deutschen Klassenkampf und den von ihm hervorgebrachten Organisationsformen überwiegt. Der Fehler kann niemals darin liegen, daß sie sich gründlich schulen (wenn das auch auf Kosten einer aktionistischen Praxis gehen mag), sondern allenfalls darin, daß sie sich zuwenig gründlich schulen, daß sie die Methode des Historischen Materialismus qua Identifikation mit der marxistisch-leninistischen Partei und der siegreichen Revolution für diese einengen auf eine Analyse der explizierten Zielvorstellungen und dann jede Strukturanalyse der kommunistischen Parteigeschichte beispielsweise nur noch als konterrevolutionär begreifen können.

Perspektiven

Ausgehend davon, daß wir nicht unter den Bedingungen eines anarchischen und unentfalteten Kapitalismus, sondern eines monopolistischen und zentralisierten Überproduktions- und Vergeudungskapitalismus kämpfen, dem es nur durch konzentrierte Manipulation in allen Bereichen gelingt, die objektive Möglichkeit der kurzfristigen revolutionären gesellschaftlichen Umwälzung dem Bewußtsein der Beherrschten unzugänglich zu machen, hat der SDS bisher an dem Postulat festgehalten, daß nicht gutgemeinte Aufklärung, sondern erst die Provokation der Träger irrationaler Herrschaft, also die speziell gegen die Bewußtseinmanipulation gerichtete Aktion, selbst ein Bewußtsein äußert, demgegenüber die Arbeiterklasse aufhört, spontanen Widerstand zu entwickeln, weil diese Aktionen selbst ja die reale Möglichkeit der radikalen Negation der Wirklichkeit zugleich antizipieren und materialisieren. Die Reaktion der Arbeiterklasse auf diese kategorische Praxis des SDS ist uneinheitlich; sie reicht von Apathie über Aggression bis zu zögernder Sympathie. Phänomenologisch läßt sich sagen, daß phantasievolle Überraschungsaktionen die beste Wirkung erzielen; leiden unsere Aktionen an Wiederholungsversuchen, dann perpetuiert sich unsere eigene Demoralisierung in der proletarischen Hoffnungslosigkeit. Wichtiger ist, herauszufinden, was zur Praxis der Aktionen hinzutreten muß, um ihre Wirksamkeit und die proletarische Eigeninitiative zu fördern und so den Prozeß der revolutionären Erhebung der Massen zu beschleunigen. Ganz formal heißt das: Schulung als Voraussetzung der Herausbildung der Kaderorganisation. Die beiden dezentralisierten Berliner Schulungstendenzen laufen, wie gezeigt, in Richtung Expertenschulung mit linkem Touch (mit Ausnahme der Technologen) und traditionelle KP-Schulung (mit Ausnahme der Germanisten). Aber gerade an "Experten" und Parteibürokraten hat die deutsche Arbeiterbewegung in ihrer Geschichte und Gegenwart keinen Mangel. Es hat keinen Sinn, der Arbeiterklasse immer wieder zu sagen, was sie selbst besser weiß als wir: wieviel an Zuversicht und Organisation der Klasse der Faschismus zerstört hat, und wie korrumpiert die revisionistischen Parteien und die Gewerkschaften sind. Die kommunistische Partei, die heute den Anspruch erhebt, die Arbeitermassen im Kampf gegen den deutschen Neoimperialismus und für die proletarische Demokratie und Selbstverwaltung zu führen, muß den Massen zwei Fragen beantworten: einmal, warum die kommunistische Partei die proletarischen Massen nicht im Kampf gegen den Faschismus siegreich führen konnte, und zum anderen die Frage, wie ihre Stellung zur "Partei der Arbeiterklasse" im benachbarten "Arbeiter-und-Bauern-Staat" ist. Der SDS kommt, wenn es ihm ernst ist mit der Initiierung der proletarischen Eigeninitiative, um die Beantwortung dieser Fragen ebenfalls nicht herum; er hat bisher in dieser Richtung so gut wie nichts geleistet. Beim Vergleich unserer Situation mit der der französischen und italienischen Genossen entdeckt man leicht, daß der springende Punkt unserer relativ größeren Schwierigkeiten nicht in der relativ "stabileren" deutschen Konjunktur, sondern eben in diesem eklatanten Mangel an revolutionärem geschichtlichem Kontinuitätsbewußtsem und revolutionärem Selbstbewußtsein der deutschen Arbeiterklasse liegt; eben darum müssen wir unsere Anstrengungen auf diese Aufgabenstellung konzentrieren. Im Maße des Fortschritts bei der Lösung dieser Aufgabe, die sich zunächst als theoretische stellt, muß sich zeigen, in welchem Maße Zusammenarbeit mit der KPD (ML), die selbst noch in der Phase des Aufbaus und der inneren Auseinandersetzungen steckt, möglich und notwendig ist.