Basisgruppe Spandau
RC Berlin Gewerkschaftlicher Arbeitskreis
8.12.68

Fall Birka
Taktik für Aktionen in Betrieben
ohne antiautoritäre Basis

Quelle: Aufbruch zum Proletariat, Dokumente der Basisgruppen,
hrg. V. Karl-Heinz Schubert, Westberlin 1988, Dok 18-1


Birka
Die Birka Regulatoren GmbH gehört zu dem englischen Konzern GEC-AEI, der Betrieb wurde vor einem Jahr von Wannsee in einen Neubau nach Spandau verlegt. Er hat 250 Angehörige, davon sind 180 Frauen und 50 Angestellte. In Solingen besteht ein Zweigwerk'mit ca. 150 Angehörigen.

15.11. Tagespresse und Betriebsversammlung: Bekanntgabe der Verlagerung nach Solingen und des Verkaufs des Berliner Betriebs, da er nicht rentabel arbeite.

18.11. Flugblatt der Basisgruppe Spandau: Einladung der Betriebsangehörigen zu Diskussion mit BG am selben Abend. Zwei Teilnehmer von Birka. IGM-Vorsitzender und Betriebsrats. Ohne Wissen der Belegschaft Verhandlung mit Fa.Schleicher wegen Übernahme.

19.11. Flugblatt 2 der BG: Ankündigung einer IGM-Versammlung; Aufruf, gemeinsam mit BG hinzugehen und über Verlagerung zu diskutieren.

21.11. IGM-Versammlung im Rathaus Spandau: In der Mittagspause fordert der Betriebsratsvorsitzende die Belegschaft auf, nicht teilzunehmen, die Probleme seien bei ihm gut aufgehoben. Eine halbe Stunde vor Betriebsschluss Lautsprecherdurchsage, die Leute könnten sofort nach Hause gehen. Zur Versammlung erschienen trotzdem ca. 10 Betriebsangehörige. In der Aussprache sagte Betriebsratsvorsitzende etwas zur Lage bei Birka. Offenbar sollte die Belegschaft das nicht hören.

23.11. Betriebsversammlung: Sozialplan ohne nähere Angaben angekündigt, Weihnachtsgeld wird als erste Rate verrechnet. Kein IGM-Vertreter anwesend, 3 Wortmeldungen aus der Belegschaft. Im Betrieb werden Stimmen laut, ob sich die BG noch für Birka interessiere.

29.11. Flugblatt 3 von BG und Gewerkschaftlichem Arbeitskreis: Kommentar zur Betriebsversammlung und Fragen, was hat Betriebsrat getan, was hat Gewerkschaft getan, was: können Betriebsangehörige tun. Dazu sagten Betriebsangehörige, die letzten Flugblätter waren gut, mit diesem können wir nichts anfangen, macht Vorschläge.

3.12. Flugblatt 4 von BG und GAK: Massive Vorwürfe an Werksleitung; Empfehlung, Betriebsrat 'und IGM unter Druck zu setzen. Hinweis auf die Aktionen. der Belegschaft von AEG Saarn.Von Betriebsangehörigen werden weitere Informationen zu AEG Saarn gewünscht.

5.12. Flugblatt 5 von BG und GAK: Bericht über die Aktionen in Saarn. Betriebsversammlung: kurzfristig angesetzt, Bekanntgabe eines von der Belegschaft gut aufgenommenen Sozialplans. IGM-Vertreter anwesend. 15 engagierte Diskussionsbeiträge aus der Belegschaft. Da viele Leute im ersten Augenblick angenehm überrascht waren, werden wir mit weiteren Aktionen zunächst abwarten. Vor Beginn unserer Arbeit stand praktisch, kein Betriebsangehöriger der APO positiv gegenüber, jetzt sind ca. 20 Frauen und 7 Männer uns gegenüber aufgeschlossen. Einige werden von ihren Arbeitskollegen schon mit "Genosse" begrüßt. Der Ton der Flugblätter war offenbar gut getroffen. Fast alle Betriebsangehörigen ließen sie sich geben, in den Frühstückspausen wurde in unserem Sinn darüber diskutiert. Wir hatten vor, wenn die kritische Einstellung der Belegschaft fortschreitet, folgende Aktionen zu starten:

  • Flugblatt: Misstrauensvotum oder Abwahl Betriebsrat
  • Flugblatt an alle Spandauer Betriebe: Aufruf zur Solidarität mit Birka
  • Flugblatt:'Warnstreik
  • Delegation zu IGM
  • Marsch der Belegschaft mit BG zum Rathaus Spandau
  • Warnstreik bei Birka
  • Solidaritätskundgebung der Spandauer Betriebe (Unterschriftensammlung)
  • Streik bei Birka, BG blockiert Betrieb.

Der Plan sah vor, alle diese Aktionen in Zusammenarbeit mit der Belegschaft von Birka und von den übrigen Betrieben durchzuführen.

Taktik (vorläufiges Konzept)
Auch nach unseren sonstigen Erfahrungen ist die bei Birka angewandte Taktik für Konfliktfälle in Betrieben geeignet, in denen Betriebsrat und Gewerkschaft passiv sind und die Antiautoritären noch nicht öffentlich auftreten können. Die Basisgruppe agiert von außen, die Betriebsangehörigen liefern lediglich Informationen.

1. Phase: mit Flugblättern wird die kritische Einstellung der Belegschaft mobilisiert und auf einen gemeinsamen Nenner gebracht.

2. Phase: die Belegschaft wird über mögliche erfolgreiche Aktionen informiert, Nachbarbetriebe werden zur Solidarität aufgerufen.

3. Phase: die Belegschaft beschließt in der nächsten normalen Belegschafts-, Betriebs- oder Gewerkschaftsversammlung Aktionen unter Umgehung der Versammlungsleitung und ohne lange Diskussion.

4. Phase: die Belegschaft führt Aktionen durch; außerhalb des Betriebs wird sie von der BG unterstützt.

5. Phase: die Belegschaft gründet eine antiautoritäre Betriebsgruppe

Bei diesem Vorgehen leistet die BG also in erster Linie Informations-Mobilisations- und Koordinationshilfe. Die Aufrufe müssen mit der kritischen Belegschaft abgestimmt oder wenigstens den gegebenen Möglichkeiten angepaßt sein. In den ersten Flugblättern sollen nur die Probleme des betreffenden Betriebs behandelt werden.

Kontaktadressen

BG Spandau: Claus

RC/GAK:  Hellmut Lessing

Anmerkungen der HerausgeberInnen:
BG = Basisgruppe, mehr dazu siehe. Aufbruch zum Proletariat
GAK= Gewerkschaftlicher Arbeitskreis