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Nr. 9/1998


*UZ* unsere zeit, Zeitung der DKP, Nr. 39, 25. September 1998

25. September 1968

Deutsche Kommunistische Partei konstituiert

Dieses bevorstehende Ereignis hatte jedoch auch trübe,
antikommunistische Kräfte auf den Plan gerufen, die die
Leitung des Hotels unter Druck setzten und veranlaßten, den
zugesagten Raum für die Pressekonferenz kurzfristig
aufzukündigen. Was dann geschah, schilderte eine bürgerliche
Zeitung so:

"Nach einiger Zeit kommt endlich ein Mann mit einem
umhängenden Schild 'Pressekonferenz Bachmann - Auskunft
hier'. 'Weinhaus Kanne' ist die neue Adresse. Dort beginnt
mit kurzer Verspätung die angekündigte Pressekonferenz im
überfüllten und heißen Raum. Auf dem Podium haben Kurt
Bachmann, Korrespondent aus Weiden, Kurt Erlebach, Hamburger
Journalist, der Frankfurter Verlagsangestellte Josef Mayer,
Georg Polikeit, Journalist aus Offenbach, und der
Angestellte Ludwig Müller aus Angermund Platz genommen."
(Neue Presse vom 27. 9. 1969)

Im Namen und als Sprecher eines einunddreißigköpfigen
Bundesausschusses, der am Vortag, am 25. September 1968, die
"Deutsche Kommunistische Partei" konstituiert hatte, trug
ich die Erklärung vor, in der wir diesen bedeutsamen Schritt
begründeten. In der Öffentlichkeit schlug dieses Ereignis
wie eine Bombe ein.

Die Neukonstituierung einer Kommunistischen Partei stieß
überall auf großes Interesse. Man spürte, daß sie zum
richtigen Zeitpunkt erfolgte. In der Bevölkerung wuchs die
Unzufriedenheit über die Politik der etablierten Parteien,
die mit den neuen Problemen unserer Zeit, wie sie sich
insbesondere aus dem wissenschaftlich-technischen
Fortschritt unter kapitalistischen Bedingungen ergeben,
nicht fertig werden. Die Unzufriedenheit wuchs über das
Beharren der maßgebenden politischen Kräfte auf Positionen
des Kalten Krieges, die immer stärker in Widerspruch
gerieten zu den veränderten Realitäten in der Welt. Viele,
vor allem junge Menschen, die in den demokratischen
Bewegungen jener Zeit standen, in der Ostermarschbewegung,
Anti-Notstandsbewegung, in der Bewegung für die Anerkennung
der DDR, der Bewegung gegen die US-Aggression in Vietnam und
in der Studentenbewegung, suchten nach einer neuen Kraft,
nach einer neuen Politik und neuen Wegen der
gesellschaftlichen Entwicklung.

In dieser Situation konstituierte sich die Deutsche
Kommunistische Partei, die mit ihrer Existenz, ihrer
Erklärung und ihrem Wirken dem Drängen nach politischen und
gesellschaftlichen Veränderungen Ausdruck verlieh und neue
Möglichkeiten und Orientierungspunkte aufzeigte. Wenn wir,
ein Kreis von Kommunisten der Bundesrepublik, nach
gründlichen Überlegungen und Diskussionen die Initiative zur
Neukonstituierung einer Kommunistischen Partei ergriffen, so
deshalb, weil sich die Notwendigkeit einer legal wirkenden
Kommunistischen Partei mit jedem Tag als dringender erwies.
Die Bundesrepublik befand sich 1968 an einem Schnittpunkt
ihrer Entwicklung.


DKP kam nicht wie ein Blitz aus heiterem Himmel

Zurückblickend möchte ich bemerken, daß die Entscheidung zur
Neukonstituierung einer Kommunistischen Partei keine leichte
Entscheidung war. Noch immer bestand das KPD-Verbot. Es
bestand die Möglichkeit und Gefahr, daß die herrschenden
Kreise unter Rückgriff auf dieses Verbot, einem Relikt des
Kalten Krieges, die Neukonstituierung unterbinden oder doch
als ständige Verbotsdrohung benutzen würden. Es stellte -
wie die Erfahrungen der Jahre von 1956 bis 1968 zeigten -
eine Gefahr auch für andere demokratische Kräfte dar.

Die Konstituierung erfolgte nicht wie der Blitz aus heiterem
Himmel. Sie war vielmehr das Ergebnis eines langwierigen
Kampfes um das Wirken einer legalen kommunistischen Partei
in der Bundesrepublik. Der offensichtliche Bankrott der
Adenauer-Politik, des Irrglaubens, die Sowjetunion, die
sozialistischen Länder zwingen zu können, sich den
revanchistischen Zielen der herrschenden Kreise der USA und
der Bundesrepublik zu beugen, zeichnete sich Ende der
sechziger Jahre ebenso ab wie die Notwendigkeit einer
Veränderung dieser Politik, wie die Notwendigkeit einer
legalen kommunistischen Partei.

Es bildeten sich verschiedene Bewegungen, die aus
humanitären und politischen Gründen eine Amnestie für alle
forderten, die aufgrund der Staatsgefährdungsbestimmungen
und des KPD-Verbots verfolgt oder inhaftiert waren, und die
für die Aufhebung des KPD-Verbots eintraten, damit das
politische Spitzelsystem aufhört und demokratische
Verfassungsrechte wiederhergestellt werden. Eine der
bedeutendsten dieser Bewegungen war der "Ausschuß für
politische Amnestie und zur Aufhebung des KPD-Verbots" in
Rheinland-Pfalz, dem Pfarrer Symanowsky, die Studienrätin
Bienko, Dr. Benseler u. a. angehörten. Weiter bildete sich
der "Initiativausschuß für die Wiederzulassung der KPD";
Franz Ahrens, Kurt Erlebach, Manfred Kapluck, Karl Schabrod
und Richard Scheringer waren Mitglieder dieser Initiative,
Kurt Erlebach gehörte von Anfang an zum Bundesausschuß zur
Neukonstituierung einer kommunistischen Partei.

Auch im Ausland stieß das KPD-Verbot und mit ihm die
politische Gesinnungsjustiz auf wachsende Ablehnung.
Unvergessen war und ist bei unseren europäischen Nachbarn
die Erinnerung, daß am Beginn jener Politik, die zum
Überfall des Hitlerfaschismus auf die Sowjetunion, auf ihre
Völker führte, die Illegalisierung, die Verfolgung der KPD
stand wie die aller Demokraten und Kriegsgegner.

Die Bewegung für das Recht auf legale Betätigung einer
kommunistischen Partei erhielt auch aus anderen - als den
bisher genannten - innenpolitischen Entwicklungen Auftrieb
und Impulse. Die Enthüllung solcher, die Öffentlichkeit
schockierender Skandale, daß leitende Funktionen im
Bundesamt für Verfassungsschutz von Leuten besetzt waren,
die ehemals in führenden Positionen des
Reichssicherheitsamtes Himmlers oder der Gestapo saßen oder
SD-Führer waren, daß Blutrichter Hitlers im Justizapparat
amtierten, rüttelten größere Teile der Jugend wach und
veranlaßten sie zur Frage: Was war das für eine Zeit im
Hitlerfaschismus, was habt ihr Erwachsenen getan während des
Faschismus? Sie gingen selbst der Sache nach und erfuhren -
selten von ihren Vätern - mehr und mehr vom
aufopferungsvollen und mutigen Kampf der Kommunisten. Bei
vielen von ihnen führte das zur Erkenntnis, daß es gut und
notwendig sei, wenn in unserem Lande eine kommunistische
Partei als zuverlässige demokratische Kraft legal und
ungehindert tätig sein kann. Diese Erkenntnis erwuchs auch
aus den Erfahrungen in den Auseinandersetzungen über einen
Ausweg aus der kapitalistischen Krise.

Zum erstenmal seit ihrem Bestehen geriet die Bundesrepublik
1966/67 in eine tiefe ökonomische Krise. Die Produktion ging
zurück, die Zahl der Arbeitslosen wuchs rasch auf über eine
Million. Die Wirtschaftspolitik der CDU/CSU-Regierung,
geprägt durch den damaligen Bundeskanzler Erhard, erwies
sich als bankrott, die auch von der SPD-Führung vertretene
Auffassung eines krisenfesten Kapitalismus wurde offenkundig
widerlegt. Im Gegensatz zur krisenhaften Entwicklung des
Kapitalismus vollzog sich in den sozialistischen Ländern ein
dynamischer Wachstumsprozeß in der Wirtschaft.

Dies rief bei vielen jungen Menschen ein zunehmendes
Interesse für den Marxismus, für eine sozialistische
Gesellschaftskonzeption wach. Damit rückten auch jene
stärker in den Blickpunkt, die in der Bundesrepublik die
Ideen von Marx, Engels und Lenin verfochten. Je mehr diese
am Marxismus interessierten Kräfte mit uns ins Gespräch
kamen, je näher sie uns kennenlernten, nicht nur in den
Diskussionen, sondern ebenso in gemeinsam geführten Aktionen
die Arbeit der Kommunisten als aktive Gewerkschafter, als
gute Arbeitervertreter in den Betrieben, ihren Einsatz in
der Ostermarschbewegung, in den anderen Bewegungen jener
Zeit, desto stärker wuchs auch in diesen Kreisen der Ruf und
das Bedürfnis nach einer legalen kommunistischen Partei, die
entschieden die Lebensinteressen der Arbeiterklasse, der
Jugend und des ganzen arbeitenden Volkes wahrnimmt.

"Ich bin dafür, daß es wieder eine KPD gibt."

All das zusammengenommen, die dargelegten innenpolitischen
Prozesse, die großen Veränderungen, die sich in der Welt
zugunsten der Kräfte des Sozialismus und des Friedens
vollzogen wie die Wirkungen dieser Veränderungen auf die
Bundesrepublik, veranlaßten selbst bürgerliche Kräfte zu der
Überlegung, daß man in der einen oder anderen Form das
KPD-Verbot aus der Welt schaffen müsse. Leute, die in
Regierungsfunktionen standen, wie der damalige
Ministerpräsident von NRW, Maiers, und der Ministerpräsident
des Saarlandes, Röder, beide CDU, aber auch der Vizekanzler
und Außenminister der Bundesregierung Genscher und der
damalige Bundesminister Herbert Wehner, Vorsitzender der
SPD-Bundestagsfraktion, äußerten sich dazu öffentlich. So
erklärte Herbert Wehner: "... daß eine Partei, die als
kommunistische Partei ihrer Zielsetzung nach bezeichnet
werden will, sich hier legal bewegen kann, sofern sie die
Bestimmungen unseres Grundgesetzes und unserer Gesetze
einhält. Ob das Neugründung sein muß oder ob das nicht auch
eine Form bekommen kann, die rechtlich einwandfrei ist
dadurch, daß die Erklärungen hinsichtlich Statut und
Programm so eindeutig sind, das muß man denen, die es
machen, überlassen."

Der damalige Außenminister der Regierung der Großen
Koalition und SPD-Vorsitzende, Willy Brandt, erklärte auf
einer internationalen Pressekonferenz in Bonn: "Ich bin
dafür, daß es wieder eine KPD gibt. Das könnte eine günstige
Wirkung nach innen und außen haben."

Die Länderinnenminister riefen in der Öffentlichkeit den
Eindruck hervor, daß es gegen die Aufhebung des KPD-Verbots
keine wirklichen Hindernisse mehr gäbe, als sie auf einer
Konferenz vom 12. Oktober 1967 erklärten, "daß gegen die
Neugründung einer kommunistischen Partei in der
Bundesrepublik keine rechtlichen Bedenken bestünden. Selbst
wenn die KPD, so hieß es, sich unter ihrem alten Namen und
mit den alten Mitgliedern neu gründen würde, könnte man sie
nicht von vornherein verbieten, wenn die kommunistische
Partei die Bestimmungen des Grundgesetzes respektiere."

So lauteten die Erklärungen. Wie sah jedoch die Praxis aus?
Wie reagierten die herrschenden Kreise auf Initiativen der
KPD selbst, das Verbot gegen sie aufzuheben?

Die KPD hat sich unter den Bedingungen des Verbots stets für
die Rechte des arbeitenden Volkes ebenso wie für die
Erfordernisse einer Friedenspolitik der Bundesrepublik
eingesetzt. Dabei hat sie als einen wesentlichen Bestandteil
ihrer Politik die Forderung nach Aufhebung des KPD-Verbots
erhoben. Angesichts der anwachsenden Bewegung für die
Aufhebung des KPD-Verbots erwies sich 1966 der Zeitpunkt für
gekommen, daß Max Reimann, Erster Sekretär des ZK der KPD,
sich offiziell mit dem Vorschlag an die Bundesregierung
wandte, das Verbot durch schrittweise Maßnahmen aufzuheben.

Als Verbindungsleute zur Regierung benannte er Ludwig
Landwehr, früherer Landtagsabgeordneter der KPD, aktiver
Widerstandskämpfer, der lange Jahre im KZ verbrachte, sowie
als weiteres Mitglied der Verhandlungskommission Max
Schäfer, bis zum Verbot der KPD 1956 Mitglied des
Sekretariats des Parteivorstandes und von 1954 bis 1956
Chefredakteur des Zentralorgans der KPD "Freies Volk".

Ein weiterer Schritt im Kampf um ihr legales Wirken wurde
mit der Initiative unternommen, den 1967 durch den
Parteivorstand der KPD ausgearbeiteten Programmentwurf in
der Öffentlichkeit der Bundesrepublik zu verbreiten und zur
Diskussion zu stellen. In dem Programmentwurf waren die
notwendigen Schlußfolgerungen aufgrund der veränderten
Situation in der Bundesrepublik wie international gezogen
worden. Dieser Entwurf sollte im Februar 1968 auf einer
Pressekonferenz in Frankfurt am Main von Ludwig Landwehr,
Herbert Mies, Grete Thiele und Max Schäfer übergeben werden.
Entgegen den zitierten früheren Erklärungen von Vertretern
der Bundesregierung und Landesregierungen wurde diese
Pressekonferenz auf Anordnung des damaligen
CDU-Innenministers Benda verboten. Dennoch wurde das
Programm der Öffentlichkeit übergeben. Herbert Mies wurde
bei der Abgabe einer Erklärung dazu verhaftet. Bei
Beantwortung von Fragen der Presse erfolgte auch die
Festnahme von Max Schäfer. Beide mußten am nächsten Tag
freigelassen werden.

Die Bemühungen um Verhandlungen führten schließlich am 4.
Juli 1968 zu einem Gespräch im Bundesjustizministerium, an
dem die ehemalige Bundestagsabgeordnete der KPD, Grete
Thiele, und Max Schäfer für die Verhandlungskommission
teilnahmen. Gesprächspartner waren der damalige
Bundesjustizminister und spätere Bundespräsident Dr. Dr.
Gustav Heinemann und sein damaliger Staatssekretär Horst
Ehmke. Die Vertreter der Verhandlungskommission legten die
Notwendigkeit der Aufhebung des KPD-Verbots und die Wege
dar, auf denen das geschehen konnte.

Der Bundesjustizminister und sein Staatssekretär erwiderten,
daß der Weg der Änderung des
Bundesverfassungsgerichtsgesetzes, durch den eine Aufhebung
des Verbots in die Wege geleitet werden könnte, juristisch
zwar möglich, aber bei der gegenwärtigen Lage in der
Regierung und im Bundestag nicht gangbar sei. Heinemann und
Ehmke legten dar, daß die Gründung von Parteien entsprechend
dem Grundgesetz frei sei. Das Gespräch im
Bundesjustizministerium befaßte sich ausschließlich mit dem
Problem der Möglichkeiten und der Wege zur Aufhebung des
KPD-Verbots.

Was uns damals bewegt hat, die DKP zu konstituieren, ist die
einfache Tatsache, daß die Arbeiterklasse eine legale
kommunistische Partei braucht, die ihre Klasseninteressen
ebenso wie die des ganzen werktätigen Volkes vertritt. Wenn
sich um die Konstituierung der DKP Spekulationen rankten,
sie könnte sich auf antimarxistische Positionen begeben,
sich vom realen Sozialismus distanzieren, so ließ die
Erklärung des Bundesausschusses, von dem die Initiative zur
Konstituierung ausging, dafür nicht den geringsten Raum. Es
war für uns selbstverständlich, daß wir eine kommunistische
Partei konstituierten, "die die Ideen von Marx, Engels und
Lenin zur Grundlage ihres Handelns macht", die "die
Traditionen der revolutionären deutschen Arbeiterbewegung,
die Traditionen von Marx und Engels, von Bebel, Luxemburg,
Liebknecht und Thälmann in sich aufnehmen", wie wir in der
Erklärung zum Ausdruck brachten.

Überall in der Bundesrepublik ergriffen Kommunisten die
Initiative zur Bildung regionaler Ausschüsse für die
Konstituierung der DKP. Bereits am 12. Oktober 1968 konnte
der Bundesausschuß in einer ersten Bilanz feststellen: 6 000
Personen haben Beitrittserklärungen abgegeben. 220 Orts- und
Stadtteilausschüsse, etwa 40 Betriebsausschüsse für
Großbetriebe, 123 Kreis- und 10 Landesausschüsse haben sich
konstituiert.

(Gekürzt aus: Die DKP - Gründung, Entwicklung, Bedeutung,
Verlag Marxistische Blätter, S. 167-179)!

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