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trend onlinezeitung für die alltägliche wut
Nr. 9/1998


A.WAIBEL@LINK-F.RHEIN-MAIN.DE
Dieser Artikel erscheint in der Zeitschrift der Frankfurter Jusos "Bandiera Rossa" Ausgabe Nr.3 September 1998

Oliver Szuca

Wahlkampfobjekt Ausländer

Wenn gar nichts mehr geht, greifen die Konservativen das Thema "AusländerInnenpolitik" auf. Auf diesem Felde können sie ihre Stärke demonstrieren, den "strammen Max" markieren, latent vorhandene Stimmungen anheizen und die niedersten Gefühle des Menschen bedienen. Denn wer zwar nicht sich selbst der nächste sein möchte (aus reinem Anstand), der sucht in irgendwelchen Volkszuordnungen seine heimliche Befriedigung.

Besonders für die Frankfurter CDU hat diese Vorgehensweise eine gefährliche Tradition. 1989, als ihre Macht am Main ins Wanken kam, führte sie einen scharf ausländerfeindlichen Wahlkampf, der allerdings einzig die Folge hatte, daß erstmals nach dem Zweiten Weltkrieg wieder eine faschistische Partei (die NPD) in den Römer einzog. Die Leute wählen halt lieber das rechtsextreme Original. Die CDU müßte einsehen, daß derartige Kampagnen mehr den rechtsradikalen Splittergruppen nützen als sich selbst, weil sie deren menschenverachtendes Gedankengut salonfähig machen. Doch hat sie anscheinend nichts gelernt und so wird auch in diesem Jahr kräftig am rechten Rand nach Stimmen gefischt, wie zum Beispiel das Hetzflugblatt des Eckenheimer CDU-Vorsitzenden aus diesem Frühjahr zeigt, in dem von "Abzockerei" seitens illegaler Ausländer die Rede ist. Es ist ein einfaches Rezept, nach dem die Konservativen kochen: Indem Sündenböcke geschaffen werden, versucht die CDU von den Verfehlungen und den dramatischen sozialen Folgen ihrer einseitigen Umverteilungspolitik zugunsten der Unternehmer abzulenken. Divide et impera ! (Teile und herrsche!) lautete schon im alten Rom die Devise der Machthaber, um an der Regierung zu bleiben. Genauso versuchen die Konservativen, Ressentiments gegenüber Ausländern zu schüren und die Gesellschaft zu spalten. Wenn großspurig von "Integration" geredet wird, ist dies nichts als eine Worthülse. Die tatsächliche Regierungspolitik verfolgt das Gegenteil, wie die folgenden Beispiele zeigen (wohlgemerkt sind dies nur einige Mosaiksteinchen einer konsequenten staatlichen Ausgrenzungspolitik):Das derzeitige Staatsangehörigkeitsrecht stammt aus dem Jahre1913 und definiert die Staatsangehörigkeit nach der Abstammung des Blutes (ius sanguinis). So kommt es zu der Skurrilität, daß ein in Deutschland geborenes Kind türkischer Eltern, die schon in der zweiten Generation in Deutschland leben, Türke ist und bleibt; wohingegen ein Aussiedler, dessen Urgroßvater Deutscher war und dessen Eltern noch nie in Deutschland waren, einen deutschen Paß und somit alle Staatsbürgerrechte (z.B. das Wahlrecht) erhalten kann. Einbürgerung ist für Zuwanderer auf Antrag erst nach 15-jährigem Aufenthalt in der BRD möglich, unter den Bedingungen, daß man für seinen Lebensunterhalt aufkommen kann, keine Straftat begangen hat und seine alte Staatsbürgerschaft aufgibt.

Wir Jusos fordern im Gegensatz dazu eine sofortige Reform dieser Gesetze. Zuerst muß das Bodenrecht (ius soli) eingeführt werden: Wer auf deutschem Staatsgebiet geboren ist, soll auch einen Rechtsanspruch auf die deutsche Staatsangehörigkeit haben. Dabei soll auch Mehrstaatlichkeit (doppelte Staatsbürgerschaft) erlaubt sein, wie dies mit einigen westlichen Ländern schon heute möglich ist. Nach dreijährigem rechtmäßigen Aufenthalt soll jeder das Recht auf Einbürgerung besitzen. Auch ohne dies, müssen allen hier lebenden Menschen nach spätestens fünf Jahren die vollen BürgerInnenrechte eingeräumt werden. Ein demokratischer Staat kann es sich auf Dauer nicht leisten, knapp 10 einer Einwohner von allen politischen Rechten auszuschließen und diesen nur Pflichten aufzuerlegen.

Dies ist aber nur ein Schritt in die richtige Richtung. Integration muß aktiv gefördert werden. Es müssen sprachliche, schulische und berufliche Förderprogramme aufgelegt werden, um eine soziale Schlechterstellung der Kinder von Zuwanderern zu vermeiden. Schulen müssen sich der Thematik von multikulturellem Zusammenleben annehmen und dies im Lehrplan aufgreifen. Auch die Diskriminierungen im Arbeitsbereich für Ausländer müssen wegfallen: Laut der Arbeitserlaubnisverordnung (AEVO),die vor zwei Jahren erlassen worden ist, müssen die Arbeitsämter für eine freie Stelle erst vier Wochen lang danach Ausschau halten, ob nicht ein Deutscher diese Tätigkeit ausüben möchte. Dieser Passus muß sofort wegfallen.

Zudem müssen die Diffamierungen von Ausländern seitens der Regierung aufhören. Die viel beschworene "Ausländerkriminalität" entpuppt sich bei genauerem Hinsehen als eine Erfindung des scharfhündigen Bundesinnenministers Kanther. Zwar nehmen Ausländer einen höheren Anteil in der Kriminalitätsstatistik ein, als es ihrem Anteil in der Bevölkerung entspricht, aber diese Differenz ist keineswegs Ausdruck einer kriminelleren Lebensweise von Nichtdeutschen. Zu beachten ist zum einen, daß ein Teil der Straftaten gar nicht von Deutschen begangen werden kann (z.B. Verstöße gegen das Aufenthaltsrecht). Zum anderen tauchen sozial benachteiligte Gruppen, die durch Arbeitslosigkeit härter getroffen sind als andere, wie unter anderem viele Ausländer durch die diskriminierende AEVO, häufiger in der Statistik auf. Zudem ist der Anteil der Jugend unter den Ausländern deutlich höher als unter der alternden deutschen Bevölkerung. Jugendliche sind aber, statistisch gesehen, strafanfälliger als andere Gruppen. Dies verwundert insofern nicht, als daß Kriminalität im letzten immer eine soziale Wurzel hat und die Jugend von der derzeitigen Perspektivlosigkeit besonders betroffen ist. Diese Gründe erklären die statistischen Zahlen.

Die Forderung nach Abschiebung straffällig gewordener Ausländerlehnen wir ab, da die Menschen damit in ein Land verbannt werden, das ihnen zum Teil völlig fremd ist, und sie damit viel schlechter behandelt werden als straffällige Deutsche. Ein effektiverer Schritt wäre, zuerst alle Männer aus Deutschland auszuweisen, da diese viermal so straffällig sind wie Frauen. Dies sind nur einige Aspekt dieses überaus weiten Feldes, mit wir Jusos uns auseinandergesetzt haben. Genauso viel ließe sich noch über die Flüchtlingspolitik schreiben, die nicht erst seit der faktischen Abschaffung des Asylrechtes im Argen liegt, was jedoch den Rahmen dieses Artikels sprengen würde. Wer mehr zu diesem Thema erfahren möchte, melde sich doch einfach in unserem Büro. Enden möchte ich mit einem Zitat von Bertolt Brecht aus dem Stück "Die Rundköpfe und die Spitzköpfe", das auf wunderbare Weise illustriert, daß es nicht auf Äußerlichkeiten ankommt, sondern es nur einen einzigen Unterschied zwischen den Menschen gibt, der zählt:

"(Der Schädelverteiler) schreit auf dem Land und in der Stadt:
Es kommt an auf den Schädel, den der Mensch hat.
Darum, wo der große Schädelverteiler war
Schaut man dem Menschen auf Haut, Nase und Haar
Und jeder wird geschlagen krumm und lahm
Der den falschen Schädel von ihm bekam.
Und überall wurde unser Stückeschreiber verhört
Ob ihn der Unterschied der Schädel nicht auch stört
Oder ob er unter den Menschen gar keinen Unterschied sieht.
Da sagte er: ich seh einen Unterschied.
Aber der Unterschied, den ich seh
Der ist größer als der zwischen Schädeln nur
Und der hinterläßt eine viel tiefere Spur
Und der entscheidet über Wohl und Weh.
Und ich will ihn euch auch nennen gleich:
Es ist der Unterschied zwischen arm und reich."

 

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