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trend onlinezeitung für die alltägliche wut
Nr. 9/1998


aus CL/PRESSE/TICKER
von Redaktion „Rote Fahne"
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Interview der Wochenzeitung „Rote Fahne" mit Roger Shambuyi Kalala

Roger Shambuyi Kalala ist zur Zeit in Goma, Mitglied des Leitungskomitees der neuen Rebellenbewegung RCD (Rassemblement Congolais pour la Démocratie – Kongolesischer Vereinigung für Demokratie).

Dort ist er verantwortlich für »Mobilisierung«, d.h. für die Organisationsarbeit unter den Massen und die Aufklärungsarbeit. Am 21. 8. gelang es, mit ihm Kontakt aufzunehmen und ihn zur Situation im Kongo zu befra-gen. Das Gespräch fand noch vor den massiven Militärinterventionen seitens Simbabwes und Angolas statt.

Rote Fahne: Welche Gründe hat die Rebellion gegen Kabila und was sind die Zielsetzungen?

Shambuyi Kalala: Die Ziele der Rebellion sind vor allem die Korrektur der Abweichungen in der Führung der Aufstandsbewegung. Diese Abweichungen waren nicht mehr mit friedlichen Mitteln zu beheben, da Kabila sich widersetzte und das mit Gewalt zu verhindern suchte. Er machte es mehr dem Faschismus nach und verbündete sich mit Reaktionären und sogar Faschisten, Mobutisten und Elementen wie der UFERI (faschistische Kräfte in der rohstoffreichen südlichen Katanga-Region d. Red.). Dagegen verfolgte er die revolutio-nären und demokratischen Kräfte. In der Bewegung der AFDL (Allianz, die vor eineinhalb Jahren das Mobutu-Regime gestürzt hatte – d. Red.) und in der Staatsführung organisierte er eine Vetternwirtschaft, setzte Familienangehörige und Freunde in die führenden Funktionen, selbst wenn sie absolut unfähig dazu sind. Willkür und Korruption griffen wieder um sich. Das führte zu einer völligen Desorganisation und das Land in eine Katastrophe. Um der Lage Herr zu werden, griff er immer mehr zu offener Unterdrückung. Willkürliche Verhaftungen wurden durchgeführt. Das führte wieder zum Ausgangspunkt der Aufstandsbewegung zurück. Noch war die Situation nicht so weit wie unter Mobutu. Es gab eine Opposition, auch in der AFDL und in der Führung, wenn sie auch von Kabila immer mehr unterdrückt wurde.  Ich selbst bin dreimal von meinen Funktionen in der AFDL enthoben worden, und zweimal wurde ich gefangengesetzt. Aber auch nach außen erzeugte Kabila eine Situation der Unsicherheit. Befreundete Länder sahen sich durch seine Allianz mit Faschisten bedroht. Selbst mit Faschisten aus Ruanda arbeitet er zusammen. Das Ziel der Rebellion ist es, dies zu korrigieren und den Weg der Demokratie einzuschlagen, der es auch den fortschrittlichen und revolutionären Kräften des Volkes erlaubt, sich zu äußern. Die Rebellion will die nationale Einheit. Das Programm der Aufstandsbewegung muß wiederhergestellt werden. Die Produktion muß für das Volk in Gang gesetzt werden und von Vetternwirtschaft und Sonderinteressen befreit werden.

Rote Fahne: Welche Rolle spielen die Massen in dieser Rebellion?

Shambuyi Kalala: Zunächst ging die Rebellion mehr von Leuten aus, die an der Führung waren und aus der Armee. Mehr und mehr fangen die Massen an zu begreifen, worum es geht. Sie sind vollständig einig mit den Forderungen der Rebellion. Aber sie müssen erst Vertrauen gewinnen, daß die Rebellion im Interesse des Volkes ist. Die Mo-bilisierung der Menschen ist im Gange. Es wird um Unterstützung geworben, Spenden gesammelt und gleichzeitig mit den Massen diskutiert, um sie zu überzeugen.

Rote Fahne: Welche Struktur hat die Bewegung?

Shambuyi Kalala: Es ist eine Bewegung, die sich aus verschiedenen Kräften zusammensetzt. Hauptsächlich fortschrittliche, demokratische Kräfte mit unterschiedlichen Ansichten. Aber auch Rechte schließen sich an. Es kennzeichnet jedoch die Kräfteverhältnisse, daß mir die politische Organisation übertragen wurde, damit das Volk vertreten ist. Es ist entscheidend, daß die Leute von der Basis aktiv teilnehmen und die Kontrolle ausüben und die Richtung bestimmen. Es sind noch viel mehr Kampagnen unter den Massen nötig. Das hat gerade erst angefangen. Die Rebellion gibt es ja auch erst knapp eine Woche. Die Massen müssen erst noch begreifen, worum es geht. Anfangs konnte mit Kabila der Weg der nationalen Revolution gegangen werden. Dann begann er seinen Terror auszuüben. Jetzt wird demokratisch über alle Fragen diskutiert und entschieden.

Rote Fahne: Rechnet ihr mit einer längeren Auseinandersetzung, oder geht die Entwicklung auf eine rasche Entscheidung zu?

Shambuyi Kalala: Es gibt eigentlich keinen richtigen Krieg. Die Sache geht sehr schnell voran. Auch die Intervention mit Militär aus Nachbarstaaten wird das kaum ändern. Es ist vor allem wichtig, daß das Volk seine Lage begreift. In Kinshasa ist die Situation nicht so einfach. Wir haben Genossen da. Aber sie müssen vorsichtig sein. Kabila hat dazu auf-gerufen, jeden, der gegen ihn ist, umzubringen. Man kann noch nicht sagen, wie lange er sich halten kann. Aber ich denke, lange wird es nicht gehen.

Rote Fahne: Welche Rolle spielt das Eingreifen anderer Staaten?

Shambuyi Kalala: Meiner Meinung nach wird ein Eingreifen von außen nicht viel ändern und Kabila nicht helfen. Die afrikanischen Staaten, die zur Unterstützung Kabilas Soldaten geschickt haben, bezwecken nach meinem Eindruck eher, die Entwicklung zu bremsen und darauf hinzuwirken, daß verhandelt wird, als daß sie eine militärische Entscheidung herbei führen könnten.China wird Kabila auch nicht retten. Es mag sein, daß China sozialimperialistische Interessen verfolgt und einen Stützpunkt will. Vor allem haben sie aber Geschäftsbeziehungen zu Kabila. Er verfolgt seine kleinbürgerlichen Krämerinteressen. Den umliegenden afrikanischen Staaten, auch Ruanda und Uganda, geht es in erster Linie darum, daß
in der Region Ruhe herrscht.

Rote Fahne: Mit welchen Reaktionen der imperialistischen Staaten USA, Belgien usw. rechnet ihr?

Shambuyi Kalala: Ich messe dem nicht so große Bedeutung bei. In der Krisensituation ist das internationale Interesse immer groß. Aber für sie ist Kabila auch kein besonderer Freund. Das eigentlich entscheidende ist das Volk. Darauf müssen wir uns konzentrieren.

Rote Fahne: Werden die Imperialisten sich nicht gerade dann gezwungen sehen,  etwas zu unternehmen, wenn das Volk mobilisiert ist und für seine Befreiung kämpft?

Shambuyi Kalala: Das stimmt, aber ich sehe im Moment keine unmittelbare Gefahr. Wir müssen vor allem den Massen helfen, daß sie ihre Lage erkennen. Kabila hat  deren Interessen mit Füßen getreten. Es wird die Wirklichkeit verfälscht, wenn behauptet wird, es wären Mobutisten,  die Kabila bekämpfen. In Wirklichkeit geht Kabila den Weg Mobutus. Natürlich sind  in der Wider-standsbewegung sehr verschiedene Kräfte, aber keine Mobutu-Anhänger.

Rote Fahne: Wie kann der Kampf unterstützt werden?

Shambuyi Kalala: Es ist wichtig, gegen die Verfälschungen vorzugehen und  aufzuklären, daß die Rebellion gerechte Ziele verfolgt und ein Anliegen des Volkes ist. Es müssen die Bedingungen geschaffen werden, daß das Volk sich selbst organisieren kann und seine Organisationen aufbauen kann.

Rote Fahne: Wie wird die internationale Öffentlichkeitsarbeit von euch organisiert? Welche Kommunikationsmöglichkeiten gibt es?

Shambuyi Kalala: Bisher sind die internationalen Kommunikationswege noch kaum organisiert. Wir leben im Mittelalter. Ich hoffe, daß sich das bald ändert, und  werde euch bald möglichst anrufen und darüber informieren.

Rote Fahne: Hast du eine besondere Mitteilung an deine internationalen Freunde?

Shambuyi Kalala: Ja. Es ist wichtig, daß die Genossen die Rebellion unterstützen. Sie müssen wissen, daß die fortschrittlichen Worte Kabilas in keinster Weise der  Wirklichkeit entsprechen. Die Bewegung ermöglicht die demokratische   Auseinandersetzung über die weitere Entwicklung. Das ist von großer Bedeutung   und muß unterstützt werden, auch wenn darin ganz unterschiedliche politische
Richtungen vertreten sind und wenn ihre Erklärungen vielleicht nicht sehr   revolutionär klingen. Die revolutionären Kräfte müssen die Möglichkeit haben,   sich zu organisieren. Herzliche Grüße an alle Genossen!

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