Der
Spätkapitalismus ist nicht reformierbar. Wer
das bestreitet, sollte den Gegenbeweis
antreten und Konterreformen nicht als
Reformen und Beschönigungen nicht als
Verbesserungen verkaufen. Doch wer fühlt
sich schon angesprochen! Etwa die
Linkspartei? Auf Illusionserzeugung kann das
System vorläufig nicht verzichten. Das
ideologische Klima ist für den totalen
Rechtsruck noch nicht stabil genug. Daran
wird mit Hochdruck gearbeitet, wie am
kontinuierlichen Anwachsen der AfD zu
erkennen ist. Ihre Stunde kommt, wenn der
Unmut großer Bevölkerungsteile durch
Sedieren und gutem Zureden nicht mehr zu
stillen ist und der Polizei-und
Überwachungsstaat an ihre Stelle tritt, die
letzte Maske der bürgerlichen Demokratie in
die Mottenkiste wandert. Zugleich wird nach
Ordnung als rettender Anker gerufen, was auf
einen großen Bevölkerungsteil seine Wirkung
ausübt. Straffe Ordnung auf der Straße
bedarf straffer Ordnung im Kopf. Diese
Devise könnte schneller als heute noch
allgemein angenommen mithilfe der Medien
majorisierende Plausibilität erlangen. Kommt
es dazu, kann die reaktionär-faschistische
Ideologie bis auf weiteres als hegemonial
betrachtet werden. Aus dieser Position wird
sie via Wahlen quasi demokratisch und legal
die politische Macht ergreifen und den neu
geformten Willen des Volkes vollstrecken.
Der Schritt vom autoritären Polizeistaat,
der sich bereits im Aufbau befindet, zum
faschistischen Terrorstaat wäre dann nur
noch ein kleiner. Die Dynamik der
Systemkrise ist der Nährboden, auf dem die
AfD samt ihrem reaktionär-faschistischen
Umfeld gedeiht. Sie agiert mit einem
destruktiven Kraftfeld im Rücken, das zu
unterschätzen sich als verhängnisvoll
erweisen könnte. Dass sich die etablierten
Parteien verbal von der AfD und ihrer
Gefolgschaft distanzieren, ist nicht
Ausdruck entschiedener Gegnerschaft, sondern
politischen Kalküls. Solange sie sich auf
Demokratie und Rechtsstaat berufen, müssen
sie sich zumindest verbal Entwicklungen
entgegenstellen, die beides infrage stellen.
Entscheidender Faktor bleibt der objektive
destruktive Prozess, dem die politischen
Ausschüsse der Bourgeoisie auf verschiedenen
Ebenen mit verschiedenen Geschwindigkeiten
folgen. Dieses Wechselspiel vermittelt auf
den ersten Blick den Eindruck, die sich
demokratisch nennenden Parteien verteidigen
die Demokratie. Dadurch aber, dass sie ihre
Fundamente abtragen und die soziale
Massenverelendung als notwendigen, nur
vorübergehenden Opfergang verharmlosen,
zugleich aber auch an Glaubwürdigkeit
verlieren, treiben sie die Menschen der
rechten Scheinalternative in die Arme.
VORTRUPP DER
FASCHISTISCHEN REAKTION
Wie und womit
der galoppierenden Krise innerhalb des
Systems vernünftig, realistisch und
fortschrittlich Herr zu werden ist, sagt die
AfD nicht. Ihr das vorzuwerfen ist albern.
Die Krise ist aus ihrer Sicht das Resultat
verfehlter Politik. Dazu zählt sie in erster
Linie zu hohe Sozialausgaben und eine aus
ihrer Sicht unverantwortliche
Migrationspolitik. Zwischendurch lässt sie
ihren Antikommunismus durchschimmern und
rügt die für ihre Begriffe zu weit gehende
staatliche Toleranz gegenüber linker
Systemkritik. Sie will den starken Staat,
der angeblich seine Bürgerinnen und Bürger
schützt. Der Polizei- und Überwachungsstaat
ist für sie eine notwendige
Selbstverständlichkeit. Zu seiner Sicherheit
gehören Fernhalten von Flüchtlingen und
Niederhalten antikapitalistischer
Bewegungen. Sie will strikte Ordnung im
Lande. Demokratie lehnt sie insgeheim ab,
auch wenn sie nur ein Bruchteil dessen ist,
was sie vorgibt zu sein. Das ist konsequent,
denn Faschismus und Demokratie schließen
einander aus. Solange sie demokratische
Einrichtungen noch braucht, hält sie sich
mit übermäßigen antidemokratischen
Kampfansagen zurück. Dass Faschismus die
Negation jeglicher Demokratie ist, sollten
sich linke Träumer hinter die Ohren
schreiben. Und was ist von einem Regime zu
halten, das ihn nicht nur duldet und
toleriert, sondern auch fördert? Was sich
heute demokratische Regierung nennt verwahrt
sich dagegen, Steigbügelhalterin des
Faschismus genannt zu werden. Das ist nicht
immer bewusst gelogen. Denn wer will schon
so ohne weiteres faschistisch sein! Noch
genießt diese Einstellung nicht die nötige
Salonfähigkeit, so dass Zurückhaltung
angebracht erscheint. Die Hinnahme zunächst
autoritärer Regierungsformen wird, was das
allgemeine Verhalten betrifft, nicht
hinterfragt. Warum plötzlich
Hartz-IV-Gesetze, warum Überwachung und
Bestrafen von Arbeitslosen? Geredet wurde
von allen Seiten viel über sie, abgeschafft
wurden sie bisher nicht. Aus dem vorerst
schleichenden Prozess wurde ein immer
schnellerer, unverblümterer. Zwar wurde
geklagt, gemeutert, appelliert; gekämpft
gegen sie wurde nicht.
Wenn mitunter
auch zähneknirschend: die Mehrheit hat sich
an wachsende Zumutungen gewöhnt. In anderer
Form auch die Regierenden, indem sie sich an
diese Passivität ebenfalls gewöhnten und von
ihr gewohnheitsmäßig Gebrauch machten. Auf
dieser Basis ging es munter weiter. Besorgte
Stimmen sahen den Nachtwächterstaat kommen,
weniger die systematische Narkotisierung als
Vorbereitung schwerwiegender Einschnitte,
die ohne sie schmerzhaft wären. Die Narkose
hält an, so dass der politisch immer noch
relevante Konsens zwischen Regierenden und
Regierten weiterhin funktioniert.
Überflüssig zu sagen, dass einem solchen
Vertrag keine besondere Wertschätzung
zukommt. Er funktioniert, weil er funktional
ist: in der Weise, dass keine
Verlustschmerzen auftreten, verschwindet er
von der Bildfläche. Noch aber ist er da.
Unendlich dehnbar wird er voraussichtlich
nicht sein. Setzt sich Faschismus durch, ist
der Konsens aufgekündigt und die
parlamentarische Demokratie erledigt.
Diese Aussicht
dürfte auch die interessieren, die an die
bürgerliche Demokratie glauben und sie
erhalten wollen. Das erste Problem besteht
darin, dass sie sie für eine Art Gnade
Gottes halten, die solange existiert,
solange sie an sie glauben und sich
glaubenserfüllt für sie einsetzen.
Selbstverantwortliches Engagement für die
Demokratie, wird diese Einstellung nicht
selten genannt. Den Kapitalismus und seine
Bewegungsgesetze zu analysieren überlassen
sie Experten, die in der Regel ihren Glauben
bestärken. Rechts- und Linksradikalismus
betrachten sie gleichermaßen als
demokratiefeindlich, so dass sie sich
sperren, kommt man ihnen mit Marx´
Kapitalanalyse, die nach ihrer Auffassung
ein Unrechtssystem hervorgebracht hat. Das
zweite, kaum weniger schwierige, ist die
theoretische Verflachung des linken
Konglomerates, das der staatlich und medial
gepflegten Denkblockade nichts
entgegenzusetzen hat. Ohne Ziel ist
politisches Handeln nicht möglich. Es kann
alternativlos nur Sozialismus sein. Dies
offen zu sagen wagen viel zu viele Linke
nicht. Es gibt Umstände, die das verbieten,
was aber nur für die gilt, die innerlich von
ihm überzeugt sind und danach handeln. Das
sollte nicht verallgemeinert werden, denn
der Kampf um eine sozialistische Zukunft
kann kein Geheimunternehmen sein. Der
Zweifel am sozialistischen Ziel überwiegt im
linken Konglomerat. Schon damals, als sich
die 68er akademische Jugend erhob, schärfte
das Establishment seine ideologischen
Waffen, nachdem es erkannt hatte, dass es
mit Wasserwerfen, Tränengas und brutalsten
Knüppelorgien die Jugend zwar von der Straße
verscheuchen kann, nicht aber ihren
geistigen Widerstand bricht. Es galt, die
Idee nicht zur materiellen Gewalt werden zu
lassen, die die Massen ergreift. Marx
intensiver denn je als Wegbereiter dessen
herauszuarbeiten, was im Osten real als
Sozialismus existierte und sich selbst auch
so nannte, erwies sich als durchschlagend.
Mit Marx gegen Marx, hieß die
unausgesprochene Devise. Die plumpen Parolen
der Adenauerzeit, wie, dass „alle Wege des
Marxismus nach Moskau führen“, wanderten in
die Rumpelkammer. Die Zeit der Marx-Exegese
begann – gewissermaßen als vitales Anliegen
der Westlinken. Es griff die „Erkenntnis“ um
sich, dass Marx nicht ausreiche, zu viele
Lücken hinterlassen habe, um mit ihm den
modernen Kapitalismus analysieren zu können.
Vor allem aber, dass das Proletariat im
Schwinden begriffen sei und so gut wie nicht
mehr existiere.
Dass Marx die
sozialistische Revolution als Weltrevolution
sah und von der Vereinigung der Proletarier
aller Länder sprach, fand in diesem bis zum
politischen Schwachsinn
zusammengeschrumpften Denken keinen Platz
mehr. Verschwunden war es auch nicht
gänzlich in den westlichen Metropolen, trug
zu einem nicht unerheblichen Teil inzwischen
statt blauer weiße Kittel. Und die
überflüssig gewordenen Arbeitslosen – waren
die jetzt keine Proletarier mehr? Die
mehrheitlich theoretisch unterbelichtete
Linke im Westen wurde geistig so gut wie
restlos entwaffnet und paralysiert. Und sie
half dabei mit. Zugleich wurde der
„Realsozialismus“ als abschreckendes
Beispiel subtiler dargestellt, so dass sich
seine tatsächlich abschreckenden Seiten in
anderer Weise auf Marx´ „Versäumnisse“
zurückführen ließen. Als diese geistige
Restentwaffnung begann, waren sich im
Verhältnis nur wenige Linke dessen bewusst,
dass der Tag kommen wird, an dem Faschismus
als reale Option auf den Plan tritt. Warum
also an Widerstand denken, wenn ein Anlass
dazu nicht erkennbar ist? Theoretisch war er
erkennbar und voraussehbar. Fordismus und
mit ihm Reformismus lagen in ihren letzten
Zügen. Die Produktivkraftentwicklung hatte
sie hinter sich gelassen. Faschismus jedoch
galt als etwas von gestern, historisch
vergangen und nicht wiederholbar. Marx
prognostizierte infolge seiner
Kapitalanalyse, dass die Produktivkräfte als
revolutionäres Element in der Geschichte an
die Grenze der kapitalistischen Produktions-
und Eigentumsverhältnisse stoßen werden.
Dass durch zyklische Krisen – die nur noch
als Momente auftreten – nicht mehr zu
bereinigende absolute Überakkumulation die
schwerste, nämlich die Systemkrise,
herausfordernder gesagt: die systemische
Selbstnegation hervorruft. Diese
Schlussfolgerung wird von vielen Linken als
Zusammenbruchtheorie denunziert, obwohl sie
das nicht aussaugt. Die Selbstnegation
bedeutet die Zerstörung der menschlichen
Zivilisation. Mit Luxemburgs Worten:
„Sozialismus oder Barbarei“.
Unter
westlinken Intellektuellen wurde es Mode,
Marx neu zu lesen. Ein neuer Aufbruch
entstand daraus nicht. Die Niederlage der
APO hatte einen wesentlichen Anteil an
dieser Mixtur aus Zweifel, Passivität und
Abkehr vom Linkssein. Der Grad ihrer
revolutionären Reife ließ sich an den Grünen
ablesen, die aus ihr hervorgingen. Sie
gründeten eine reformistische Partei, die
zwar eine Menge aufrührte, letztendlich bis
heute aber keine durchschlagende Reform
vorweisen kann. Allerdings gelang es ihr und
einer unter Brandt aufgefrischten SPD den
Glauben an die Reformierbarkeit des Systems
wiederzubeleben. Die Zeit schritt voran, mit
ihr die kapitalistische Akkumulation. Dass
der Übergang zur intensiven Produktion die
Akkumulation beschleunigt und zur
Überakkumulation führt, dass Kapitalismus
kein statisches, starres Moment in der
Geschichte ist, nicht ewig wachsen kann,
ohne an seine Grenzen zu stoßen, spielte im
westlinken Denken kaum eine Rolle. Im
östlichen, insbesondere in der DDR,
dominierte die Überzeugung, sie sei bereits
sozialistisch und der weitere Weg in die
Zukunft verlaufe planmäßig. Was sich nach
dem Mauerfall an linkem Denken vereinigte
oder es versuchte, hatte mit fundierter
Kapitalismuskritik nichts mehr zu tun. Das
gravierende Versäumnis, den
„Realsozialismus“ marxistisch zu
analysieren, rächt sich bis in die
Gegenwart. Die hanebüchene Behauptung,
Sozialismus habe sich als
freiheitsfeindliches Unrechtssystem
erwiesen, wird von der Gesamtlinken bisher
unwidersprochen hingenommen. Eine
Selbstfesselung par excellence! Bleibt diese
Behauptung unwiderlegt, frisst sich der
gescheiterte Versuch als erreichte
sozialistische Systemqualität in den Köpfen
fest und wird als Tatsache behandelt. Dafür
aber würden kein Marx, kein Engels, kein
Lenin, keine Luxemburg kämpfen. Das ist kein
sozialistisches Ziel, das ist eine
unzumutbare Absurdität. Es ist phänomenal,
dass sich das linke Konglomerat mit einem
derartigen Blödsinn lahmlegen lässt. Es hat
daher kein Ziel und folglich auch nichts zu
sagen. Wie aber kommt ein linksdenkender
Mensch überhaupt dazu, sich etwas vorwerfen
oder vor etwas warnen zu lassen, was er
definitiv nicht will! Stalinistische
Apologetik und Sozialismusauffassung der
Bourgeoisie mögen mit ihrer Ansicht selig
werden, aber was veranlasst die
sozialistische Intention, sich davon
aufhalten zu lassen?
Die AfD nicht
als Vorhut des Faschismus zu sehen, sie
isoliert von der Systemkrise zu betrachten,
könnte sich als verhängnisvoller Fehler
erweisen, zumal es gegenwärtig nicht nach
einem emanzipatorischen Aufbruch aussieht.
Sie ist älter als ihr offizieller Auftritt
als Partei. Es geht um Prozesse, nicht um
politbürokratische Kalendereintragungen. Die
AfD tauchte namentlich als ernstzunehmende
Kraft auf, als die Systemkrise bereits in
voller Fahrt begriffen war. Vergleichbar
einem Saatkorn, das unter günstigen
Bedingungen als Pflanze wie ein Pilz nach
dem Regen aus den Boden schießt, stand sie
plötzlich auf der politischen Bühne und
mischte den dahindämmernden Laden auf. Diese
Bedingungen reiften in immer schnelleren
Schüben heran. Mit jedem Schub, jeder
weiteren Verschärfung wuchs der Ausbau des
staatlichen Repressionsapparates. Nicht die
AfD, die gab es als eingeschriebene Partei
noch nicht; die demokratischen, auf dem
Boden der Verfassung stehenden Parteien
trieben den Abbau demokratischer
Errungenschaften voran. Damit verspielten
sie nach und nach ihr Ansehen, was sich in
Wählerschwund und Legitimationsverlust
ausdrückte. Das hinderte sie nicht, den
Ausbau des Polizeistaates nicht nur
fortzusetzen, sie beschleunigten ihn. Von
der längst virulenten Verwertungskrise
redeten sie nicht, erfanden stattdessen
immer neue Gründe für die Verschärfung der
Polizeigesetze, die Militarisierung der
Polizei und die ständige Erweiterung ihrer
Befugnisse. Die Kluft zwischen
rechtsstaatlichem Anspruch und wachsender
Rechtslosigkeit der lohnabhängigen
Bevölkerung wurde immer tiefer, so dass die
legitimationsideologische Vermittlung in
zunehmendem Widerspruch zur Realität geriet.
Je autoritärer der Staat auftrat, umso
brüchiger wurde sein ideologischer Überbau.
Der demokratische Rechtsstaat geriet in
Verruf, obwohl er teilweise noch funktional
war und nicht vorzeitig verschwinden durfte.
Dass er letztendlich im Weg steht, dürfte
als abgemacht gelten. Dies aber verlangt
nach einem adäquaten ideologischen Überbau,
den die AfD liefert. Zugleich attackiert sie
die noch vorhandenen Reste der Demokratie,
was ihr scheinhalber und scheinheiliger
Weise von den verfassungstreuen Parteien
übel genommen wird. Es gehört zu ihren
Aufgaben, die demokratische Idee insgesamt
zu de-legitimieren – möglichst mit
demokratischen Mitteln und Volksmassen im
Rücken.
Genauer
hingeschaut ergibt sich ein Bild, das weit
über sie hinausweist. Sie ist tief im System
verwurzelt. Die Systemkrise ist ihr
Lebenselixier und ihr Antriebsaggregat. Sie
wächst mit ihr. Die anderen Parteien in
ihrer Weise nicht minder – vorzugsweise in
Form des Mitlaufens unter Schwanengesang.
Vereint auf dem Boden des Grundgesetzes
ziehen sie gemeinsam am selben Strang – die
kapitalistisch-bürgerliche
Gesellschaftsordnung zu erhalten. Das
gemeinsame objektive Ziel ist damit
definiert. Dass sie sich aus wahltaktischen
Gründen gegenseitig beharken, ist
unerheblich, denn auch sie sind an die
Dynamik der Krise gebunden und von ihr
getrieben. Sie alle rücken nach rechts. Jede
auf ihre Art, aber sie rücken. Faschismus
ist dem System inhärent, nichts Fremdes, von
außen aufgezwungenes. Liegen seine Keime im
bürgerlich-kapitalistischen
Herrschaftssystem, stellt sich die Frage,
unter welchen Bedingungen sie aufgehen. Die
führenden Köpfe der Rechten wissen, dass die
parlamentarische Demokratie innerlich bis
auf die Knochen verfault ist. Ihre
unverhohlene Verachtung für sie ist echt.
Sie sind sich der Dimension der Krise
bewusst und davon überzeugt, dass die
faschistische Machtübernahme die letzte
Rettung des Systems ist. Für sie gilt, die
Tür rechtzeitig zuzumachen, bevor andere
Entwicklungen eintreten. Dass die Linke am
Boden liegt und dass eine Totgeburt wie die
Linkspartei kein Problem darstellt, wissen
sie; zugleich aber auch, dass die
kommunistische Idee nicht tot ist, ein
riesiges geistiges Potenzial in sich trägt
und deren unverhofftes Erwachen nicht
auszuschließen ist. Es kommt ihnen darauf an
sie abzutöten, bevor sie zum Leben erweckt.
Dass Faschismus sich in Sachen Säuberung
auskennt, wenigsten das sollten Linke
wissen. Die AfD schläft nicht. Ihr
politisches Wirken ist effektiv, indem sie
Zellen und Kader in die Nervenzellen des
Staatsapparates pumpt.
FASCHISMUS IST
EINE STAATSFORM DES KAPIATLISMUS
„Der Schoß ist
fruchtbar noch, aus dem das kroch“, sagte
Brecht. Man muss nicht lange rätseln, um zu
verstehen, dass er mit Schoß Kapitalismus
und Herausgekrochenes Faschismus meinte.
Nach der bedingungslosen Kapitulation des
Dritten Reiches und noch zu Brechts
Lebzeiten sah es allgemein nicht nach neuem
Faschismus aus. Die Welt schien von den
Verbrechen des Nationalsozialismus für immer
belehrt. Der neu aufblühende Kapitalismus im
Westen vermittelte den Eindruck, auch er
lasse einen derartigen Bruch der
Zivilisation nicht mehr zu. Das waren Worte
– längst verklungen und vergessen. Im August
1945 fielen Atombomben auf Hiroshima und
Nagasaki und 1950 brach der Korea- Krieg
aus. Suez-Krise, Algerien-Krieg und
Vietnam-Krieg folgten. Der Kolonialismus
wurde im Grunde nur in seiner alten Form
beendet und durch den weit effektiveren
Finanzimperialismus ersetzt. Mit der
Truman-Doktrin von 1948 wurde der Kalte
Krieg speziell gegen die Sowjetunion
eröffnet. Kalt nur deswegen, weil sie
militärisch gestärkt aus dem II. Weltkrieg
hervorgegangen war und 1950 ebenfalls über
Atomwaffen verfügte, womit die USA nicht
gerechnet hatten. Die effektivere
Ausplünderung der sogenannten Dritten Welt
trug wesentlich zur
Produktivkraftentwicklung im Westen bei. Die
Sowjetunion, die immer noch tief in der
nachholenden Modernisierung steckte, wurde
zunehmend abgehängt und zum Ende des 20.
Jahrhunderts beinahe von den USA und ihren
Vasallen kampflos geschluckt. Die Lehre des
II. Weltkrieges spielte in der
imperialistischen Globalpolitik der USA nur
noch eine untergeordnete Rolle. Als die
Sowjetunion 1990/91 kollabierte, feierten
sich USA und NATO als Sieger der Geschichte.
Inzwischen triumphieren sie nicht mehr, was
aber nicht heißt, dass sie ihr Ziel
aufgegeben haben. Ob Brecht das en Detail
vorausgesehen hat, ist nicht die Frage. Dass
er es hat kommen sehen ergibt sich aus
seinem politischen Wissen, seiner Kenntnis
der vorausschauenden Analyse von Marx. Ihm
war klar, dass früher oder später die Frage
„Sozialismus oder Barbarei“ höchste
Aktualität erlangen würde. Der faschistische
Putsch 1973 in Chile war das erste größere
Wetterleuchten der späten Nachkriegszeit,
zeigte er doch, wie sich eine herrschende
kapitalistische Klasse auch in moderner Zeit
verhält, sieht sie sich durch soziale und
politische Veränderungen bedroht oder kommt
sie mit dem bestehenden Modell nicht weiter.
Der Terror unter Pinochet nach Allendes Tod
rief mit weltweitem Widerhall die Natur des
Faschismus in Erinnerung. Neoliberalismus
hieß das neue Akkumulationsregime zur
Profitsicherung des Kapitals und daraus
folgender Massenverarmung.
Die
Machtergreifung des
Faschismus/Nationalsozialismus 1933 in
Deutschland war ebenso wenig ein Zufall wie
1973 der faschistische Putsch in Chile und
heute das Auftauchen der AfD als Speerspitze
voranschreitender Faschisierung. Die
Weimarer Republik zeigte sich außerstande,
die verheerenden Folgen des verlorenen I.
Weltkrieges zu überwinden. Vorübergehend von
US- amerikanischen Krediten gepäppelt brach
sie in der Weltwirtschaftskrise Ende der
1920er Jahre zusammen. Brünings
Präsidialdiktatur setzte die Weimarer
Verfassung de facto außer Kraft. Es gab
zunächst keine Lösung. Die monarchistische
Reaktion, die das Kaiserreich wieder
einführen wollte, war chancenlos, die
Aufrechterhaltung der Republik nicht mehr
möglich. Bourgeoisie, Adel und
Kleinbürgertum befürchteten eine
kommunistische Revolution und
sowjetrussische Verhältnisse. Die
Bourgeoisie sah ihre noch vorhandene Macht
tödlich bedroht. Eine Lösung hatte nur
Hitler mit seiner NSDAP vorzuweisen. Die
aber bedeutete Krieg und den Wechsel zur
faschistischen Staatsform als politische
Voraussetzung seiner Führung. Vom
Großkapital unterstützt setzte sich Hitler
durch. Der kapitalistische Staatstyp blieb
unberührt. Ohne Zustimmung und Wollen des
Kapitals wäre Hitler nicht an die Macht
gelangt und die Reichsbank hätte zur
Finanzierung seines Vorhabens keinen Pfennig
herausgerückt. Doch wie sah die Lösung
konkret aus? Die sterbende Republik war
bankrott. Hitler setzte auf einen
erfolgreichen imperialistischen Raubkrieg,
dem das Kapital zustimmte. Die dazu
notwendige Hochrüstung wurde statt mit einem
real gedeckten Wechsel mit einem auf
Spekulation beruhenden „Mefo-Wechsel“
finanziert, d.h. mit in Aussicht gestellter
Kriegsbeute. So unerklärlich, wie immer noch
dargestellt, waren der Aufstieg Hitlers und
die Herrschaft des Nationalsozialismus
nicht. Er wird mystifiziert, um Faschismus
vom Kapitalismus wegzurücken. Doch er lässt
sich nicht wegrücken, weil er als ultimative
Staatsform zu ihm gehört.
Die
faschistische Staatsform erschien den
damaligen Akteuren – nicht nur Hitler und
seinen Leuten – zudem als notwendig, die
deutsche Bevölkerung auf eine einheitliche
Linie zu bringen. Das hieß, sie zu
disziplinieren, ideologisch zu
konditionieren, auf Feindbildkonstruktionen
einzuschwören und in Kriegsstimmung zu
versetzen. Das faschistisch-kapitalistische
Unternehmen diente dem Ziel, das deutsche
Kapital aus der Krise zu befreien und zu
weltbeherrschender Geltung zu bringen. Eine
auf ökonomischer und politischer Vernunft
beruhende Strategie war das nicht. Das
deutsche Kapital stand auf schwachen Füßen
und hätte unter den extrem einschränkenden
Bedingungen des Versailler Vertrages von
1919 einen schweren Gang gehen müssen, den
es als wenig aussichtsreich erachtete, so
dass es Hitlers Lösungsstrategie den Vorzug
gab. Bei aller Hochrüstung und Herstellung
modernster Waffen fehlte die entscheidende
Rohstoffbasis, die erst erobert werden
musste. Hitlers Strategie war ein
Vabanquespiel. Hochgradig spekulativ
scheiterte sie 1945. Kasinomentalität
scheint dem Großkapital als Charakterzug bis
heute erhalten geblieben zu sein, wie es die
gegenwärtige Kriegstreiberei des Westens
zeigt.
Als Staatsform
setzte sich der Faschismus in dieser Zeit
nicht nur in Deutschland durch, sondern auch
in Spanien, Portugal und Italien. In Italien
bereits 1922. Führer (oder Führung) und
Gefolgschaft ist das Prinzip des Faschismus.
Seine Spielarten und Traditionen sind
verschieden, ändern aber nichts an der
direkten und ungehinderten Durchsetzung des
Herrschaftswillens. Ideologisch wird der
Gefolgschaft eingeimpft, ihre Freiheit, ihr
Daseinsziel bestehe darin, sich dem Führer
bedingungslos zu unterwerfen. Faschismus
bedeutet absolute Diktatur und
Gewaltherrschaft. Außer totalitärer
ideologischer Indoktrinierung verlangt er
die Militarisierung aller gesellschaftlicher
Bereiche und Institutionen; die
Gleichschaltung und die ständige
in-Angsthaltung des Volkes. Diktatur,
Totalität, Terror, Rassismus und
Imperialismus sind seine Wesensmerkmale. Er
ist das letzte Herrschaftsmittel, auf das
die Bourgeoisie zurückgreift, kommt sie mit
der parlamentarischen Demokratie nicht mehr
weiter. Der Untergang der Weimarer Republik
und der Aufstieg des Faschismus in
Deutschland ist ein so lehrreiches wie
warnendes Beispiel, unter welchen Umständen
und Bedingungen er entsteht und sich
möglicherweise auch heute durchsetzen kann.
Was hatte er in 12 Jahren Hitler-Diktatur an
gesellschaftlichem Fortschritt erreicht,
wovon die Menschen heute noch zehren
könnten? Angesichts seines Wiedererwachens
ist diese Frage aktuell.
Faschismus ist
nicht das bevorzugte Herrschaftsmittel, doch
kommt ein anderes als abgenutzt nicht mehr
infrage, wird es ohne weitere Skrupel
installiert; denn freiwillig gibt die
Herrschaft nicht auf, selbst wenn Natur und
Zivilisation dabei zugrunde gehen. Es gibt
klassenübergreifend nicht wenige Geister,
die glauben oder sich einreden, Faschismus
bilde nur eine stabilisierend
Übergangsperiode, nach der die Demokratie
erfrischt wiederkomme. Sie vergessen dabei,
dass er nicht spurlos wirkt, irreversible
Schäden hinterlässt, sollte er jemals wieder
verschwinden. Der deutsche Faschismus wurde
von außen militärisch zerschlagen, aus der
Welt war er damit nicht. Vielleicht wäre der
Glaube schwächer, ginge ihm die Frage
voraus: Warum überhaupt Polizeistaat und
Faschismus, was sind ihre Vorzüge gegenüber
dem Bestehenden? Am Ende der Weimarer
Republik stellte sich die Frage insofern
anders, als die Verhältnisse einen weit
schärferen Kontrast zu den Verheißungen des
Nationalsozialismus bildeten als die
heutigen zu den Versprechungen der AfD. Wenn
auch bereits ramponiert, stehen der neuen
faschistischen Herausforderung immer noch
demokratische, rechtsstaatliche und soziale
Errungenschaften gegenüber, die es damals
nicht gab. Sie stehen auf dem Spiel. Dass
Faschismus mit regulären ökonomischen
Mitteln nichts zu tun hat, auf irreguläre
und außerökonomische disponiert ist, ist
nicht nur empirisch historisch bewiesen: mit
dieser Leerstelle tritt er in Gestalt der
AfD ungeniert auch heute wieder auf. Die
Scheinkonkurrenz der anderen Parteien wirft
ihr das nicht vor. Sie hat nichts Besseres
anzubieten, also schweigt sie sich lieber
aus. Die AfD fühlt sich mit Recht in guter
Gesellschaft, denn was irreguläre
Krisenlösung betrifft, bewegen sie sich
objektiv alle Parteien in diese Richtung. In
ihren Reihen gibt es sicherlich Köpfe, denen
mindestens schwant, dass die Systemkrise
ohne das Risiko eines Atomkrieges
systemimmanent nicht zu lösen ist. Der aber
müsste ohne Zerstörung der eigenen Basis mit
dem Ergebnis eines Siegfriedens gewonnen
werden.
Die
gegenwärtige Situation und das Auftreten der
Politik führen im Grunde zwingend zu der
Frage, warum Faschisierung überhaupt als
Option ins Rennen gebracht wird. Sie
brächten die AfD als Option in Stellung,
werden die Herrschenden selbstredend als
Unterstellung zurückweisen, doch wie
beantworten sie die Frage, warum sie den
Polizeistaat vorantreiben? Was soll er
bezwecken? Von einem gehörigen Anteil
Polizeistaatlichkeit war die BRD von Anfang
an kontaminiert, doch was ist der Grund
dafür, dass er jetzt im Begriff ist, noch
vorhandene Rechte und Freiheiten zu
ersticken? Perfekter Polizeistaat und
Faschismus sind nahe Verwandte, zwei Seiten
derselben Medaille. Die Antwort darauf muss
die nicht länger auf zu schiebende
revolutionäre Aufklärung geben, weil von
Herrschaftsseite nichts Brauchbares zu
erwarten ist. Weiterhin bleibt die Frage,
warum die herrschende Politik der
Krisendynamik immer atemloser
hinterherhechelt, nicht den geringsten
Einfall hat, welche Wege zu gehen wären, sie
wenigstens aufzuhalten. Die Politik
bestritte erfahrungsgemäß, dass es so sei.
Die an einer Antwort interessierte
revolutionäre Seite muss sie sich selbst
beantworten. Ist die Antwort schlüssig und
überzeugend, wird sie als Fehdehandschuh in
die Arena geworfen. Revolutionäre Aufklärung
beruht auf Analyse. Wird herrschaftliches
Handeln infrage gestellt, muss die Antwort
miterarbeitet werden und als überzeugendes
Argument bereitstehen. Weicht die
Regierungspolitik der Frage aus, muss sie an
ihr vorbei als Frage und Antwort unter die
Leute gebracht werden. Revolutionäre Politik
ist sie nur dann, handelt sie souverän. Auf
die Wertschätzung derer, die auf der anderen
Seite der Barrikade stehen, ist sie
prinzipiell nicht angewiesen. Was das
Beispiel des Hinterherhechelns betrifft,
kennt sie die Ursachen und Gründe dafür. Es
wird vorerst dabei bleiben, dass die
krisenbedingten Verwerfungen mit den Mitteln
aus der Hausapotheke behandelt werden, was
so wirkungsvoll ist wie lautes Singen im
Walde. Ob das auf Dauer genügt, ist
fraglich. Es ist zu befürchten, dass Wege
eingeschlagen werden, die die ohnehin
brisante Lage noch weiter destabilisiert.
FASCHISMUS
BEDEUTET HEUTE WIE DAMALS KRIEG
Die
Herrschenden der westlichen Welt
verherrlichen sie als ihre ureigene
Schöpfung und reklamieren sie als ihre
Domäne. Die Kraftquelle dieser Herrlichkeit
ist das Eigentum, das um jeden Preis zu
verteidige, zu bewahren und zu vergrößern
ist. Nichts auf der Erde ist denkbar ohne
sie und künftig auch nicht im Universum. Das
Herrschaftsbewusstsein der westlichen
Eliten, wie es immer wieder zum Vorschein
kommt, lässt keine Hoffnung aufkommen, dass
es sich jemals ändert.
In den
führenden Industriestaaten des Westens
wurden die höchste Arbeitsproduktivität und
die größte Reichtums-Produktion der
menschlichen Geschichte erreicht. Dennoch
schreiten Massenarmut, Arbeitslosigkeit,
Wohnungslosigkeit und Umweltzerstörung in
den Metropolen unaufhörlich voran. Daraus
resultierendem Unmut und Widerstand wird der
Polizei- und Überwachungsstaat
entgegengesetzt. Die Ursachen dieses
Widerspruchs werden von der in Parteiform
etablierten Linken nur an der Oberfläche und
fernab gebotener Analyse thematisiert. Das
hält weder weitere Verschärfungen noch
Faschisierung auf. Was die Außenpolitik
betrifft, nimmt die Kriegshetze gegen
Russland und China zu. Unabhängig davon, wie
weit und wie stark sie wirkt, verfolgt sie
den Zweck, die westlichen Bevölkerungen in
Kriegsstimmung zu versetzen. Worin und womit
die Krisenlösung tatsächlich gesucht wird,
lässt sich eindeutiger denn je an der innen-
und außenpolitischen Entwicklung erkennen.
Sie setzt auf Krieg, weil die aus absoluter
Überakkumulation resultierende Systemkrise
innersystemisch nicht mehr zu bewältigen
ist. Auch Hitler und das deutsche Kapital
setzten auf Krieg. Verändert hat sich nur
die Ausgangslage. Die damalige beinhaltete
noch nicht die reale Gefahr des Atomkrieges
von heute, die die US-Strategie
offensichtlich nicht ernst nimmt.
Faschistische Tendenzen verbreiten sich
inzwischen über den gesamten industriellen
Westen, was seiner immer aggressiveren
Militärpolitik entspricht. Auch wenn
heutiger Faschismus nicht mehr mit damaligem
Brimborium auftritt, bleibt er in seinem
Wesen Faschismus. Treten systembedrohende
Krisen ein, ist er zur Stelle.
Die Weimarer
Republik repräsentierte nicht den höchsten
Entwicklungsstand des westlichen
Kapitalismus der damaligen Zeit. Der
Weltmarkt war umfassend noch nicht
hergestellt und der führende Kapitalismus
von seinen Grenzen noch ein knappes
Jahrhundert entfernt. 2020 zeichnet ein
anderes Bild. Die als Fordismus bezeichnete
Periode der maschinellen Massenproduktion,
relativer Vollbeschäftigung und
beträchtlicher Hebung sozialer Standards der
westlichen Arbeiterklasse bildete zugleich
die Grundlage des Reformismus und seiner
Erfolge. Wie alle Entwicklungsphasen des
Kapitalismus war auch die extensive
Produktion des Fordismus der Dynamik
voranschreitender Produktivkraftentwicklung
unterworfen, so dass sie von der intensiven
abgelöst wurde. Mit der intensiven
Produktion und durch sie neu entfesselte
Produktivkräfte entstand ein Zustand immer
weniger durch zyklische Krisen abzubauende
Überproduktion, bzw. Überakkumulation, die
den inneren Gesetzen des Kapitalismus
entsprechend in die absolute
Überakkumulation mündete. Aus ihr folgte
zunehmende Verengung der
Kapitalverwertungsbedingungen, so dass die
Märkte verstopften und dem Warenangebot die
bezahlbare Nachfrage abhandenkam. Marx´
Kapitalanalyse zufolge ist dem Kapitalismus
keine unendliche Entwicklung beschieden.
Seine innere Gesetzmäßigkeit setzt ihm
Grenzen, die in seinen Produktions- und
Eigentumsverhältnissen bestehen. Stoßen die
Produktivkräfte an sie, entsteht eine
Situation des Umbruchs, bzw. eine
revolutionäre. Diese Situation ist
eingetreten. Das wird zwar vielfach
bestritten, doch was sollte außer absoluter
Überakkumulation noch eintreten!
Kolonialismus und Finanzimperialismus
sorgten zwar immer wieder für neue Räume der
Kapitalverwertung und billige bis kostenlose
Ressourcen, doch diese Möglichkeit wurde und
wird durch aufsteigende Gegenkräfte zunehmen
eingeschränkt. An erster Stelle wachsender
Gegenmacht stehen die Atommächte China und
Russland, die durch althergebrachte
Kanonenbootpolitik nicht mehr zu
beeindrucken sind, auch wenn es statt
schwimmender Eisenkisten heute
US-Flugzeugträger sind, die auf den
Weltmeeren herumkreuzen. Dem Problem der
absoluten Überakkumulation zu begegnen
wurden und werden alle möglichen Mittel
probiert, ohne es bisher lösen zu können.
Zunächst waren es die USA, die auf
Neoliberalismus, Finanzimperialismus und
schließlich militärische Mittel verfielen.
Inzwischen ist es die ganze NATO. Der
entscheidende Punkt liegt in der Paarung von
absoluter Überakkumulation und Faschismus
als kriegsvorbereitendes Element. Absolut
ist nicht zu steigern. Sie zu reduzieren
könnte dazu führen, sich mit den
Produktivkräften in anderer, möglicherweise
verheerende Weise anzulegen. Auf jeden Fall
folgte daraus, der Konkurrenz kostenlos
Platz zu machen. Zudem gliche das einer Art
neuer Maschinenstürmerei, müsste doch die
wissenschaftlich-technologische Basis
reduziert, stillgelegt oder vernichtet
werden. Krieg war und ist bisher immer noch
ein Mittel, Überproduktion abzubauen oder zu
vernichten, um neu investieren und aufbauen
zu können. Ob das mit absoluter
Überproduktion und Atomkriegsgefahr noch
funktioniert, ist stark zu bezweifeln, weil
bereits in den ersten Minuten einer
nuklearen Auseinandersetzung
Neuinvestitionen keine Grundlage mehr
hätten.
Ähnlich wie
heute wurde der Weimarer Staat mit dem
Fortschreiten der Krise autoritärer,
besonders unter den Reichskanzlern Brüning,
Papen und Schleicher. Zudem saß ihr Hitler
schon im Nacken. Was den perfekten
Polizeistaat betrifft, nahm die NS-Regierung
die Sache selber in die Hand, um ihn als
SS-Staat zu verwirklichen. Faschismus
offenbart sich nur vor der Machtergreifung
als Wüten brauner Horden, die nach ihr
dysfunktional werden. Hitler brauchte die
SA, um die Straße zu erobern, wie er sich
später einließ, die Reichwehr/Wehrmacht, um
die Welt zu erobern. Nachdem die SA ihre
Aufgabe erfüllt hatte, wurde sie
kaltgestellt und ihre Führung ermordet.
Polizei, Gestapo und SS waren ein anderes
Kaliber. Ihr Unterdrückungsapparat
funktionierte präzise, kalt, effizient und
mörderisch. Heute wäre er um Längen moderne.
Braune Pöbelhorden, Stiefel-Nazis und
Blechfaschisten verschwänden auch heute
kurzerhand von der Straße, werden sie nicht
mehr gebraucht. Auch die für diesen Fall
dringend gebrauchte faschistische Ideologie
sähe sich einer Modernisierung und neu
angepasster Jugendtauglichkeit gegenüber,
zählt doch die Prägung des
Massenbewusstseins zu den Prioritäten.
Gipfelte der
Niedergang der Weimarer Republik in der
Weltwirtschaftskrise als ausschlaggebende
Ursache des Faschismus in Deutschland, ist
heute von entgegengesetzten objektiven
Bedingungen auszugehen. Der Schoß ist
derselbe geblieben. Doch was er damals
gebar, wies unvergleichbar nicht das auf,
wozu er heute fähig ist, es zu gebären. In
seinem Buch der „Der Verrat“ (2. Auflage)
bescheinigt S. Haffner auch der deutschen
Revolution von 1918 fehlende Reife der
objektiven Bedingungen als Grund ihrer
Niederlage. Er nimmt damit Bezug auf die
russische Revolution von 1917, deren
objektive Voraussetzungen noch weit hinter
den deutschen zurücklagen. Diese
Einschätzung bestätigt Marx, der im Vorwort
„Zur Kritik der politischen Ökonomie“ darauf
hinweist, dass Gesellschaften nicht
untergehen, bevor sich nicht alle
Produktivkräfte entwickelt haben, für die
sie weit genug sind. Marx hat recht
behalten, was für die Beurteilung des
„Realsozialismus“ und seines Unterganges von
höchster Bedeutung ist. Dies zugrunde gelegt
hilft zu erkennen, dass in der ersten Hälfte
des 20. Jahrhunderts von absoluter
Überakkumulation selbst in den USA nicht die
Rede sein kann. Auch wenn der II. Weltkrieg
dazwischen kam: dem westlichen Kapitalismus
stand noch eine gewaltige
Entwicklungsperiode, eine geradezu
explosionsartige Produktivkraftentwicklung
bevor. Von der ursprünglichen Akkumulation
angefangen ist der Kapitalismus von Krisen
begleitet, doch keine vermochte ihn
aufzuhalten. Im „Kommunistischen Manifest“
würdigen Marx und Engels seine die Welt
verändernde revolutionäre Kraft.
Möglicherweise wäre der deutschen
Bourgeoisie und der deutschen Bevölkerung
Faschismus erspart geblieben, wäre sie nicht
mit Wilhelm II. gemeinsam auf Kriegskurs
gegangen. „Die Habenichtse melden ihr
Lebensrecht an“, tönte Kaiser Wilhelm.
Danach hatten die Habenichtse noch weniger.
Es geht um
zwei Krisen, die jede für sich Faschismus
hervorrufen. Beide sind als Systemkrisen zu
charakterisieren. Die damalige zerbrach die
Weimarer Republik und führte zum III. Reich
unter Hitler. Faschismus wurde bei
unverändert gebliebenem kapitalistischem
Staatstyp Staatsform. Nach bedingungsloser
Kapitulation ging das III. Reich 12 Jahre
später unter. Die Schäden des II.
Weltkrieges hielten den Kapitalismus nicht
auf. Und dort, wo er allgemeine Prosperität
schuf, blieb Faschismus ohne relevante
Bedeutung. Die Kriege, die die westlichen
Hauptmächte nach 1945 führten, kamen ohne
Faschismus als Staatsform aus. Dass er im
immer noch reichen Westen 75 Jahre später
wieder eine Rolle spielt, verwundert auf den
ersten Blick. Schließlich ist keine der
westlichen Metropolen mit Weimar zu
vergleichen, geschweige denn von
unmittelbarem Untergang bedroht. Fällt aber
ein Vergleich mit Weimer außer Betracht,
lässt sich zunächst nicht erklären, worin
die Ursachen des Neuen Faschismus liegen.
Vielen Menschen erscheint das zwar als kein
wünschenswertes, dennoch wundersames
Ereignis. Und glauben sie dazu noch
wortgetreu der bürgerlich-kapitalistischen
Propaganda und täglicher auf allen Kanälen
abgesungenen Legitimationsideologie, finden
sie keine rationale Erklärung für dieses
vermeintliche Phänomen. Die Trennung von
Kapitalismus und Faschismus zahlt sich auch
insofern aus, als sie damit die Erinnerung
an die katastrophale Fusion von damals
abschneidet. Das Image des Wundersamen ist
der AfD enorm behilflich. Primär verstellt
es den Blick auf die Ursachen der aktuellen
Systemkrise und ihre politischen Folgen.
Dass der gegenwärtige westliche
Spätkapitalismus mit neuem Faschismus
schwanger geht, könnte sich zu einem
legitimationsideologischen Problem
ausweiten, sollte es zum Thema öffentlicher
Diskussion werden. Absolute Überakkumulation
und daraus folgend erstickende Verengung der
Kapitalverwertungsbedingungen sind kein
Partythema, erklären sie außerdem noch die
Ursachen zunehmender westlicher
Kriegsreiberei. Es könnte auch klarwerden,
dass Faschismus keine Sache der
Vergangenheit ist, sondern zur Stelle ist,
liegt eine ernsthafte Bedrohung des
Herrschaftsverhältnisses vor. Nun ist es
müßig, den Herrschenden erklären zu wollen,
dass es ihr eigenes System ist, aus dem die
Bedrohung ursächlich hervorgeht. Doch wie
gesagt geht das alle an.
RESÜMEE
Die intensive
Produktion und die aus ihr resultierende
technisch-wissenschaftliche Revolution haben
eine bis dahin nicht gekannte Situation
geschaffen, die trotz gewaltiger
Produktivkraftentwicklung nicht nur eine nie
gekannte Diskrepanz zwischen Armut und
Reichtum aufzeigt, sondern die Grenzen der
Kapitalakkumulation überhaupt. Die
dramatisch gewordene Enge der
Kapitalverwertungsbedingungen schafft immer
neue Konflikt-und Kriegsherde, immer größere
Massenarmut und immer größerer
Umweltzerstörung. Der absolut
überakkumulierte Westen schmort im eigenen
Saft, solange es ihm nicht gelangt, neue
Verwertungsräume und Ressourcen zu erobern.
Aber wie?
Es gibt nicht
nur auf marxistisch-revolutionärer Seite
vorausschauende Analysen, die sagen, was mit
hoher Wahrscheinlichkeit immer stärker
eintreten wird. Zum Beispiel Unruhen
aufgrund zunehmender sozialer Missstände.
Die Ursachen kennt auch die Bourgeoisie, und
sie weiß, dass die parlamentarische
Demokratie als indirektes
Herrschaftsinstrument auf Dauer nicht mehr
in der Lage ist, die Bevölkerung ruhig zu
halten. Ihr Glaubwürdigkeitsverlust ist
nicht mehr aufzuholen, und was die Parteien
an sozialen Verbesserungen versprechen, wird
zunehmend als Verabreichen von
Beruhigungspillen beiseitegeschoben. Dass
die Ursachen wachsender Massenverelendung
nicht durch Faschisierung verschwinden, ist
den Herrschenden nicht nur bekannt: sie wird
aus diesem Grund von ihnen gefördert, geht
es ihnen doch darum, dass aus dem Elend der
Massen kein Herd der Revolution entsteht.
Wie aber diesen zu befürchtenden Herd
verhindern, nimmt die Systemkrise kein Ende
und das Massenelend zu, so dass mit
Massenerhebungen zu rechnen ist, die in eine
Revolution münden könnten, wenn nicht mit
massivem Einsatz der Staatsgewalt? Es bleibt
die faschistische Staatsform, die totale
Zerschlagung noch intakter demokratischer
Strukturen. Schließlich könnten sie
Keimzellen sowohl demokratischen als auch
revolutionären Widerstandes werden. Eine
andere Antwort, das Herrschaftssystem im
Malstrom der Krise zu behaupten, gibt es
nicht. Das Blatt ist ausgereizt, eine
systemimmanente, also reformerische
Alternative nicht einmal mehr denkbar.
CHINA UND
RUSSLAND STEHEN IM WEG
Obwohl der
Westpropaganda immer größere Teile der
Westbevölkerung nicht mehr glauben, stellt
sich die Frage, warum die Hetz-und
Hasspropaganda gegen China und Russland
trotzdem immer wüstere Formen annimmt. Ist
das ein Akt der Verzweiflung oder steckt
dahinter die Hoffnung, durch Übertreibung
und Entgleisungen verlorene Glaubwürdigkeit
zurückzugewinnen? Doch was haben diese
beiden Länder dem Westen getan, um so
beschimpft, verunglimpft und verleumdet zu
werden? Ihr Verbrechen besteht darin, dass
sie sich dem Begehren, insbesondere den
Ansprüchen der USA nicht beugen und auch
deren Nachhelfen mit militärischen Drohungen
nicht nachgeben. Was den Westen am meisten
erzürnt sind die wirtschaftlichen und
militärischen Kapazitäten, über die beide
Länder inzwischen verfügen, so dass der
Westen mit ihnen nicht umspringen kann, wie
er es seit Jahrhunderten im Umgang mit
schwachen Völkern und Ländern gewohnt ist.
Zudem ist China eine Weltmacht und
zweitstärkte Ökonomie. Russland ist keine
führende Wirtschaftsmacht, dafür den USA
atomar und raketentechnisch ebenbürtig. Kurz
gesagt ist es USA und NATO nicht möglich,
Russland mit einem atomaren Erstschlag zu
erledigen, ohne dabei selbst erledigt zu
werden. Könnten sie es, zögerten sie keine
Sekunde. Doch solange sie zögern, d.h.
zögern müssen, gewinnen Russland und China
Zeit, ihre Positionen weiter auszubauen und
zu stärken. Sie sind zum Frieden bereit, und
sie brauchen und wollen ihn auch. Sie kennen
aber den Westen aus bitterer Erfahrung und
vertrauen daher zuerst der Stärke ihrer
Waffen und nicht seinen Versprechungen.
China und
Russland stellen gegenwärtig nicht nur eine
uneinnehmbare Festung dar, es wächst auch
ihr Einfluss auf andere Länder. Als globale
Wirtschaftsmacht behindert China nicht nur
die weitere Ausdehnung westlicher
Weltmarktbeherrschung, es beschneidet sie
mittlerweile auch. Die sich bisher als die
Herren der Welt fühlten spüren allmählich,
dass es damit vorbei ist. Den Atomkrieg
wollen auch sie nicht – jedenfalls solange
nicht sicher ist, dass sie ihn ohne eigenen
Schaden gewinnen können. Ersatzweise bohren
sie an China und Russland herum, versuchen
sie wirtschaftlich zu schwächen, um das
Programm des Totrüstens wieder aufzulegen.
Ob das gelingt, ist ebenfalls zu bezweifeln.
Die Möglichkeit des Westens, den Sperrriegel
der Verengung der
Kapitalverwertungsbedingungen durch einen
Krieg gegen China, Russland und Nordkorea –
mit dieser Allianz ist zu rechnen –
aufzubrechen, ist nur unter dem Umstand
gegeben, dass er den eigenen Tod riskiert.
Ob er ihn riskiert, ist eine offene Frage.
Gerufen sind die Völker des Westens. Es
liegt allein in ihrer Hand, dieses
gefährliche Patt, diesen Tanz auf dem Vulkan
zu beenden.
Editorischer
Hinweis
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den Beitrag vom Autor für diese Ausgabe. |