Papi
haut auf den Tisch und schlichtet den Streit auf die altbewährte
Art. Sohnemann hat sich danebenbenommen, die Töchter sind
deswegen ausgerastet, und es braucht ein Machtwort des
Familienoberhaupts, damit sich bis zum Ausflug an den Wannsee
alles wieder eingerenkt hat.
Denn den zahlt schließlich
der Brotverdiener, und deswegen hat er ein Recht drauf, daß
sich bis dahin alles schnellstens wieder beruhigt hat. Also
bekommen alle ihr Fett weg, schließlich hat Papi seine
Prinzipien, und die sind ja wohl astrein. Aber meine Töchter,
das geht zu weit, solange ihr die Beine unter meinen Tisch
streckt ist Ruhe die erste Kinderpflicht. vati wird das schon
deichseln. We are one family, Schluß mit dem Streit.
Diese paternalistische
Attitüde geht am Kern der Problematik vorbei. Auf einmal sieht
es so aus, als wäre der umstrittene Angriff aufs Schnarup
Thumby das eigentliche Problem und nicht die Vergewaltigung und
der gleichgültige Umgang damit. Daß der nicht die Lösung ist,
ist auch klar, aber er war ja auch wohl nicht als Lösung
gedacht, sondern als Aufforderung , sich endlich mal praktisch
zu verhalten. Ich meine jedenfalls, wenn das nicht ausgeblieben
wäer, dann wär´s auch zu dem Angriff erst gar nicht
gekommen.
Und darauf so wie unser
Leserbriefschreiber zu reagiern, führt diese Vogelstraußmentalität
erst recht in eine neue Runde. Gutgemeinte Lippenbekenntnisse
hin oder her - auch wenn sie stimmen sollten, in dieser
Geschichte hat es schon mehr als genug Lippenbekenntnisse
gegeben , und darin besteht ja gerade das Problem. Daß immer
nur um den heißen Brei rum geredet wird und passieren tut nix.
Sonst hätte sich Flo nämlich schon gar nicht mehr im
Friedelhain blicken lassen können. In der Situation ist es
Quatsch, ein Horrorszenario an die Wand zu malen, als ob der
Angriff die AAB und/oder die Linke völlig zerschlagen würde.
Das Problem liegt wie gesagt woanders. Da sollte sich der Autor
zuallererst mal an den eigenen Schwanz fassen und sich fragen,
warum´s zu dieser Aktion gekommen ist, mag sie auch noch so
hart an der Grenze zur Verzweiflungstat liegen. Denn die
erscheint erst dann als sinnlos, wenn die Szene tatsächlich so
libertär wäre wie das Selbstverständnis des Autors es sein
will. Daß sie das nicht ist, sollte klar sein, wenn mensch
verfolgt hat, was seit der Veröffentlichung der Vergewaltigung
passiert (und was ausgeblieben) ist. Das leider schon übliche
Hinundher, Taktiererei und Kleingekaue. Daß aus diesem Defizit
endlich mal Konsequenzen gezogen werden sollten, war meiner
Meinung nach wohl der Grund, warum die FrauenLesbengruppe dann
rabiat geworden ist.
Das kann mensch aus
so einigen Gründen kritisieren, aber nicht mit dem Unterton,
erst mit der Aktion hätten die Probleme angefangen.
Wer - zu Recht –
kritisiert, daß mit einer solchen Aktion eine Sündenbockpolitik
betrieben wird, sollte auch mal beurteilen, wie sich – nicht
nur – die AAB zum Thema Sexismus verhält. Oder mensch kann
kritisieren, daß dieser Schrei nach Aufmerksamkeit auch noch
mit Gas unterstrichen wurde. es ist z.B. ne Überlegung wert,
wie Buttersäure statt Gas die Aktion denn verändert hätte, außer
daß das tödliche Risiko für Kinder und Asthmakranke wegfällt.
Doch auch mit noch so
voller Schnauze sollte mensch nicht aus den Augen verlieren, daß
die Linke sich nicht deswegen zerfleischt, weil ein paar
Leute eine Aktion machen, die andere für völlig Panne halten.
Sondern weil sie´s nicht gebacken kriegt, eine emanzipatorische
Prspektive umzusetzen, in der alle korrekt miteinander umgehen.
Oder, wenn das schon nicht von heuite auf morgen klappt,
wenigstens in eine Richtung zu gehen, wo auf dem Weg
dieses Ziel schon erkennbar wird. Wer hier wie der Autor Ursache
und Wirkung vertauscht, macht´s sich zu leicht.
Wenn jetzt auch mal Typen
die Konsequenzen davon auszubaden, will sagen: einzuatmen haben,
dann ist es noch nicht einmal verkehrt, wenn sie deswegen auf
die Palme gehen, weils ihnen stinkt. Aber doch bitteschön nicht
gegen die, die jetzt praktisch den Finger in die Wunde gelegt
haben, weil´s vorher theoretisch keine Sau interessiert hat,
sondern gegen die Verhältnisse, die ihnen so lange egal waren,
bis sie selbst mal von der reaktion drauf betroffen sein könnten.
Denn genau diese Gleichgültigkeit ist eine Ursache für
Spaltung, Streß und kaputte Strukturen. Und Spaltung ist
bestimmt nicht dadurch zu überwinden, daß mensch wie der
Autor, der Frauenlesbengruppe sämtliche konterrevolutionären
Untugenden von Dogmatismus, Stalinismus und so fort bis hin zu
Nazimethoden anhängt. dadurch wir an der Scheiße nix verändert,
sondern nur neue Gräben gezogen, noch tiefere.
Daß da von der AAB
nichts zu erwarten ist, ist wahrscheinlich. Die haben sich auch
prompt aus dem Schnarup Thumby zurückgezogen, weil das im
Rahmen ihrer Strategie, jegliches Aufsehen um die Vergewaltigung
runterzukochen, das Praktischste ist. Aber von jemandem, der
sich zur undogmatischen Linken zählt, und den Anspruch hat, die
Prblematik nicht im altautonomen Feuilleton versanden zu lassen,
bis mensch die Debatte als Diplomarbeit einreichen kann, hätte
ich doch ein bißchen mehr an Durchblick erwartet. Der Appell
„Lernt Zielen!“ läßt sich dennoch an fast alle bis jetzt
an dieser Auseinandersetzung Beteiligten richten.
Speziell zu unserem
Leserbrief muß ich jedoch feststellen: An einem Strang ziehen
kann mensch erst dann, wenn´s eine gemeinsame Perspektive gibt,
und dazu gehört ein klares „Vergewaltiger rau“. Und zwar
praktisch, nicht bloß als theoretisches Lippenbekenntnis. daran
hapert´s und nicht daran, daß welche zu Militanz greifen müssen,
um deutlich zu machen, daß dieser Strang trotz aller schönen
Sonntagsreden gerade völlig zerfasert ist.
Walli
(aus: Phantom 9)
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