Dies
ist der erste inhaltliche Text von uns - Dresdner FrauenLesben
-. zu den Geschehnissen seit dem 27. August 1999. Zu einer
erneuten Konfrontation mit den Angriffen auf uns und der sich
daraus ergebenden Situation waren wir bisher nicht bereit. Das
diese Vorfälle aber in einen breiteren Kontext gestellt werden
müssen war uns klar. Wir hatten sehr lange Probleme damit, die
Geschehnisse einzuordnen und entsprechende Konsequenzen zu
ziehen. Wir haben die Zeit bis jetzt gebraucht, um die
Ereignisse benennen und analysieren zu können. Seit dem Beginn
linksradikaler Aktivitäten in Dresden, mussten
Auseinandersetzungen über Sexismen von FrauenLesben-Zusammenhängen
eingefordert werden. Das war manchmal nur durch Herumschubsen
und ähnliches möglich. So z.B. reagierte am 27. August eine
Frau mit dem Wurf eines Teeglases in die Richtung eines Typen
aufgrund seiner sexisüschen Verhaltensweisen. Am 27. August
wurde von diesem Typen eine neue Stufe der Gewalt gegen
Feministinnen eröffnet. Innerhalb einer Nacht griff er zwei
Frauen körperlich an. Einmal durch ein gezieltes
Zu-Boden-Schlagen und einmal durch Am-Hals-Würgen und
Zu-Boden-Schleudern. Zwischen den zwei Angriffen solidarisierten
sich bereits Typen mit dem Täter. Nach den Angriffen drohte der
Schläger beiden Frauen, sie zusammenzuschlagen. Diese Form der
Auseinandersetzung bedeutete einen Einschnitt in unsere Leben -
mit diesen Angriffen begann ein Albtraum, der einfach nicht
wieder aufhört.
Täterinnen
Zu dem Schläger gesellten sich
im Laufe der nächsten Tage weitere Täterinnen. Diese
zeichneten sich dadurch aus, dass sie a) öffentlich äußerten,
auch von ihnen hätten die Angriffe ausgehen können, oder b)
die körperlichen Angriffe für gerechtfertigt erklärten oder
c) unsere Wahrnehmung der Ereignisse komplett in Frage stellten,
ebenso wie unsere politische Kompetenz. So gab es z.B. Leute,
die dem Schläger gratulierten und ihn feierten. Auf unsere Öffentlichmachung
dieser Täterinnen wurde von einigen reagiert, indem sie erklärten,
wir hätten uns alles ausgedacht und unsere Chronologie wäre
ein "Grimmsches Märchen". Um ihr Täterinnen-Sein zu
relativieren wurde eine Opfier/Täter-Verdrehung praktiziert.
Dazu wurden alle Situationen angeführt, in denen Feministinnen
körperliche Gewalt als adäquate Reaktion auf sexistische
Verhaltensweisen benannt haben. Wir hätten damit die Option
Gewalt eröffnet bzw. wir wären so etwas wie
gewaltfetischistisch. Bis heute erzählen immer wieder Typen,
die uns kampftecbnisch überlegen sind, dass sie Angst vor uns hätten.
Dadurch und durch ähnliche "Beweisführungen" wurde
versucht, uns als Täterinnen darzustellen, uns mit ihnen auf
eine Ebene zu stellen, die Übergriffe als persönliche
Konflikte zu erklären und uns damit die Definitionsmacht zu
nehmen. Das ist ihnen teilweise gelungen.
Eine besonders verwirrende
Verdrehung fand statt, als uns die Täterinnen einen
Sexismusvorwurf machten. Das Wort Vergewaltigung ist von uns im
Zusammenhang mit den Vorfällen gefallen, ohne das eine klare
Abgrenzung vorgenommen wurde. Dies wurde als Gleichsetzung mit
einer Vergewaltigung dargestellt. Der Vorwurf der Nicht-klaren
Abgrenzung ist gerechtfertigt, von uns kann es dazu nur
Diskussionen geben. Diese Argumentation ist unglaubwürdig vor
dem Hintergrund, dass
ein Haufen Sexistinnen und Täterinnen sich auf die uneindeutige
Äußerung stürzen, um von der eigenen Scheiße abzulenken. Es
entstand daraufhin sogar, das Gerücht, wir hätten willkürlich
Leute auf eine sogenannte "Schwarze (sie!) Liste für
Vergewaltiger" gesetzt.
Diese überregional
verbreitete Argumentation zog Konsequenzen für uns nach sich.
Damit wurde u.a. untermauert, das wir überreagieren und mal
wieder von den Tätern versucht uns die Definitionsmacht in
Bezug auf sexistische Konflikte zu nehmen. Wir haben lange über
diese Situation und Verdrehung diskutiert, uns ist dabei bewusst
geworden, dass unsere Situation durchaus zu toppen ist.
Täterschützerinnen
Zur Gruppe der Täterinnen
gesellten sich nun die Täterschützerinnen, welche sich mit dem
Schlägertypen solidarisieren und ihm ermöglichen eine Normalität
zu leben, in der seine körperlichen Angriffe nicht Thema und
damit in Ordnung sind. Sie boten ihm ihren physischen und
psychischen Schutz vor einer Auseinandersetzung an. Der
physische Schutz wurde durch Mobbildung geleistet, um den Schläger
in ihrer Mitte in die gewünschten Räume zu bringen. Diese Räume
waren politische Veranstaltungen und Plenas, bei denen wir ausdrücklich
seine Nicht-Teilnahme gefordert hatten. Der psychische Schutz
bestand im erwähnten Angebot, ihm eine Normalität zu gewährleisten.
Dies wurde von Unmengen von Leuten gemacht, die in Scharen
kamen, um ihm ihre Solidarität anzubieten, während unser
Zusammenhang immer kleiner wurde. Unser bisheriges Umfeld bot
uns Neutralität an und ihm Solidarität, ohne zu merken, dass
beides zugleich unmöglich und für uns untragbar ist. Die Folge
daraus war, das sich unsere sozialen Kontakte enorm einschränkten.
Unter den Täterinnen und Täterschützerinnen entstanden währenddessen
freundschaftlichere und demonstrativ herzlichere Kontakte.
Das Verhalten derjenigen Frauen
hat uns dabei sehr getroffen, die bei früheren Diskussionen,
Konflikten und Aktivitäten mit uns zusammengearbeitet oder sich
solidarisiert hatten und/oder zu unserem näheren sozialen
Umfeld gehörten. Wir verloren damit Freundinnen, die jetzt
engen sozialen und politischen Kontakt zu dem Schläger haben.
Einige dieser Frauen stellten unseren Umgang mit den Vorfällen
in Frage.
Die Gruppe der Täterinnen und
Täterschützerinnen hat sich in wenigen Tagen organisiert
und setzte sich zusammen aus über der Hälfte unseres
bisherigen sozialen und politischen Umfeldes. Es war ein Fehler
von uns, die sexistischen Verhältnisse innerhalb dieses früheren
Umfeldes mitgetragen zu haben. Wir versuchten, uns zu vielen
Sachen zu positionieren, haben uns aber nie von diesem Umfeld
distanziert. "Pack schlägt sich. Pack verträgt sich"
kommentierte eine Frau diesen Umgang, den sie selbst ähnlich
erlebte.
Eine weit verbreitete Form des
Täterinnenschutzes, wurde und wird von Leuten praktiziert,
die sich zu uns oder nicht auf Täterinnen-Seite positioniert
haben. In Situationen, in denen es möglich gewesen wäre, auf
verbale Angriffe gegen uns zu reagieren, oder durch eine
Positionierung gegen die Täterinnen dem Agieren dieser nicht
zuzustimmen, trugen viele eine gespielte Hilflosigkeit zur
Schau. Es wurde abgewartet, ob die "durchgeknallten Frauen
wieder zur Ruhe kommen" und sich damit das Problem
erledigt, es wurde versucht, sich herauszuhalten, die
Auseinandersetzung vor sich herzuschieben. Auf diese Art wurde
hier schon immer Konflikten aus dem
Weg gegangen.
Die Täterinnen veranstalteten
ein als Plenum getarntes Tribunal gegen uns, bei dem uns Leute
aus der AAB als Moderation und die Täterinnen als Anklägerinnen
gegenübersaßen. Innerhalb kürzester Zeit sahen wir uns mit
geballter verbaler Gewalt und Gewaltandrohungen konfrontiert.
Die Moderatoren-Richterin entschied wörtlich, dass in diesem
Fall die Definitionsmacht der Frau nicht gilt. Wir verließen
schreiend und heulend den Raum. Niemand reagiert adäquat auf
die Situation. Im Nachhinein wurde uns Beileid ausgesprochen.
Militanzverständnis
Die Drohung des Schlägers,
nochmals anzugreifen, ist bis heute nicht zurückgenommen
worden. In einem Gespräch von uns mit einem der Täterinnen im
Dezember, drohte dieser ebenfalls mit Gewalt, falls Handlungen
unsererseits bezüglich der Übergriffe stattfinden. Uns wird
nicht nur damit klargemacht, das die Eskalation der Situation
von uns und unserem (Nicht) Verhalten abhängt. Es ist so für
uns so, dass hier permanent Gewalt ausgeübt wird, wenn nicht
durch Drohungen, dann durch verbale Angriffe immer, wenn wir auf
sie treffen. Dies ist bis jetzt nur in den wenigen Schutzräumen
nicht der Fall, die wir uns erkämpften und auch jetzt jeden Tag
wieder verteidigen müssen. Die Täter stellen ihre
Gewaltbereitschaft schon seit Jahren durch ihr aggressives
Auftreten und durch Körpersprache dar. Ihr Politisch-Sein
beziehen sie aus Kampfhandlungen.
Das Ganze ist und bleibt eine
unreflektierte Gewaltanwendung, bei der die Opfer beliebig sind
und ist schon gar nicht links.
Es stellt sich als purer Zynismus
dar, wenn nun diese Leute ernsthaft erzählen, sie würden sich
von uns bedroht fühlen.
Täterschutzorganisation AA/BO
In unseren Diskussionen über den
Umgang mit den Vorfällen entstand unter uns der Witz, die
Forderung aufzustellen, die Täterinnen sollten in die AA/BO
(Antifaschistische Aktion Bundesweite Organisation) eintreten.
Eine politische Basis dafür war schon seit Jahren vorhanden.
Kontakte zu den AA/BO-Gruppen in Berlin und Leipzig bestanden
schon länger und Leute aus diesen Gruppen haben sich auch in
den ersten
Tagen nach den Übergriffen mit dem Schläger solidarisiert. Die
Gründung einer bis jetzt inoffiziellen AA/BO-Gruppe, der AADD,
war daher für die Täterinnen eine sichere Möglichkeit,
politisch aktiv zu sein, ohne sich mit den Übergriffen
auseinanderzusetzen. Die Vorfälle waren eine entscheidende
Motivation für die Gründung der Gruppe.
Jetzt, fast ein halbes Jahr später,
werden die Täterinnen wieder offensiver. Der Schläger
wiederholte explizit seine Gewaltandrohung uns gegenüber. Er
bezieht sich dabei auf den 27. August und den Umgang aller
damit. Von den Täterinnen wird durch Sprüche, Sprühereien und
Handlungen eine Eskalation der Situation provoziert.
Sexisten und ihre Schutzräume
angreifen! Die Definitionsmacht liegt bei den Unterdrückten!
Linkssein
beinhaltet eine sichtbare Auseinandersetzung mit Unterdrückungsformen!
Politische Konsequenzen statt Betroffenheit!
23. Jan 00;
FrauenLesben im Infoladen; Louisenstr. 93, 01099 Dresden
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