Quelle: Interim 493 

TREFFT DIE SEXISTEN, WENN IHR SIE SCHLAGT!


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Wohin mit den Vergewaltigern?
Dies ist der erste inhaltliche Text von uns - Dresdner FrauenLesben -. zu den Geschehnissen seit dem 27. August 1999. Zu einer erneuten Konfrontation mit den Angriffen auf uns und der sich daraus ergebenden Situation waren wir bisher nicht bereit. Das diese Vorfälle aber in einen breiteren Kontext gestellt werden müssen war uns klar. Wir hatten sehr lange Probleme damit, die Geschehnisse einzuordnen und entsprechende Konsequenzen zu ziehen. Wir haben die Zeit bis jetzt gebraucht, um die Ereignisse benennen und analysieren zu können. Seit dem Beginn linksradikaler Aktivitäten in Dresden, mussten Auseinandersetzungen über Sexismen von FrauenLesben-Zusammenhängen eingefordert werden. Das war manchmal nur durch Herumschubsen und ähnliches möglich. So z.B. reagierte am 27. August eine Frau mit dem Wurf eines Teeglases in die Richtung eines Typen aufgrund seiner sexisüschen Verhaltensweisen. Am 27. August wurde von diesem Typen eine neue Stufe der Gewalt gegen Feministinnen eröffnet. Innerhalb einer Nacht griff er zwei Frauen körperlich an. Einmal durch ein gezieltes Zu-Boden-Schlagen und einmal durch Am-Hals-Würgen und Zu-Boden-Schleudern. Zwischen den zwei Angriffen solidarisierten sich bereits Typen mit dem Täter. Nach den Angriffen drohte der Schläger beiden Frauen, sie zusammenzuschlagen. Diese Form der Auseinandersetzung bedeutete einen Einschnitt in unsere Leben - mit diesen Angriffen begann ein Albtraum, der einfach nicht wieder aufhört.

Täterinnen

Zu dem Schläger gesellten sich im Laufe der nächsten Tage weitere Täterinnen. Diese zeichneten sich dadurch aus, dass sie a) öffentlich äußerten, auch von ihnen hätten die Angriffe ausgehen können, oder b) die körperlichen Angriffe für gerechtfertigt erklärten oder c) unsere Wahrnehmung der Ereignisse komplett in Frage stellten, ebenso wie unsere politische Kompetenz. So gab es z.B. Leute, die dem Schläger gratulierten und ihn feierten. Auf unsere Öffentlichmachung dieser Täterinnen wurde von einigen reagiert, indem sie erklärten, wir hätten uns alles ausgedacht und unsere Chronologie wäre ein "Grimmsches Märchen". Um ihr Täterinnen-Sein zu relativieren wurde eine Opfier/Täter-Verdrehung praktiziert. Dazu wurden alle Situationen angeführt, in denen Feministinnen körperliche Gewalt als adäquate Reaktion auf sexistische Verhaltensweisen benannt haben. Wir hätten damit die Option Gewalt eröffnet bzw. wir wären so etwas wie gewaltfetischistisch. Bis heute erzählen immer wieder Typen, die uns kampftecbnisch überlegen sind, dass sie Angst vor uns hätten. Dadurch und durch ähnliche "Beweisführungen" wurde versucht, uns als Täterinnen darzustellen, uns mit ihnen auf eine Ebene zu stellen, die Übergriffe als persönliche Konflikte zu erklären und uns damit die Definitionsmacht zu nehmen. Das ist ihnen teilweise gelungen.

Eine besonders verwirrende Verdrehung fand statt, als uns die Täterinnen einen Sexismusvorwurf machten. Das Wort Vergewaltigung ist von uns im Zusammenhang mit den Vorfällen gefallen, ohne das eine klare Abgrenzung vorgenommen wurde. Dies wurde als Gleichsetzung mit einer Vergewaltigung dargestellt. Der Vorwurf der Nicht-klaren Abgrenzung ist gerechtfertigt, von uns kann es dazu nur Diskussionen geben. Diese Argumentation ist unglaubwürdig vor dem Hintergrund, dass ein Haufen Sexistinnen und Täterinnen sich auf die uneindeutige Äußerung stürzen, um von der eigenen Scheiße abzulenken. Es entstand daraufhin sogar, das Gerücht, wir hätten willkürlich Leute auf eine sogenannte "Schwarze (sie!) Liste für Vergewaltiger" gesetzt. 

Diese überregional verbreitete Argumentation zog Konsequenzen für uns nach sich. Damit wurde u.a. untermauert, das wir überreagieren und mal wieder von den Tätern versucht uns die Definitionsmacht in Bezug auf sexistische Konflikte zu nehmen. Wir haben lange über diese Situation und Verdrehung diskutiert, uns ist dabei bewusst geworden, dass unsere Situation durchaus zu toppen ist.

Täterschützerinnen

Zur Gruppe der Täterinnen gesellten sich nun die Täterschützerinnen, welche sich mit dem Schlägertypen solidarisieren und ihm ermöglichen eine Normalität zu leben, in der seine körperlichen Angriffe nicht Thema und damit in Ordnung sind. Sie boten ihm ihren physischen und psychischen Schutz vor einer Auseinandersetzung an. Der physische Schutz wurde durch Mobbildung geleistet, um den Schläger in ihrer Mitte in die gewünschten Räume zu bringen. Diese Räume waren politische Veranstaltungen und Plenas, bei denen wir ausdrücklich seine Nicht-Teilnahme gefordert hatten. Der psychische Schutz bestand im erwähnten Angebot, ihm eine Normalität zu gewährleisten. Dies wurde von Unmengen von Leuten gemacht, die in Scharen kamen, um ihm ihre Solidarität anzubieten, während unser Zusammenhang immer kleiner wurde. Unser bisheriges Umfeld bot uns Neutralität an und ihm Solidarität, ohne zu merken, dass beides zugleich unmöglich und für uns untragbar ist. Die Folge daraus war, das sich unsere sozialen Kontakte enorm einschränkten. Unter den Täterinnen und Täterschützerinnen entstanden währenddessen freundschaftlichere und demonstrativ herzlichere Kontakte.

Das Verhalten derjenigen Frauen hat uns dabei sehr getroffen, die bei früheren Diskussionen, Konflikten und Aktivitäten mit uns zusammengearbeitet oder sich solidarisiert hatten und/oder zu unserem näheren sozialen Umfeld gehörten. Wir verloren damit Freundinnen, die jetzt engen sozialen und politischen Kontakt zu dem Schläger haben. Einige dieser Frauen stellten unseren Umgang mit den Vorfällen in Frage.

Die Gruppe der Täterinnen und Täterschützerinnen hat sich in wenigen Tagen organisiert und setzte sich zusammen aus über der Hälfte unseres bisherigen sozialen und politischen Umfeldes. Es war ein Fehler von uns, die sexistischen Verhältnisse innerhalb dieses früheren Umfeldes mitgetragen zu haben. Wir versuchten, uns zu vielen Sachen zu positionieren, haben uns aber nie von diesem Umfeld distanziert. "Pack schlägt sich. Pack verträgt sich" kommentierte eine Frau diesen Umgang, den sie selbst ähnlich erlebte.

Eine weit verbreitete Form des Täterinnenschutzes, wurde und wird von Leuten praktiziert, die sich zu uns oder nicht auf Täterinnen-Seite positioniert haben. In Situationen, in denen es möglich gewesen wäre, auf verbale Angriffe gegen uns zu reagieren, oder durch eine Positionierung gegen die Täterinnen dem Agieren dieser nicht zuzustimmen, trugen viele eine gespielte Hilflosigkeit zur Schau. Es wurde abgewartet, ob die "durchgeknallten Frauen wieder zur Ruhe kommen" und sich damit das Problem erledigt, es wurde versucht, sich herauszuhalten, die Auseinandersetzung vor sich herzuschieben. Auf diese Art wurde hier schon immer Konflikten aus dem Weg gegangen.

Die Täterinnen veranstalteten ein als Plenum getarntes Tribunal gegen uns, bei dem uns Leute aus der AAB als Moderation und die Täterinnen als Anklägerinnen gegenübersaßen. Innerhalb kürzester Zeit sahen wir uns mit geballter verbaler Gewalt und Gewaltandrohungen konfrontiert. Die Moderatoren-Richterin entschied wörtlich, dass in diesem Fall die Definitionsmacht der Frau nicht gilt. Wir verließen schreiend und heulend den Raum. Niemand reagiert adäquat auf die Situation. Im Nachhinein wurde uns Beileid ausgesprochen.

Militanzverständnis

Die Drohung des Schlägers, nochmals anzugreifen, ist bis heute nicht zurückgenommen worden. In einem Gespräch von uns mit einem der Täterinnen im Dezember, drohte dieser ebenfalls mit Gewalt, falls Handlungen unsererseits bezüglich der Übergriffe stattfinden. Uns wird nicht nur damit klargemacht, das die Eskalation der Situation von uns und unserem (Nicht) Verhalten abhängt. Es ist so für uns so, dass hier permanent Gewalt ausgeübt wird, wenn nicht durch Drohungen, dann durch verbale Angriffe immer, wenn wir auf sie treffen. Dies ist bis jetzt nur in den wenigen Schutzräumen nicht der Fall, die wir uns erkämpften und auch jetzt jeden Tag wieder verteidigen müssen. Die Täter stellen ihre Gewaltbereitschaft schon seit Jahren durch ihr aggressives Auftreten und durch Körpersprache dar. Ihr Politisch-Sein beziehen sie aus Kampfhandlungen.

Das Ganze ist und bleibt eine unreflektierte Gewaltanwendung, bei der die Opfer beliebig sind und ist schon gar nicht links.

Es stellt sich als purer Zynismus dar, wenn nun diese Leute ernsthaft erzählen, sie würden sich von uns bedroht fühlen.

Täterschutzorganisation AA/BO

In unseren Diskussionen über den Umgang mit den Vorfällen entstand unter uns der Witz, die Forderung aufzustellen, die Täterinnen sollten in die AA/BO (Antifaschistische Aktion Bundesweite Organisation) eintreten. Eine politische Basis dafür war schon seit Jahren vorhanden. Kontakte zu den AA/BO-Gruppen in Berlin und Leipzig bestanden schon länger und Leute aus diesen Gruppen haben sich auch in den ersten Tagen nach den Übergriffen mit dem Schläger solidarisiert. Die Gründung einer bis jetzt inoffiziellen AA/BO-Gruppe, der AADD, war daher für die Täterinnen eine sichere Möglichkeit, politisch aktiv zu sein, ohne sich mit den Übergriffen auseinanderzusetzen. Die Vorfälle waren eine entscheidende Motivation für die Gründung der Gruppe.

Jetzt, fast ein halbes Jahr später, werden die Täterinnen wieder offensiver. Der Schläger wiederholte explizit seine Gewaltandrohung uns gegenüber. Er bezieht sich dabei auf den 27. August und den Umgang aller damit. Von den Täterinnen wird durch Sprüche, Sprühereien und Handlungen eine Eskalation der Situation provoziert.

Sexisten und ihre Schutzräume angreifen! Die Definitionsmacht liegt bei den Unterdrückten! Linkssein beinhaltet eine sichtbare Auseinandersetzung mit Unterdrückungsformen! Politische Konsequenzen statt Betroffenheit!

23. Jan 00; 
FrauenLesben im Infoladen; Louisenstr. 93, 01099 Dresden

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