KRITIKPAPIER
DER GRUPPE ANTIFASCHISTISCH KÄMPFEN MÜNCHEN
Aufgrund der internen Konflikte
innerhalb der Antifaschistischen Aktion München (AAM), haben
sich mehrere Leute dazu entschieden, die AAM zu verlassen. Die
Gründe dafür mögen bei einigen unterschiedlich sein, doch
wird die hier dargelegte Kritik von dem Großteil der
ausgetretenen Mitglieder inhaltlich geteilt. Wir haben uns dazu
entschieden dieses Kritikpapier zu formulieren, da wir zum einen
eine konstruktive Auseinandersetzung wünschen. Zum anderen
wollen wir aber auch für unsere weitere antifaschistische
Arbeit Klärungsprozesse in Gang setzen, um von Beginn an längerfristige,
unüberbrückbare Konflikte (wie in der AAM) in unserer
Antifa-Arbeit zu vermeiden! Das soll nicht heissen, dass wir uns
mit Konflikten in unserer politischen Arbeit nicht
auseinandersetzen wollen, um diese zu lösen. Sind diese
allerdings so grundlegend, dass sie uns an unserer
antifaschistischen Arbeit hindern, ist es unserer Meinung nach
besser, getrennt voneinander zu arbeiten (was keine
Entsolidarisierung bedeuten soll!). Zum besseren Verständnis
wollen wir hier noch einmal die grundlegenden politischen
Differenzen innerhalb der Gruppe darstellen.
DISKUSSIONSPROZESSE IN DER GRUPPE
Zum einen kam es im letzten Jahr
kaum zu politisch, inhaltlichen Diskussionen innerhalb der
Gruppe. Alle Diskussionsansätze, die über den reinen
Antinaziansatz hinausgingen, wurden durch Formalien, wie nicht
„unserem" Antirfakonsens entsprechend, im Keim erstickt,
ohne überhaupt auf den Inhalt eingegangen zu sein (letztes Bsp.
die geplante Antifazeitung - Schwerpunkt l Jahr Rot/Grün).
Grundlage dafür war der nicht näher definierte
Plattfbrmkonsens, der von einigen dazu instrumentalisiert wurde,
unliebsame Inhalte zu zensieren. Wir sehen Diskussionen
allgemein und Inhalte die über den reinen Antinaziansatz
hinausgehen im speziellen, als grundlegend notwendig an, um eine
gemeinsame theoretische Grundlage für unsere politische Praxis
zu entwickeln. Dies muss aber in einem Wechselspiel aus Theorie
und Praxis und nicht aus einer einseitigen theoretischen
Grundlagenbildung erwachsen. Damit wären wir beim nächsten
Punkt:
FEHLENDE UNO UNHINTERFRAGTE
PRAXIS
Wir sehen als einen der größten
Fehler der letzten Monate, dass es aufgrund der oben genannten
fehlenden Diskussionen auch zu keinerlei gesellschaftlich
relevanten Praxis mehr kam (z.B. CSU Unterschriftenkampagne,
Naziüberfall auf antifaschistischen Genossen, Kosovo Krieg,
Metzgernazis, Stadtteilarbeit, Kultur usw.). Eine neues
Praxiskonzept, das nach jahrelanger Kampagnenpolitik entwickelt
wurde, stellte längerfristige Arbeit in den Vordergrund, da spätestens
nach der Demonstration gegen den rassistischen Wahlkampf der CSU
die Grenzen einer reinen Kampagnenpolitik aufgezeigt wurden.
Diese Praxis umrasst im einzelnen folgende Bereiche: Die Bündelung
der radikalen antifaschistischen Kräfte in München in Form
eines Stadtplenums. Auf der Grundlage des
Informationsaustausches, der gemeinsamen Vorbereitung von
Aktionen, Kulturarbeit, einer antifaschistischen Zeitung und ähnlichem,
soll dort ein Zusammenkommen der einzelnen Gruppen stattfinden
und damit auf lange Sicht gesehen sich ein inhaltliches
Zusammenwachsen vollziehen.
Der zweite Bereich dieses
Praxiskonzepts beinhaltet die kulturelle Arbeit, die sich in
Zukunft erst in bestimmten Stadtteilen ansiedeln soll. Die
Auswahl der Stadtteile hängt zum einen von der grundsätzlichen
Möglichkeit ab dort kulturell Inhalte zu vermitteln, aber auch
von der antifaschistischen Präsenz im Stadtteil (Treffpunkte,
Veranstaltungsorte, Wahrnehmbarkeit auf der Straße usw.). Diese
Kulturarbeit
und allgemein die
antifaschistische Stadtteilarbeit soll sich natürlich längerfristig
immer weiter auf andere Viertel der Stadt ausdehnen. Konzept ist
dabei auch den Nazis auf der Ebene der kulturellen Hegemonie
(Stichwort „National befreite Zonen") entgegenzuwirken
und dies nicht in Form einer reinen Gegenhaltung, sondern in
Form eigener (kultureller) Inhalte! Der dritte Bereich dieser
Praxis soll die kontinuierliche antifaschistische Information
sicher stellen. Nachdem sich die AAM auf dem Informationssektor
zu lange abhängig von reiner Pressearbeit mit bürgerlichen
Medien gemacht hat und zusammen mit den eigenen Flugblättern
damit einer zu großen unregelmäßigen Verbreitung ihrer
Inhalten unterworfen war, ist es unserer Meinung nach unerlässlich,
kontinuierliche antifaschistische Information im Rahmen einer
eigenen Zeitung zu gewährleisten. Pressearbeit mit bürgerlichen
Medien und Flugblätter sind selbstverständlich auch in Zukunft
ein Standbein der Informationsarbeit.
Der vierte und letzte Punkt der längerfristigen
Antifaarbeit hat den Punkt Präsenz auf der Straße zum Inhalt.
Dies bedeutet, dass die Straßen in den Stadtteilen von
kleineren Gruppen von Antifas durchkreuzt werden, um Inhalte wie
Aufkleber, Plakate, Flugis und Zeitungen zu verteilen, aber auch
der faschistischen Präsenz auf den Straße entgegenzutreten.
Diese Form der Aktion soll dann in direkten Bezug zur
kulturellen Arbeit in den einzelnen Stadtteilen stehen. Dies
sind im groben die vier Eckpunkte einer neuentwickelten Praxis,
die nicht mehr nur Kampagnenpolitik zum Inhalt hat und dabei
auch Wert auf eine antifaschistische Kultur legt die ein
soziales Miteinander fördern soll! Sie ist Voraussetzung für
die vielfach diskutierte Persönlichkeitsentwicklung und nicht
die internen Diskussionszirkel, die von jeglicher Aktion losgelöst
sind. Da diese kontinuierliche und praktische antifaschistische
Arbeit vor Ort unserer Meinung nach das wichtigste Standbein
ist, um neue Leute zu gewinnen und eine starke
radikal-antifaschistische Bewegung aufzubauen, kam es zu keinem
Mitgliederzuwachs, es stiegen im Gegenteil viele aus.
Berechtigterweise wurden wir im letzten Jahr immer wieder für
unsere fehlende Praxis kritisiert. Dadurch kam es auch zu keiner
gemeinsamen Arbeit mit anderen Gruppen wie z.B. AJF und Obacht.
Auch war das Auftreten auf
Demonstrationen, oftmals inhaltsloses, pseudomilitantes
Mackerverhalten, das zu einem äusseren negativen
Erschienungsbild der AAM beitrug. Dies machte sich unserer
Ansicht nach vor allem an der geringen Zahl von weiblichen
Mitgliedern fest. Dazu zählen wir auch das Redeverhalten vieler
Männer und ihre mangelnde Selbstkritik. Von dieser Kritik
wollen und können wir uns nicht ausnehmen!
VOLKSFRONT ODER EINHEITSFRONT?
Unter diesen beiden Schlagworten
macht sich der wohl stärkste Konflikt auf, der zu unserem
Austritt geführt hat.
Zum einen war es das Anliegen
einiger Mitglieder der AAM, möglichst viele Menschen und
Organisationen unter einem sehr weit gefassten Antifakonsens zu
sammeln. Dies hatte zur Konsequenz, dass ein relativ
vereinfachter Antifaschismusbegriff propagiert wurde, der die
Wurzeln für rassistische Straßenschläger ausklammerte. Man
ging davon aus, dass je flacher das Problem Nazis dargestellt
wurde, desto mehr Leute beteiligen sich am antifaschistischen
Kampf. Durch diese Herangehensweise wurde radikaler
Antifaschismus, der das kapitalistische System als Hauptursache
von Faschismus ansieht zahnlos. Dabei wird Einfachheit der
inhaltlichen Darstellung (die auch wir wollen) mit Flachheit und
eindimensionaler Sicht verwechselt!
Im Gegensatz dazu steht unsere Überlegung,
nämlich strategisch also längerfristig antifaschistische Kräfte
zu sammeln, die uns politisch am nächsten stehen, um eine sich
immer stärker ergänzende Praxis zu entwickeln (siehe oben erwähntes
Praxiskonzept). Taktische Bündnisse, also kurzfristig angelegte
Arbeit mit reinen Antinazikräften, z.B. zu Naziaufmärschen ist
uns zwar auch wichtig, allerdings nicht unser Schwerpunkt.
Dies sind im wesentlichen unsere
Kritikpunkte aber auch unsere Vorstellungen, die wir daraus
entwickelt haben. Diese müssen nun in unserer neuen Praxis
bestehen, um unserem Ziel einer radikalen antifaschistischen
Bewegung ein Stück näher zu kommen, die neben den Symptomen
auch den Nährboden für Faschismus angreift!
Mit antifaschistischen Grüßen
Antifaschistisch Kämpfen München
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