Quelle: Interim 492 

antifaschistisch kämpfen [münchen]
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Wohin mit den Vergewaltigern?
KRITIKPAPIER DER GRUPPE ANTIFASCHISTISCH KÄMPFEN MÜNCHEN

Aufgrund der internen Konflikte innerhalb der Antifaschistischen Aktion München (AAM), haben sich mehrere Leute dazu entschieden, die AAM zu verlassen. Die Gründe dafür mögen bei einigen unterschiedlich sein, doch wird die hier dargelegte Kritik von dem Großteil der ausgetretenen Mitglieder inhaltlich geteilt. Wir haben uns dazu entschieden dieses Kritikpapier zu formulieren, da wir zum einen eine konstruktive Auseinandersetzung wünschen. Zum anderen wollen wir aber auch für unsere weitere antifaschistische Arbeit Klärungsprozesse in Gang setzen, um von Beginn an längerfristige, unüberbrückbare Konflikte (wie in der AAM) in unserer Antifa-Arbeit zu vermeiden! Das soll nicht heissen, dass wir uns mit Konflikten in unserer politischen Arbeit nicht auseinandersetzen wollen, um diese zu lösen. Sind diese allerdings so grundlegend, dass sie uns an unserer antifaschistischen Arbeit hindern, ist es unserer Meinung nach besser, getrennt voneinander zu arbeiten (was keine Entsolidarisierung bedeuten soll!). Zum besseren Verständnis wollen wir hier noch einmal die grundlegenden politischen Differenzen innerhalb der Gruppe darstellen.

DISKUSSIONSPROZESSE IN DER GRUPPE

Zum einen kam es im letzten Jahr kaum zu politisch, inhaltlichen Diskussionen innerhalb der Gruppe. Alle Diskussionsansätze, die über den reinen Antinaziansatz hinausgingen, wurden durch Formalien, wie nicht „unserem" Antirfakonsens entsprechend, im Keim erstickt, ohne überhaupt auf den Inhalt eingegangen zu sein (letztes Bsp. die geplante Antifazeitung - Schwerpunkt l Jahr Rot/Grün). Grundlage dafür war der nicht näher definierte Plattfbrmkonsens, der von einigen dazu instrumentalisiert wurde, unliebsame Inhalte zu zensieren. Wir sehen Diskussionen allgemein und Inhalte die über den reinen Antinaziansatz hinausgehen im speziellen, als grundlegend notwendig an, um eine gemeinsame theoretische Grundlage für unsere politische Praxis zu entwickeln. Dies muss aber in einem Wechselspiel aus Theorie und Praxis und nicht aus einer einseitigen theoretischen Grundlagenbildung erwachsen. Damit wären wir beim nächsten Punkt:

FEHLENDE UNO UNHINTERFRAGTE PRAXIS

Wir sehen als einen der größten Fehler der letzten Monate, dass es aufgrund der oben genannten fehlenden Diskussionen auch zu keinerlei gesellschaftlich relevanten Praxis mehr kam (z.B. CSU Unterschriftenkampagne, Naziüberfall auf antifaschistischen Genossen, Kosovo Krieg, Metzgernazis, Stadtteilarbeit, Kultur usw.). Eine neues Praxiskonzept, das nach jahrelanger Kampagnenpolitik entwickelt wurde, stellte längerfristige Arbeit in den Vordergrund, da spätestens nach der Demonstration gegen den rassistischen Wahlkampf der CSU die Grenzen einer reinen Kampagnenpolitik aufgezeigt wurden. Diese Praxis umrasst im einzelnen folgende Bereiche: Die Bündelung der radikalen antifaschistischen Kräfte in München in Form eines Stadtplenums. Auf der Grundlage des Informationsaustausches, der gemeinsamen Vorbereitung von Aktionen, Kulturarbeit, einer antifaschistischen Zeitung und ähnlichem, soll dort ein Zusammenkommen der einzelnen Gruppen stattfinden und damit auf lange Sicht gesehen sich ein inhaltliches Zusammenwachsen vollziehen.

Der zweite Bereich dieses Praxiskonzepts beinhaltet die kulturelle Arbeit, die sich in Zukunft erst in bestimmten Stadtteilen ansiedeln soll. Die Auswahl der Stadtteile hängt zum einen von der grundsätzlichen Möglichkeit ab dort kulturell Inhalte zu vermitteln, aber auch von der antifaschistischen Präsenz im Stadtteil (Treffpunkte, Veranstaltungsorte, Wahrnehmbarkeit auf der Straße usw.). Diese Kulturarbeit

und allgemein die antifaschistische Stadtteilarbeit soll sich natürlich längerfristig immer weiter auf andere Viertel der Stadt ausdehnen. Konzept ist dabei auch den Nazis auf der Ebene der kulturellen Hegemonie (Stichwort „National befreite Zonen") entgegenzuwirken und dies nicht in Form einer reinen Gegenhaltung, sondern in Form eigener (kultureller) Inhalte! Der dritte Bereich dieser Praxis soll die kontinuierliche antifaschistische Information sicher stellen. Nachdem sich die AAM auf dem Informationssektor zu lange abhängig von reiner Pressearbeit mit bürgerlichen Medien gemacht hat und zusammen mit den eigenen Flugblättern damit einer zu großen unregelmäßigen Verbreitung ihrer Inhalten unterworfen war, ist es unserer Meinung nach unerlässlich, kontinuierliche antifaschistische Information im Rahmen einer eigenen Zeitung zu gewährleisten. Pressearbeit mit bürgerlichen Medien und Flugblätter sind selbstverständlich auch in Zukunft ein Standbein der Informationsarbeit.

Der vierte und letzte Punkt der längerfristigen Antifaarbeit hat den Punkt Präsenz auf der Straße zum Inhalt. Dies bedeutet, dass die Straßen in den Stadtteilen von kleineren Gruppen von Antifas durchkreuzt werden, um Inhalte wie Aufkleber, Plakate, Flugis und Zeitungen zu verteilen, aber auch der faschistischen Präsenz auf den Straße entgegenzutreten. Diese Form der Aktion soll dann in direkten Bezug zur kulturellen Arbeit in den einzelnen Stadtteilen stehen. Dies sind im groben die vier Eckpunkte einer neuentwickelten Praxis, die nicht mehr nur Kampagnenpolitik zum Inhalt hat und dabei auch Wert auf eine antifaschistische Kultur legt die ein soziales Miteinander fördern soll! Sie ist Voraussetzung für die vielfach diskutierte Persönlichkeitsentwicklung und nicht die internen Diskussionszirkel, die von jeglicher Aktion losgelöst sind. Da diese kontinuierliche und praktische antifaschistische Arbeit vor Ort unserer Meinung nach das wichtigste Standbein ist, um neue Leute zu gewinnen und eine starke radikal-antifaschistische Bewegung aufzubauen, kam es zu keinem Mitgliederzuwachs, es stiegen im Gegenteil viele aus. Berechtigterweise wurden wir im letzten Jahr immer wieder für unsere fehlende Praxis kritisiert. Dadurch kam es auch zu keiner gemeinsamen Arbeit mit anderen Gruppen wie z.B. AJF und Obacht.

Auch war das Auftreten auf Demonstrationen, oftmals inhaltsloses, pseudomilitantes Mackerverhalten, das zu einem äusseren negativen Erschienungsbild der AAM beitrug. Dies machte sich unserer Ansicht nach vor allem an der geringen Zahl von weiblichen Mitgliedern fest. Dazu zählen wir auch das Redeverhalten vieler Männer und ihre mangelnde Selbstkritik. Von dieser Kritik wollen und können wir uns nicht ausnehmen!

VOLKSFRONT ODER EINHEITSFRONT?

Unter diesen beiden Schlagworten macht sich der wohl stärkste Konflikt auf, der zu unserem Austritt geführt hat.

Zum einen war es das Anliegen einiger Mitglieder der AAM, möglichst viele Menschen und Organisationen unter einem sehr weit gefassten Antifakonsens zu sammeln. Dies hatte zur Konsequenz, dass ein relativ vereinfachter Antifaschismusbegriff propagiert wurde, der die Wurzeln für rassistische Straßenschläger ausklammerte. Man ging davon aus, dass je flacher das Problem Nazis dargestellt wurde, desto mehr Leute beteiligen sich am antifaschistischen Kampf. Durch diese Herangehensweise wurde radikaler Antifaschismus, der das kapitalistische System als Hauptursache von Faschismus ansieht zahnlos. Dabei wird Einfachheit der inhaltlichen Darstellung (die auch wir wollen) mit Flachheit und eindimensionaler Sicht verwechselt!

Im Gegensatz dazu steht unsere Überlegung, nämlich strategisch also längerfristig antifaschistische Kräfte zu sammeln, die uns politisch am nächsten stehen, um eine sich immer stärker ergänzende Praxis zu entwickeln (siehe oben erwähntes Praxiskonzept). Taktische Bündnisse, also kurzfristig angelegte Arbeit mit reinen Antinazikräften, z.B. zu Naziaufmärschen ist uns zwar auch wichtig, allerdings nicht unser Schwerpunkt.

Dies sind im wesentlichen unsere Kritikpunkte aber auch unsere Vorstellungen, die wir daraus entwickelt haben. Diese müssen nun in unserer neuen Praxis bestehen, um unserem Ziel einer radikalen antifaschistischen Bewegung ein Stück näher zu kommen, die neben den Symptomen auch den Nährboden für Faschismus angreift!

Mit antifaschistischen Grüßen

Antifaschistisch Kämpfen München

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