Mola-Diskussion
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trend 12/97

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Wohin mit den Vergewaltigern?

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ZENSUR & INTERIM Teil II


Vorbemerkung: Unsere Bemühungen die INTERIM-Zensur durch Veröffentlichung der dort zensierten Texte zu durchbrechen, hatte in Sachen
Mola insoweit Erfolg, als nunmehr wenigstens der Text im "INTERIM-Ordner" einzusehen ist. Die Gruppe zur Verteidigung autonomer Kritik & Selbstkritik hat uns am 6.12. nun zwei weitere Texte (LeserInnenbriefe) übersandt, die wiederum in der INTERIM nicht zum Abdruck kamen. Sie werden nachfolgend veröffentlicht.

Unsere Forderung auf Zusendung aller nicht veröffentlichten Artikel zwecks Webveröffentlichung wird derzeit noch von der(n) INTERIM-Redaktion(en) ignoriert. Fragt sich nur, wie lange noch?


Leserbrief zum Editorial der Nr. 435

"Über die Hutschnur": Zensur in der Interim

"Eine Redaktion" hat entschieden, was dem geneigten Interim-Publikum zugemutet werden kann und was nicht. Angeblich sind die RedakteurInnen dafür, "kontroverse Positionen zu veröffentlichen". Erreicht sie aber ein Text zur Vergewaltigungsdebatte mit einem radikal anderen Ansatz als der sonst publizierte, geht's ihr "über die Hutschnur" und sie zensiert ihn einfach weg. Nicht mal in den Ordner wird er gesteckt.

Angeblich sei in dem Beitrag von Mili-Tante Spinne "völlig überflüssige Polemik" und "Anpisse" enthalten, die die Diskussion "kaputtmache". Uns ist dieser Text ("Mola - die Morgenlatte") ebenfalls zugewachsen und wir können uns der Meinung "Einer Redaktion" nicht anschließen:

1. "Polemik", laut Falken-Lexikon "der an die Öffentlichkeit getragene Streit, meist wissenschaftlichen Inhalts", kann gar nicht "überflüssig" sein, denn es ist genau das, was in der politischen Auseinandersetzung angesagt ist.

2. "Anpisse" gab's in den bislang abgedruckten Beiträgen zuhauf, ohne daß dies von den Redaktionen bemängelt worden wäre. Z.B. bezichtigte I.N.A. ihren (Ex-)Freund sogar eines Verbrechens. Die 16jährige Killing Wolf schickte selbige I.N.A. zum Psychiater und andere Frauen äußerten sich stark beleidigend gegenüber Killing Wolf. In dem von "Einer Redaktion" wegzensierten Artikel werden unserer Meinung nach zwar die kritisierten Autorinnen inhaltlich scharf angegangen, aber nicht beleidigt, es sei denn, der Vorwurf, sie würden das gemäßigte Patriarchat in Deutschland mit dem radikalen Patriarchat in Afghanistan auf eine Stufe stellen, erfüllte die Kriterien einer Anpisse. Also: Wir sehen Ironie in dem inkriminierten Text, aber keine "Anpisse".

Wir fragen die RedakteurInnen was sie gegen Polemik haben und wo sie Anpisse sehen. Vielleicht gab's ja noch andere Gründe, den Beitrag wegzuzensieren, nur werden diese uns leider nicht mitgeteilt. Ihr solltet es der Einfachheit halber mit Abdruck des Artikels und Kritik daran versuchen. (Einige von uns würden selbst gerne Kritik an Mili-Tante Spinne üben, aber solange ihr Text nicht allgemein bekannt ist, geht's nun mal nicht.)

Bitte haltet uns LeserInnen nicht für blöd oder unmündig, selbst zu entscheiden, was für die autonome Diskussion zuträglich oder abträglich ist. Zensur darf es in autonomen Zusammenhängen nicht geben, sonst findet eine weitere Verengung der Bewegung statt, die ohnehin schon bedenkliche Dimensionen angenommen hat.

Gruppe zur Verteidigung autonomer Kritik & Selbstkritik


Zensur und Internet

Der bürgerliche Staat versuchte im Sommer vergebens das Erscheinen der Interim zu verhindern. Das gelang ihm unter anderem deshalb nicht, weil das linke und autonome Spektrum sofort reagierte und solidarisch das Wiedererscheinen ermöglichte. Trotzdem konnte die Printausgabe nur rudimentär und mit Verspätung rauskommen. Wir ermöglichten der Interim den Bruch der bürgerlichen Zensur, indem wir die Zusage der TREND-Redaktion vermittelten, die Interim wenigstens on-line zu veröffentlichen. Die RedakteurInnen der Interim hatten dieses Angebot dankend angenommen.

Da die Interim-RedakteurInnen in den letzten Nummern nun selbst "bürgerliche Zensur" (so im Vorwort zur Nr. 437) ausübten, indem sie den Abdruck des Artikels von Mili-Tante Spinne ("Mola - Die Morgenlatte") und unseren Leserbrief dazu ablehnten, haben wir das gleiche getan und den Text dem TREND zur Veröffentlichung zugeleitet. Die TREND-Redaktion ist erklärtermaßen gegen jede Zensur und hat den Text auch prompt on-line gestellt (trend/).

In der neuesten Ausgabe der Interim schreiben die RedakteurInnen nun, diejenigen, die der "bürgerlichen Zensur via Internet ein Schnippchen schlagen" wollen, "sollten zumindest die Frage beantworten, wer überhaupt Zugang zum Internet hat". Abgesehen davon, daß die Interim-RedakteurInnen die eigene Zensur gegen mißliebige Texte als "bürgerlich" kennzeichnen, ist diese Auslassung auch deshalb interessant, weil sie ihren eigenen Zynismus in dieser Frage mit Heuchelei zu verdecken suchen. Wenn's um die eigene Haut geht, ist on-line-gehen gerade recht, trifft's aber andere, die man selber nicht leiden mag, wird auf proletarisch gemacht und spitz die Frage gestellt, wer überhaupt Zugang zu dieser Technik hat. (Ein 386/486iger mit 4 MB RAM und 100er Festplatte oder der billigste Pentium mit 14400er-Modem und berlinet als Provider mit 20,- DM pro Monat für 30 Stunden Internet-Surfen tut's schon. Wir erinnern an die diesbezüglichen Diskussionen im xb-liebig und im Chip Anfang des Jahres).

Abschließend bleibt uns nur die Feststellung, daß wir für die inhaltliche Klarstellung der Interim-RedakteurInnen dankbar sind, welches Ausmaß an Feigheit inzwischen gegenüber divergenten Texten erreicht ist. Wir sind auch dankbar für die Feststellung, daß die Redaktion "bügerliche Zensur" ausübt. Was in autonomen Zusammenhängen über bürgerliche Zensur gedacht wird, sollte der Interim-Redaktion nicht unbekannt sein. Falls die Redaktion keine Korrektur vornimmt, kann sie nicht mehr als autonom angesehen werden.

Gruppe zur Verteidigung autonomer Kritik und Selbstkritik

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