KOMMUNISTISCHE
STREITPUNKTE
- Zirkularblätter - Extra zum Krieg -
16.10.1999 - Onlineversion
Manfred Sohn Ein Protektorat - und weiter ...Beitrag für Kalaschnikow, abgeschlossen am 17.07.99 |
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Die politische Regierungszentrale ist wieder in Berlin
und von Berlin aus machen Herrschende das, was sie von dieser Stadt aus
am liebsten machen: Sie dirigieren deutsche Militärstiefel in anderen
Teilen der Welt.
Mit den deutschen Besatzungstruppen im Kosovo ist die Normalität in die deutsche Politik zurückgekehrt. Sie war unterbrochen einmal durch den Schwächeanfall von 1918 bis 1933 und zweitens durch die aus Sicht des Kapitals unerträglich langen Jahrzehnte der sozialistischen Herausforderung von 1945 bis 1989. Jetzt hat alles wieder seinen Platz: Deutschland ist die unbestrittene kontinentale Zentralmacht und ihr Zentrum ist Berlin, am östlichen Rand des Reiches. Damit sind auch die weiteren Aufgaben bestimmt - denn eine Hauptstadt gehört in das Zentrum, nicht an den Rand. Doch dazu später. Im Kosovo ging es um Menschenrecht so wie es 1914 um einen Platz an der Sonne und 1941 um die Rettung des christlichen Abendlandes vor ging. Klar war, daß nach dem Krieg die Medienmaschinen zu seiner Rechtfertigung noch einmal aufheulten. Mit großer Mühe und großem Getöse wurden 7 Kinderleichen entdeckt - von denen Journalisten, die dafür Traumgehälter kassieren, sofort wußten, daß sie von Serben getötet wurden. Die sieben toten Kinder verklebten die Augen der guten Deutschen, deren Jungs von der Luftwaffe gemeinsam mit den guys der anderen NATO-Staaten mit ihren Bombern über Jugoslawien ein vielfaches an Kinderleibern aus der Luft zerfetzt hatten - und den Überlebenden die Schulen und Kindergärten in Klump gehauen haben. Das Gelüge um die Menschenrechte ist an anderer Stelle hinreichend widerlegt worden. Helfen wird das wenig - die Platte war zu erfolgreich, um nicht bei nächsten Waffengang wieder aufgelegt zu werden. Die Interessenlage in diesem KriegWo er recht hat, hat er recht. Welche Interessen also spielten in diesem Krieg eine Rolle und wer hat sie wie weit durchgesetzt? Die jugoslawische Führung hat es gegenüber dem Diktatversuch von Rambouillet immerhin geschafft, die NATO-Truppen aus dem jugoslawischen Kernland fern- und die eigene Armee intakt zu halten. Der Preis dafür ist der faktische Verlust des Kosovo. Ob er politisch akzeptabel ist, ob also die gegenwärtige Führung sich hält, wird das Volk entscheiden - so wie es in vier Wahlen bisher entschieden hat, Milosovic zu wählen. Im alten Bonn: Kein Jubel auf den Straßen, aber in den herrschenden politischen Kreisen. Sie haben ihre Feuerprobe bestanden. Die Bundeswehr ist wieder handlungsfähig. Das Trauma von 1945 beginnt zu weichen. Es ist vollbracht: Deutschland hat wieder ein Protektorat! Ein ganz kleines zwar nur, nur ein Stückchen einer Provinz eines Balkanlandes - aber aller Anfang ist halt schwer. Es ist das erste deutsche Protektorat nach der Kolonialzeit und nach der kurzen Sumpfblüte von 1939 bis 1945. Was war - um bei der Leitfrage von Herrn Baron zu bleiben - das Interesse der herrschenden Klassen Deutschlands an diesem Krieg? Es bestand und besteht vor allem darin, die Stellung als vorherrschende europäische Kontinentalmacht ein Stückchen auszubauen. Das ist gelungen. Es ist zwar nicht soweit gelungen, wie gehofft war, aber sie sind vorangekommen. Der deutsche Militärstiefel steht im Balkan. Jenseits des Atlantiks ist der Jubel unüberhörbar verhaltener. Die Interessenlage der herrschenden Kreise in Washington, Denver und anderswo war ebenfalls klar: Der Kaukausus, der Nahe Osten und das Scharnier für beide, der Balkan, sind amerikanisches Interessengebiet. Sie sind es geostrategisch wegen der Rohstoffvorräte und -verbindungen und sie sind es, um dem europäischen Konkurrenten das Spielfeld Eurasien nicht zu überlassen. Im Kampf der imperialistischen Giganten sind die USA nicht der Angreifer, sondern der Verteidiger. Sie müssen nicht mehr die Nr. 1 werden, sie sind es und sie möchten es bleiben. Sie registrieren seit rund zwei Jahrzehnten ein ökonomisches Stärkerwerden der 1945 tief am Boden liegenden kapitalistischen Staaten Europas. Sie sahen, wie vor allem das deutsche Kapital den Gewinn aus dem Zerschlagen und Zusammenbrechen der realsozialistischen Staatengemeinschaft zog. Sie haben mit der EU einen in seinem Volumen und seiner Geschlossenheit erstmals gleichwertigen Konterpart und mit dem EURO eine Herausforderung des Dollars als der Leitwährung bekommen, deren Unentbehrlichkeit zum Handel in der Welt der Haupthebel war und ist, um die Wirtschaftskraft fremder Länder in die USA zu lenken und dort zu verwerten. Diesen Vorteil als Platzhirsch haben sie vor allem genutzt, um sich - unter Aneignung fremder Wirtschaftskraft - die gewaltigste Militärmaschine zu bauen, die die Menschheit bislang hatte. Vom Zaun gebrochen aber hat die Jugoslawien-Kriege Deutschland. Nur der Papst stand Kohl und Genscher bei, als am 23.12.91 Bonn Krotien und Slowenien anerkannte. Die UNO warnte, London warnte, Washington warnte. Der Jugoslawien-Vermittler Carrington erklärte öffentlich, das sei das „Signal zum Bürgerkrieg". Der Bürgerkrieg wurde internationalisiert, weil Washington diese Herausforderung Deutschlands begriffen hatte. Also gingen die Amerikaner mit ihrer stärksten Karte in das Spiel: der militärischen. Sie waren es, die die militärische Eskalation betrieben haben und einige Wochen sah es so aus, als würden die deutsche Zauberlehrlinge die Kräfte fürchten, die sie riefen. Als der Bodenkrieg angesichts der scheinbaren Wirkungslosigkeit der Bombardements immer näher rückte - trotz Bonner Widerstand immer wieder von Washington und London ins Gespräch gebracht -, da schien der aufstrebende deutsche Imperialismus Schiß vor der eigenen Courage zu bekommen. Tatsächlich hat die deutsche Diplomatie die herrschenden Kreise aus der drohenden Sackgasse herausgetrickst. Die Kunst der Diplomatie im imperialistischen Zeitalter besteht bekanntlich darin, auch kleinste Haarrisse zwischen den Interessen handelnder Mächte und auch innerhalb der herrschenden Kreise dieser Mächte selbst auszunutzen. Hinsichtlich der USA lag dieser Haarriß zwischen der Bereitschaft, in dem Gerangel mit EUROland zwar auf die militärische Karte zu setzen, aber eben nicht voll, weil - trotz „Wüstensturm" - das Vietnam-Trauma noch sitzt. Das Hin und Her um die Apache-Hubschrauber zeigt unübersehbar, daß im Lager des stärksten imperialistischen Räubers heftig gestritten wurde, ob die ganze Macht in diesem Konflikt eingesetzt werden sollte oder nicht. Der Juniorpartner Großbritannien war da ebenso unübersehbar forscher. Wer einmal im „Imperial War Museum" in London war - dem Museum, in dem der britische Imperialismus nicht gequält, sondern stolz die Devotionalien aus 150 Jahren erfolgreicher Waffengänge zur Schau stellt - stößt als jüngste Abteilung eben nicht auf dem Scham Vietnam, sondern auf den Stolz des Falkland-Sieges. Der wird ausführlich zelebriert und jede britische Provinzbücherei ist voll von diversen Erinnerungsbüchern zu diesem Waffengang. Das Vermitteln eines Bodenkrieges bis in die eigene Bevölkerung hinein war in den USA anders als in Großbritannien zäh - unabhängig von der Entschlossenheit der Führung, es zu tun. Das Verdienst der deutschen Diplomatie war - darin sind sich alle großen bürgerlichen Blätter einig - das Hereinholen „der Russen". Nun muß mensch sich sowohl auf linker wie auf serbischer Seite vor einem teilweise etwas nostalgisch verklärten Rußland-Bild hüten. Das ist eben heute weniger ehemalige sozialistische Hauptmacht als viel mehr der verarmte Rüpel, der sich in die Herrenrunde, zu der er wieder wie zu Zars Zeiten gehören möchte, notfalls selbst einlädt. Diese Macht Rußland ist nach wie vor groß in ihrer territorialen Ausdehnung und der Zahl ihrer Bevölkerung. Unter Zerschlagung sozialistischer Errungenschaften ist sie seit nunmehr bald zehn Jahren wieder eine kapitalistische Macht, deren herrschende Klasse mafiose Strukturen ausweist und die sich nur halten kann, weil sie vom Westen mit Krediten über Wasser gehalten wird, deren Rückzahlung sie durch weitere Auspressung ihres Volkes zu garantieren hat. Sie ist insofern eine labile Macht. Aber sie hat eine Mitgift der von dieser Klasse erdolchten sozialistischen Mutter: die Atomwaffe und zumindest die Reste einer Armee, die gelernt hat, wie Kriege geführt werden und deren Generalstab das nach wie vor kann - davon zeugt der Fallschirmspringer-Coup in den Kosovo hinein. Nachdem Deutschland also zunächst, als die Bomber von der Leine gelassen wurden, das Spiel mitgespielt hat, die NATO anstelle der UNO zu setzen und damit Rußland (und China) an den Rand zu spielen, hat es Rußland als Rettungsanker benutzt, um den drohenden Bodenkrieg abzuwenden. Mit Baron gefragt: Welche Interessen hat Rußland? Die herrschenden Kreise dieses labilen Landes wissen, daß sie das nächste Spielfeld sind, wenn die Sache mit Jugoslawien durch ist. Es geht um den Kaukasus - ihren Kaukasus. Auch Rußland ist nicht der versoffene Jelzin allein. Nüchtern betrachtet liegt die beste Politik auf der Hand: Je intensiver und länger auf dem Balkan und damit auf Kosten der Balkanvölker herumscharmützelt wird, desto mehr Zeit hat das Land bis zum direkten Griff zu seinen Ressourcen. Also hat Rußland die Einladung Deutschlands, sich doch wieder einzumischen, dankend angenommen, hat Diplomaten und am Schluß auch Teile seiner einst ruhmreichen Armee geschickt. Die amerikanische Supermacht steht unübersehbar verdrossen neben der Taschenspielerrunde aus Deutschen, Eurokraten und Russen. Das Hereinholen oder -kaufen der Jelzin-Russen und das Aufweichen der Kapitulations-Linie von Rambouillet hat Belgrad den Rückzug ermöglicht und so Bonn vor der Nagelprobe Bodentruppen bewahrt. Und so stehen im Kosovo jetzt nicht - wie im Bodenkriegs-Fall - nur amerikanischen und britische Truppen, sondern eben auch italienische, französische deutsche und russische - wo auch immer. Das nennt mensch „unentschieden". Unentschieden ist nicht Sieg und das Spiel um die imperialistische Weltherrschaft nach der historischen Niederlage des Sozialismus von 1989 hat erst begonnen. Der Kosovo wird Kräfte binden und dem jungen deutschen Neoimperialismus noch viel Freude machen - das gilt vor allem angesichts der neuen Kumpel von der UCK. Die Krisenreaktionskräfte, die die Bundeswehr zur Zeit erst noch bildet, werden erst mal überwiegend in den Balkan wandern. Für weitere Aufgaben - etwa im Kaschmir-Konflikt, deren Mithilfe bei der Beilegung die G 8 - Runde bereits angedroht hat - stehen sie nicht zur Verfügung. Vermutlich wird es eine längeres deutsches Engagement auf dem Balkan geben. Die Formierung der BlöckeDie NATO gewinnt damit seit 1989 ein Doppelgesicht, das sich in den letzten Jahren immer deutlicher ausgeprägt hat und seit Kosovo eigentlich unübersehbar ist: Sie ist einerseits das gemeinsame Schild, hinter dem die imperialistische Länder in die ehemals sozialistisch organisierten Räume vordringen. Zweitens aber verstärkt sich hinter diesem Schild das Gerangel um die Frage, wer unter den imperialistischen Gruppierungen künftig das Sagen haben soll. Dieser Fahrplan der zunehmenden Konfrontation ist klar und offiziell verkündet: Handelsblatt, 4.1.99: Clinton schlägt vor, daß der US-Militärhaushalt
in den nächsten sechs Jahren um 100 Milliarden Dollar aufgestockt
werden soll - die damals verkündete Aufstockung von 12 Milliarden
allein für das Haushaltsjahr 99/00 dürfte inzwischen nach oben
korrigiert worden sein.
Die Welt, die scheinbar nach 1989 multipolar geworden war, gruppiert sich also nach ihren inneren , von Lenin und Luxemburg um die Jahrhundertwende analysierten Gesetzen in zwei Pole. Recht haben damit übrigens auch die japanischen Genossen, die das in der deutschen Linken liebgewonnene Bild von der „Triade" USA-EU-Japan nie geteilt haben. Angesichts der durch Asienkrise und die neuen Militärrichtlinien USA/Japan noch enger geknüpften Verbindungen zwischen Washington und Tokio zeichnet sich in der Tat immer deutlicher ab, daß die Kerne innerimperialistischer Widersprüche die Dreiergruppen USA/Großbritannien/Japan einerseits und Deutschland/Frankreich/Italien andererseits sind. In diesem beginnenden Spiel ist Deutschland der Herausforderer und der Haupt-Kriegstreiber. Imperialismus bedeutet den Weltkriegszustand in Permanenz. Dieser permanente Weltkriegszustand hat - wie ein Gebirge Berge hat - Höhepunkte, die wir uns angewöhnt haben, Weltkriege zu nennen: also die Phasen 1914/18 und 1939/45. Davor, dazwischen und danach war das dominierende das Kräftesammeln, der Kampf um Positionsgewinne mit nichtmilitärischen Mitteln und das Austragen sogenannter kleinerer Kriege. Zu diesen kleineren Kriegen - die für die Beteiligten, ihr Kinder und Kinderskinder immer die zentrale Katastrophe des Lebens sind - gehört der hinter uns liegende Kosovo-Krieg. Der Kampf zwischen den Höhepunkten ist nicht militärisch dominiert. Das - aber mehr auch nicht - ist der Grund dafür, daß es zur Zeit keine akute Weltkriegsgefahr gibt. Das dritte große Gemetzel ist im Anmarsch, aber es steht noch nicht direkt vor der Tür. Die Hauptstraße der deutschen Herausforderung ist noch (!) nicht
die militärische. Es ist die ökonomische. Das Etappenziel heißt
Euro. Im Kern ist das die Herstellung des D-Mark-Blocks unter Einbeziehung
der französischen und italienischen Bourgeoisie. Damit haben die herrschenden
Monopole zwischen Rhein und Elbe die Ziele von 1915 (bzw. 1940) mit ein
paar Jahrzehnten Verspätung erreicht. In vatikanischen Zeitspannen
gedacht: eine Verspätung von vier, fünf Generationen - also Lappalien.
Die Herstellung einer von Frankfurt gesteuerten Einheitswährung ist
ein gewagter und großer Schritt. Der Vorkrieg, in dem wir leben,
spielt sich vor allem um die Frage ab, ob diese Währung den Dollar
als Weltleitwährung ernsthaft gefährden kann oder nicht. Die
Prognose sei hier gewagt: Wenn der Euro den Dollar real bedroht, dann haben
wir den Vorabend des dritten Weltkrieges erreicht und wenn es den USA gelingt,
England auf seiner Seite zu halten, wird er europäisch beginnen.
Nun sind die Herrschenden in Deutschland nicht bekloppt und sie können rechnen. Das Bruttosozialprodukt betrug 1996 für die USA, Japan und Großbritannien rund 13,6 Billionen Dollar, für Deutschland, Frankreich und Italien zusammen nur knapp 5 Billionen Dollar. Mit diesem Kräfteverhältnis kann man keinen Krieg gewinnen. Zu dieser quantitativen Unterlegenheit kommt die entscheidende qualitative: Euroland hat - bis auf Frankreich - keine ordentliche Atomstreitmacht und sie haben im Weltraum nichts zu melden. Keine herrschende Klasse ist so erfahren wie die deutsche in der Suche, aus der Position des Unterlegenen heraus zu siegen. Sie waren 1914 gegenüber England unterlegen und sie waren es 1941 gegenüber den Alliierten zahlenmäßig ungefähr genauso kraß wie das heutige Kräfteverhältnis von 14:5. Dies ist im übrigen auch der Hauptgrund für die besondere deutsche Aggressivität: Wer sich schwächer wähnt, muß das durch das Überraschungsmoment und Rigorosität auszugleichen versuchen. Also brach 1914 Deutschland Belgiens Neutralität und erfand 1939 das Blitzkriegs-Konzept. Die nächsten ZieleVöllige Unterwerfung aller kontinentaleuropäischen Ressourcen durch die Schaffung der Einheitswährung Einbeziehung Osteuropas in die Eurozone Etablierung des Militärischen als allgemein akzeptiertes Element der Politik Langsamer Aufbau einer eigenständigen kontinentaleuropäischen Militärstreitmacht mit Weltraum- und Atomkomponente. In der Perspektive Herstellung der Parität zum angelsächsischen Block durch Einbeziehung Rußlands und mindestens Neutralisierung Chinas und Japans. Das ist die strategische Grundlinie, an der unübersehbar gearbeitet
wird. Richtung Osteuropa ist ein Rennen im Gang: Wer entfaltet mehr Integrationskraft:
Die NATO als der militärische Arm der USA oder die EU als der ökonomische
Arm Deutschlands? Zur Zeit sieht es so aus. als ob die Ostausdehnung der
EU gelingt. Das wäre nach der Etablierung der militärischen Komponente
durch den Kosovo-Konflikt ein weiterer Schritt in Richtung auf den großen
Krieg. Denn für die Veränderung des oben genannten ungünstigen
Kräfteverhältnisses gibt es einen Schlüssel: Moskau. Noch
einmal: Diese herrschende Klasse ist nicht lernunfähig. Das Konzept
1941 war: Rußland besiegen, seine Ressourcen einverleiben und dann
die USA herausfordern. Das Konzept 1999 ist: Rußland zum Verbündeten
machen, so seine Ressourcen einverleiben und dann die USA herausfordern.
Wenn es dann noch gelingt - Kontakte dazu hat es in den letzten Monaten gegeben - eine Art Verbund EURO/Yen gegen den Dollar zu schaffen und China mindestens neutral zu halten, könnte das Spiel, das 1914 und 1939 schief lief, Anfang 2000 klappen. Denn mit Japan und Rußland an der Seite wäre das ökonomische Kräfteverhältnis gegenüber USA und England ungefähr 9:10 zugunsten von Euroland/Japan und dann kann Mann tief Luft holen und den Fehdehandschuh werfen. Die innere FrontBertolt Brecht hat in seinem Gedicht „An die Nachgeborenen" - also an
uns - von der Verzweiflung geschrieben, „wenn da nur Unrecht war und keine
Empörung". So ist das heute, 1999, ja auch: Da ist Unrecht und zuwenig
Empörung.
Da aber die Situation eben noch nicht so weit ist, daß die Stimmung kippt, werden die nächsten Jahre schwer, sehr schwer werden. Und es ist nicht sicher, ob wir, die Nachgeborenen (und vor allem unsere Kinder) nicht so wie Brecht werden leben müssen, „öfter als die Schuhe die Länder wechselnd". Viel Hoffnung, daß uns die Flucht in eines der angelsächsischen Länder, die schon zweimal den moderaten gegen den aggressiven Kapitalismus verteidigt haben, erspart bleibt, ist nicht. Eine der wichtigsten Aufgaben wird es sein, den Blick auf den Hauptfeind im eigenen Land zu richten. Am alarmierendsten ist in den letzten Monaten noch nicht einmal die Perversion, mit der versucht worden ist, die antifaschistischen Traditionen für die Kriegspropaganda einzuspannen. Alarmierender ist das Anblasen des Antiamerikanismus von rechts. Ob Augsteins „Madeleins Krieg" oder das weite Öffnen des FAZ-Feuilletons für alle Arten der US-Kritik: da werden Fundamente gegossen für die kommenden Lügengebäude. Dies ist deshalb so gefährlich, weil seit dem Vietnam-Krieg die deutsche Linke quasi den Antiamerikanismus mit der Muttermilch eingesogen hat. Dies beinhaltet ein enormes Mißbrauchspotential und die Herrschenden werden es zu nutzen wissen. Es wird schwer werden, aber wenn wir das folgende nicht vermitteln, werden wir noch nicht einmal den Hauch einer Chance haben, den dritten Weltkrieg abzuwenden: Unsere Hauptfeinde sind nicht die Yankees, sondern die Preußen. Der Gegner sitzt nicht in Washington. Er sitzt in Berlin. abgeschlossen am 17.7.99 |