für die Kommunistischen Streitpunkte eingereicht
von Marc R., Teilnehmer am Offenen Kommunistischen Forum Hamburg
Letzten Oktober hielt der deutsche Bundestag eine historische Sitzung
in Berlin, der neuen Hauptstadt Großdeutschlands. Als ihre letzte
Tat, stimmte die ausgehende konservative Regierung von Helmut Kohl zusammen
mit der von Gerhard Schröder geleiteten angehenden SPD/Grüne-Koalition
dafür, die Bundeswehr in Jugoslawien einzusetzen. Dieses Ereignis
fand im alten Reichstagsgebäude statt und symbolisierte die Kontinuität
des deutschen Imperialismus. Hier stimmten die sozialen Demokraten zusammen
mit den bürgerlichen Parteien am 4. August 1914 für Kriegskredite,
als die Schlachten des ersten Weltkriegs begannen. Achteinhalb Jahrzehnte
später wurde die "Berliner Republik" durch Abstimmung für imperialistischen
Krieg eingeführt.
Sechs Monate später griff die Luftwaffe noch einmal Belgrad an.
NATO-Flugzeuge lassen den Tod auf die jugoslawische Hauptstadt regnen,
und versuchen, die Wirtschaft durch die Sprengung von Fabriken, Brücken
und Eisenbahnen überall im Land zu zerstören. Jetzt bombardieren
die Imperialisten Flüchtlingskolonnen in Kosovo, und tun dies als
„kollateralen Schaden" in ihrem „humanitären" Krieg ab. In den letzten
Monaten hat die Clinton-Regierung Krieg im Balkan gefordert, um nach einem
Jahr des Skandals in Washington ihre militärische Kraft zu zeigen
und um Weltpolizist in einer US-dominierten Neuen Weltordnung zu spielen.
Aber für das letzte Jahrzehnt hat deutsche Imperialismus eine erbarmungslose
Kampagne betrieben, um Jugoslawien zu zerstückeln.
Vom monarchischem Zweitem Reich über das faschistischen Dritten
Reich bis zum „demokratischen" Vierten Reich hat deutscher Imperialismus
versucht, seine Herrschaft dem südöstlichen Europa aufzuerlegen
und die lokalen bürgerlichen Staaten schwach und geteilt zu halten.
Zu diesem Zweck hat Kaiser Wilhelms Reichswehr, Hitlers Wehrmacht und die
Bundeswehr alle Serbien angegriffen. Wenn Lateinamerika der „Hinterhof"
des Yankee-Imperialismus ist, ist der Balkan das Hinterland des deutschen
Imperialismus, eine Quelle von Märkten, Nahrungsmitteln und Rohstoffen,
die in Kriegszeit unerläßlich sind. Während die USA und
das Deutschland der NATO heute Angriff zusammen durchführen, wird
im Balkan die Saat gesät für neue Kriege zwischen den Imperialisten.
Nach der Niederlage Nazideutschlands im Zweiten Weltkrieg, wurde ein
westlicher deutscher imperialistischer Staat wiederhergestellt. Für
mehrere Jahrzehnte wurde die Bonner Republik häufig als ein „ökonomischer
Riese und politischer Zwerg" beschrieben. Entschlossen, das horrende Erbe
der Nazi-Holocaust in Vergessenheit zu bringen, behielten Deutschlands
„demokratische" kapitalistische Herrscher ein politisch niedriges Profil
und konzentrierten sich darauf, die mächtigste Wirtschaft in Europa
aufzubauen. Heute ist Deutschland die Achse der kapitalistischen europäischen
Union, dessen neue Währung, der Euro, einfach eine verkleidete D-Mark
ist. Jetzt bringt ein „selbstsicheres" (in den Worten des Kanzlers Schröder)
Deutschland politisch und militärisch Einfluß zur Geltung.
Viereinhalb Jahrzehnte lang lief die Front des Kalten Kriegs mitte
durch Deutschland: im Osten lagen die bürokratisch degenerierten und
deformierten Arbeiterstaaten des sowjetischen Blocks und im Westen lag
der NATO-Imperialismus. Für viele Jahre wurden Westdeutschlands imperialistische
Ambitionen von der Existenz der DDR (und hinter ihr, die Militärmacht
der Sowjetunion) gebremst. Dem Zusammenbruch des stalinistischen Regimes
der DDR Ende 1989 folgte 1990 der Anschluß des ostdeutschen deformierten
Arbeiterstaats an die kapitalistische BRD im Blitzkrieg-Tempo. Seitdem
hat ein zuversichtlich gewordenes Groß-Deutschland ver-sucht, seine
Vorherrschaft über Europa zu festigen.
Aber es dauert bis 1999 und der Installation einer Koalitionsregierung
von SPD und ex-pazifistischen Grünen, um dieses Programm vollständig
zu realisieren. Diese kapitalistische Regierung der „Linke" tut, was Kohl
in zwei Jahrzehnten bürgerlicher Kabinette zögerte zu versuchen.
SPD-Kanzler Schröder, Kriegsminister Scharping und Innenminister Schily,
sowie der grüne Außenminister Fischer waren alle in der „Friedens"bewegung
der achtziger aktiv. Heute führen sie die militärische Aggression
des deutschen Imperialismus an, und sie bremsen Massenproteste durch eine
Volksfront der Klassenkollaboration. In der linken Presse ist viel über
einen „Verrat"der früheren „rot" (oder wenigstens rosa) Achtundsechzigern
an ihren jugendlichen Idealen geschrieben worden. Auch hier gibt es eine
Kontinuität: Vor 15 Jahren demonstrierten sie gegen die Stationierung
von US Pershing-Raketen und sie waren gegen den NATO-Militarismus aufgrund
pazifistisch/environmentalistisch gefärbtem deutschen Nationalismus.
Heute sind sie NATO Kriegshetzer, die deutsche Tornados und Leopard-Panzer
gegen Jugoslawien senden, wieder in den nationalen Interessen des deutschen
Imperialismus.
Ein Kampf gegen die „rot-grüne" Militaristen verlangt keine neue
Auflage der schwarzrotgold-deutsch- nationalistische „Friedens"bewegung,
sondern eine internationalistische Mobilisierung der Arbeiterklasse überall
in Europa und in den USA. Eine breite Palette von Reformisten und Pseudorevolutionären
rufen in sozialpazifistischem Chor dazu auf, die Luftangriffe zu beenden
und die Soldaten nach Hause zu bringen, bevor sie beschädigt werden.
Echte Kommunisten dagegen nehmen Stellung in diesem Kampf. Es ist die dringende
Pflicht der Arbeiterbewegung, scharfen Klassenkampf zu unternehmen, um
Jugoslawien zu verteidigen und den imperialistischen Angriff zu besiegen.
Wie Lenins Bolschewiki im Ersten Weltkrieg es taten, ist es notwendig,
den imperialistischen Krieg mit Klassenkrieg zu bekämpfen. Gegen Burgfrieden
ist letztendlich Bürgerkrieg auf der Tagesordnung, um das kapitalistisch-imperialistische
System, das solche Kriege züchtet, zu zerschlagen.
Hinter dem aktuellen Krieg in Jugoslawien steckt ein Tauziehen zwischen
den großen imperialistischen Mächten, die heute noch Verbündeten,
aber auch in zunehmenden Maße Konkurrenten sind. Washington will
die NATO als Deckung für seine Rolle als Weltpolizist. Berlin sowie
Paris und London wollen eine „europäische Verteidigungsidentität",
um amerikanische Dominanz abzuschütteln. Hinter anscheinend obskurem
Handelsstreit über Bananen und Luxusgüter verbirgt sich einen
Kampf über die Kontrolle der Ölreserven des Kaukasus und des
ehemaligen Sowjetzentralasien. Der Krieg in Jugoslawien bereitet eine zukünftige
Kraftprobe zwischen den imperialistischen Kräften vor. Die Folgen
würden sich vielleicht nicht so unmittelbar auswirken wie in den 1912–13
Balkankriegen, die den Ersten Weltkrieg ein Jahr später auslösten.
Die Konturen einer zukünftigen Auseinandersetzung zwischen der US-Supermacht
und einem deutsch-dominierten Europa nehmen aber schon Form an.
Die Pflicht von Revolutionären in allen imperialistischen
Ländern ist es, auf der Seite der Opfern des US/Nato-Angriffs zu stehen,
und ihre „eigene" Bourgeoisie resolut zu bekämpfen. In den ersten
Protestwochen waren Demonstrationen in vielen Ländern sogar viel kleiner
als sie während des 1991er Golfkriegs gewesen sind. Aber in solchen
Zeiten scharfer internationaler Konflikte kann sich das Bewußtsein
unter den Proletariern, der Jugend und den Unterdrückten rasch entwickeln.
Alle historische Erfahrung zeigt uns, daß Krieg der Vater der
Revolution ist. Das Gespenst eines zukünftigen imperialistischen
Dritten Weltkrieges kann nur durch internationale proletarische Revolution
gebannt werden. Dies ist das Programm, für das die Liga für die
Vierte Internationale kämpft, in ihrer Bestrebung, eine trotzkistische
Weltpartei der sozialistischen Revolution zu schmieden.
„Deutsche an die Front"?
Mitte der Achtziger unterschrieb die SPD ein gemeinsames Kommuniqué
mit der ostdeutschen stalinistischen SED, das in hochtrabender Rhetorik
erklärt, „nie wieder soll Krieg von deutschem Boden ausgehen". Damals
versuchte die SPD, Ostdeutschland durch seine Ostpolitik zu unterhöhlen
(„Wandel durch Annäherung"). Jahrzehnte verräterischer stalinistischer
Politik, eine „friedliche Koexistenz" mit dem Imperialismus zu suchen,
bereiteten den Weg für die Konterrevolution. Die Sozialdemokratie
wurden die Speerspitze der kapitalistischen Wiedervereinigung, welche die
DDR und ihre (bürokratisch verzerrten) sozialen Eroberungen zunichte
machte. Sehr bald fingen die deutschen Kapitalisten an, die Gewerkschaften
und die Wohlfahrtseinrichtungen des „Sozialstaates" anzugreifen. Letzteres
wurde als „deutsches Modell" gelobt, bis zur angeblichen Verbannung der
„roten Bedrohung". Nun ist es als unprofitabel angesehen. Und jetzt (ein
Jahrzehnt später) ist ein imperialistischer Krieg der Aggression von
deutschem Boden ausgegangen.
Als die SPD 1914 ihre Evolution zur reformistischen Unterstützung
des deutschen Kapitalismus durch die Abstimmung über die Kriegskredite
vollendete, erklärte Kaiser Wilhelm, daß er „nicht mehr Parteien
kenne, nur Deutsche". Im Bundestag sind heute 96 Prozent der Abgeordneten
Teil der Kriegspartei. Die PDS, die neugeborenen Sozialdemokraten, die
aus der ostdeutschen stalinistischen SED herauskamen, stimmten gegen den
Bundeswehr-Einsatz. Aber sie will nur dem imperialistischen Angriff eine
UN-Maske aufsetzen, wie im koreanischen Krieg 1950-53. Der parlamentarische
Führer der PDS, Gregor Gysi, erklärte nach seiner Reise zu Belgrad:
„Die Alternative heißt UNO. Die Kompetenz muß von der NATO
zur UNO übergeben werden, um damit auch der bisherigen Weltordnung
zu entsprechen" (Neues Deutschland, 15. April).
Trotz Gysis eindeutiger Loyalitätserklärung gegenüber
der bestehenden (kapitalistischen) Weltordnung, war die SPD über seinen
Besuch beim jugoslawischen Präsidenten Slobodan Miloševic empört.
Schröder erklärte, die PDS müsse aufpassen, sich „nicht
langsam den Vorwurf einhandeln, von einer fünften Kolonne Moskaus
zu einer fünften Kolonne Belgrads zu werden". Aber die PDS dient der
deutschen Bourgeoisie treu. Am Wochenende nach den ersten Bombenangriffen
organisierten sie eine „Antikriegs"-Demonstration von etwa 20.000 Personen
auf dem Berliner Alexanderplatz. Gleichzeitig teilten die PDS Führer
mit, daß die Partei die Koalitionsregierung in Mecklenburg nicht
verlassen würde oder ihre „Duldung" der SPD Regierung in Anhalt-Sachsen
beenden würden. Sicher tun diese eingefleischte Reformisten nichts,
um die Arbeiterklasse gegen den Krieg zu mobilisieren. Die PDS ist nur
Junior-Partner der Kriegskoalition. Im Gegensatz zu den Grünen wurde
ihnen die Möglichkeit noch nicht angeboten, ihre „Antikriegs"-Berufung
zu versteigern.
Vor allem versuchen die PDS und ihre „linken" Anhänger sich den
Interessen des deutschen Imperialismus anzubiedern, indem sie versuchen,
die Schuld am jugoslawischen Krieg ausschließlich den Amerikanern
zu geben. In seinem Neuen Deutschland-Interview erklärte Gysi:
„Und was den Integrationsprozeß in Europa betrifft – Jugoslawien
gehört nämlich zu Europa – sind wir hier um Jahre zurückgeworfen.
Daran kann nur eine Macht Interesse haben – die USA."
Noch offenere Appelle an den deutschen Imperialismus wurden von der
junge
Welt veröffentlicht – Sprachrohr für verschiedene Reste der
stalinistischen SED (die Kommunistische Plattform wie auch die westdeutsche
DKP). Nachdem der Bombenangriff begann, führte die Zeitung Interviews
mit dem ehemaligen deutschen Flottenadmiral und Chef des militärischen
Abschirmdienstes (MAD) Elmar Schmähling und mit dem CDU-Bundestagabgeordneten
Willy Wimmer, der den Bombenangriff als einen „großen Fehler" kritisiert.
Besonders offensichtlich war ein Kommentar vom Hauptredakteur der junge
Welt, Werner Pirker, unter dem Titel „Ein deutsches Wort":
„Es besteht kein europäisches und
auch kein deutsches Großmachtinteresse, Serbien ins historische Niemandsland
zu befördern, zumal die Herren ihrer eigenen Propaganda von Serbien
als dem letzten Bollwerk des Kommunismus nicht unbedingt Glauben schenken
dürften. Trotzdem gelang es der überseeischen Supermacht weitgehend
problemlos, ihr Destabilisierungskonzept für Südosteuropa gegen
die ursprüngliche Kontaktgruppen-Position durchzusetzen, die Integrität
Jugoslawiens für ungültig zu erklären und die großalbanischen
Halluzinationen zur Aggression in eigener Sache zu nutzen. Denn mit der
Unterwerfung Jugoslawiens wäre die Einkesselung Rußlands vollendet.
[...]
Seit Bismarck haben die Deutschen dem Verhältnis
zu Rußland außerordentliche Bedeutung zugemessen. Ihr Versuch,
die russische nationale Existenz auszulöschen, setzte ihrer eigenen
beinahe ein Ende. Die Blockade, die nun vom IWF über Rußland
verhängt wird, verfolgt das gleiche Vernichtungsziel. Und das Ziel
der neoliberalen Supermacht nach alleiniger Weltherrschaft."
Also, diesen angeblichen Linken zu Folge, war das Problem mit Hitler, daß
er „deutsches Großmachtinteresse" bedrohte!! Possenhaft! Pirkers
„deutsches Wort" ist ein besonders groteskes Beispiel eines verbreiteten
Themas in den Antikriegsprotesten. „Amis go home!"-Rufe sind im deutschen
nationalistisch-pazifistischen Milieu fast instinktiv geworden.
Zu behaupten, daß der deutsche Imperialismus keine eigenen Interessen
daran hat, Jugoslawien militärisch anzugreifen und zu zerstückeln,
bedeutet, ihre eigene Bourgeoisie zu entlasten. . . und mehr als ein Jahrhundert
deutscher Geschichte zu leugnen. Die kontinentale Macht Deutschland versuchte
wiederholt ihre eigene Vorherrschaft über „den Südosten" einzuführen,
d.h. die Verhinderung oder die Zerstörung jedes Staats, der die Südslawen
umfaßt. Die deutsche Linke baut auf bürgerliche Antikriegssentiments
und appelliert an imperialistische „Nationalinteressen". Damit erklärt
sie ihr Loyalität gegenüber ihren bürgerlichen Herrschern
in zukünftigen imperialistischen Konflikten, genauso wie Schröder,
Fischer und Scharping es taten in der deutsch-nationalistischen „Friedens"-bewegung
der Achtziger.
Der soziale Patriotismus von vielen „Antikriegs"-Sprechern nimmt lächerliche
Ausmaße an. So hat PDS-Bundestagsabgeordneter Winfried Wolf das Gespenst
angehoben: „Sagen sich die Alliierten möglicherweise erneut, wie Ende
des letzten Jahrhunderts beim Boxer-Aufstand in China, ,The Germans to
the front‘?" (Junge Welt, 10. April). Wolf wurde lange mit Ernest Mandels
Marke des Pseudotrotzkismus verbunden. Also haben wir hier das Spektakel
dieses Ex-Pseudotrotzkisten, der besorgt ist, daß die arme Bundeswehr
von ihren Verbündeten in die Front gedrängt wird! Deswegen will
er Kriegsminister Scharping fragen „wie [...] ist es um den Schutz der
deutschen Soldaten im mazedonischen Tetovo bestellt?" Er befürchtet,
daß das Bundeswehr-Lager dort einem Angriff durch serbische Artillerie,
Milizen oder sowjetische „Frog" Boden-Boden-Raketen ausgesetztsein könnte!!
Jedoch halten sich die mazedonischen Expeditionskorps der Bundeswehr bereit,
in Jugoslawien als Frontkämpfer für das Vierte Reich einzudringen.
Es ist die deutsche Bourgeoisie, die „Germans to the
front" befürwortet. Das rosa und olivgrüne Kabinett hat die Gelegenheit
eifrig ergriffen, deutsche militärische Macht im Ausland einzusetzen.
„Humanitäre" Kriegspropaganda wird verwendet, um historische Aversionen
sowohl zuhause als auch auf dem Rest des Kontinents zu überwinden,
um zu sehen, wie deutschen Truppen wieder durch Europa marschieren. Wenn
sich amerikanische Generäle und die strategischen Analysten des Weißen
Hauses sich um ein „Vietnam Syndrom" sorgen, das militärische Abenteuer
im Ausland bremst, sind ihre deutschen Pendants zuhause mit einem noch
größeren „Dritten- Reich-Syndrom" gegenüber Krieg konfrontiert.
Tauziehen in der NATO
Es ist wahr, daß seit dem angeblichen Raçak-Massaker
im Januar Washington auf Krieg gegen Jugoslawien gedrungen hat. Dies war
der opportune Vorwand für die Bombenangriffe. In einem einzelnen Raketenangriff
auf eine Flüchtlingskolonne wurden zweimal so viele Albaner von der
US-Luftwaffe getötet als in diesem finsteren Vorfall in einem von
der Kosovo Befreiungsarmee (UÇK) kontrollierten Bereich starben.
Ein früherer Funktionär von „Ärzte ohne Grenzen", Jean
Christophe Rubin bemerkte in Le Monde:
„Die NATO definiert einen Feind, droht ihm und
greift letztendlich an und zerstört ihn... Um so eine Maschinerie
in Bewegung zu bringen, einem Auslösermechanismus ist notwendig...
Der Hebel der NATO ist heute... humanitär. Es braucht Blut, ein Massaker,
etwas, das die öffentliche Meinung so wütend macht, daß
es eine gewalttätige Reaktion begrüßen wird ... Um es ganz
offen zu sagen: Der Westen braucht Leichen... In Kosovo warten wir auf
sie, und wir bekommen sie."
Er wies darauf hin, daß in diesem Einsatz sogenannte nicht-staatliche
Organisationen (NGOs) und „Menschenrechts"organisationen eine Schlüsselrolle
beim Vorbereiten des Terrains spieen. Und dann gibt es die Rolle der Medien
in der Kriegshetze. Die taz versucht seit Monaten Kriegsstimmung zu erzeugen.
Sie veröffentlichten Berichte über Massaker in Kosovo, die später
dementiert werden mussten.
Die Herrscher der USA haben zwar am meisten auf einen militärischen
Angriff auf die Serben gedrungen. Sie wollen aber an der Spitze der Truppe
stehen und sich vergewissern, daß sie unter amerikanischem Befehl
bleibt. Schon vor einem Jahr verweigerte Bonn seine Zustimmung zur Unterbindung
von Waffenlieferungen aus Albanien an die UÇK. Bonn sagte, dies
wird „Unterstützung des serbischen Unterdrückersystems gegen
die Kosovo-Albaner" bedeuten (Frankfurter Allgemeine Zeitung, 28.
Mai 1998). Jungle World (14. April) berichtete, daß in der
NATO-Planung, der Kopf des militärischen Komitees des Bündnisses,
der deutsche General Klaus Naumann offen für einen Bodenkrieg eintrat.
Die Mehrheit seiner imperialistischen Verbündeten wiesen dies als
zu riskant zurück. Der Journalist bezieht sich auf einen Spruch der
vierziger Jahre, nach dem die NATO dazu dienen sollte, „die Russen raus,
die Deutschen unten und die Amerikaner drin zu halten". Er fragt: „Beim
Übernehmen des Befehls des Kosovo-Krieges und der Kontrolle der von
Deutschland losgelassenen Dynamik, wollten die USA die europäische
Union oder ihre deutsche Führungsmacht ,unten halten‘"?
Simultan mit dem Krieg gegen Jugoslawien feiert die NATO ihren 50.
Jahrestag mit einem Gipfelfest. Aber die Feiern verbergen wachsende Unterschiede.
Die Kriegsplaner im Pentagon und im nationalen Sicherheitsrat wollen einen
„neuen strategischen Begriff" entwickeln. Dies soll die antisowjetische
Strategie ersetzen, die den USA erlaubte, Hegemonie unter den Imperialisten
zu behalten. Da der gemeinsame Feind verschwunden ist, will die USA, daß
die NATO als einer selbstmandatierte internationale Polizei für „out-of-area"
Einsätze dient. Liberale klagen darüber, daß Washington
sich nicht einmal darum kümmerte, nach einer UN Resolution zu fragen.
Aber das war weder Versehen noch Arroganz – es sollte einen Präzedenzfall
etablieren.
Der wirkliche unmittelbare Faktor, der Washington dazu bewegt, die
Führung der Kriegskampagne gegen Jugoslawien zu übernehmen, war
nicht ein nützliches (wenn nicht überhaupt fabriziertes) Dorfmassaker,
sondern eine Besprechung letzter Dezember zwischen Großbritannien
und Frankreich mit deutscher Zustimmung. Diese forderte die europäische
Union auf, „die Kapazität für autonome Handlung, gestützt
von glaubwürdigen militärischen Kräften" zu entwickeln.
Wenn Washington nicht die Führung ergriffen hätte, hätte
es dieser autonomen Handlung in Kosovo gegenüber gestanden.
Der Hauptarchitekt solch einer „autonomen" europäischen militärischen
Kraft wäre derselbe General Naumann, der heute das militärische
Komitee der NATO leitet. Reformistische Kritiker des jugoslawischen Krieges
beklagen Washingtons Zertrampeln des Rechtes auf nationale Souveränität.
Naumann aber erklärte in einem neuen Interview mit dem Stern
(31. März): „Alle Bemühungen, nach Ende des Kalten Krieges eine
neue Weltordnung zu schaffen, sind bisher gescheitert. Aber nationale Grenzen
verlieren immer mehr an Bedeutung." Naumann wurde gefragt, ob die europäischen
NATO-Länder da nicht zum Hilfstrupp für den selbsterklärten
Weltpolizisten USA werden. Er antwortet: „Ohne die Amerikaner geht gegenwärtig
nichts [...]Wir können doch nicht darüber klagen, daß Amerika
zu mächtig ist. Den Europäern fehlt der geschlossene politische
Wille".
Wenn ein deutscher imperialistischer General erklärt, daß
Grenzen immer mehr an Bedeutung verlieren und „geschlossenen politischen
Wille" fordert, sind die Völker seines Hinterlandes gewarnt. 1992
veröffentlichte Naumann, damals Generalinspekteur der Bundeswehr,
„Verteidigungspolitische Richtlinien," wo er das Ziel von Bundeswehr-Einsätzen
definiert als: die Verteidigung von Deutschland gegen externe Gefahr und
die „politische Erpressung" sowie auch „die Aufrechterhaltung des freien
Welthandels und des Zugangs zu strategischen Rohstoffen überall in
der Welt im Rahmen einer gerechten Weltordnung". Auf dem Schlachtfeld von
Jugoslawien werden heute sowohl Washingtons als auch Berlins strategische
Begriffe ausgetragen, während Serben und Albaner den Preis in Form
von Opfern und ökonomischer Verwüstung bezahlen.
Wie Bonn die Auflösung von Jugoslawien
durchsetzte
In unserer Erklärung vom 2. April wiesen wir auf Beweise hin, nach
denen das UÇK von Anfang an vom MAD bewaffnet wurde,
besonders aus NVA-Bestände. Außerdem gibt es zahlreiche Hinweise
auf Verbindungen zwischen der UÇK und dem BND. Sogar die New
York Times zitiert US-Beamte, die feststellen, daß diese kosovarische
Marionettenarmee in Rauschgifthandel verstrickt ist. In der Tat, die ganze
Operation erinnert stark an die nicaraguanischen Contras, die von Washingtons
Geheimdienstlern zusammengebastelt wurden. Nur sind in diesem Fall die
Puppenspieler Deutschen statt Amerikaner gewesen. Die UÇK macht
kein Hehl daraus, ein bloßes Werkzeug der Nato zu sein. Jedenfalls
schwenken kosovarische Demonstranten in Deutschland amerikanische Fahnen
und Plakate, die verkunden: „NATO, wir sind ihre Bodentruppen!" (Spiegel,
5. April).
Dies ist Teil einer breiteren deutschen Politik, die mehr als
ein Jahrzehnt aggressiv versucht hat, Jugoslawien zu zersplittern. Die
jugoslawische Föderation fiel schon aufgrund der zentrifugalen Kräfte
des Marktes auseinander. Die wohlhabendere Republiken (Slowenien und Kroatien)
wollten sich von der Finanzierung der Entwicklung der ärmeren Südregionen
befreien. Sie suchten Zugang zur kapitalistischen „Europäische Gemeinschaft".
Obwohl Jugoslawien unter Tito und seinen Nachfolgern sich als sozialistisch
bezeichnete, war das durchschnittliche Einkommen in Kosovo kaum ein Sechstel
dessen von Slowenien. Serbenführer Miloševic tat einiges, mit seinen
nationalistischen Hetzreden nationale Spannungen zu verschlimmern, insbesondere
gegen die Kosovaren. Dies spielte den prokapitalistischen kroatischen und
slowenischen Nationalisten in die Hände. Die stalinistische Bürokratie
unter Tito und seinen Nachfolgern unterhöhlte die Grundlagen des jugoslawischen
deformierten Arbeiterstaats. So bereiteten sie den Weg vor für Konterrevolution
und die Zerstörung des Landes. Aber der Todesschlag kam von Bonn.
Als Kroatien einseitig die Unabhängigkeit erklärte,
und militärische Einsätze gegen die jugoslawische Nationale Armee
(JNA) Mitte 1991 begann, sagte der deutscher Außenminister Hans-Dietrich
Genscher dem Zagreber Regime: „Jeder abgegebene Schuß bringt die
Unabhängigkeit näher". Nicht nur die regierende CDU/FDP-Koalition
befürwortete diese Linie. Die Grünen unter Fischer forderten
die Anerkennung den abgespaltene nordjugoslawischen Republiken seit August
1991. Ein Kreis von SPD-Politikern um Karsten Voigt und Norbert Gansel
gab den entscheidenden Stoß für einseitige deutsche Anerkennung
von Slowenien und Kroatien.
Washington sträubte sich zunächst gegen die Zersplitterung
Jugoslawiens. Die USA setzte auf den ehemaligen Bankier, der an der Macht
in Serbien gekommen war – Slobodan Miloševic. Deutschlands europäische
Verbündete Großbritannien und Frankreich, traditionell mit Serbien
verbunden, zögerten auch. Die UN hatte auf bestimmte „Menschenrechts"-Bedingungen
bestanden. Diese schließen Garantien der Rechte der nationalen Minderheiten
ein. Aber im Oktober 1991 stimmten sämtliche Parteien im Bundestag
dafür, die abgespaltenen Republiken anzuerkennen, wenn dies nicht
von der EG unterstützt würde. Und diese Anerkennung wurde unabhängig
von Garantien für die Minderheiten. Als Indiz für die Wichtigkeit
die Bonn dieser Sache beimaß mag gelten, daß Deutschland auf
einem EU-Treffen in Maastricht im Dezember 1991 die Anerkennung der Unabhängfikeit
Sloweniens und Kroatiens zu einer Bedingung für den Beschluß
zur Einführung einer gemeinsamen Währung machte – zentraler Bestandteil
des Maastricht-Abkommens. Der Rest der Regierung stimmte dem zu. Kohl erklärte,
dies sei „ein großer außenpolitischen Erfolg für die deutsche
Regierung, die seit langem auf die Anerkennung von Slowenien und Kroatien
gedrungen hat". Dann ging Bonn vor und erkannte sie dennoch einseitig.
Eine Woche später folgte die Anerkennung durch den Vatikan.
Die neuen Staaten waren praktisch Neokolonien von Deutschland.
Der faschistische Gewaltherrscher in Kroatien, Tudjman, erklärte:
„Wir Kroaten haben keine Furcht vor einem wiedervereinigten Deutschland.
Im Gegenteil, je stärker ein vereinigtes Deutschland, desto besser
wird es für Kroatien." Es war niemandem entgangen, daß die zwei
Staaten, die Kroatien anerkannt hatten, dieselben waren, die den faschistischen
Ustascha-Staat im Zweiten Weltkrieg unterstützt hatten. Deutschland
gab nicht nur diplomatische Unterstützung, es bewaffnete auch seine
Neokolonie. Ein Bericht der UN klagte Deutschland an, weil es das Waffenembargo
durchbrochen und Kroatien 60 Panzer geliefert hatte. Inzwischen traten
Dutzende deutscher Söldner in die kroatische Armee und die HOS-Miliz
ein, viele von ihnen Nazis. Die berüchtigte „schwarze Legion", der
HOS, wurde von einem Deutschen geführt.
Seit Jahren sind die westlichen Medien voll von sensationellen
Berichten über „ethnische Säuberungen" durch serbische Einheiten
in Bosnien und Kosovo. Die Gruelgeschichten werden selektiv ausgewählt
und manipuliert, um Akzeptanz für „humanitäre Eingriff" (d.h.
Krieg gegen die Serben) zu erzeugen. Geschichten über serbische Konzentrationslager
wie Omarska wurde große Publizität gegeben, während kroatische
Lager wie Capljina nicht erwähnt wurden. Ein Dokument des Roten Kreuz
berichtete von 46 Internierungslagern in Bosnien 1993. Die Mehrheit davon
(mit der größten Anzahl von Gefangenen) wurden von der bosnischen
Regierung kontrollierten. Inzwischen führte die Unabhängigkeit
der zwei nördlichen jugoslawischen Republiken schnell zur Zersplitterung
von Bosnien-Herzegovina, und zum fünfjährigen Krieg dort, der
Tausende von Leben gekostet hat.
Alle Seiten in diesem Kampf versuchten, nationale Minderheiten
zu vertreiben, um ethnisch homogene nationale Staaten zu konsolidieren.
In diesem Kampf waren die meisten „ethnisch gesäuberten" Flüchtlingen
Serben. Dies schließt 250.000 Serben aus der Krajina-Region (wo sie
seit Jahrhunderten gelebt hatten) ein. Sie wurden vom Tudjman-Regime vertrieben.
70.000 Serben wurden aus Sarajevo vertrieben, vom islamisch-fundamentalistischen
Izetbegovic-Regime in Bosnien. Die serbischen nationalistischen Kräfte
in Bosnien haben schreckliche Verbrechen begangen, genauso wie die bosnische
Mosleme und Kroaten. Der Westen behauptet, „multiethnische Demokratie"
in Jugoslawien zu befürworten. Tatsache aber ist, daß Serbien
der ethnisch heterogenste Bestandteil früheren Jugoslawiens ist. 63
Prozent seiner Bevölkerung sind Serben, 14 Prozent Albaner und 23
Prozent andere Minderheiten. Slowenien, Kroatien und die kroatischen und
bosnischen Teile von Bosnien sind alle mehr als 90 Prozent ethnisch homogen.
Vom zweiten Reich zur vierten:
Kontinuität Deutschlands antiserbischer Politik
Deutschlands antiserbische Politik geht bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts
zurück. Friedrich Liste, der „Vater deutscher nationaler Wirtschaftswissenschaften",
erklärte das „ganze südöstliche Europa" zum deutschen Hinterland.
Kaiser Wilhelm betrachtete es als eine Brücke zum Nahen Osten, wegen
seinen Ambitionen auf eine deutsche Einflußzone von Berlin bis Bagdad.
Deswegen waren deutsche Regierungen konsequente Gegner einer starken Kraft
der Südslawen auf dem Balkan. Deutschland wollte den Balkan „balkanisieren",
in leicht kontrollierbare kleine Staaten unterteilen. Nach der Einigung
Deutschlands unter Bismarck 1870, steigerte Berlin seine Bemühungen,
russischen Einfluß in der Region zu verhindern. Als 1875/76 ein Aufstand
gegen das sterbende Osmanische Reich ausbrach, rebelliert die Serben mit
russichen Unterstützung. Ein militärisches Dokument beschrieb,
was nunmehr die konstante deutsche Politik im Balkan geworden ist: „die
griechische, die albanischen und die moslemischen Elemente zu unserem Vorteil
auszunutzen und diese Stämme gegen die Südslawen auszuspielen"
(zitierte in Klaus Thörner „Divide et impera!" Jungle Welt,
14. April). Die Berliner Konferenz 1878 unter Bismarck etablierte Serbien,
Montenegro, Rumänien und Bulgarien als kleine Staaten, die wirtschaftlich
abhängig von Deutschland waren. Im Balkankrieg 1912 wurden die Staaten
der Balkanliga von Rußland gegen das osmanische Reich gestützt.
In der anschließenden Friedenskonferenz aber versuchten Deutschland
und Österreich eine Erweiterung Serbiens zu verhindern. Albanien wurde
als ein Pufferstaat errichtet, sogar mit einem deutschen Prinzen.
Als nach dem Attentat eines serbischen Nationalists auf Erzherzog Ferdinand
in Sarajewo der ersten Weltkrieg ausbrach, erklärte der deutsche Kaiser,
„mit den Slawen, muß man nach der Regel divide und impera
verfahren" (die römische imperiale Politik von teil und herrschen).
Die „Slawen werden nicht geboren, um zu herrschen, sondern zu dienen,"
fügte er hinzu. Wenn Serbien nicht kapitulieren würde, „wird
Belgrad bombardiert und besetzt". Wie 1991 und wie heute, spielten die
sozialen Demokraten eine besonders verräterische Rolle. „Die Losung
,Serbien muß sterbien‘, zuerst von der Arbeiterzeitung (dem
zentralen Organ deutscher sozialer Demokratie in Österreich) erhoben,
war sehr beliebt in Deutschland" (Ralph Hartmann, „Die ehrlichen Makler"
Die deutsche Außenpolitik und der Bürgerkrieg in Jugoslawien.
Eine Bilanz [1998]).
Nach Deutschlands Niederlage im imperialistischen Weltkrieg und der
Zerschlagung von versuchten Arbeiterrevolutionen 1918 und 1923, war die
Weimar Republik zu schwach, um viel im Balkan zu erreichen. Mit dem Beginn
der Weltwirtschaftskrise und den daraus folgende Handelskriegen aber wendeten
sich die deutsche Regierung und die deutschen Kapitalisten in Richtung
südöstliches Europa, um unerläßliche Ressourcen zu
sichern, sogar bevor Hitler an der Macht kam. Unter dem Nazi-Regime führte
eine „Verrechnungs"system von Handelsquoten und Preisgarantien dazu, daß
der deutsche Anteil an jugoslawischen Importen von 18 Prozent 1934 auf
55 Prozent (1938, nach dem Anschluß Österreichs) anstieg (Johann
Wuescht, Jugoslawien und das Dritte Reich [1956]). Die Situation
war in Bulgarien und Rumänien ähnlich.
Im Frühjahr 1941 dachte Hitler, daß er Jugoslawiens
Eintritt in den Dreierpakt erzwingen könne. Als dies führte zu
einem Volksaufstand April 1941, führte Nazi-Deutschland einen Blitzkrieg
gegen Jugoslawien. Er fing an mit einem Bombenangriff auf Belgrad am Ostern.
Hitler gab die Befehl „Jugoslawien ... als eine Staatsorganisation soll
zerschlagen wurden". In seinem Tagebucheintrag für den 7. April 1941
gab Nazipropagandaminister Joseph Goebbels Richtlinien für Propaganda
mit: „Kroaten: steicheln! Autonomie... Spitze gegen Serben. Vor allem bezüglich
der Kroaten, Haß gegen Serben schüren". Hitler errichtet einen
pro-österreichischen faschistischen „Freistaat" in Kroatien und riet
Ustasha-Führer Pavelic zu einer „national intoleranten Politik, um
die relativ starke serbische Minderheit in Kroatien zu reduzieren" zu verfolgen,
für fünfzig Jahren. Dies ist genau das, was das kroatische Regime
von Pavelic-Bewunderer Tudjman mit deutschen Waffen und amerikanischen
Beratern getan hat.
Während des Kriegs wurde ein großer Teil Kosovos aus
dem deutsch-besetzten Serbien ausgegliedert und an Albanien angeschlossen.
Albanien wiederum war ein italienisches Protektorat. Als Italien sich 1943
ergab, besetzte die Wehrmacht auch Albanien. Um die jugoslawischen Partisanen
zu bekämpfen, rekrutierte Himmler eine albanische Waffen-SS Bergdivision,
die Skander-Beg-Division, die im Prizren in Kosovo ihre Hauptquartier hatte.
Interessanterweise, sollte ein gewisser Kurt Waldheim, der zukünftige
Präsident Österreichs und Generalsekretär der Vereinten
Nationen, die albanischen Einsatzgruppen der Wehrmacht im Auge behalten.
Damals war er Abwehroffizier der Armeegruppe E in Saloniki, verantwortlich
für die ganze Südbalkanregion. Sein Kommandant erteilte folgenden
Befehl: „Keine Liquidierung der Albaner in deutschen Konzentrationslagern
wegen der ausgezeichneten Haltung von albanischen Einheiten auf der Ostfront".
Zerschlagt den Imperialismus durch internationale
sozialistische Revolution!
So ist es klar, daß die Politik, Jugoslawien zu zersplittern,
eine Konstante des deutschen Imperialismus im 20. Jahrhhundert gewesen
ist. Während deutsche und amerikanische kapitalistische Herrscher
im Krieg gegen Jugoslawien verbunden sind, unterscheiden sich ihre Zwecke.
Die USA wollen ihre Rolle als imperialistische Vorherrscher verstärken.
Sie versuchen, ihre deutschen und anderen europäischen imperialistischen
Verbündeten/Rivalen unter Kontrolle zu halten. Deutschland ist mehr
an regionaler Vorherrschaft interessiert, einschließlich der Kontrolle
über Rohstoffe (wie Eisen- und Chrombergwerke im nördlichen Kosovo),
landwirtschaftliche Produkte und Märkte. So steht es in Naumanns Verteidigungspolitikrichtlinien.
Jene, die sich auf Deutschlands Großmachtinteressen stützen,
um gegen den Krieg zu sein, schlagen einfach ein wirksameres Mittel für
imperialistische Vorherrschaft über die Region vor. Dies ist ziemlich
explizit unter manchen im PDS-Milieu, die deutsche Politik in Richtung
langfristiger Bündnisse mit dem kapitalistischen Rußland verändern
wollen (wobei ihre frühere Verbindungen zur UdSSR lukrativ wären).
Einen Admiral Schmähling, (ehemaligen Chef des MAD) aufzurufen,
die Opposition gegen den Krieg zu führen ist, wie den Nazi-Abwehr-Chef
Admiral Canaris dazu aufzurufen, gegen Hitler anzutreten. Aufrufe für
„Frieden" innerhalb des kapitalistischen Systems bedeuten nur die Verschiebung
militärischer Konflikte. Aber imperialistische „Friedenspolitik" (wie
von der „rot-grüne" Koalition verkündet) wird zu einem späteren
Datum Kriegspolitik. Um das imperialiste, kapitalistische System zu bekämpfen,
das zu zwei Weltkriegen in diesem Jahrhundert und unzähligen regionalen
Kriegen geführt hat, ist es notwendig, die Macht der Arbeiterklasse
zu mobilisieren. Selbst nach großen Entlassungen hat Deutschland
eines des stärksten industriellen Proletariate auf dem Planeten. Aber
seine potentielle Stärke muß auf einer revolutionären Klassenbasis
mobilisiert werden.
Selbst jene „Antikriegs"-Gruppen und Personen, die sich nicht direkt
auf deutsche nationale Interessen rufen, bauen ihre Opposition darauf,
die angeblichen Regeln des gegenwärtigen kapitalistischen Systems
durchzusetzen. Viele der Antikriegsappelle basieren auf der Klausel im
Grundgesetz, wonach es illegal ist, einen Aggressionskrieg zu unternehmen.
Dies ist die Art von leerem Prinzip, das viele bürgerliche Verfassungen
schmückt. Es bedeutet überhaupt tnichts. Dieselbe Verfassung
garantiert volle Beschäftigung, aber Deutschland hat jetzt Millionen
von Arbeitslosen, so viele wie am Vorabend der Nazi Macht-Übernahme.
Während solche Appelle scheinbar ein Mittel sind,breite Unterstützung
zu finden indem man sich auf ein angebliches rechtliches Verbot stützt,
würde dies die Massen aber nur betrügen, indem man ihnen vortäuscht,
daß sie den Krieg durch solche Mittel bekämpfen können.
In der Praxis bedeutet es, dieselben Bundesrichter in Karlsruhe heranzuziehen,
die das Einsperren von früheren DDR Führern der DDR und die Abschiebung
von Zehntausenden von Kurden gutgeheißen haben.
Appelle an die Fiktion des „internationalen Gesetzes" und an
die Vereinten Nationen, wie in einem Aufruf Berliner Gewerkschafter am
3. April, sind auch gefährlich. Die UN diente als ein Deckmantel für
imperialistische Angriffe in Korea sowie im Kongo. Diese Höhle imperialistischer
Räuber bereitete den Weg zum persischen Golfkrieg mit seinen Sanktionen
vor. Sie versucht weiterhin den Irak zu unterjochen, und dies führt
zum Tode von Hunderttausenden von Irakern. Andere heben hervor, daß
die NATO eine „souveräne Nation" angegriffen hat. General Naumann,
Kanzler Schröder und Präsident Clinton haben es klar gemacht,
daß sie bereit sind (und sogar scharf darauf), auf der Souveränität
kleiner Nationen herumzutrampeln. Aber was ist Souveränität –
es ist das Recht nationalen Herrscher auf exklusive Kontrolle über
„ihr" Gebiet. Durch die Behauptung, serbische „Souveränität"
zu bewahren, haben Miloševic & Co. jahrelang das Recht der großen
albanischen Mehrheit auf Unabhängigkeit geleugnet. Marxisten verteidigen
das Recht auf Selbstbestimmung von Nationen und Nationalitäten, aber
sie kämpfen um die unbeschränkte Vorherrschaft von der Arbeiterklasse
durch einen proletarischen Staat.
Der Appell der Berlin Gewerkschafter fordert „eine Rückkehr
zu Verhandlungen". Aber die „Verhandlungen" in Rambouillet waren eben keine,
sondern nur ein imperialistisches Diktat. Der NATO-Entwurf enthielt das
Recht von Nato-Truppen, überall in Jugsolawien hinzugehen und sich
zu stationieren, auf Kosten der jugoslawischen Regierung. Dies würde
nicht nur ein Kolonialprotektorat in Kosovo, sondern überall im Land
einführen. Revolutionäre Marxisten fordern: BRD/USA/UN/NATO raus
aus dem Balkans und bleibt draußen! Das Hauptproblem im Krieg gegen
Jugoslawien ist die Frage des Imperialismus und der Kampf, um ihn zu zerschlagen.
In einer Diskussion über Lateinamerika in den dreißigern stellte
der bolschewistische Revolutionär Leo Trotzki die Frage, wo Revolutionäre
in einem militärischen Konflikt zwischen England und Brasilien stehen
sollten. Er antwortete:
„Ich frage Sie, auf wessen Seite des Konflikts
wird die Arbeiterklasse sein? Ich antworte für mich persönlich
– in diesem Fall werde ich auf der Seite des ,faschistischen‘ Brasilien
gegen das ,demokratisches‘ Großbritannien sein. Warum? Weil in dem
Konflikt zwischen ihnennicht um eine Frage von Demokratie oder Faschismus
geht. Wenn England siegreich sein sollte, stellt es einen anderen Faschisten
in Rio de Janeiro an die Macht und legt Brasilien doppelt in Ketten."
– „Anti-imperialistischer Kampf ist der Schlüssel
zur Befreiung" (September 1938)
Es ist nicht schwer, zu begreifen, was heute in Kosovo geschehen würde,
sollten die NATO-Imperialisten die jugoslawische Armee besiegen und Serbien
unterjochen. Es würde sicher zur unmittelbaren „ethnischen Säuberung"
der Serben aus Kosovo führen. Irgendein anderer nationalistischer
Schlächter würde an der Stelle der gegenwärtigen Herrscher
installiert.
Heute ist es entscheidend, klare Stellung nicht nur gegen die
Bombenangriffe, sondern für die Verteidigung von Jugoslawien, für
die Niederlage des von deutschem und US Imperialismus geführten NATO-Angriffs
und für die Mobilisierung der Arbeiterklasse auf der Basis eines revolutionären
Programms zu nehmen. Als einen ersten Schritt rufen wir zu Arbeiteraktionen
auf, um den Transport von Kriegsmaterialien auf Zügen, Lastwagen,
durch Luft oder in den Häfen zu blockieren. Die Aktion von griechischen
Eisenbahnern, die sich weigerten, Kriegsmaterial der NATO zu transportieren,
sollten andere Taten ermütigen. Aber was ganz dringend erforderlich
ist, ist der Aufbau einer revolutionären Partei wie die der Bolschewiki,
die im Kampf gegen den ersten imperialistischen Weltkrieg geschmiedet wurde.
Solch eine Partei würde seinen Kampf gegen den Krieg nicht auf Appelle
zu bürgerlichen Politikern, sondern auf internationalen Aufrufe für
Kampf durch die Arbeiterklasse basieren.
Es wird keine „multiethnische Demokratie" in Jugoslawien geben. Die
neuen kapitalistischen Staaten hier werden auf der Basis des Anschürens
von virulentem nationalem Haß gebaut. Ihnen fehlt Kapital und jede
Möglichkeit, ihrer Bevölkerung adäquate Lebensbedingungen
zu liefern. Was im letzten Jahrzehnt im früheren Jugoslawien geschehen
ist, ist nicht das Ergebnis des „uralten nationalen Hasses", sondern einer
absichtlich aufgeschürten chauvinistischen Hysterie konterrevolutionärer
Kräfte. Der einzige Weg, sie zu besiegen, ist durch
den Kampf für Arbeiterrevolution. Dies wäre die Basis für
echte Gleichheit und Bruderschaft im Rahmen einer sozialisierten Planwirtschaft
in einem Staat der auf Arbeiterräten basiert. Um diesen Staat zu führen
und den Kampf dafür zu leiten, müssen leninistisch-trotzkistische
Parteien aufgebaut werden, die auf dem Programm der sozialistischen Weltrevolution
basieren. Dieses Programm wurde durch die Kommunistische (Dritte) Internationale
in ihren frühen Jahren verkörpert und von Trotzkis Vierter Internationale
weitergeführt. Die Liga für die Vierte Internationale und ihre
Sektionen versuchen solch eine Partei aufzubauen. Wir wollen das revolutionäre
Programm und Bewußtsein in jeden größeren Kampf der Arbeiter
und Unterdrückten einbringen, sei es der Kampf gegen Polizeibrutalität,
sei es die Verteidigung von Immigranten, sei es der Kampf gegen den imperialistischen
Krieg.
Nach The Internationalist, Nr. 7, April/May
1999 (gekürzt)
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